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Comic Blog


Dienstag, 14. Januar 2025

JUNKYARD JOE

Filed under: SciFi,Thriller — Michael um 10:14

JUNKYARD JOEDie JUNKYARD DOGS sind nur eine kleine Gruppe innerhalb der us-amerikanischen Armee. Die durchweg jungen Soldaten versuchen ihren Einsatz in Übersee, in VIETNAM zu überleben. Die nächste Mission steht an. Einen Kameraden hat die Gruppe gerade verloren. Ein neuer Soldat soll ihn ersetzen. Der junge Mann ist nicht nur schweigsam, er ist still. Sein Blick ist seltsam unbeteiligt. Sein Auftreten wird von den anderen als Angst interpretiert. Keiner trägt es ihm nach. Alle Soldaten haben Angst und sie tun gut daran, denn es hält sie wach, macht sie aufmerksam. In der Nacht auf der Patrouille geschieht das Unfassbare. Ein feindlicher Soldat will die G.I.s mit einer Sprengladung töten. Der Neue geht dazwischen und fängt die Explosion mit seinem eigenen Körper ab…

Es war einmal in VIETNAM. Ein oft behandeltes Thema in den Vereinigten Staaten von Amerika. Zahlreiche Schlachten hat die USA geschlagen, in vielen Kriegen gekämpft. Aber das herausragende Trauma, medial immer wieder bemüht, ist VIETNAM. GEOFF JOHNS (Autor) und GARY FRANK (Zeichner), ein Künstler-Dreamteam, haben diesen Zeitabschnitt als Inspiration hergenommen und einen neuen, sehr besonderen HELDEN kreiert, der auf seine Art ein moderner PINOCCHIO sein könnte.

Aber JUNKYARD JOE ist noch mehr. Das muss vorweg geschickt werden. Zwar kann die Geschichte durchaus als alleiniges Werk betrachtet werden, doch gleichzeitig ist sie eingebettet in ein ganzes Comic-Universum, geschaffen von GEOFF JOHNS. Eine Zeitlinie im Anhang setzt den Leser über diverse Charaktere ins Bild: REDCOAT, THE NORTHENER, THE MONSTER, (natürlich) JUNKYARD JOE, AMERICAN WIDOW X, FIRST GHOST und schlussendlich auch GEIGER, dessen Geschichte bereits bei Cross Cult erschienen ist. Und alles zusammen umfasst ein UNERKANNTER KRIEG, in dem die, wie diese Helden auch genannt werden, DIE UNGENANNTEN eine Rolle spielen.

Zurück zu JUNKYARD JOE: GEOFF JOHNS hat hier keinen Killerroboter geschaffen. Sein JUNKYARD JOE hat den Auftrag, Menschen zu beschützen. Derlei kann – muss aber nicht – damit einhergehen, potentielle Bedrohungen auszuschalten. Notfalls endgültig. Freundlich formuliert. Das könnte eine eingleisige Geschichte werden, würde GEOFF JOHNS nicht (wie er das meistens macht) mehrere Schichten hinzufügen, die dem Szenario Tiefe verleihen.

Aus besagter Gruppe Soldaten zu Beginn ist in der Gegenwart ein einziger Mann, MUDDY DAVIS, zurückgeblieben. Dieser hat seine Erfahrungen mit JUNKYARD JOE sehr erfolgreich verarbeitet. Er gab dem namenlosen Roboter, der ihnen im Dschungel das Leben rettete, nicht nur die comicartige Bezeichnung, er schuf auch gleich einen ganzen Comic dazu, der auf den überaus beliebten Comic-Seiten von Tageszeitungen über Jahrzehnte hinweg ein breites Publikum, eine Fanbase gefunden hat. Plötzlich, mitten im Winter, taucht dieser ROBOTER wieder auf. Und MUDDY DAVIS, der zeitweilig an seinen Erinnerungen und seinem Verstand zweifelte, wird mit der Echthit seiner Vergangenheit konfrontiert.

