Freitag, 22. Mai 2015
Auf der Insel lebt ein Wesen des Bösen. Der Ronin Kogaratsu wird angeheuert, um ein ganz besonderes Exemplar dieser Kreaturen zur Strecke zu bringen. Er ist nicht der erste, der diesen Versuch unternimmt. Vielleicht wird er der letzte sein, aber seine Chancen stehen nicht gut. Auf der Insel erwartet ihn eine junge Frau. Er hätte nicht gedacht, dass der Empfang so sein wird. Ruhig, gefasst, heiter sogar tritt ihm Ako, die Tochter eines Fürsten gegenüber. Bislang hat sie jeden und alles in ihrem Umfeld verdorben, nicht selten getötet. Kogaratsu sieht nur eine junge hochnäsige Frau und begeht den Fehler, sie zu unterschätzen. Warum sollte ein Krieger vor einem dürren Geschöpf, dem als Waffe nichts anderes als eine spitze Zunge zur Verfügung steht, Furcht verspüren?
Bosse (Text) und Michetz (Zeichnungen) tauchen tief in eine japanische Gefühlswelt ein, in der Ehre, Stolz und Geister eine wichtige Rolle spielen. Das Böse wandelt in menschlicher Gestalt umher und entehrt jene, die verwandtschaftlich mit ihm verwoben sind. KOGARATSU tritt als Krieger auf, dem nichts Böses mehr fremd zu sein scheint, von Professionalität bis ins Mark durchdrungen ist und keinerlei Probleme damit hat, eine unbewaffnete Frau auf das Wort eines Fürsten hin zu töten. KOGARATSU ist sich zunächst nicht bewusst, dass er in eine Art Spiegel blickt und jemanden vor sich hat, der ähnlich mitleidlos mit Blut umgeht, jedoch Spaß daran gefunden hat, weil, so hoffen es die Beteiligten, sich der Wahnsinn in der jungen Frau eingenistet hat.
Mit kaligrafisch sicherem Strich entwirft Michetz hier einen Mikrokosmos, der sich sehr bald schon nur noch um zwei Menschen dreht. Der Schauplatz, eine verwilderte Insel, sparsam in aquarellleichten Farben koloriert, erinnert an alte Gruselgeschichten. Das Titelbild offenbart auf den zweiten Bild den Wahnsinn jenes merkwürdigen und perversen Wesens, das jenes titelgebende Protokoll des Bösen führt. Der Leser sieht Ako, die junge Frau, in ihren Armen wiegend eine kleine Katze, der, es ist zu in Unkenntnis der Geschichte kaum vorher zu ahnen, die Pfoten abgeschnitten wurden. Diesen zu einem Fetisch erhobenen Umgang mit anderen Lebewesen wendet Ako auch auf Menschen an. Michetz gelingt das Kunststück, die Fantasie des Lesers arbeiten zu lassen, mehr zu verschleiern, als zu zeigen. Es ist gruselig genug, das spöttische Lächeln von Ako zu betrachten, die sich unverhohlen über ihre Art des Amüsements äußert und diese zu einer philosophischen Form verklärt.
Ein weiblicher Michael Myers, viel intelligenter, um Konversation bemüht, aber nicht weniger verspielt und ebenso rigoros darin, das gesteckte Ziel, den Tod oder die Vernichtung eines anderen Menschen zu erreichen. Hier liegt auch das japanische Element verborgen, das bereits mehrere Autoren, auch westlicher Herkunft, für sich vereinnahmten. Die Beiläufigkeit, mit der ein Tabuthema wie der Tod in der japanischen Lebensart des 17. Jahrhunderts ins Spiel gebracht und akzeptiert wird, wirkt interessant und stößt gleichermaßen ab. In einem kurzen Rückblick wird der rituelle Selbstmord angedeutet. Die Entleibung mit dem Messer, falls sie nicht eigenhändig und somit ehrenvoll zu Ende gebracht werden kann, wird durch einen Helfer mittels Köpfen vollendet. Ehre geht über Tod. Der Tod begleicht eine Ehrenschuld. Aber die kulturellen Richtlinien stoßen bei KOGARATSU an ihre Grenzen. Denn aus einem simplen Auftrag wird ein bis dato ungekanntes Duell.
Die Überheblichkeit des Kriegers sorgt für den Sprung von einem Wachtraum in einen Drogenrausch. Der Leser könnte die Handlung an diesem verwunschenen Ort mit der seltsamen Mörderin binnen kurzer Zeit für einen Wachtraum halten. Am Drogenrausch, der die Geschichte in ein Finale zwingt, gibt es nichts mehr zu deuten. Kurz werden stark leuchtende Farben einander kontrastierend gegenüber gestellt. Eine real existierende Modrigkeit deckt dieses traumatische Erlebnis wieder zu. Michetz versteht sich auf atmosphärische Farbgebung, bringt den Zustand von Verwesung und Verzweiflung gekonnt rüber. Farben der Hoffnung sucht man hier vergebens. Allenfalls taucht gegen Ende eine Spur Erlösung auf, mehr nicht.
Die 13. Episode der Reihe KOGARATSU von Bosse und Michetz ist ungeheuer düster geraten, ein philosophisch brutaler Sprung in den Abgrund, optisch mit künstlerisch stilsicherem Strich ausgeführt. Nicht nur für Freunde asiatischer Abenteuer, aber sicherlich die Kernzielgruppe von Folge und Serie. Lesenswert im wahrsten Sinne des Wortes. 🙂
KOGARATSU 13, Das Protokoll des Bösen: Bei Amazon bestellen
Oder bei Finix Comics.
Dienstag, 05. Mai 2015
Blanche ist weder ein gewöhnliches Mädchen, noch ein gewöhnliches Menschenkind. Rein äußerlich wirkt sie auf den unwissenden Betrachter etwas unheimlich, mit ihrer hellen Haut und den gelb getönten Brillengläsern. Und in der Tat hat Blanche ein Geheimnis. Sie ist nur zur Hälfte ein Mensch. Erwan passt auf die Kleine auf, die vom Geschehen um sich herum seltsam unbeteiligt ist. Obwohl ihr Wuchs offenkundig ein paar Jahre Lebenszeit beweist, bewegt sie sich in dieser Welt, als wäre jede noch so unbedeutende Erfahrung ganz neu für sie. Blanche, die einen ganz eigenen Kopf hat, aufgrund ihrer Fähigkeiten auch als gefährlich zu bezeichnen ist, ist außerdem eine Figur in einem Spiel, das nichts weniger als den Untergang der Menschheit zum Ziel zu haben scheint. Und das Spiel läuft bereits auf Hochtouren.
