Sonntag, 02. November 2025
MEXIKO. Die Menschen erinnern sich an die Zeiten, als ein schwarz gekleideter und maskierter Rächer ihnen gegen die Unterdrücker beistand. Und welcher Tag könnte dazu besser geeignet sein als der TAG DER TOTEN, dem lateinamerikanischen Feiertag schlechthin. Der Platz ist voller Leute. Sie alle freuen sich über die Darbietung eines Schaukampfes, in dem sich DIEGO DE LA VEGA alias ZORRO und der spanische HAUPTMANN MONASTERIO bekämpfen. Das Degenkreuzen währt nur kurz, denn ZORRO, ein Meister der Klinge, besiegt den uniformierten Unhold. Heiter bleibt es nicht lange, weil ein Sieg über Unterdrücker, selbst ein nachgestellter, den Verbrechern ein Dorn im Auge ist. EL ROJO, der örtliche Gangsterboss des Drogenkartells, will diese Provokation nicht so stehen lassen und macht kurzen Prozess mit dem falschen ZORRO. Diese Lektion werden zwei kleine Kinder, die Geschwister ROSA und DIEGO nicht vergessen. Jeder auf seine Art…
Wenn SEAN MURPHY sich einer Geschichte annimmt, wird etwas Besonderes daraus. Ob PLOT HOLES, TOKYO GHOST (der Riesenmegaüberklopper!), seine BATMAN: WHITE KNIGHT Umsetzungen sind grafische Zuckerstückchen und ein Hingucker für Fans von ausgefeiltem Comic-Design. Nun also: ZORRO – DIE LEGENDE LEBT. SEAN MURPHY transportiert die Legende dieses mexikanischen Urhelden in die Gegenwart. Während aus der kleinen ROSA eine Fahrerin für das Kartell geworden ist, starb etwas in ihrem Bruder DIEGO. Aber als das Böse in gewissem Sinne zurückkehrt, eine Tragödie sich zu wiederholen scheint, verändert sich DIEGO. Etwas in ihm erinnert sich an die Legende und so zieht ein auferstandener maskierter Rächer, nebst Pferd TORNADO und Fuchs BANDIDO, gegen die Verbrecher zu Felde.
SEAN MURPHY erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der Zuflucht in einer Fantasie sucht, aus ihr Kraft bezieht, um sich seinen Ängsten zu stellen. ROSA ist damit überhaupt nicht einverstanden, sie fürchtet vor allem anderen um das Wohl ihres Bruders. Ein Degen gegen Knarren? Das kann nicht gutgehen! Ganz platt ausgedrückt. Aber seltsamerweise hat diese Verwandlung DIEGOS einen enormen Effekt auf seine Umgebung und schenkt Mut und Hoffnung. SEAN MURPHY erzählt also nicht einfach bloß einen Thriller, da sind noch einige Details unter der Oberfläche, ohne die eine gute Geschichte heutzutage nicht mehr auskommt.
Nun ist SEAN MURPHY aber auch der grafische Gestalter dieses, ganz nebenbei, fetzigen Action-Knallers. Und ZORRO ist eine Heldenfigur, die ACTION braucht, die ACTION lebt. Nun, wie gestaltet sich eine Figur, die mit einem Degen kämpft und gegen Gangster mit Maschinenpistolen antritt? Einfallsreich! Artistisch. Aufregend anders als gewöhnlich. Ich mag die Blickwinkel, wie SEAN MURPHY das mexikanische Flair überträgt, sehr respektvoll übrigens, wie er eine Szene orchestriert, ganz gleich, ob sie eher statisch ist und zum Aufbau der Charaktere beiträgt oder ob sie rasant abläuft, in bester Blockbuster-Manier.
SEAN MURPHY arbeitet teils mit feinsten fragilen Linien, stellt diesen mitunter schwere schwarze Schatten gegenüber und erzeugt insgesamt häufig Bilder mit starker Tiefe. Seine Figuren sind idealisiert, nah am Realismus, aber stilistisch auf den ersten Blick erkennbar. Seine Figuren sind Typen, die Gangster eindeutig an filmische Pendants angelehnt, vor allem einer ragt dabei heraus, sieht er doch aus wie die Comic-Variante von DANNY TREJO (und wird in der Geschichte auch TREJO genannt). Allerdings hat SEAN MURPHY auch hier seine eigene idealisierte Version geschaffen, denn sein TREJO ist ein wahrer Berg (während das Original doch eher von normaler Größe ist) und gleichzeitig eine Fassung, wie sie in Filmen und Serien niemals so jung und agil gewesen ist. Aber das ist Comic, da dürfen Anpassungen der Realität stattfinden.
Wer SEAN MURPHYS Arbeiten kennt und mag, wird diesen ZORRO lieben. Im Originaltitel, ZORRO: MAN OF THE DEAD, schwingt der Umstand mit, dass sich dieser ZORRO am Tag der Toten in Mexiko, EL DIA DE LOS MUERTOS, zurück unter die Lebenden wagt und das Böse bekämpft. Starke Zeichnungen, spannungsreich und emotional erzählt, ein echter Kracher und Tipp für Fans amerikanischer moderner Thriller! 🙂
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Samstag, 13. September 2025
Männer sind Schweine! Sie hat es früh gelernt. Mit der ersten Spritze voller Heroin, dem Angriff, der erzwungenen Operation, dem Verlust. Es spielt keine Rolle, ob die Kerle zu den harten Brocken gehören oder den aus dem Leim gegangenen Waschlappen. Am Ende wollen sie von ihr nur eines. Was sie immer wollen. Inzwischen ist sie nicht mehr hilflos. Sie hat eine Knarre. Und benutzt sie, wenn ihr einer der Typen auf die Pelle rückt. Und sie lernt die Bentzung anderer Waffen, naturgegebenen. Und je mehr sie lernt, desto tiefer taucht sie ab…
Gangster werden von ED BRUBAKER (Autor) und SEAN PHILLIPS (Illustrator) todernst genommen. Einige Zeit waren Gangster Witzfiguren. Brutal, durchtrieben, gar nicht mal dumm, aber sie waren in Comics eher Karikaturen. ED BRUBAKER und SEAN PHILLIPS tauchen tief ein ins kriminelle Leben, nehmen den Leser mit zu den Jobs der Halunken, hin zu ihren Glaubenssätzen, Richtlinien, ihren Vorlieben, ihren Beziehungen, ihrer Szene, ihrer Welt abseitig der unseren, hinter den Kulissen. Diese Gangster sind dreidimensional, fassbar, nachvollziehbar in ihren Motiven, man kann sie teilweise sogar mögen.
In einer Welt, in der es nie so richtig hell werden will, die Sonne nicht wirklich den Durchbruch schafft, sich das Leben im Zwielicht abspielt, kann niemand dem oder der anderen wahrhaftig trauen. Los geht es mit FEIGLING. Dieser Gangster nimmt nie eine Schusswaffe mit zur Arbeit. Und er ist derjenige, der den Job überlebt. Das hat ihm einen gewissen Ruf eingebracht. Der steht bei Leuten, die keine Skrupel haben, Cops zu erschießen, nicht zum Besten. ED BRUBAKER und SEAN PHILLIPS haben mit dieser Geschichte einen HEIST-MOVIE auf Comic-Seiten gebannt. Wer derlei Geschichten kennt, weiß, dass so ein krummes Ding bei der besten Planung in die Hose gehen kann. Mehr noch, wenn ein paar Falschspieler das Feld zu ihren Gunsten aufmischen wollen.