JUNKYARD JOE spricht nicht. Zwar kann er Emotionen ausdrücken (auf seine Weise), doch Worte (kein einziges) kann er dazu nicht nutzen. So liegt es an den Interpretationen der Menschen um ihn herum, ein klareres Bild dieses Maschinenwesens für den Leser zu kreieren. Denn genau das entwirft GEOFF JOHNS hier: keinen schlichten gedankenlosen ROBOTER, sondern tatsächlich ein MASCHINENWESEN. Damit all diese Emotionen im Bild rüberkommen, hat GEOFF JOHNS den Zeichner GARY FRANK an seiner Seite. GARY FRANK hat bislang über mehr als 30 Jahre im Comic-Geschäft gearbeitet und in jedem größeren amerikanischen Comic-Universum seine Spuren bei sehr bekannten Comic-Figuren hinterlassen. An der Seite von GEOFF JOHNS kann er neue Figuren erschaffen.

GEIGER war der erste Charakter, JUNKYARD JOE folgte ihm auf dem Fuße. GARY FRANK arbeitet mit starkem Realismus, und jede seiner Figuren besitzt ein höchst individuelles Aussehen. Verwechslungen sind hier ausgeschlossen. GARY FRANK steht qualitativ auf Augenhöhe mit Illustratoren wie z.B. JIM LEE, CLAY MANN oder BRYAN HITCH (letzterer gestaltet die von GEOFF JOHNS für dieses neue Comic-Universum geschaffene Figur REDCOAT). Aber es ist in JUNKYARD JOE nicht nur futuristisch, mysteriös, es ist außerdem auch Familiendrama. In feinen Szenen beweist GARY FRANK seine Meisterschaft, wenn er Figuren ein Gesicht gibt, in denen der Leser selbst sich (und möglicherweise seine eigenen Emotionen) wiederfinden kann. Das Kleinstadtflair hilft hier extrem.

Die Action sehr pointiert eingesetzt und wenn sie ausbricht, ist sie ein Hingucker, aber nie übertrieben oder gar Selbstzweck. Das wäre im Umfeld eines realen nationalen Traumas wie VIETNAM auch fehl am Platz. Ebenso später in der Gegenwart ist es szenisch mehr THRILLER- als SUPERHELDEN-Ambiente.

WOW! Ich mochte schon GEIGER, der neue Akzente setzte, und JUNKYARD JOE, obwohl im selben Comic-Universum von GEOFF JOHNS angesiedelt, lenkt den Blick auf ganz andere Aspekte auf einer Zeitlinie, die von 1776 bis in die Zukunft reicht. Feinfühlig von GEOFF JOHNS erzählt. Viele Charaktere dürfen sich entfalten, viele Facetten halten das Szenario sehr lebendig. GARY FRANK erweckt diesen neuen metallenen Homunkulus sehr schön, sehr realistisch in seinen Bildern und liefert wohl Comic-Seiten ab, die heutzutage absolut State of the Art. Grandios! Für Freunde des Superheldengenres, von Science Fiction und Mystery-Thrillern gleichermaßen. 🙂

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Dienstag, 07. Januar 2025

RUBINE 14 – SERIAL LOVER

Filed under: Thriller — Michael um 19:59

RUBINE 14 - SERIAL LOVERUSA, Lousiana. Eine Gartenparty, das Wetter passt, die Gäste sind in guter Stimmung und in drei Stunden soll eine wundervolle Hochzeit über die Bühne gehen. Die Braut, EILEEN LEROUGES, und Bräutigam himmeln sich an. Doch plötzlich erscheint die Schwester des Bräutigams auf der Bühne, völlig überraschend für das künftige Ehepaar. Und wenig später ist der Bräutigam, TREVOR SMITH, samt Schwester verschwunden. … Buchstäblich für immer.