Beste Weltuntergangsstimmung, sofern ein solches Prädikat überhaupt ausgestellt werden darf, das versteht sich. Mit DER GROSSE TOTE stellt Loisel die Vielfalt seiner Ideen unter Beweis. Mehr noch. Loisel und sein Co-Autor JB Djian scheuen die Entschleunigung nicht und erzählen mit einer tollen atmosphärischen Dichte. In einer dreigeteilten Erzählung ersteht eine sterbende Menschenwelt und eine kleine, nicht allzu fremde Welt, die sich auf das Betreiben einer Person gegen die Menschen zur Wehr setzt. Im Zentrum des Geschehens, als Ausgangspunkt, liegt DER GROSSE TOTE, für jene kleinen Wesen das Skelett eines Giganten, der ein Fanal einer allgegenwärtigen Bedrohung darstellt.
Eine fremde Intelligenz wehrt sich. Die Ausführung dieser Idee ist sehr originell. Als Leser erfährt man zwar relativ wenig von den kleinen Fremden, die im Einklang mit der Natur leben. Ihre vornehmliche Friedfertigkeit ist offensichtlich, ihr Unverständnis über den Plan, den Macara eingefädelt hat, indem sie zwei Mischlingskinder zum Leben verhalf, eindeutig. Loisel und JB Djian zeigen den Weltuntergang auf zweierlei Art. Einerseits stellen Mallie (Zeichnungen) und Lapierre den Zusammenbruch des zivilisatorischen Systems auf sehr eindrückliche Weise dar. Für einen Zusammenbruch braucht es nicht viel und die Menschen geraten in Panik (so der Untertitel dieser 5. Episode).
Die Infrastruktur bricht durch Erdbeben und Stürme binnen kürzester Zeit zusammen, sobald die Durchleitung von Elektrizität unterbrochen, die Kommunikation weitgehend gekappt, die Straßen zerstört sind. Zahlreiche Menschen kämpfen vor Ort weiterhin um ihr Überleben, auch das Bestehen ihrer Ordnung. Andere suchen das Heil in der Flucht, jeder nach seiner Facon dort, wo er sich eine Zuflucht erhofft. In dieser Situation, optisch bedrückend dargestellt, höchst realistisch in Kulisse und Figuren, nimmt auch noch das Wetter den Kampf gegen die Menschen auf. Taubeneigroße Hagelkörner fallen aus dunkelgrauen Himmeln …
Es ist kaum möglich, sich der düsteren Stimmung der Geschichte zu entziehen. Selbst jene, die wie Schachfiguren aufgestellt wurden, um das Ende der Menschheit zu beschleunigen, stehen fassungslos, ängstlich und machtlos vor den Gewalten, die sich zusehends mehren. Durch den vorzüglichen Strich von Mallie, der den Niedergang mit tollem Blick auf das Geschehen portraitiert, will man als Leser auch gerne die andere Seite des Geschehens glauben, fernab, der Katastrophen, wo scheinbar noch Normalität und Sicherheit herrscht, sich allerdings eine Art Kriminalfall abspielt.
Eine herausragende Übergangsepisode, die aber im Zusammenhang genossen werden will. Das Vorwissen der ersten Bände ist zum Verständnis dieser Ereignisse erforderlich. Wer bis hierher mitgefiebert hat, wird atemlos umblättern, wenn das Comic-Team um Loisel die Welt hier konsequent an den sprichwörtlichen Abgrund führt. Vielleicht sogar schon darüber hinaus. 🙂
DER GROSSE TOTE 5, Panik: Bei Amazon bestellen
Sonntag, 08. März 2015
Einige finden sich mit ihrer neuen Lebenssituation ab. Andere hadern mit ihr. Die kleine Jordan war einst, vor ihrem Tod, ein Vorzeigekind. Nun ist sie von einer finsteren Last geplagt. Jemand ruft sie. Martha ist älter, erwachsen. Sie hat es selbst erlebt, wie es ist, von den Toten zurück zu kehren. Sie weiß, wie sich das anfühlt. Sie will Jordan vor dem Unbekannten um jeden Preis beschützen. Aber wie beschützt man jemanden, der gar nicht beschützt werden will? Die Aufgabe ist schwierig, wenn sich Jordan sogar energisch wehrt und jener, der zuvor unerkannt rief, plötzlich Gestalt annimmt und zum Verfolger wird.
Das Phänomen amerikanische Kleinstadt. Es hat die amerikanische Literatur beschäftigt, Stephen King spielte damit und Tim Seeley ließ seine Cassie Hack schon mehrmals in die Untiefen der amerikanischen Seele abtauchen, in der Provinz, wo Fuchs, Hase und nun auch Tod sich Gute Nacht sagen. Inzwischen hat die Regierung eingegriffen. Nicht konforme Erweckte werden eingesammelt. Dies dient natürlich der Sicherheit der Mehrheit in der Stadt, andererseits sind ins Leben zurückgekehrte Subjekte von wissenschaftlichem Interesse, der eine mehr, der andere weniger.
Auf der Suche nach Normalität. Verglichen mit Tim Seeleys anderer Erfolgsserie, Hack/Slash, ist REVIVAL viel ernster und durchleuchtet seine Charaktere viel genauer. Hier entsteht der Horror aus der Aneinanderreihung zahlreicher kleiner Geschehen. Fast fühlt man sich an eine Abfolge von Dominoereignissen erinnert. Die Wiederkehr der Toten hat diese umfallende Kette in Bewegung gesetzt und bei allen Bemühungen der kleinstädtischen Bewohner gelingt es nicht, dieses Umfallen zu unterbrechen. Die Normalität des Lebens, so gemäßigt und auch langweilig sie vorher auch gewesen sein mag, ist nun erstrebenswert und doch unendlich weit entfernt.