Und plötzlich ist da einer, der keine Waffe in die Hand nehmen wollte, der es nun doch tun muss, weil die anderen ihm keine Wahl lassen. Weil ihm Loyalität wichtiger ist. Und alles könnte klappen, gäbe es nicht ein paar wirkliche Monster in der Unterwelt, denen Ehrbegriffe absolut fremd sind. Das ist von ED BRUBAKER in schönster FILM-NOIR-Manier erzählt, mit der Wucht eines MICHAEL-MANN-Thrillers. Man darf als Leser das Elend kommen sehen, ist so nahebei neben der Hauptfigur, dass man ihm zuflüstern möchte: He! Pass doch auf, Mann! Allerdings ist man auf seine Plätze verbannt und so nimmt das Verhängnis nicht nur sprichwörtlich seinen Lauf. Pures Drama!
TRACY ist ein harter Typ in der zweiten Geschichte, BLUTSBANDE. Er weiß es, andere wissen es und wer noch nicht so weit ist, lernt ihn kennen. Unter der stählernen Oberfläche befindet sich ein zerrissener Typ, da ist eine gewisse Moral, nicht viel. Wirklich nicht viel. Manchmal lässt er etwas zurück, das auch von einer Bestie zurückgelassen werden könnte. Wer sich in seine Welt begibt, muss damit rechnen, auf das Übelste traktiert und schlussendlich getötet zu werden. In dieser Welt gibt es Rechnungen, aber kein Mitleid. Verständnis schon eher. Wenn ähnliche Bahnen sich kreuzen. Dankbarkeit erfährt TRACY deswegen noch lange nicht. (Wer genau aufpasst, wird in TRACYs Geschichte einen alten Bekannten wiederentdecken!)
ED BRUBAKER sucht sich immer einen neuen Charakter und lässt ihn auf das Geschehen los. In BLUTSBANDE wie auch den nachfolgenden Stories findet sich eine Figur, die den Leser spüren lässt, dass dieser Charakter nicht so auf die Welt gekommen ist. Mies, schlecht, verdorben. Aber jetzt sind sie da, wo sie sind und sie haben sich damit arrangiert. Sie arbeiten ohne Gewissen, eher nach einem Kodex wie TEEG in WOLF UNTER WÖLFEN. Oder sie tun alles, um zu überleben, mit Körpereinsatz oder Knarre wie in DAS WEIB. Meistens ist Überleben das einzige, was ihnen bleibt. So betrachtet erzählt ED BRUBAKER nicht nur über eine sehr raue, lebensfeindliche Welt, er schildert sie auch bar jeder Hoffnung. Diese Figuren sind über das Ausgestoßensein weit hinaus.
In dieser verzweigten und doch in sich geschlossenen Welt, aus einer bestimmten Sicht vielleicht sogar eine Art Vorhölle braucht eine stilistische Darstellung, die dem Ganzen nicht die Ernsthaftigkeit nimmt, sondern diese noch unterstreicht. SEAN PHILLIPS zeigt uns einen reduzierten Stil, reist auf der Spur von Kollegen wie MIKE MIGNOLA (in frühen Jahren) oder FRANK MILLER. Oder wie DARWYN COOKE in PARKER (Ausschau halten nach der MARTINI EDITION!). Oder BRAHM REVEL. Er erfasst die Realität, aber mit einer ordentlichen Portion Expressivität. Beim Betrachten der Bilder fühlt man sich, vorausgesetzt derlei ist bekannt, an schwarzweiße Krimis erinnert, aus der düsteren Periode Hollywoods. Aber auch an jene expressiven Bildgewalten, die mit Filmen wie METROPOLIS einhergingen.
Nein, CRIMINAL ist nicht schwarzweiß angelegt, dennoch könnte es in dieser rein Licht-oder Schatten-Mystik funktionieren. Farben wirken hier ergänzend, verstärken Stimmungen, erhöhen die Wirkung des Schwarzweißen. Licht wirkt selten befreiend, denn zumeist fehlt ihm die Kraft, ist es Nachtbeleuchtung. Ein Brand blendet fast, die Lichter auf einem Streifenwagen spenden einen Funken Hoffnung. Oder sind ein eher finsteres Versprechen wie der leuchtende Schriftzug über einer Bar.
SEAN PHILLIPS hat diesen forschen Strich, als fehle die Zeit, genauer zu arbeiten, als müsse er den Moment erfassen. Gleichzeitig hat er sich einen filmischen Blick angeeignet. Man sollte annehmen, jeder Comic-Künstler habe sich dieses Können erarbeitet, aber weit gefehlt. SEAN PHILILIPS hingegen beherrscht diesen speziellen Look. Natürlich wird er, wenn er schon in diesem Genre arbeitet (und es ist nicht sein einziger Ausflug auf diesem Gebiet), sich mit den Techniken vertraut gemacht haben. Wie sieht der klassische Gangsterfilm aus? Und unter dem Strich geht es mehr in die Richtung eines FRENCH CONNECTION als eines MALTESER FALKEN. Es gibt keine Übertreibungen. SEAN PHILLIPS zeichnet ganz normale Leute. Seine Gangster könnten Abbilder echter Menschen sein. CRIMINAL lässt den Leser auf diesem Weg verdammt nah ran!
Episch und fühlbar. So kommt CRIMINAL daher. Es ist eine Erzählweise, die in knallharten, ungekünstelten Krimis und Thrillern gerne verwendet wird, nah an den Charakteren, nah am Geschehen, nah an der jeweiligen Umgebung. Wenn kein Blatt Papier mehr dazwischen passt und die Welt echt wirkt, packt sie dich. Das ist ED BRUBAKER und SEAN PHILLIPS mit CRIMINAL gelungen! Diese Krimis sind heute schon selbst ein Klassiker! 🙂
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Freitag, 16. Mai 2025
PARKER verdient sein Geld mit Verbrechen, genauer mit Überfällen. Für einen Job arbeitet er mit anderen Ganoven zusammen. Anschließend teilt man die Beute und zerstreut sich. Vielleicht sich man sich mal wieder, arbeitet erneut zusammen, vielleicht nicht. Das ist kein Milieu, in dem viele Freundschaften entstehen. An diesem Tag haben sich PARKER und seine Kumpane genau den Zeitpunkt einer Bargeldlieferung bei einer Bank ausgesucht. Man geht professionell vor, veranstaltet Lärm, lässt Rauchbomben hochgehen, ist auch rabiat, falls einer aufmüpfig wird. Dann folgt die Flucht. Zunächst sieht alles nach einer runden Sache aus …
Nach dem Roman THE SOUR LEMON SCORE von RICHARD STARK entstand der vorliegende Comic-Thriller EINE FALLE FÜR PARKER. RICHARD STARK ist ein Pseudonym des amerikanischen Schriftstellers DONALD E. WESTLAKE. Zeit seines Lebens (2008 verstorben) hat er sich mit Thriller und Kriminalgeschichten einen Namen gemacht. Seine Figur des PARKER hat es mehrfach auf die Leinwand geschafft (allerdings teils unter geänderten Namen). WESTLAKE alias RICHARD STARK veröffentlichte noch in seinem Todesjahr 2008 seinen letzten PARKER-Roman (von insgesamt 23). Die Vorlage der Geschichte EINE FALLE FÜR PARKER stammt von 1969. DOUG HEADLINE, der den Thriller für das Medium Comic adaptiert hat, konnte also mit Fug und Recht davon ausgehen, dass RICHARD STARK (bleiben wir mal bei diesem Autorennamen) genau wusste, wie es sich damals in den 1960ern mit dem Leben in den USA verhielt.