Aus einer harmlosen Ausgangssituation wird zuerst ein Drama und schließlich ein komplizierter Kriminalfall. Gleich vorweg: RUBINE ist nicht funny, RUBINE ist eine ernste Angelegenheit. Das, was der Leser hier geboten bekommt, entspricht einem klassischen Krimi. MYTHIC mag sich in seiner Eigenschaft als AUTOR sich nicht nur vom Aufbau neuerer SERIEN aus den USA Inspiration geholt haben, auch ältere Kaliber mögen hier durchaus Vorbild gewesen sein.

RUBINE schaltet sich in den Fall ein, als die ehemalige Braut in einem aktuellen Werbevideo ausgerechnet den ONKEL, SIDNEY, ihres verschwundenen Bräutigams entdeckt. Dieser war zeitgleich mit seinem Neffen nicht mehr auffindbar.Endlich, nach vielen Jahren gibt es einen Anhaltspunkt, mit dem niemand, am allerwenigsten die ehemalige Braut, gerechnet hat. Die Liebe von einst mag verflogen sein, was aus dem Mann geworden ist, den sie hatte heiraten wollen, möchte sie trotzdem gerne wissen, um das Kapitel endlich abzuschließen. Also machen sich LIEUTENANT RUBINE KILLARNEY und ihre Kollegin SHIRLEY auf die Suche.

Ein SERIAL LOVER, also ein Heiratsschwindler, hat zwar keine Leichen im Keller, dafür aber viele ehemalige Verlobte, wenn nicht sogar Ehefrauen, die er um ihr sauer Erspartes oder Verdientes erleichtert hat. Deshalb wird die Ermittlung auch zu einer Reise in die Vergangenheit mehrerer Menschen. Langsam ergibt sich ein Bild des Mannes und seiner Methoden und seines Charakters. Eines wird sehr schnell klar: Er muss ein außerordentlicher Charmeur gewesen sein, der sich perfekt auf seine Opfer einzustellen vermochte. Das ist sehr unterhaltsam erzählt, zumal, und hier der Kniff des Ganzen, TREVOR SMITH sich sehr unterschiedliche Frauentypen ausgesucht hat, die allesamt auf Art reagieren, wenn das Thema den untergetauchten Hallodri zu sprechen kommt.

Die beiden Comic-Künstler FRANÇOIS WALTHÉRY und BRUNO DI SANO gestalten die Geschichte mit leichten Strich. Ersterer Zeichner hat hier eindeutig die Nase vorn. FRANÇOIS WALTHÉRY gehört noch zur guten alten Generation, die einige Serien groß gemacht hat und genau das darf er mit Fug und Recht auch von sich behaupten. Inzwischen hat sich der Künstler, immerhin Jahrgang 1946, Verstärkung geholt. Da haben sich bei RUBINE schon ein paar Zeichner die Klinke in die Hand gegeben. BRUNO DI SANO ist allerdings schon seit 2011 mit an Bord und hat sich etabliert.

Hier stehen selbstbewusste Frauen mit Charakter im Mittelpunkt (selbst wenn sie sich am Ende vielleicht als Übeltäter herausstellen). Entsprechend sind sie von den beiden Comic-Künstlern gestaltet. Das Ambiente, die städtischen Kulissen, die Landschaften sind von täglichen Eindrücken aus den Vereinigten Staaten reichlich bekannt. Da wird nichts verherrlicht oder beschönigt, manchmal eher etwas karikiert, aber nie so weit, dass es unrealistisch wird.