Mike Norton fängt die Normalität dieser kleinen überschaubaren Gemeinschaft grafisch perfekt ein, weshalb die Ausbrüche aus dieser sehr eigen gewachsenen Ordnung umso drastischer ausfällt. Am schlimmsten sind wohl die Verletzungen, die sich die Erweckten selbst zufügen, aber auch die Folgen, die Hinweise, Beweise und Indizien, die nur mittels eines Bildes beschreiben, was geschehen sein muss, stellen für den Leser eine Herausforderung dar. Auch die Gegensätzlichkeit der Szenen fallen wie auf einer gruseligen Waage ins Gewicht. Werden einerseits von den Sicherheitskräften noch Leichenteile sortiert, versucht man andernorts wieder am Leben teilzunehmen, Stichwort Normalität, und bricht ins erste Date seit langem auf.
Kindermund tut Wahrheit kund. Die kleine Jordan ist nicht die einzige, die optisch auffällig dazu benutzt wird, um Licht ins Dunkel der Rätsel zu bringen. Das andere Kind ist Cooper, ein Junge, der nicht wiedererweckt wurde und nicht in düstere Selbstzweifel verfällt, sondern ein normales Kind mit einem normalen Blick auf die Geschehnisse. Dabei wird deutlich, wie sehr die Kinder das Szenario begriffen haben, in dem sie nun gezwungen sind zu leben. Cooper zeichnet seine Erfahrungen. Wenn in üblicher Kinderzeichnungsmanier seine Tante Martha mit einer Sense auf die Bösen losgeht, braucht es keine weiteren Erklärungen durch Off-Texte seitens Tim Seeleys.
Die Titelbilder von Jenny Frison und ihren Kollegen. besitzen einen melancholischen Ausdruck, sind technisch für diesen Zweck eindrucksvoll und weisen einen höheren Realismusgrad als die Zeichnungen von Mike Norton auf. Frisons Bilder können auch ohne die Serie bestehen, geben die Vorlage für eine Geschichte im Kopf und besitzen durch ihre Motive eine feine Wandgemäldequalität. Ein Bild, nicht von Frison, viel verspielter, zeigt Cooper im Spiel mit einem der Geistwesen. Während Cooper sich als Spielfigur Skeletor ausgesucht hat, verteidigt sich das Wesen mit der Figur von Darth Vader. Bestehende Popkultur findet Eingang in neue Popkultur.
Mysteriös, unheimlich geht REVIVAL in die dritte Runde. Tim Seeley spielt gekonnt mit der Regenerationsfähigkeit der erweckten Akteure. Je mehr heilt, desto größer wird der innere Leidensdruck der einzelnen Charaktere. Der Wahnsinn schleicht nicht nur, mitunter rennt er auch mit dem Kopf gegen die Wand. Horror im Stile von Stephen King, ein besseres Kompliment kann es in diesem Genre kaum geben. 🙂
REVIVAL 3, Ein ferner Ort: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 25. Februar 2015
Diese Herde wird gelenkt, obwohl die Untoten, die sich in ihr bewegen, dies kaum wahrnehmen. Diejenigen, die hoch zu Ross, geschützt durch leichte Körperpanzer und Schutzwesten, mit Schwertern bewaffnet, die Kreaturen durch die Landschaft treiben, bemerken ihren Fehler erst spät. Denn sie sind nicht die einzigen Menschen, die hier noch unterwegs sind. Für Magna und ihre Gruppe, die sich bislang gut durchgeschlagen hatten, wird die Begegnung mit der Herde zu einem Fiasko. Als die Treiber ihren Fehler erkennen, ist es beinahe zu spät. Die Untoten haben eine neue Futterquelle gefunden. Ein Entkommen scheint unmöglich …
Das ist ein wirklicher Neuanfang. Man könnte auch sagen: Willkommen im Wilden Westen. Es herrscht Siedleratmosphäre. Robert Kirkman fängt den Geist der Gründertage Amerikas neu ein. Es ist eine Zeit des Aufbruchs, in der die menschlichen Feinde besiegt zu sein scheinen und der Umgang mit den Untoten eine gewisse Professionalisierung erfahren hat. Herden werden getrieben, gelenkt. Wachen patrouillieren, die Landwirtschaft blüht auf, ein Handel stellt sich ein, sogar Lehrstellen werden an die Jugendlichen vergeben.
Rick Grimes, der einst den Ausbruch der Apokalypse miterlebte, eine Gruppe um sich scharte, immer im Bemühen lebte, diese Menschen wie seine Familie zu beschützen, ist inzwischen zu einer Legende gealtert, dem mit Respekt begegnet wird. Und er muss sich längst nicht mehr um alles kümmern. Der einzige Wermutstropfen in dieser prächtig wachsenden neuen Gesellschaft ist ein Gefangener einer vergangenen Auseinandersetzung, der nur allzu gern dazu bereit ist, wieder Schwierigkeiten zu machen.
Robert Kirkman beginnt Ein neuer Anfang allerdings nicht mit dem Utopia, das sich Grimes und seine Leute geschaffen haben, sondern führt eine weitere Gruppe ein, die auf jenem Stand sind, auf Grimes und die anderen vor vielen, vielen Bänden einmal waren: Wanderer. Ausgerechnet diese Menschen werden zu Opfern der neuen Ordnung und verständlicherweise ist das nicht die beste Ausgangslage für ein vorurteilsfreies Kennenlernen.
Es ist spannend und menschelt. In den vergangenen Episoden herrschte Krieg zwischen den Menschen, die Untoten waren fast schon im Weg. Das ändert sich in dieser neuen Konstellation. Das Verhältnis zu den Zombies erhält eine neue Qualität. Sie werden als eine Urgewalt begriffen, der man aus dem Weg geht, die man in Teilen beherrschen kann. Sofern man die Regeln befolgt. Wer zu cool an die Sache herangeht, ist bald schon Futter. Hinzu kommt das Flüstern. Haben die Untoten gelernt zu sprechen?
Es dauert eine Weile, bis sich eine Antwort abzeichnet. Robert Kirkman hatte hier einen sehr guten Einfall und schiebt das Zusammenleben mit jenen, mit denen der Mensch sich nun den Planeten teilen muss, auf eine höhere Ebene. Mehr sei dazu nicht verraten. Allerdings sei angemerkt, dass diese neue Idee einen großen Vorrat an Folgeereignissen bereit halten mag und Kirkman es so gelingt, nach der langen Lebensdauer der Serie immer noch Neugier zu schüren.