Nach der großartigen doppelbändigen MARTINI EDITION, in der DARWYN COOKE seine Vision von PARKER adaptierte, erzählte und zeichnete, haben sich DOUG HEADLINE (Adaption, Text) und KIERAN (Zeichnungen, Farben) einer bislang nicht für das Medium Comic umgesetzten Geschichte angenommen. Sie greifen das Grundkonzept von DARWYN COOKE auf. Schwarzer, leicht ruppiger Strich und eine Extrafarbe für mehr Tiefe und Schattierungen. Als kleiner Clou wird in manchen Fällen die Struktur eines Fingerabdrucks als Schattierungsmuster verwendet. Waren die Zeichnungen und Figuren von DARWYN COOKE noch verspielter, ein Stil, der sicherlich seiner langjährigen Arbeit im Bereich Animationszeichnung geschuldet war, sieht es hier anders aus.
KIERAN geht da deutlich härter, erwachsener vor, kennt das Genre und die amerikanischen Gesichter, die die TV-Landschaft in den 1960er und 1970er bevölkerten. Der überwiegende Teil der Handlung bleibt an PARKER dran. Er ist die zentrale Figur, durch die die Handlung vorangetrieben wird. Gäbe PARKER auf, gäbe es keine Handlung. Wie sieht PARKER aus? Er hat ein kantiges Gesicht, dichte Augenbrauen, meist einen durchdringenden Blickt. Selbst in der skizzenhaften Darstellung ist das alles sehr leicht zu entdecken. PARKER trägt Anzug. Er ist ein Gangster mit Stil, kein neumodischer Hippie. Die Haare sind beinahe militärisch geschnitten, einen Schnauzbart gibt es nicht. Charakterlich ist er unnahbar, konzentriert, fokussiert. Hat er ein Ziel, hängt er sich rein. So gesehen ist wie ein Terrier, der sich an etwas festbeißt, besonders wenn es gewagt hat, ihn reinzulegen. Das kommt mitunter vor, dass jemand diesen Fehler begeht. Dann wird jede Höflichkeit abgelegt.
PARKER und seine Kumpane laufen nicht unter dem landläufigen Begriff des guten Menschen. An seiner Seite taucht der Leser in eine Welt ein, in der Verbrecher nur auf ihren Vorteil bedacht sind und einander ebenso wenig trauen wie dem Rest der Welt. Da passt der generelle grafische Stil, von DARWYN COOKE initiiert, von KIERAN aufgegriffen und härter angepackt, denn es wird wie eine Momentskizze. Mehr und nuancierter als jene Zeichnungen, die wir aus amerikanischen Gerichtssälen kennen, aber so ausgeführt, als sähe hier ein Zeichner ungebeten zu und müsse um sein Leben fürchten, falls man ihn entdeckt.
PARKER war und ist deshalb so erfolgreich, weil sich Otto-Normal-Leser in ihn hineinversetzen kann. Neben einem gewissen Gerechtigkeitssinn (für einige Ganoven, dass PARKER so etwas besitzt) ist er auch ein Jäger. Seine Beute sind meist andere Gangster. PARKER weiß es vermutlich selbst nicht, aber er wäre auch ein guter Cop oder Detektiv geworden (aber das wird eben nicht so gut bezahlt). Er ist hartnäckig, zielstrebig, kann, einmal auf Touren gebracht, auch sehr genügsam sein. Und meistens ist er kompromisslos, eine Eigenschaft, die Leser im Krimi und Thriller gerne bei einem Charakter sehen. Außerdem erhöht es die Spannung.
Ich mag PARKER im Roman und insbesondere im Comic, hier natürlich, weil die adaptierenden Autoren sehr nah an der Vorlage arbeiten (ganz anders als im Film). Das ist DOUG HEADLINE hier ebenfalls gelungen. Dank ihm und des Zeichners KIERAN kommt die Härte und Kälte des Ganoven sehr gut rüber. PARKER steht sinnbildlich für die komplette Unterwelt. Freundliche Auswüchse gibt es selten. Fehler sind tödlich, ein Menschenleben so gut wie nichts wert. Wer geradlinige Thriller mag, einen düsteren Strich, der die Atmosphäre des Themas und der 1960er bombig einfängt, liegt mit PARKER goldrichtig! 🙂
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Mittwoch, 14. Mai 2025
1959. ROBERT SAX führt ein beschauliches Leben. Seine Autowerkstatt läuft, in der Liebe bewegt sich etwas und ausgerechnet dann verhagelt ihm ein Werbeplakat für ein neues Automobil die Laune. Jemand verspricht ein Kraftfahrzeug für kaum 40.000 Francs (nach heutigem Wert ca. 6.000 Euro). ROBERT SAX ist verblüfft, aber auch geradezu beleidigt, denn wie kann jemand ein Auto zu diesem niedrigen Preis anbieten? Sicher, es ist klein, aber Auto bleibt Auto! Er will sich gerne von seiner Empörung ablenken, mit seiner liebreizenden Sekretärin ins Kino gehen, trotzdem lässt ihn dieses lächerlich günstige Fahrzeug nicht los! Dabei weiß er noch gar nichts von den wirklich richtigen Problemen, mit denen er sich in naher Zukunft auseinandersetzen muss!
ROBERT SAX ist wieder da. Und wie es der Kinofilm andeutet, der er sich zusammen PEGGY anschaut, wird es futuristisch, gruselig und sehr gefährlich. Letzteres allerdings ist ROBERT SAX gewöhnt. Und seine Sekretärin PEGGY irgendwie auch. Von MÄNNER IN SCHWARZ, dem 5. Thrillerabenteuer von ROBERT SAX, werden Erinnerungen geweckt (an FANTOMAS, jene Trilogie mit LOUIS DE FUNÈS). Das Titelbild verrät schon ein klein wenig, mit welchen Widrigkeiten ROBERT SAX hier umgehen muss. Das ist allerdings nur auf den ersten Blick humoristisch, betrachtet man das halbe Dutzend identischer Verfolger. Denn die Maschinenpistolen werden hier rücksichtslos eingesetzt. Der Leser kann sich hier auf ziemlich realistische Action gefasst machen.
Aber der Fantastik wird hier selbstverständlich Genüge getan. Das darf so ein STROMDINGENS (ich nenne es in Ermangelung einer mir bekannten richtigen Bezeichnung so) auf dem Cover nicht fehlen. So mancher Cineast dürfte so ein Stromdingens in etwas preiswerteren Science-Fiction-Filmen gesehen haben, wo zwischen solchen Konstruktionen die Blitze unheilverkündend zuckten. Die atmosphärische Gestaltung von ROBERT SAX läuft neben den altehrwürdigen Straßenzügen Brüssels natürlich auch über die Autos. LOUIS ALLOING hat sich hier einige Klassiker vorgenommen und es sich auch nicht nehmen lassen, die belgische Polizei mit ihrem Einsatzfahrzeug, einem VW KÄFER, zu zeigen.
Wer nun annehmen sollte, dass es hier nicht ernsthaft zugeht, liegt falsch. Ganz gleich, welche Thematik gerade behandelt wird, sie wird mit dem nötigen Thrillerflair behandelt. Die Eingangssequenz, diejenige, die alles ins Rollen bringt, toppt auch so ziemlich alles, was es bisher, in den ersten vier Folgen, zu sehen gab. Vom Actionteil wandelt sich die Handlung ins Mysteriöse, Geheimnisvolle, um dann einen detektivischen Part zu erhalten, aus dem langsam und spannend die Auflösung entsteht.