RUBINE ist eine KRIMISERIE, die sich über die Jahre zu Recht etabliert hat und nun nach einer mehrjährigen Pause ein kleines Comeback feiert. LIEUTENANT RUBINE KILLARNEY hat es immer noch drauf. Das ist eine der Serien, die nicht altern und eine Comic-Figur, der man als Comic-Fan immer noch gerne bei der Aufklärung eines Falles über die Schulter schaut. Ganz besonders in einem kuriosen Fall wie diesem, der wendungsreich ist und erst kurz vor Schluss den Vorhang lüftet. Klasse! 🙂

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Donnerstag, 02. Januar 2025

WEIHNACHTSGESCHICHTEN VON MITTÉÏ

Filed under: Klassiker — Michael um 15:52

WEIHNACHTSGESCHICHTEN VON MITTÉÏEin Halunke betritt den kleinen Ort. Wir befinden uns irgendwann im Mittelalter, die Menschen sind gutgläubig, glauben noch an Zauberei und die Magie von Weihnachten. Ein guter Mensch ist er nicht, der Reisende und bei erster Gelegenheit wird ein Mann, der um ein paar Groschen bettelt, zurechtgewiesen und bedroht. Der Halunke will nichts hergeben, er will etwas einsacken und hat sich dazu einen Trick einfallen lassen. Doch dazu braucht er zwei Gesellen, die ihm helfen. In einer Kneipe findet er zwei Helfershelfer, doch die sind bereits ziemlich betrunken …

Es gibt ein paar klassische Comic-Zeichner, die gehören einfach in die Riege der Top-Künstler ihres Fachs. Einer davon ist JEAN MARIETTE alias MITTÉÏ. Für das Magazin TINTIN schuf er in den 1960er Jahren herzerwärmende Geschichten und Illustrationen sowie Comics zum Thema WEIHNACHTEN. Dazu entführte er gerne in mittelalterliche Vergangenheiten oder auch in literarische Umgebungen im Sinne der berühmten WEIHNACHTSGESCHICHTE von CHARLES DICKENS, der Weihnachtsmär schlechthin. Wenn sich MITTÉÏ jedoch im Umfeld seiner eigenen Epoche bewegt, weiß er aus meiner Sicht noch mehr zu gefallen und die geweckten Emotionen werden deutlich stärker angeschubst.

WEIHNACHTEN À LA DICKENS ist mein Favorit im hier gezeigten Potpourri von MITTÉÏs Einfällen. Es ist zugleich eine Geschichte, die am besten in unsere Zeit passt, da Armut, im Speziellen Kinderarmut, eines der großen Themen unserer Gesellschaft ist. Ein Lastkraftwagen mit einer großen Ladung voller Sachen, die Weihnachten schöner machen können, kommt in einer Winterlandschaft von der Straße ab und fällt einem kleinen Jungen sozusagen vor die Füße. Anstatt die Ware wieder einzusammeln, überlässt der Besitzer der Waren dem Jungen die komplette Ladung.

MITTÉÏs Arbeiten reichen, wie kurz angedeutet, weit über den normalen Comic hinaus. In großformatigen Illustrationen, aquarelliert, teils getuscht, teils ungetuscht, zeigt er die wunderbare Bandbreite seines Könnens, denn selbst hier variiert er, wandelt den Stil seiner Figuren oder Kulissen. Der WEIHNACHTSMANN ist natürlich ein beliebtes Motiv. Fliegt dieser gerade nicht über den nächtlichen Weihnachtshimmel, liefert er sich sogar auf verschneiter Piste ein Wettrennen mit einem Rallyerennwagen. Und ganz gleich welches weihnachtliche Thema MITTÉÏ sich vornimmt, stets gelingt es ihm, eine schöne, friedvolle Atmosphäre aufzubauen, herzlich, aber oft auch mit viel Humor. Ein Bild mit Weihnachtszwergen in einem (das gehört eben dazu) verschneiten Wald ist ein schönes Beispiel für diese Behauptung.