Horror. Die Untoten haben sich seit den ersten Bänden gehörig verändert. Charlie Adlard, im Bereich Tusche durch Stefano Gaudiano verstärkt, hat es nur noch mit Wiedergängern zu tun, die seit den ersten Tagen der Katastrophe unterwegs sind. Sie halten sich auf den Beinen, die Zersetzung der Untoten, ob sie nun beweglich oder nicht sind, arbeitet für die überlebenden Menschen. Bei einer Attacke halten die Körper nicht mehr so viel aus, wie es ein Lebender tun würde. Es ist also eine Frage der Zeit, bis die Herden der Zombies sich erledigt haben werden. Aber … noch laufen sie. Individuelle Merkmale sind für Charlie Adlard kaum mehr zu beachten. Unterschieden werden die Kreaturen lediglich noch am Grad ihrer Verrottung.
Vater und Sohn. Es ist erstaunlich, welchen optischen Sprung Rick Grimes und sein Sohn Carl gemacht haben. Die gemeinsamen Szenen der beiden, die in einer Art Familienbild münden, mit fehlendem Arm und fehlendem Auge, sind ein Indiz für all das, was die beiden mitgemacht haben und dennoch ist es ein schönes Bild, das Kirkman und Adlard hier entwerfen, denn wirklich zum ersten Mal seit die Serie begann, werden die beiden auf eine gewisse Art glücklich dargestellt.
Robert Kirkman gestattet es seinen Helden, den Kurs weitestgehend im Griff zu haben … ehe er das Grauen auf ziemlich ungewöhnliche Art neu erweckt, so dass alle erreichten Erfolge erneut ins Wanken geraten könnten. Eine tolle Grundlage für die nächsten Folgen, unheimlich, aber auch sehr interessant. Sogar für Neueinsteiger geeignet. 🙂
THE WALKING DEAD 22, Ein neuer Anfang: Bei Amazon bestellen
Oder bei Cross Cult.
Donnerstag, 12. Februar 2015
Ratten! Wie schnell das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt bedroht sein kann, wird durch das massenhafte und aggressive Auftreten von Ratten deutlich. Die Plage macht weder vor der örtlichen Wasserversorgung noch vor Haustieren Halt. Selbst solche Menschen, denen der Tod nichts mehr auszumachen scheint, sehen sich angesichts der schwarzen Nagetiere in Angst und Schrecken versetzt. Für die Drahtzieher im Hintergrund, rachsüchtige Hexen, denen es gefällt, Unheil zu stiften, ist es ein großer Spaß. Doch das Hexenleben besteht nicht nur aus der Vergiftung der Lebensgrundlagen, zuweilen können die eigenen Gefühle so bedrohend sein, dass sie von den eigentlichen Zielen ablenken.
Eifersucht kann weitreichende Folgen haben. Mitunter können selbst jene, die landläufig als böse zu bezeichnen sind, vor Eifersucht fast vergehen. Lilith ist da keine Ausnahme. Sie pflegt eine Eifersucht, die Äonen währt und sich ein ganz besonderes Ziel gesucht hat. Autor und Zeichner Terry Moore vertieft in dieser Folge der Mystery-Serie RACHEL RISING die Charaktere und nimmt sich insbesondere die Nebenfiguren vor, die einen maßgeblichen Einfluss am Geschehen entwickeln. Die erwähnte Lilith, von Gott zur Oberhexe verdammt, ist eine gequälte Kreatur, sobald sämtliche Barrieren fallen und sie sich nichts mehr ersehnt, als dieser Existenz zu entfliehen und wieder in die Nähe des Herrn zu kommen, von dem sie sich schmählich verlassen fühlt. Aus der erbarmungslosen Hexe wird in diesen schutzlosen Momenten ein kleines Mädchen, das nichts anderes will, als nach Hause zurückzukehren.
Der Teufel fühlt sich hingegen pudelwohl. Er hat sich in Form eines Priesters in den Schatten der Kirche zurückgezogen und erzieht dort die kleine Zoe, die zu Beginn der Serie für einen gehörigen Schrecken gesorgt hat. Zwischenzeitlich machte sie den Eindruck, ihrer brutalen Seite überdrüssig zu sein, sich sogar vor ihr zu fürchten. Nun erwacht dank des teuflischen Zuspruchs in ihr ein unheimlicher Ehrgeiz. Denn sie hat in ihrer Ahnenreihe einen ziemlich beunruhigenden Vorfahren, den es nun zu übertrumpfen gilt. Anhand dieser, aber auch vieler anderer, Szenen und Sequenzen wird deutlich, wie makaber Terry Moore seine Geschichte zu konstruieren vermag, wie pechschwarz sein Humor in dieser Mystery-Serie ist.
Ich hab sie erst vor einer Stunde aus dem Eisfach geholt. Sie braucht noch eine Weile zum Auftauen.
Frauen kehren von den Toten zurück. Besser gesagt, sie kehren vom Tode zurück. Wäre das nicht schon seltsam genug, mag sich Jet, Rachels Freundin, auch noch wundern, wieso sie eigentlich immer wieder nackt zu sich kommt. Das mag mit Earl zusammenhängen, einem Kumpel und lieben Freund, der sich einem schlimmen Verdacht ausgesetzt sieht. Aber ein Verdacht ist ein Verdacht ist ein Verdacht … Kein Wunder, dass der liebe Earl rot anläuft, als er sich mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert sieht. Terry Moore entlüftet den Kleinstadtmief mit einem süffisanten Blick hinter die Kulissen. Da wird der Katholizismus genüsslich durch den Kakao gezogen. Homosexualität im modernen Amerika ist in keiner Weise mehr anstößig, sondern in einer festen Beziehung so langweilig wie jede andere Beziehung auch.
Was ist mit Rachel? Die steht vor einem Rätsel, immer noch. Zwar haben sich ein paar Fragen geklärt, aber längst nicht alle und so manche Fähigkeit will erkundet werden. Die Ergebnisse schrecken selbst die junge Frau, die sich doch schon zweifach aus der Erde unter Mühen ausbuddelte. Rachel hat ein Gespür entwickelt. Terry Moore zeichnet mit feinem Strich eine Szene, die selbst für Comics, in denen viel mehr möglich ist, als in anderen Medien, die auf morbide Weise anrührend ist. An anderer Stelle beschert er dem lesenden Auge eine kurze Passage, die einem Tierfreund durchaus den Magen umzudrehen vermag, andererseits aber auch die Verrohung eines der Charaktere besser beschreibt, als alles andere zuvor. Deshalb darf über eine andere Szene im weiteren Verlauf frühzeitig abgebrochen und der Rest der Fantasie des Lesers überlassen werden.