Apropos Fantastik! Bei allen Einflüssen der Science Fiction in diesem Thrillerabenteuer ist das günstige Auto, die WESPE, über das sich ROBERT SAX ärgert, keine reine Erfindung, sondern einem echten Fahrzeug nachempfunden, nämlich der BMW ISETTA (gebaut zwischen 1995 und 1962). Das ursprünglich aus Italien stammende Konzept, der Name verrät es, nahm einiges der heutzutage auf den Straßen rollenden Kleinstfahrzeuge vorweg. RODOLPHE und LOUIS ALLOING haben sich also von der Vergangenheit inspirieren lassen.
Da sind natürlich noch die Zeichnungen von LOUIS ALLOING zu erwähnen (koloriert wurde von DRAC). Es ist nicht ganz die berühmte LIGNE CLAIRE (ich erwähnte das in einem anderen Artikel schon), aber immer noch sehr klar und für mich ausdrucksstark. Wie es LOUIS ALLOING gelingt, mit nur sehr wenigen Strichen sehr aussagekräftige und unterscheidbare Charaktere zu schaffen, ist zwar stets vom Leser gewünscht, doch er bekommt es nicht generell. ROBERT SAX, die Hauptfigur zum Beispiel, wirkt gewieft, sieht ein wenig nach Agent und Playboy aus und LOUIS ALLOING hat ihn so gestaltet, dass er stets aus der Masse heraussticht. Bestes Beispiel ist die Anwesenheit von ROBERT SAX auf einer Automobilmesse in BRÜSSEL. Zusätzlich zum auffälligen schwarzhaarigen Mittelscheitel kommt ROBERT SAX mit schwarzem Anzug, schwarzem Mantel und rotem Schaal daher (eben Agenten- bzw. Playboy-Look).
Ein starker Band, sehr dicht von RODOLPHE erzählt, mit kleinen Überraschungen gespickt. Es werden Comic-Fans mit Hang zu 1950er-Szenarien abgeholt, Automobil-Enthusiasten, Thriller-Freunde und wer in Krimis aus dieser Zeitperiode verliebt ist, wird hier ebenso fündig. Insgesamt eine Serie, die sehr gut und spannend unterhält, hat sie hier außerdem ihren Gipfelpunkt erreicht. Nicht zuletzt auch durch die tolle Gestaltung von Illustrator LOUIS ALLOING. Tolle Nummer! 🙂
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Montag, 21. April 2025
DER KILLER hat ein Herz. Bei aller Professionalität will er es nicht gerne zugeben. Er hätte das Mädchen nicht retten dürfen. Das war nicht Teil seines Auftrags. Aber er hat es getan. Und nun ist sie zu einem Menschen geworden, der ihm vertraut. Er muss zugeben, dass er mit seinem Schützling wie mit einem Freund redet. Das freut ihn vielleicht. Sein Gesicht bleibt unbewegt. Seine Sonnenbrille verbirgt seine Augen und seine tatsächliche Ansicht über die Situation. Er spricht nicht viel. Überlegt. Taktiert. Sucht eine Lösung. Eine Lösung für sie alle. Denn nicht nur das Mädchen ist in Gefahr. BARBARA, seine vorübergehende Partnerin in diesem überaus gefährlichen Geschäft, ist ebenfalls in Gefahr.
MATZ (Autor) und LUC JACAMON (Zeichner) haben ihrem HELDEN (ja, das ist er mittlerweile auf seine ganz eigene Art) schon einiges zugemutet und der 6. Band der Reihe DER KILLER – SECRET AGENDA mit dem Untertitel SAAT DER GEWALT macht da keinen Unterschied. Inzwischen steckt DER KILLER in einer Zwickmühle. Sein Gewissen hat ihn einen Fehler machen lassen, einen äußerst menschlichen, aber für einen Profikiller war das Verhalten alles andere als angebracht. Doch ist erst einmal eine Aufgabe akzeptiert, hier der Schutz des Mädchens, dann hängt er sich rein. BARBARA wird sprichwörtlich an die Wand gedrängt. Ihr bleibt kaum eine Wahl. Die Zusammenarbeit mit dem KILLER ist derart eng geworden, dass sein Fehlverhalten auch ihr angekreidet wird.
Über die gesamte Strecke der SECRET AGENDA hat MATZ das Verhältnis der beiden Auftragsmörder (im Staatsdienst) sorgfältig aufgebaut und nun an diesen alles entscheidenen Höhepunkt geführt. Über die gesamt Distanz war es spannend zu verfolgen, ob und wie die beiden ihrer Linie treu bleiben oder diese aufgeben. Es ist ein Mittel in Thrillern, jemanden von seinem gewohnten Pfad, von seinen Prinzipien, Normen oder von einem vorgegebenen Auftrag abweichen zu lassen, natürlich nicht, ohne diesen zuvor zelebriert und dem Publikum gezeigt zu haben. Das war auch in der Serie häufig der Fall. Eigentlich hätte der Leser wissen können, wohin die Reise geht, aber MATZ und LUC JACAMON haben diese Prämisse gekippt.
DER KILLER wird von Beginn an sehr unaufgeregt erzählt. Das ist sein Markenzeichen. DER KILLER bewahrt die Ruhe. Nervosität bedeutet Fehler. Fehler bedeuten den Tod. Bezeichnend dafür ist in dieser Ausgabe eine Szene, in der es keinen Zweifel mehr daran gibt, dass DER KILLER selbst auf der Abschussliste steht. Das ist keine neue Erfahrung und gehört anscheinend zum Geschäft. Besonders, wenn man eine (aus Sicht der Auftraggeber) falsche Entscheidung trifft. Als nun der Angriff erfolgt (indeutlicher Überzahl), bleibt DER KILLER cool und behält die Übersicht. Aber nicht falsch verstehen, hier ist kein Übermensch im Sinne eines Kinoblockbusters am Werk. Er könnte überwältigt werden, gäbe es da nicht die weniger trainierten Kollegen, die sehr viel eher den Kopf verlieren und damit ihr Leben.
Grafisch bleibt LUC JACAMON seiner gewohnt guten Illustrationsarbeit treu. Das Setting ist in jedem Fall interessant. Hat es den KILLER um die ganze Welt getrieben, hat man ihn in der Großstadt gesehen oder im Dschungel, läuft SECRET AGENDA 6, SAAT DER GEWALT, sozusagen um die Ecke ab oder spielt dort, wo man eher im Urlaub landen kann. Alles ist schön beschaulich (meistens), Berge, Landschaften, Vorstadt, Einfamilienhäuser, Hotels. Diese Nähe zum Handlungsgeschehen lässt diesen Zyklus noch realitätsnäher erscheinen, denn vieles, was MATZ verarbeitet, ist angesichts der Nachrichten der letzten Jahre nicht zur Gänze erfunden, sondern hat, wie es so schön in manchem Thriller oder Drama gesagt wird, einen wahren Hintergrund.