Darüber hinaus zeigt MITTÉÏ sein Wimmelbildtalent. Eingangs findet sich eine Illustration aus den 1990ern, im Innenteil greift er diese Technik einmal mehr auf. Welche Figur macht hier was, wohin sind sie unterwegs? Findet sich vielleicht jemand, der oder die aus bestimmten Publikationen her bekannt ist? (Ja, gibt es. Gut hinschauen!) Neben märchenhaft (wie in den Geschichten WEIHNACHTEN MIT DUDELSACK, HOLZSCHUHE FÜR CRYSTAL oder DIE DREI STILLEN MESSEN, um nur ein paar zu nennen), literarisch und modern wird es nie vollends gefühlsduselig oder übertrieben feierlich. Im Gegenteil: In DIE DREI STILLEN MESSEN wird ein sündiger Pfarrer dazu verdonnert, noch 300 Christmetten zu lesen, andernfalls ist der Himmel für ihn passé. MITTÉÏ setzt mehr auf das menschliche Element, genauer Mitmenschlichkeit, so zum Beispiel in WEIHNACHTEN UNTER DER BRÜCKE, wenn Obdachlose, die sowieso sehr unter dem Winter zu leiden haben, dennoch ein (halbwegs) schönes Fest erfahren.

Besonders interessant (auch ein wenig kurios) ist die Geschichte DER ROTE WEIHNACHTSBAUM. Ein Junge mit einer gewissen Form der Farbblindheit hat noch nie einen GRÜNEN Weihnachtsbaum gesehen. Das ist so lustig wie weihnachtlich und könnte glatt eine Episode (von vielen) aus dem Leben von JACKY sein. Das ist in seiner erzählerischen Einfachheit und gleichzeitigen emotionalen Effektivität ziemlich bewundernswert.

Nicht alle vom Meister MITTÉÏ selbst geschrieben (aber die meisten), doch komplett illustriert, in einer feinen, und beschaut man sich die Comic-Landschaft, immer noch zündenden Stilistik mit Vorbildcharakter. MITTÉÏ zeigt hier verschiedene Techniken und kann mit jeder überzeugen. Kurzgeschichten, größere und kleinere Grafiken bieten etwas für das Auge und, natürlich passend zur beschriebenen Jahreszeit, für das Gefühl. Für Sammler und ganz besonders für Comic-Freunde! Sehr schön!!! 🙂

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Dienstag, 12. November 2024

ROBERT SAX 4 – BLUTDIAMANTEN

Filed under: Thriller — Michael um 16:15

ROBERT SAX 4 – BLUTDIAMANTENDa wagt es doch tatsächlich jemand, RAUL auf der Arbeit in der Werkstatt anzurufen. Ärgerlich, wenn für ein Telefonat die Tätigkeit unterbrochen werden muss und der andere auch noch um einen Gefallen bittet. Nichtsdestotrotz ist ein HALBBRUDER auch Familie. Also erklärt sich RAUL bereit, einen Koffer abzuholen. Ohne zu wissen, welchen Inhalt er transportieren soll. ROBERT SAX, sein Chef, der ein gutes Auge hat, auch durch eigene Erfahrungen der letzten Zeit, wird bald misstrauisch. Denn es scheint noch mehr Leute zu geben, die ein Interesse an dem Reiseutensil haben.

Viele Länder haben ihre ganz eigene koloniale Vergangenheit, und keine davon ist rühmlich. Sogar das aus verschiedener Sicht kleine Belgien macht da keine Ausnahme. Die 4. Episode von ROBERT SAX nimmt sich mit dem Untertitel BLUTDIAMANTEN dieses Themas an. Man darf den Auslöser der Geschichte nicht als Tragödie bezeichnen, da eine solche eher ohne menschliche Einmischung daher kommt. RODOLPHE startet mit einem von Menschen gemachten Drama. Es ist menschenverachtend, brutal, traurig und RODOLPHE gibt dem Auslöser einen Namen und ein Gesicht, eben einen Schuldigen. Daraus entwickelt sich die weitere Handlung. Denn, auch das hat die Vergangenheit gezeigt, wenn Menschen einander Schlimmes antun, können Entwicklungen in Gang gesetzt werden, an deren Ende sich jemand verantworten muss.