Tolle Zeichentechnik, in vorbildlichen Schwarzweißbildern inszeniert, mit Charakteren, deren Merkmale immer tiefer gehend ausgelotet werden, so dass es nahezu jede Figur auf ihre Weise es schafft, für den Leser interessant zu sein, da Terry Moore das Kunststück gelingt, aus (fast) jedem auftretenden Charakter einen unverzichtbaren Bestandteil der Geschichte zu machen. Wäre es eine Fernsehserie, wäre es ein Quotenhit. Mystery-Fans sollten sich diese moderne Schauermär nicht entgehen lassen. 🙂
RACHEL RISING 3, Grabgesänge: Bei Amazon bestellen
Oder bei Schreiber und Leser.
Mittwoch, 04. Februar 2015
Eine seltsame Frau irrt durch den Wald, hinaus auf die Landstraße. Ihre Stirn blutet, ein weißes Bettlaken verhüllt notdürftig den bloßen Körper. Sie hat keine Ahnung mehr, wer sie ist, noch woher sie gerade kommt, aber sie übt eine merkwürdige Macht über die Männer in ihrer Umgebung aus. Ausgerechnet ein Musiker findet sie. Da er um die Existenz seiner Band fürchtet, ist er zum Bankräuber geworden. Der Coup war erfolgreich, die Begegnung mit dieser Fremden jedoch war nicht eingeplant. Lance fühlt außerdem eine Zuneigung, eine Begierde wachsen, die in seinem direkten Umfeld alles nur noch kompliziert.
Polizei ist nicht gleich Polizei. Zwar unterscheidet sich der ermittelnde Beamte in Sachen Hartnäckigkeit und Professionalität nicht von seinen Kollegen, nur sind seine Zielsetzungen ungleich gefährlicher und ganz und gar nicht auf Seiten des Gesetzes. Die junge Frau, die nicht nur Verwirrung innerhalb der kleinen Band stiftet und lernt, sich mit dem Namen Jane Doe anzufreunden, hat sehr bald andere, wichtigere Probleme als ihre abhanden gekommene Identität.
Ed Brubaker (Autor) und Sean Phillips (Zeichner) sind das Dreamteam des düsteren Comics. Gerade zu Brubakers Markenzeichen ist die Vermischung eines Crime Noir mit anderen, zugkräftigeren Elementen geworden. In Sleeper paarte er das Superheldengenre mit dem Thriller. In Gotham Central widmete sich der Kulisse vieler Batman-Abenteuer von der normalen Polizeisicht her. Hier, in FATALE, beschert er der Mystery eine weitere Facette und nimmt dabei einen ungewöhnlichen Weg.
Ohne die vorhergehenden Bände kennen zu müssen, taucht der Leser in einen dunklen Thriller ein, der sich erst nach und nach atmosphärisch mit Geschichten von Edgar Allen Poe vergleichen lässt. In die Neuzeit transportiert entstehen immer weitere unheimliche Situationen, die von keinem der Beteiligten zu erklären sind. Sicher ist nur eines: Jane Doe ist zweifellos der Auslöser für das irrationale Verhalten der Männer um sie herum. Neuzeitlicher als Poe formuliert: Scully und Mulder könnten gleich auf der nächsten Seite um die Ecke kommen.
Sean Phillips hat sich als Zeichner etabliert, der mit skizzenhaften Strichen Charaktere mit Ecken und Kanten aufs Papier zaubern kann. Wenige Innenlinien bestimmen die Gesichter, Schatten werden stilsicher fett gesetzt, manchmal wie die Kriegsbemalung von Footballspielern. Und der Vergleich passt, denn Phillips, der bereits mit Brubaker an Sleeper arbeitete, schickt die von seinem Autorenkollegen kreierten Figuren über kurz oder lang in den Krieg. Hier verläuft er nur leiser, heimlicher, es ist ein Kampf hinter den Kulissen und nicht immer wird er mit Waffen ausgefochten, verletzen soll er indes immer.
Sean Phillips hat einen europäischen Zeichenstil, der auch hierzulande in den Augen von Graphic-Novel-Lesern Gefallen finden dürfte. Seine Bilder erinnern an Momentaufnahmen, Grafiken, die versuchen, den intensivsten Augenblick einer Szene einzufangen. Die Kombination einer Bilderfolge, besonders solche, die einen mysteriösen Abschnitt beschreiben, gerät in den meisten Fällen sehr dicht. Diese Sequenzen sind es auch, die nicht selten verstörend wirken, denn nicht nur für die Akteure ist der Ausgang einer derartigen Wendung rätselhaft. Der Leser muss sich mit dem Gefühl begnügen, eine Lösung des Ganzen ist noch nicht in Sicht.
Ein intensives Comic-Erlebnis, dessen Thriller-Atmosphäre bald in eine moderne Mystery-Geschichte umschlägt. Vom versierten und über viele Jahre erfahrenen Comic-Duo Brubaker und Phillips zu Papier gebracht. Düster und spannend über die gesamte Strecke. 🙂
FATALE 4, Band 4, Betet für Regen: Bei Amazon bestellen
Oder bei Dani Books.
Dienstag, 06. Januar 2015
Machtverschiebungen. Wer die Gefolgschaft vieler hinter sich weiß, der kann sich im Gerangel um die Macht behaupten. Die verschiedenen Kontrahenten sind einfallsreich und suchen sich ihre Krieger, wo sie diese finden können. Falls nötig, sogar auf einem düsteren Friedhof. Allianzen. Maldoror, Fürst der Unterwelt, kommt nicht umhin, ein ungeliebtes Bündnis zu schließen und dazu eine Frau an seine Seite zu holen, die nichts lieber tun würde, als ihn zu überlisten. Dafür ist ihr jedes Mittel recht. Miranda, eine auf ihrem Gebiet vortreffliche Hexe, fordert als Preis eine Liebesnacht und Maldoror gewährt sie ihr. Dagegen wäre nichts einzuwenden, gäbe es nicht Blanche, Thronerbin und Rebellin, die nicht bereit ist, eine derartige Belohnungszeremonie zuzulassen.