Ein starker Abschlussband des vorliegenden Zyklus‘ SECRET AGENDA. Aber DER KILLER lebt und deshalb wäre es schön, wenn MATZ und LUC JACAMON ihren (Anti-)Helden wieder ins Rennen schicken würden. Die Welt ist groß, da hat eine Figur wie DER KILLER eine Menge Potential erneut ins Geschehen einzugreifen. Für Fans der Reihe wie auch Thriller-Freunde (natürlich ist die Kenntnis der ersten fünf Bände dieses Zyklus‘ Pflicht). Top! 🙂
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Dienstag, 14. Januar 2025
Die JUNKYARD DOGS sind nur eine kleine Gruppe innerhalb der us-amerikanischen Armee. Die durchweg jungen Soldaten versuchen ihren Einsatz in Übersee, in VIETNAM zu überleben. Die nächste Mission steht an. Einen Kameraden hat die Gruppe gerade verloren. Ein neuer Soldat soll ihn ersetzen. Der junge Mann ist nicht nur schweigsam, er ist still. Sein Blick ist seltsam unbeteiligt. Sein Auftreten wird von den anderen als Angst interpretiert. Keiner trägt es ihm nach. Alle Soldaten haben Angst und sie tun gut daran, denn es hält sie wach, macht sie aufmerksam. In der Nacht auf der Patrouille geschieht das Unfassbare. Ein feindlicher Soldat will die G.I.s mit einer Sprengladung töten. Der Neue geht dazwischen und fängt die Explosion mit seinem eigenen Körper ab…
Es war einmal in VIETNAM. Ein oft behandeltes Thema in den Vereinigten Staaten von Amerika. Zahlreiche Schlachten hat die USA geschlagen, in vielen Kriegen gekämpft. Aber das herausragende Trauma, medial immer wieder bemüht, ist VIETNAM. GEOFF JOHNS (Autor) und GARY FRANK (Zeichner), ein Künstler-Dreamteam, haben diesen Zeitabschnitt als Inspiration hergenommen und einen neuen, sehr besonderen HELDEN kreiert, der auf seine Art ein moderner PINOCCHIO sein könnte.
Aber JUNKYARD JOE ist noch mehr. Das muss vorweg geschickt werden. Zwar kann die Geschichte durchaus als alleiniges Werk betrachtet werden, doch gleichzeitig ist sie eingebettet in ein ganzes Comic-Universum, geschaffen von GEOFF JOHNS. Eine Zeitlinie im Anhang setzt den Leser über diverse Charaktere ins Bild: REDCOAT, THE NORTHENER, THE MONSTER, (natürlich) JUNKYARD JOE, AMERICAN WIDOW X, FIRST GHOST und schlussendlich auch GEIGER, dessen Geschichte bereits bei Cross Cult erschienen ist. Und alles zusammen umfasst ein UNERKANNTER KRIEG, in dem die, wie diese Helden auch genannt werden, DIE UNGENANNTEN eine Rolle spielen.
Zurück zu JUNKYARD JOE: GEOFF JOHNS hat hier keinen Killerroboter geschaffen. Sein JUNKYARD JOE hat den Auftrag, Menschen zu beschützen. Derlei kann – muss aber nicht – damit einhergehen, potentielle Bedrohungen auszuschalten. Notfalls endgültig. Freundlich formuliert. Das könnte eine eingleisige Geschichte werden, würde GEOFF JOHNS nicht (wie er das meistens macht) mehrere Schichten hinzufügen, die dem Szenario Tiefe verleihen.
Aus besagter Gruppe Soldaten zu Beginn ist in der Gegenwart ein einziger Mann, MUDDY DAVIS, zurückgeblieben. Dieser hat seine Erfahrungen mit JUNKYARD JOE sehr erfolgreich verarbeitet. Er gab dem namenlosen Roboter, der ihnen im Dschungel das Leben rettete, nicht nur die comicartige Bezeichnung, er schuf auch gleich einen ganzen Comic dazu, der auf den überaus beliebten Comic-Seiten von Tageszeitungen über Jahrzehnte hinweg ein breites Publikum, eine Fanbase gefunden hat. Plötzlich, mitten im Winter, taucht dieser ROBOTER wieder auf. Und MUDDY DAVIS, der zeitweilig an seinen Erinnerungen und seinem Verstand zweifelte, wird mit der Echthit seiner Vergangenheit konfrontiert.
JUNKYARD JOE spricht nicht. Zwar kann er Emotionen ausdrücken (auf seine Weise), doch Worte (kein einziges) kann er dazu nicht nutzen. So liegt es an den Interpretationen der Menschen um ihn herum, ein klareres Bild dieses Maschinenwesens für den Leser zu kreieren. Denn genau das entwirft GEOFF JOHNS hier: keinen schlichten gedankenlosen ROBOTER, sondern tatsächlich ein MASCHINENWESEN. Damit all diese Emotionen im Bild rüberkommen, hat GEOFF JOHNS den Zeichner GARY FRANK an seiner Seite. GARY FRANK hat bislang über mehr als 30 Jahre im Comic-Geschäft gearbeitet und in jedem größeren amerikanischen Comic-Universum seine Spuren bei sehr bekannten Comic-Figuren hinterlassen. An der Seite von GEOFF JOHNS kann er neue Figuren erschaffen.
GEIGER war der erste Charakter, JUNKYARD JOE folgte ihm auf dem Fuße. GARY FRANK arbeitet mit starkem Realismus, und jede seiner Figuren besitzt ein höchst individuelles Aussehen. Verwechslungen sind hier ausgeschlossen. GARY FRANK steht qualitativ auf Augenhöhe mit Illustratoren wie z.B. JIM LEE, CLAY MANN oder BRYAN HITCH (letzterer gestaltet die von GEOFF JOHNS für dieses neue Comic-Universum geschaffene Figur REDCOAT). Aber es ist in JUNKYARD JOE nicht nur futuristisch, mysteriös, es ist außerdem auch Familiendrama. In feinen Szenen beweist GARY FRANK seine Meisterschaft, wenn er Figuren ein Gesicht gibt, in denen der Leser selbst sich (und möglicherweise seine eigenen Emotionen) wiederfinden kann. Das Kleinstadtflair hilft hier extrem.
Die Action sehr pointiert eingesetzt und wenn sie ausbricht, ist sie ein Hingucker, aber nie übertrieben oder gar Selbstzweck. Das wäre im Umfeld eines realen nationalen Traumas wie VIETNAM auch fehl am Platz. Ebenso später in der Gegenwart ist es szenisch mehr THRILLER- als SUPERHELDEN-Ambiente.
WOW! Ich mochte schon GEIGER, der neue Akzente setzte, und JUNKYARD JOE, obwohl im selben Comic-Universum von GEOFF JOHNS angesiedelt, lenkt den Blick auf ganz andere Aspekte auf einer Zeitlinie, die von 1776 bis in die Zukunft reicht. Feinfühlig von GEOFF JOHNS erzählt. Viele Charaktere dürfen sich entfalten, viele Facetten halten das Szenario sehr lebendig. GARY FRANK erweckt diesen neuen metallenen Homunkulus sehr schön, sehr realistisch in seinen Bildern und liefert wohl Comic-Seiten ab, die heutzutage absolut State of the Art. Grandios! Für Freunde des Superheldengenres, von Science Fiction und Mystery-Thrillern gleichermaßen. 🙂
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Dienstag, 07. Januar 2025
USA, Lousiana. Eine Gartenparty, das Wetter passt, die Gäste sind in guter Stimmung und in drei Stunden soll eine wundervolle Hochzeit über die Bühne gehen. Die Braut, EILEEN LEROUGES, und Bräutigam himmeln sich an. Doch plötzlich erscheint die Schwester des Bräutigams auf der Bühne, völlig überraschend für das künftige Ehepaar. Und wenig später ist der Bräutigam, TREVOR SMITH, samt Schwester verschwunden. … Buchstäblich für immer.
Aus einer harmlosen Ausgangssituation wird zuerst ein Drama und schließlich ein komplizierter Kriminalfall. Gleich vorweg: RUBINE ist nicht funny, RUBINE ist eine ernste Angelegenheit. Das, was der Leser hier geboten bekommt, entspricht einem klassischen Krimi. MYTHIC mag sich in seiner Eigenschaft als AUTOR sich nicht nur vom Aufbau neuerer SERIEN aus den USA Inspiration geholt haben, auch ältere Kaliber mögen hier durchaus Vorbild gewesen sein.