Nun ist ROBERT SAX in seiner 4. Folge weit davon entfernt, politisch sein zu wollen. Aber er nutzt ähnliches Verhalten, nicht unbedingt ein wirkliches Vorkommnis in der Vergangenheit, als Grundlage, um seinen THRILLER zu gestalten. Darüber hinaus greift RODOLPHE eine weitere Thematik auf, die in der Realität ebenfalls nicht unbekannt ist, nämlich die der Verwandtschaft mit einem, der (oder die) sich an Gräueltaten schuldig gemacht hat. Im Ausgangspunkt der Handlung, dem KONGO, kommt es zu einem Verbrechen, das mit einer solchen Menschenverachtung und Leidenschaftslosigkeit ausgeführt wird, das es einem allein in einer GRAPHIC NOVEL schon kalt den Rücken hinunterläuft. Und wie bei so manchen Geschichten mit TÄTERN und OPFERN gibt es am Ende auch noch Beute: BLUTDIAMANTEN.

Und hier kommt ROBERT SAX ins Spiel. Die Geschichte beginnt mit einem Gefallen. In bisherigen THRILLERN war er nicht der beste Arbeitgeber. Kein Ausbeuter, mehr jemand, der die Qualitäten seiner Angestellten nicht richtig erkennt oder wertschätzt. Das betraf ganz besonders seinen Chefmechaniker RAUL. Dieser möchte seinen Bruder besuchen und ROBERT SAX beschließt, dem guten Mann einen Gefallen zu tun und diesen zum Anwesen seiner Bruders zu fahren. Und da er schon dabei ist, kann auch gleich die Sekretärin mit auf die kleine Reise gehen. Aber bald schon fällt ROBERT SAX auf, dass ihre Spazierfahrt keine Tour ins Blaue mehr ist. Sondern eine Verfolgungsjagd!

RODOLPHE baut seine Geschichte mit Rückblicken auf. Auf diese Weise erhalten die VERFOLGER einen moralischen Antrieb, wenngleich ihre Vorgehensweise verbrecherisch ist und sich auf Augenhöhe mit jenen begibt, die sie eigentlich verachten und bestrafen wollen. Aber auch das ist ein Merkmal nicht nur postkolonialer Gräuel. RODOLPHE erzählt eine Geschichte, die, aus der Sicht von ROBERT SAX, vom Kleinen ins Große eskaliert. Keine der drei Figuren, die sich da ins Auto setzen, kann vorausahnen, was sich letztlich anbahnt und in eine Abrechnung mündet. Das erinnert an Krimis aus den 1960ern, ohne aber ins Klischee oder Alberne zu kippen.

Zeichner LOUIS ALLOING darf einmal mehr einige Kulissen verarbeiten und (immer ein Hingucker) feine Automobile in Szene setzen. Der Wechsel zwischen KONGO und belgischem Landesflair ist reizvoll. Eine glasklare Trennung der Atmosphären, gegenwärtiges Belgien (1950er Jahre) und Afrika, wird durch eine Vergangenheitsfärbung im Stile alter Fotografien erreicht. Die Geschehnisse im KONGO werden so ein wenig entschärft, sind jedoch nicht weniger spannend als der offenkundige THRILLER, den ROBERT SAX erlebt. (Und eine von LOUIS ALLOING gestaltete Kellerkulisse kam mir irgendwie bekannt vor.)

LOUIS ALLOING zeichnet seine Bilder mit leichten Linien, kaum getuschten Schatten, und überlässt dem KOLORISTEN DRAC die Erzeugung farblicher Stimmung. Es ist schön zu sehen, wie es ihm trotz dieser selbst auferlegten Einschränkung (er geht eben nicht so ins Detail) gelingt, seinen Figuren sehr viel Charakter einzuhauchen und lebendig zu gestalten. Das gilt besonders für jene Figuren, die hier neu auftreten und sich dem Leser schnell vorstellen müssen, um glaubwürdig zu agieren.