Armer kleiner Horibili! Du bist ein ganz einsames Herz. Ja, der kleine Horibili! Er ist nicht nur einsam und könnte optisch ein entfernter Verwandter von Majestix sein, er ist außerdem ein findiger Kerl. Leider ist er von kleiner Gestalt und neben den ranken und schlanken Hauptfiguren eher unscheinbar zu nennen. Hinzu kommt, dass er in Miranda unsterblich verliebt ist und sogar eine Erniedrigung durch sie hinnehmen würde, fände er nur Beachtung auf irgendeine Art. Es sind solche Randfiguren, die auch den dritten Teil von ZAUBER zu etwas Besonderem machen. Jean Dufaux gibt den einzelnen Bänden keine Untertitel, was in der Fülle der Erscheinungen schon auffällig ist.
Auffälliger noch ist die sehr genaue Charakterisierung der Figuren, die sich wunderbar nachvollziehbar entwickeln, so dass sogar ein gewisses Mitleid mit einer Hexe wie Miranda entsteht. Maldoror, ehemals so rücksichtslos, eben wie es sich für einen Herrn der Unterwelt gebührt, ist zusehends seiner Blanche verfallen, die ihm den kleinen Fehltritt verzeiht, war er doch bloß ein Mittel zum Zweck. Genauso wie Raz Gul, der Anführer eines Heeres von Untoten, der sich unter den Befehl von Blanche begibt, alles nur, um eine Heimat für sich und seine Leute zu finden. Manches kommt einem bei der Lektüre bekannt vor, dient aber am Ende nur dazu, um durch den Erzähler Jean Dufaux genüsslich wieder gekippt und in neue Bahnen gebracht zu werden.
Nun, mein Neffe, beruhigt Euch! Wie viele Köpfe wollt Ihr denn noch? Neben der geschmeidigen Bösartigkeit eines Ombrage, die eines schauspielerischen Auftritts von Ian Mc Dermid würdig wäre und von Jose Luis Munuera grafisch an den herausragenden Darsteller angelehnt ist, ist es die filmische Inszenierung, die auch Band 3 von ZAUBER zu einem neuerlichen Augenschmaus macht. Ob es die mittelalterlichen Straßen sind, die das Auge auf einen Spaziergang mitten hinein ziehen, die Perspektiven, die den Betrachter zwischen die Akteure stellt oder Massenszenen, die eine Kreuzung aus cineastischen Erfahrungen wie Taran, Braveheart oder Robin Hood bilden. Stets gelingt Munuera ein sauberer Schnitt zwischen Vordergrund und Kulisse, wie in alten grafischen Techniken, vorgedruckt und nachgezeichnet, immer auf der Suche nach dem besten Effekt für das jeweilige Bild. Das ist feinste Comic-Kunst.
Goldenes Land, dunkelgrünblaue Finsternis. Kolorist Sedyas hat einen großen Anteil an der tollen Durchschlagskraft der Bilder. Das Konzept, nicht mit den Farben, sondern mit dem Licht zu leuchten, wird hervorragend über die gesamte Länge des Bandes (auch der Reihe) gehalten. Das Titelbild gibt einen kleinen Eindruck dieser Technik, auch der sich daraus ergebenden farblichen Pracht, die einerseits die Optik eines Trickfilms imitiert, andererseits die gemäldeartigen Effekte alter Ritterfilme heraufbeschwört.
Packendes Fantasy-Kino zwischen zwei Albendeckeln. Hier haben sich drei Comic-Künstler, Autor, Zeichner und Kolorist, gesucht und gefunden. Ein perfektes Team liefert mit dem dritten Band der Reihe ZAUBER ein echtes Meisterwerk mit dunklem Humor, tollen Bildern und spannender Erzählung. Märchenhaft packend! 🙂
ZAUBER, Band 3: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 15. Oktober 2014
Sherlock Holmes ist verstorben. Bei den Reichenbachfällen fiel er im Kampf gegen seinen schlimmsten Feind. Wirklich? Nicht nur der Tod seines Freundes gibt Dr. Watson Rätsel auf. Die Merkwürdigkeiten mehren sich. Als Dr. Watson im ehemaligen Domizil in der Baker Street eintrifft, ist er zunächst ebenso schockiert wie alle anderen Anwesenden. Zwar kann ihn Wiggins, der sich in der Nachfolge des Meisterdetektiven sieht, beruhigen, da die Wohnung ganz offiziell gelehrt wurde. Aber die Böden und Wände wurden nachträglich von Einbrechern aufgerissen, ganz offensichtlich auf der Suche nach etwas, das sich nicht in den sonstigen Hinterlassenschaften von Sherlock Holmes befand. Was kann das gewesen sein?
Abschied von der Baker Street. Noch mitgenommen vom Tode seines Freundes hatte Dr. Watson anderes im Sinn, als noch einmal in die Baker Street zurückzukehren. Zu viele Erinnerungen liegen dort begraben, wie er bei einem kurzen, aber schmerzvollen Besuch feststellen muss. Luc Brunschwig erfasst mit der ersten Folge von HOLMES ein grundlegendes Gefühl, das auch den Erzählungen von Arthur Conan Doyle zueigen ist. Der Einstieg erfolgt zu jenem Zeitpunkt, der die Sherlock-Holmes-Fans immer noch zu schockieren vermag, so oft aus der Persepktive von Dr. Watson davon berichtet wird.
Was geschah nach dem Tod von Sherlock Holmes? Luc Brunschwig verknüpft in diesem Band mit eben dieser Frage noch eine weiterer nicht weniger wichtiger Fragen. Woher kam Sherlock Holmes? Wie konnte ein derart gefährlicher Feind wie Professor Moriarty so lange unentdeckt bleiben? Wer war Sherlock Holmes eigentlich und was verheimlichte er selbst seinem besten Freund? … Nun, offensichtlich ist immerhin Sherlocks Bruder Mycroft der Ansicht mehr gewusst zu haben.