RUBINE schaltet sich in den Fall ein, als die ehemalige Braut in einem aktuellen Werbevideo ausgerechnet den ONKEL, SIDNEY, ihres verschwundenen Bräutigams entdeckt. Dieser war zeitgleich mit seinem Neffen nicht mehr auffindbar.Endlich, nach vielen Jahren gibt es einen Anhaltspunkt, mit dem niemand, am allerwenigsten die ehemalige Braut, gerechnet hat. Die Liebe von einst mag verflogen sein, was aus dem Mann geworden ist, den sie hatte heiraten wollen, möchte sie trotzdem gerne wissen, um das Kapitel endlich abzuschließen. Also machen sich LIEUTENANT RUBINE KILLARNEY und ihre Kollegin SHIRLEY auf die Suche.
Ein SERIAL LOVER, also ein Heiratsschwindler, hat zwar keine Leichen im Keller, dafür aber viele ehemalige Verlobte, wenn nicht sogar Ehefrauen, die er um ihr sauer Erspartes oder Verdientes erleichtert hat. Deshalb wird die Ermittlung auch zu einer Reise in die Vergangenheit mehrerer Menschen. Langsam ergibt sich ein Bild des Mannes und seiner Methoden und seines Charakters. Eines wird sehr schnell klar: Er muss ein außerordentlicher Charmeur gewesen sein, der sich perfekt auf seine Opfer einzustellen vermochte. Das ist sehr unterhaltsam erzählt, zumal, und hier der Kniff des Ganzen, TREVOR SMITH sich sehr unterschiedliche Frauentypen ausgesucht hat, die allesamt auf Art reagieren, wenn das Thema den untergetauchten Hallodri zu sprechen kommt.
Die beiden Comic-Künstler FRANÇOIS WALTHÉRY und BRUNO DI SANO gestalten die Geschichte mit leichten Strich. Ersterer Zeichner hat hier eindeutig die Nase vorn. FRANÇOIS WALTHÉRY gehört noch zur guten alten Generation, die einige Serien groß gemacht hat und genau das darf er mit Fug und Recht auch von sich behaupten. Inzwischen hat sich der Künstler, immerhin Jahrgang 1946, Verstärkung geholt. Da haben sich bei RUBINE schon ein paar Zeichner die Klinke in die Hand gegeben. BRUNO DI SANO ist allerdings schon seit 2011 mit an Bord und hat sich etabliert.
Hier stehen selbstbewusste Frauen mit Charakter im Mittelpunkt (selbst wenn sie sich am Ende vielleicht als Übeltäter herausstellen). Entsprechend sind sie von den beiden Comic-Künstlern gestaltet. Das Ambiente, die städtischen Kulissen, die Landschaften sind von täglichen Eindrücken aus den Vereinigten Staaten reichlich bekannt. Da wird nichts verherrlicht oder beschönigt, manchmal eher etwas karikiert, aber nie so weit, dass es unrealistisch wird.
RUBINE ist eine KRIMISERIE, die sich über die Jahre zu Recht etabliert hat und nun nach einer mehrjährigen Pause ein kleines Comeback feiert. LIEUTENANT RUBINE KILLARNEY hat es immer noch drauf. Das ist eine der Serien, die nicht altern und eine Comic-Figur, der man als Comic-Fan immer noch gerne bei der Aufklärung eines Falles über die Schulter schaut. Ganz besonders in einem kuriosen Fall wie diesem, der wendungsreich ist und erst kurz vor Schluss den Vorhang lüftet. Klasse! 🙂
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Dienstag, 12. November 2024
Da wagt es doch tatsächlich jemand, RAUL auf der Arbeit in der Werkstatt anzurufen. Ärgerlich, wenn für ein Telefonat die Tätigkeit unterbrochen werden muss und der andere auch noch um einen Gefallen bittet. Nichtsdestotrotz ist ein HALBBRUDER auch Familie. Also erklärt sich RAUL bereit, einen Koffer abzuholen. Ohne zu wissen, welchen Inhalt er transportieren soll. ROBERT SAX, sein Chef, der ein gutes Auge hat, auch durch eigene Erfahrungen der letzten Zeit, wird bald misstrauisch. Denn es scheint noch mehr Leute zu geben, die ein Interesse an dem Reiseutensil haben.
Viele Länder haben ihre ganz eigene koloniale Vergangenheit, und keine davon ist rühmlich. Sogar das aus verschiedener Sicht kleine Belgien macht da keine Ausnahme. Die 4. Episode von ROBERT SAX nimmt sich mit dem Untertitel BLUTDIAMANTEN dieses Themas an. Man darf den Auslöser der Geschichte nicht als Tragödie bezeichnen, da eine solche eher ohne menschliche Einmischung daher kommt. RODOLPHE startet mit einem von Menschen gemachten Drama. Es ist menschenverachtend, brutal, traurig und RODOLPHE gibt dem Auslöser einen Namen und ein Gesicht, eben einen Schuldigen. Daraus entwickelt sich die weitere Handlung. Denn, auch das hat die Vergangenheit gezeigt, wenn Menschen einander Schlimmes antun, können Entwicklungen in Gang gesetzt werden, an deren Ende sich jemand verantworten muss.
Nun ist ROBERT SAX in seiner 4. Folge weit davon entfernt, politisch sein zu wollen. Aber er nutzt ähnliches Verhalten, nicht unbedingt ein wirkliches Vorkommnis in der Vergangenheit, als Grundlage, um seinen THRILLER zu gestalten. Darüber hinaus greift RODOLPHE eine weitere Thematik auf, die in der Realität ebenfalls nicht unbekannt ist, nämlich die der Verwandtschaft mit einem, der (oder die) sich an Gräueltaten schuldig gemacht hat. Im Ausgangspunkt der Handlung, dem KONGO, kommt es zu einem Verbrechen, das mit einer solchen Menschenverachtung und Leidenschaftslosigkeit ausgeführt wird, das es einem allein in einer GRAPHIC NOVEL schon kalt den Rücken hinunterläuft. Und wie bei so manchen Geschichten mit TÄTERN und OPFERN gibt es am Ende auch noch Beute: BLUTDIAMANTEN.
Und hier kommt ROBERT SAX ins Spiel. Die Geschichte beginnt mit einem Gefallen. In bisherigen THRILLERN war er nicht der beste Arbeitgeber. Kein Ausbeuter, mehr jemand, der die Qualitäten seiner Angestellten nicht richtig erkennt oder wertschätzt. Das betraf ganz besonders seinen Chefmechaniker RAUL. Dieser möchte seinen Bruder besuchen und ROBERT SAX beschließt, dem guten Mann einen Gefallen zu tun und diesen zum Anwesen seiner Bruders zu fahren. Und da er schon dabei ist, kann auch gleich die Sekretärin mit auf die kleine Reise gehen. Aber bald schon fällt ROBERT SAX auf, dass ihre Spazierfahrt keine Tour ins Blaue mehr ist. Sondern eine Verfolgungsjagd!
RODOLPHE baut seine Geschichte mit Rückblicken auf. Auf diese Weise erhalten die VERFOLGER einen moralischen Antrieb, wenngleich ihre Vorgehensweise verbrecherisch ist und sich auf Augenhöhe mit jenen begibt, die sie eigentlich verachten und bestrafen wollen. Aber auch das ist ein Merkmal nicht nur postkolonialer Gräuel. RODOLPHE erzählt eine Geschichte, die, aus der Sicht von ROBERT SAX, vom Kleinen ins Große eskaliert. Keine der drei Figuren, die sich da ins Auto setzen, kann vorausahnen, was sich letztlich anbahnt und in eine Abrechnung mündet. Das erinnert an Krimis aus den 1960ern, ohne aber ins Klischee oder Alberne zu kippen.