Feine THRILLER-KOST mit sehr ernstem Hintergrund. ROBERT SAX wird unversehens in eine Familiengeschichte wie auch ein internationales Drama hineingezogen. Der Leser weiß etwas mehr als die Hauptfigur, dennoch ist Mitfiebern angesagt, denn es lässt sich nicht vorhersagen, wie das hauptsächliche Trio, SAX, PEGGY und RAUL, aus der Geschichte hervorgehen wird. Das ist so geschickt wie routiniert von RODOLPHE erzählt, wie es von LOUIS ALLOING (und DRAC) grafisch präsentiert wird. ROBERT SAX hat sich als tolle Thriller-/Krimiserie ganz klar etabliert! 🙂

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Samstag, 26. Oktober 2024

PARKER GIRLS

Filed under: Thriller — Michael um 18:37

PARKER GIRLSEinmal ein PARKER GIRL, immer ein PARKER GIRL. Die Frau, die in diesen Kreis eintritt, wird eine lebenslange Familie haben. PIPER MAY ist tot. Ihr Auftrag war es, den Milliardär ZACKARY MAY zu überwachen. Nun wurde ihre Leiche am Strand von Malibu angeschwemmt. Offziell heißt es, PIPER MAY habe zu viel Alkohol getrunken und sei von der Yacht ihres Mannes ins Meer gestürzt. Mitten in der Nacht. Ohne Augenzeugen. Offiziell wird von einem Unfall ausgegangen. TAMBI BAKER, die Chefin der PARKER GIRLS, will dies nicht so einfach hinnehmen und einige Nachforschungen anstellen lassen. Und ihre PARKER GIRLS machen sich an die Arbeit. Denn wie gesagt: Einmal ein PARKER GIRL, immer ein PARKER GIRL

TERRY MOORE hat sich sein eigenes TERRYVERSE geschaffen. Irgendwie ist so manches miteinander verwoben. Wer zum Beispiel STRANGERS IN PARADISE kennt, wird hier einen kleinen Aha-Effekt erleben. Aber wer noch nichts mit den Geschichten von TERRY MOORE zu tun hatte, wird mit dem Einstieg kein Problem haben, denn er baut seine Handlungen stets so auf, dass Neuleser und alte Hasen gleichermaßen hineinfinden.

Ein klassischer Fall. Eine Frau ist tot. Was ist geschehen? Stimmen die offiziellen Angaben? Oder nicht? Wenn nicht, wer steckt dahinter? Und wie wird das Rätsel am besten aufgelöst? Die hier auftretenden PARKER GIRLS sind nicht die typischen Action-Heldinnen, aber sie sind Spezialistinnen auf ihrem Gebiet, abgerüht, erfahren und weit davon entfernt, ENGEL zu sein. Im Mittelpunkt von TERRY MOORES Geschichten stehen Frauen, tough und häufig in Situationen, die lange Männern in der Unterhaltung vorbehalten waren. Seit längerem hat sich das geändert, womöglich spätestens seit der Mitte der 1990er Jahre. TERRY MOORE hat diesen Faden konsequent aufgenommen und weitergestrickt. Beharrlich wird ein einmal gesetztes Ziel verfolgt, und Zufriedenheit stellt sich erst ein, wenn es erreicht ist. In diesem Fall bedeutet es, den oder die Schuldigen gefunden zu haben.

Die Wahl der Mittel der PARKER GIRLS ist hier ein echtes Überraschungselement für die Leserschaft. Weil sie neben allen anderen Vorzügen, die sie vorzuweisen haben, auch nicht zimperlich sind. Das kann das Eis brechen oder auch einen verstockten Zeugen. Das ist, man gewöhnt sich daran, ihn als Vergleich anzuführen, mit Krimi- und Thriller-Szenarien von QUENTIN TARANTINO vergleichbar. Nicht nur Coolness ist oberstes Gebot, vielmehr existiert ein Mangel an Empathie solchen Menschen gegenüber, die nicht zum erlauchten Kreis der PARKER GIRLS gehören.