Ist der Leser zu Beginn noch ein ebensolch gefestigter Anhänger des genialen Detektivs, wenn nicht des genialsten überhaupt, beginnt sich das Bild langsam zu wandeln. Zweifel entstehen. Der Leser erfährt Indizien, an Beweise will man einfach noch nicht glauben, die ein immer schlechteres Fazit unter die letzten Tage des deduzierenden Kriminalisten ziehen. Cecil überträgt das Manuskript von Luc Brunschwig in graue und braune Farbschattierungen, die den Charakter jener Epoche sehr schön transportieren und sicherlich die von alten Fotografien her gewohnten Eindrücke jener Tage einfangen.
Mit einem Handlungsstrang ist es nicht getan und so wird der Leser in Zeiten mit zurückgenommen, in denen die Eltern von Sherlock Holmes zueinander fanden. Zur deutlichen Abgrenzung ändert sich hier die Farbstimmung. Das Heim des späteren Meisterdetektiven ist ein gutes, doch Luc Brunschwig lässt Probleme leise anklingen. Ärger ist die Charakterschilderung von Sherlock Holmes, denn frühzeitig offenbaren sich finstere Charakterzüge, gleichzeitig werden hier die Wurzeln für spätere Verhaltensweisen gelegt. Das dürfte besonders den hart gesottenen Fans der Figur gefallen, denn Luc Brunschwig ist hier respektvoll und schlüssig mit der Figur von Arthur Conan Doyle umgegangen (der hier in anderer Funktion sogar einen Gastauftritt hat).
Nicht nur ein Abschied von der Baker Street. Es gibt eine Reihe von anrührenden Momenten, die bis an das Grab von Sherlock Holmes führen. Eine literarische Figur öffnet ihre Geheimnisse und offenbart mittels ihres Lebens ein ganz eigenes Rätsel, das nun seine Nachfolger lüften müssen. Die Geschichte nimmt den Leser, insbesondere den, der die Originalfigur lieben gelernt hat, langsam gefangen. Luc Brunschwig wirft ein Netz aus und geleitet seine Leser in immer engeren Bahnen hin zum Zentrum. Hier wächst die Spannung aus dem Rätsel, aus den vielschichtigen Charakteren und auch aus der Möglichkeit, mehr von Dr. Watson zu erfahren.
Ein abschließendes Fazit könnte lauten: So hätte es auch Arthur Conan Doyle selbst gemocht und falls er dazu gedrängt worden wäre, hätte er seinem Sherlock Holmes einen solchen Lebensepilog bescheren können. Ganz im Geiste des Originals, stimmig illustriert, mit einem Händchen für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sehr schön. 🙂
HOLMES, Erster Band, Abschied von der Baker Street: Bei Amazon bestellen
Montag, 29. September 2014
Jenseits von Eden. Wer den Weg weit fort von den bekannten Gefilden wählt, kann auf Gegenden und Menschen, auf Stätten und Kulte stoßen, die er untergegangen glaubte. So dachten die Gefährten rund um den Auserwählten, dass die Abkömmlinge Kains, desjenigen, der den Bruder erschlug, in der Sintflut ausgelöscht wurden. Sie täuschten sich. Ist die Wanderung durch den scheinbar undurchdringlichen Dschungel nicht schon voller Entbehrungen und gefährlich genug, werden sie nach einem Akt der Menschlichkeit auch noch verfolgt und müssen verstärkt um ihr Leben fürchten.
Geheimnisse. Die Essener wussten um die geheimen Strukturen der Stämme Israels. Die Legende, von der Levi behauptet, sie sei die Wahrheit, bringt die übrigen Reisegefährten in Rage. Ein christlicher Sklave ließ sich davon überzeugen, der Bruder Jesu und für eine großartige Aufgabe ausersehen zu sein. In seinem Gefolge befinden sich die unterschiedlichsten Männer. Waren zu Beginn der Verheißung versprechenden Reise noch alle Begleiter (außer dem Römer Julius) in ihrer Begeisterung und der Überzeugung ihres Glaubens gefangen, wandeln sich diese Gefühle mit jeder neuen Gefahr und der Länge eines Weges, der kein Ende zu nehmen scheint.
In einer Zeit der Unterdrückung ist jede Hoffnung recht. Die beiden Autoren Alex Alice und Xavier Dorison benutzen dieses grundsätzliche historische Element und hetzen ihre Charaktere in der Fortsetzung von Das dritte Testament rund um den Römer Julius und die tiefsten Tiefen und gleichzeitig die höchsten Höhen. Die Strapazen verlangen den Wanderern alles ab. In jenen beschriebenen Tagen, die mit der Herrschaft des Römischen Reiches rund um das Mittelmeer einher ging, waren die Gefahren schon groß genug. Alice und Dorison verstärken das fantastische Element der Handlung, indem sie eine unheilvolle und teuflische Macht den angeblichen Bruder von Jesus verfolgen lassen.
Auffallend ist, wie dicht die Fortsetzung des Zweiteilers Die Offenbarung innerhalb der Geschichte um Julius geraten ist. Sie wirkt länger, als sie tatsächlich ist. Es liegt an der intensiven Beschreibung der Reise, die durch unterschiedlichste Landschaften und verschiedenste Bezugspunkte führt. Gleichzeitig gelingt Alice und Dorison noch das Kunststück die Charaktere klar zu positionieren. Der zweite Teil von Die Offenbarung ist nach einer gelungenen und konsequenten ersten Folge noch besser geraten.
Kleinste Passagen am Rande wie zum Beispiel die Sichtung einer Leprakolonie geben den Reisenden Gelegenheit zum Dialog und zeigen so, wo sie stehen. Das wird insbesondere später wichtig, wenn die Zweifel am Messias wachsen. Alice und Dorison präsentieren dramatische Szenen und menschliches Miteinander, das eigentlich einen Auftritt des Übernatürlichen unnötig macht, so kräftig ist die Geschichte zu diesem Zeitpunkt schon. Aber Comic ist nun einmal Kino auf Papier und auch auf diesem Gebiet kann dieses Abenteuer überzeugen.
Thimothee Montaigne (Zeichner) und Francois Lapierre (Farben) leisten gerade dann hervorragende Arbeit, wenn sie die Charaktere in den Wunder ungebändigter Natur zeigen. Wenn deutlich wird, wie gigantisch diese Welt ist und wie klein und machtlos der Mensch dagegen ist. Die Wüsten liegen hinter den Reisenden, nun durchqueren sie Dschungel, gelangen in entlegene Gegenden, wo Götzen angebetet werden und letztlich verschlägt es sie auf das Dach der Welt. So erschließt sich dem Leser ebenfalls ein großartiges Panorama, bestens illustriert, detailreich und technisch von hoher Perfektion.