Zeichner LOUIS ALLOING darf einmal mehr einige Kulissen verarbeiten und (immer ein Hingucker) feine Automobile in Szene setzen. Der Wechsel zwischen KONGO und belgischem Landesflair ist reizvoll. Eine glasklare Trennung der Atmosphären, gegenwärtiges Belgien (1950er Jahre) und Afrika, wird durch eine Vergangenheitsfärbung im Stile alter Fotografien erreicht. Die Geschehnisse im KONGO werden so ein wenig entschärft, sind jedoch nicht weniger spannend als der offenkundige THRILLER, den ROBERT SAX erlebt. (Und eine von LOUIS ALLOING gestaltete Kellerkulisse kam mir irgendwie bekannt vor.)
LOUIS ALLOING zeichnet seine Bilder mit leichten Linien, kaum getuschten Schatten, und überlässt dem KOLORISTEN DRAC die Erzeugung farblicher Stimmung. Es ist schön zu sehen, wie es ihm trotz dieser selbst auferlegten Einschränkung (er geht eben nicht so ins Detail) gelingt, seinen Figuren sehr viel Charakter einzuhauchen und lebendig zu gestalten. Das gilt besonders für jene Figuren, die hier neu auftreten und sich dem Leser schnell vorstellen müssen, um glaubwürdig zu agieren.
Feine THRILLER-KOST mit sehr ernstem Hintergrund. ROBERT SAX wird unversehens in eine Familiengeschichte wie auch ein internationales Drama hineingezogen. Der Leser weiß etwas mehr als die Hauptfigur, dennoch ist Mitfiebern angesagt, denn es lässt sich nicht vorhersagen, wie das hauptsächliche Trio, SAX, PEGGY und RAUL, aus der Geschichte hervorgehen wird. Das ist so geschickt wie routiniert von RODOLPHE erzählt, wie es von LOUIS ALLOING (und DRAC) grafisch präsentiert wird. ROBERT SAX hat sich als tolle Thriller-/Krimiserie ganz klar etabliert! 🙂
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Samstag, 26. Oktober 2024
Einmal ein PARKER GIRL, immer ein PARKER GIRL. Die Frau, die in diesen Kreis eintritt, wird eine lebenslange Familie haben. PIPER MAY ist tot. Ihr Auftrag war es, den Milliardär ZACKARY MAY zu überwachen. Nun wurde ihre Leiche am Strand von Malibu angeschwemmt. Offziell heißt es, PIPER MAY habe zu viel Alkohol getrunken und sei von der Yacht ihres Mannes ins Meer gestürzt. Mitten in der Nacht. Ohne Augenzeugen. Offiziell wird von einem Unfall ausgegangen. TAMBI BAKER, die Chefin der PARKER GIRLS, will dies nicht so einfach hinnehmen und einige Nachforschungen anstellen lassen. Und ihre PARKER GIRLS machen sich an die Arbeit. Denn wie gesagt: Einmal ein PARKER GIRL, immer ein PARKER GIRL …
TERRY MOORE hat sich sein eigenes TERRYVERSE geschaffen. Irgendwie ist so manches miteinander verwoben. Wer zum Beispiel STRANGERS IN PARADISE kennt, wird hier einen kleinen Aha-Effekt erleben. Aber wer noch nichts mit den Geschichten von TERRY MOORE zu tun hatte, wird mit dem Einstieg kein Problem haben, denn er baut seine Handlungen stets so auf, dass Neuleser und alte Hasen gleichermaßen hineinfinden.
Ein klassischer Fall. Eine Frau ist tot. Was ist geschehen? Stimmen die offiziellen Angaben? Oder nicht? Wenn nicht, wer steckt dahinter? Und wie wird das Rätsel am besten aufgelöst? Die hier auftretenden PARKER GIRLS sind nicht die typischen Action-Heldinnen, aber sie sind Spezialistinnen auf ihrem Gebiet, abgerüht, erfahren und weit davon entfernt, ENGEL zu sein. Im Mittelpunkt von TERRY MOORES Geschichten stehen Frauen, tough und häufig in Situationen, die lange Männern in der Unterhaltung vorbehalten waren. Seit längerem hat sich das geändert, womöglich spätestens seit der Mitte der 1990er Jahre. TERRY MOORE hat diesen Faden konsequent aufgenommen und weitergestrickt. Beharrlich wird ein einmal gesetztes Ziel verfolgt, und Zufriedenheit stellt sich erst ein, wenn es erreicht ist. In diesem Fall bedeutet es, den oder die Schuldigen gefunden zu haben.
Die Wahl der Mittel der PARKER GIRLS ist hier ein echtes Überraschungselement für die Leserschaft. Weil sie neben allen anderen Vorzügen, die sie vorzuweisen haben, auch nicht zimperlich sind. Das kann das Eis brechen oder auch einen verstockten Zeugen. Das ist, man gewöhnt sich daran, ihn als Vergleich anzuführen, mit Krimi- und Thriller-Szenarien von QUENTIN TARANTINO vergleichbar. Nicht nur Coolness ist oberstes Gebot, vielmehr existiert ein Mangel an Empathie solchen Menschen gegenüber, die nicht zum erlauchten Kreis der PARKER GIRLS gehören.
TERRY MOORE spannt den Bogen vom Kleinen ins Große. Ganz schlichte familiäre Verbindungen treffen auf die BIG DEALS, die Hochfinanz. Handgemachte Ermittlungen kommen Hightech in die Quere. Und ganz ordinärer Ehezwist zeitigt furchtbare Folgen. Langsam, von Seite zu Seite, nimmt die Handlung immer weitere Züge ein. Hier wurde sorgsam der Rahmen und die immer kleineren Segmente der Geschichte aufgebaut. Zwischendurch explodiert die Handlung in Form von handfester ACTION. Man mag als Leserschaft gedacht haben, dass es jeweils so weit kommen musste. Aber dass es dann geschieht und wie es abläuft, ist kaum vorhersagbar. Die Leserschaft darf sich also auf einige Überraschungen freuen.
Grafisch hat TERRY MOORE seinen Stil schon lange gefunden und diesen beibehalten. Da bekommt die Fan-Gemeinschaft eine gewohnt gute Kost, versiert dargeboten. Eine schöne Technik ist es, die Heldinnen (oder auch andere) direkt in die Kamera sehen zu lassen, die Betrachter mit einzubeziehen. Immer wieder klasse sind Szenen ohne Worte, die einen Charakter verstärken. Eben noch war jemand skrupellos, im nächsten Augenblick verzaubert ein Lächeln das jeweilige Gesicht oder ein Bild aus der Vergangenheit sorgt für Klarheit.
Für alle, die es noch nicht wissen, TERRY MOORE noch nie gelesen haben: Der Künstler arbeitet in Schwarzweiß, farblos. Sind seine Figuren auch nicht mangaesk, kommt der allgemeine Stil dem schon nahe (die Leserichtung ist natürlich westlich geprägt). Das fokussiert sehr auf die Geschichte, das ist grafisch schnörkellos, will eine Geschichte erzählen und bringt die jeweilige übermittelte Information auf den Punkt. TERRY MOORE bedeutet knackige TV-Serie, nicht Cinemascope-Kino. Aber letztlich liegt er damit voll im Trend.
TERRY MOORE zeichnet keine Übermenschen. Es sind die Leute, die Frauen und Männer von nebenan, die einem auf der Straße begegnen können. Sein Frauenbild ist attraktiv, aber nicht übertrieben. Und es ist ein Fest, wenn diese Frauen plötzlich und unerwartet hoch gehen wie eine Bombe und jedes schnuckelige Frauenbild über Bord geht (passendes Wortspiel zur Story). Frauen sind hier mitunter eiskalte Killerinnen (die sich keinen Moment hinter ihren Pendants von der Kinoleinwand versteck müssen; ist schon fast ein Kuriosum, dass TERRY MOORES Geschöpfe ihren Weg dorthin noch nicht gefunden haben).
Du liest den neuen Band von TERRY MOORE und wenn du ihn bisher gemocht hast, wirst du nicht enttäuscht. Und wenn du einen guten Einstieg in seine Comic-Welt suchst, liegst du hier ebenso richtig. Das ist mit viel Herz für die Charaktere erzählt (solche, die die Leserschaft mögen soll, versteht sich) und mit ebenso viel Herz illustriert. Was nicht heißen soll, dass TERRY MOORE seine Figuren schont. Nein, hier muss die Leserschaft auf alles gefasst sein. Und auf eine ordentliche Portion Spannung in jedem Fall! Klare Empfehlung für Thriller-Fans! 🙂
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Youtube-Kanal von TERRY MOORE: https://www.youtube.com/@TerryMooreArt
Tolle Einblicke in seine Arbeit und Zeichentechniken, Storytelling, Emotionsdarstellungen und und und.
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Mittwoch, 23. Oktober 2024
Ein unbekannter Film, alt, noch auf eine Filmrolle gebannt, weckt die Neugier von LUDO. Der Film, dessen Vorbesitzer ganz vernarrt in Verschwörungstheorien war, starb ziemlich banal, als er inmitten seines großen Filmarchivs von der Leiter fiel und sich den Schädel aufschlug. Nun hat LUDO den Raum abgedunkelt, die Filmrolle in den Projektor gefädelt und ist gespannt. Doch der Film ist schrecklich, und je länger LUDO ihn sich anschaut, umso mehr packt es ihn, bis plötzlich, die Welt um ihn herum schwarz wird und er mit Schrecken feststellt, dass er blind ist. In seiner Not greift er zum Mobiltelefon und ruft die erste Nummer an, die auf dem Bildschirm aufploppt. Diese gehört zu LUCIE HENEBELLES, ihres Zeichens Polizeileutnant von Lille. Zu diesem Zeitpunkt ahnt die junge Frau nicht, dass dies der Auftakt zu einem grausamsten Fälle ihres Lebens ist.
Bereits 2012 erschien in Deutschland der Roman ÖFFNE DIE AUGEN von FRANCK THILLIEZ, dessen Comic-Adation von SYLVAIN RUNBERG (Autor) und LUC BRAHY (Zeichner) nun unter dem Originaltitel DAS SYNDROM [E] hierzulande erschienen ist. Der Thriller ist, um es vorweg zu nehmen, für Freunde von Spannungsliteratur, die sich mit Verschwörungsmythen befasst, deren Hintergründe in die Jahrzehnte zurückreichen und es dennoch finstere Gestalten gibt, die ein großes Interesse daran haben, jene furchtbaren Geheimnisse weiterhin zu hüten. Hier wird ein ebensolch weiter Bogen gefasst, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch zwischen Europa, Nordamerika und Afrika. Denn neben der Ermittlerin LUCIE HENEBELLES wird noch ein weiterer Polizist ins Rennen geschickt, der ebenfalls von FRANCK THILLIEZ ersonnene FRANCK SHARKO.
Zwei sehr unterschiedliche Ermittler mit zunächst unterschiedlichen Zielen sind hier an der Arbeit. Neben den für den Leser verschieden skizzierten Charakteren, gibt FRANCK THILLIEZ den beiden auch ihre jeweils eigenen Päckchen zu tragen. Ist das von LUCIE HENEBELLES noch recht normal zu nennen, ist sie doch Mutter zweier Töchter, hat FRANCK SHARKO ein ganz anderes Problem. Allein damit ließe sich schon ein Roman bzw. ein Comic füllen, würde den beiden nicht ein Fall vor die Füße fallen, wie recht gut zu diesem Monat passt, schließlich steht Halloween kurz vor der Tür.
Stark ist, wie weit verzweigt die Geschichte angelegt wurde, nicht bloß in der Zeit, sondern auch geografisch. Das garantiert dem Auge, dank Zeichner LUC BRAHY, immer neue Ansatzpunkte, allerdings ohne Glanz und Glamour. Das Szenario bewegt sich von der Normalität der Bevölkerung bis hin zum Bodensatz, in schmutzige Gefilde oder in Gegenden, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und deshalb Halunken die Möglichkeit finden, ungestört ihre Verbrechen zu verüben.
Das sorgt für Action, Auseinandersetzung auf Leben und Tod. Wenn eine Drohung im Raum steht, folgen dieser auch Taten. Danach sieht es anfangs nicht aus. Zwar schwebt da diese Brutalität mehr oder weniger sichtbar, aber dass es den ErmittlerInnen an den Kragen gehen könnte, mögen die LeserInnen kaum ahnen. Denn ganz ehrlich: Polizei genießen (trotz vieler gegenteiliger Beispiele in Unterhaltung und Realität) einen gewissen Schutz. Nach dem Motto: Die biegen das hin, müssen aber nicht selbst drunter leiden.
SYLVAIN RUNBERG, adaptierender Autor, baut viele spannungssteigernde Momente aus dem Roman in die Comic-Umsetzung ein, und es wirkt so, als könne tatsächlich jederzeit ein Polizist sich verabschieden. Über die gesamte Länge der Handlung hinweg, ist die Atmosphäre dergestalt, dass sich keiner sicher fühlen kann. Für die Leserschaft ist die Aufrechterhaltung des mulmigen Gefühls natürlich großartig (für solche, die sich gerne gruseln, versteht sich).
LUC BRAHY ist als Autor wie als Zeichner gleichermaßen im Medium unterwegs. Hierzulande kennt der Comic-Fan ihn als Texter der Serie UKAS. Bei DAS SYNDROM [E] ist er als Illustrator dabei. Er vermag sehr schön Gefühle ohne weiteren Text zu transportieren. Besorgnis, Erschöpfung, Verzweiflung, Todesangst, Verärgerung, Lust, Erheiterung und und und. Die gezeigte Gefühlspalette ist sehr weit gefasst und nicht so oft bei Kollegen von LUC BRAHY so zu finden. Der Realismus seiner Bilder fängt den jeweiligen Ort fein ein, was natürlich erst richtig reizvoll wird, wenn die Kulissen wechseln und sich starke Kontraste ergeben. Da herrschen zum Beispiel zwischen französischen und algerischen Schauplätzen starke Kontraste. Insgesamt transportiert sich der vorliegende Thriller für die Leserschaft in einem stimmigen Gesamtbild.
Düster, düster, düster. Ein sehr dunkles Geheimnis, das angesichts des Irrsinns so manch aufgedeckten Skandals und Experimente, die tatsächlich und dokumentiert stattgefunden haben, ebenfalls so passiert sein könnte. Wahrscheinlich hat FRANCK THILLIEZ, der Autor der Romanvorlage, daraus auch seine Inspiration gezogen. SYLVAIN RUNBERG (adaptierender Autor) und LUC BRAHY (Zeichner) sind beides Comic-Veteranen und formen aus der Vorlage einen runden, sehr dicht erzählten Thriller, in dem neben den einzelnen Steinchen, die das Mosaik vervollständigen, die beiden polizeilichen Helden noch ihre ganz eigenen Baustellen haben (ganz besonders FRANCK SHARKO). Spannung von der ersten bis zur letzten Seite, gelungen und versiert illustriert. Daumen hoch! 🙂
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