Toller Abschluss des Zweiteilers, eine Vorausschau auf künftige Ereignisse, faszinierende Veränderung einer der Hauptcharaktere, Julius nämlich, spannend von Anfang bis Ende. Wer eine Mixtur aus Historie und Mystery mag, angesiedelt zur Blütezeit des Römischen Reiches, wird hier fündig. 🙂
Das dritte Testament, Julius III, Die Offenbarung 2: Bei Amazon bestellen
Samstag, 27. September 2014
Tante Johnny ist schwer verletzt. Jet ist tot. Das Mädchen ist verschwunden. Nur Rachel hat den Unfall anscheinend unbeschadet überstanden. Rachel, die selbst von den Toten zurückkehrte, versucht ihrer nächsten Verwandten Trost zu spenden. Angesichts der zur vorläufigen Bewegungslosigkeit Verdammten will es nicht so recht gelingen. Leise Verzweiflung schleicht sich bei Tante Johnny ein. Und Jet? Nun Jet ist ein Sonderfall. Kurz bevor Earl sie einbalsamieren kann, weil er ihre Schönheit erhalten will, wacht sie auf einem metallenen Tisch in der Leichenkammer auf. Auch sie würde sich gerne bewegen. Leider ist das Genick immer noch gebrochen. Aber immerhin ergibt sie sich nicht, sondern teilt mit frechem Mundwerk gleich ungehemmt aus.
Hexen! Und der Teufel! Ja, es braut sich etwas zusammen über der Kleinstadt mit dem bezeichnenden Namen Manson. Autor und Zeichner Terry Moore gräbt nicht nur unter der Oberfläche einer amerikanischen Kleinstadt, in der so einiges seltsam ist, aber geduldet wird, er hängt ihr auch ein uraltes Geheimnis an, dem nur ein Fluch folgen kann. Die Wahrheit ist schrecklich und selbstverständlich versetzt sie die Betroffenen in Wut, auch nach 300 Jahren noch.
Die Lage hat sich nach dem ersten Band nicht beruhigt. Der Tod ist für die Beteiligten immer noch rätselhaft und selbst die Auflösung des unheimlichen wie auch widernatürlichen Vorgangs bringt keine Erleichterung, denn der Tod, der hier überlistet wird, hält Überraschungen bereit. Terry Moore hält auch nicht direkt ausgesprochene Ratschläge parat. Männer sollten es tunlichst unterlassen, Frauen, die sich übergeben müssen, zu helfen. Klingt zunächst merkwürdig, wer aber die entsprechende Passage liest und sieht, wird begreifen, dass hier Rückzug die bessere Alternative ist.
Neue Tote bringen nicht nur neue Schwierigkeiten, sie ermöglichen es Terry Moore auch mit einem sehr makabren Humor zu erzählen. Jet, die junge Frau, die nach ihrer Rückkehr zunächst auf jede Hilfe angewiesen ist, wird sozusagen zur schwarzhumorigen Spielwiese. Wenn Rachel einmal das gebrochene Genick ihrer Freundin vergisst oder wunderbar kurze Dialoge einfach nur Spaß machen und sich Pointe an Pointe reiht. Terry Moore stellt außerdem die Aufsässigen, in Form des Teufels, den Angepassten gegenüber und obwohl das Böse die Schwachstellen der anderen finden mag, werden doch am Ende beide Seiten bloßgestellt.
Geduld ist eine Tugend, die der Teufel besitzt. Aber er will auch seinen Spaß haben und so zögert er das erforderliche und angestrebte Ende über Gebühr hinaus. Das mag ihm gefallen, die Hexe Lilith hingegen ist nicht zum Spaß nach Manson gekommen. Terry Moore schickt zwei mächtige Kreaturen in die Handlung. Beiden gefällt es, ihre Macht zu demonstrieren. Auch Rachel muss diese bittere Erfahrung machen. Andere trifft es noch härter. Der Horrorfaktor steigert sich im zweiten Teil der Reihe von RACHEL RISING deutlich.
Die Guten, die Merkwürdigen und die Mörder. Earl ist einer der Guten, unscheinbar und mit seinem Beruf als Leichenwäscher ein Charakter von der traurigen Gestalt. Aber er ist auch jemand, der Vertrauen genießt und es nicht missbraucht. Der Doktor ist zweifellos merkwürdig, wie auch die angeknackste Jet zunächst stumm feststellt, aber in gewissem Sinn ist auch er harmlos und hilfreich. Die Mörder teilen sich ihr Betätigungsfeld und nicht jeder ist gleich böse zu nennen. Zoe, das kleine besessene Mädchen, ist zehn und letztlich auch bemitleidenswert, denn sie ist seit mehreren Jahrzehnten zehn und tötet gleichzeitig Menschen mit der gleichen Empathie, mit der andere Fliegen mit einer Klatsche erschlagen. Es genügt ein Moment teuflischer Unachtsamkeit und Zoe versucht die Flucht zu ergreifen. Terry Moore schafft durch Nebenfiguren ein Höchstmaß an Atmosphäre, streut kleine Gedankenanstöße ein, die hängen bleiben.
Ein Meister des schwarzweißen Comics. Es sind nicht nur gedankliche Anstöße, auch einprägende Szenen, manchmal nur wenige Bilder lang, verteufelt gut konstruiert und mit ebensolchen Einfällen, die echte Hingucker sind. Es werden zwar nicht Lämmer zu Wölfen, aber Terry Moore hat sich ähnliche Schockbilder einfallen lassen. Samt und sonders zeichnet er diese wie auch den gesamten Band mit einer ungeheuren schwarzweißen Präzision, die letztlich keine Farbe benötigt.
Eindringlicher, gruseliger, mit tollem Gespür für Atmosphäre geschrieben und toll gezeichnet und getuscht. Für Mystery-Fans und Freunde des leisen, immer näher schleichenden Horrors ein toller Lesetipp! 🙂
RACHEL RISING 2, Das Böse in dir: Bei Amazon bestellen
Oder bei Schreiber und Leser.