TERRY MOORE spannt den Bogen vom Kleinen ins Große. Ganz schlichte familiäre Verbindungen treffen auf die BIG DEALS, die Hochfinanz. Handgemachte Ermittlungen kommen Hightech in die Quere. Und ganz ordinärer Ehezwist zeitigt furchtbare Folgen. Langsam, von Seite zu Seite, nimmt die Handlung immer weitere Züge ein. Hier wurde sorgsam der Rahmen und die immer kleineren Segmente der Geschichte aufgebaut. Zwischendurch explodiert die Handlung in Form von handfester ACTION. Man mag als Leserschaft gedacht haben, dass es jeweils so weit kommen musste. Aber dass es dann geschieht und wie es abläuft, ist kaum vorhersagbar. Die Leserschaft darf sich also auf einige Überraschungen freuen.

Grafisch hat TERRY MOORE seinen Stil schon lange gefunden und diesen beibehalten. Da bekommt die Fan-Gemeinschaft eine gewohnt gute Kost, versiert dargeboten. Eine schöne Technik ist es, die Heldinnen (oder auch andere) direkt in die Kamera sehen zu lassen, die Betrachter mit einzubeziehen. Immer wieder klasse sind Szenen ohne Worte, die einen Charakter verstärken. Eben noch war jemand skrupellos, im nächsten Augenblick verzaubert ein Lächeln das jeweilige Gesicht oder ein Bild aus der Vergangenheit sorgt für Klarheit.

Für alle, die es noch nicht wissen, TERRY MOORE noch nie gelesen haben: Der Künstler arbeitet in Schwarzweiß, farblos. Sind seine Figuren auch nicht mangaesk, kommt der allgemeine Stil dem schon nahe (die Leserichtung ist natürlich westlich geprägt). Das fokussiert sehr auf die Geschichte, das ist grafisch schnörkellos, will eine Geschichte erzählen und bringt die jeweilige übermittelte Information auf den Punkt. TERRY MOORE bedeutet knackige TV-Serie, nicht Cinemascope-Kino. Aber letztlich liegt er damit voll im Trend.

TERRY MOORE zeichnet keine Übermenschen. Es sind die Leute, die Frauen und Männer von nebenan, die einem auf der Straße begegnen können. Sein Frauenbild ist attraktiv, aber nicht übertrieben. Und es ist ein Fest, wenn diese Frauen plötzlich und unerwartet hoch gehen wie eine Bombe und jedes schnuckelige Frauenbild über Bord geht (passendes Wortspiel zur Story). Frauen sind hier mitunter eiskalte Killerinnen (die sich keinen Moment hinter ihren Pendants von der Kinoleinwand versteck müssen; ist schon fast ein Kuriosum, dass TERRY MOORES Geschöpfe ihren Weg dorthin noch nicht gefunden haben).

Du liest den neuen Band von TERRY MOORE und wenn du ihn bisher gemocht hast, wirst du nicht enttäuscht. Und wenn du einen guten Einstieg in seine Comic-Welt suchst, liegst du hier ebenso richtig. Das ist mit viel Herz für die Charaktere erzählt (solche, die die Leserschaft mögen soll, versteht sich) und mit ebenso viel Herz illustriert. Was nicht heißen soll, dass TERRY MOORE seine Figuren schont. Nein, hier muss die Leserschaft auf alles gefasst sein. Und auf eine ordentliche Portion Spannung in jedem Fall! Klare Empfehlung für Thriller-Fans! 🙂

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Youtube-Kanal von TERRY MOORE: https://www.youtube.com/@TerryMooreArt
Tolle Einblicke in seine Arbeit und Zeichentechniken, Storytelling, Emotionsdarstellungen und und und.

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Mittwoch, 23. Oktober 2024

DAS SYNDROM [E]

Filed under: Thriller — Michael um 16:37

DAS SYNDROM [E]Ein unbekannter Film, alt, noch auf eine Filmrolle gebannt, weckt die Neugier von LUDO. Der Film, dessen Vorbesitzer ganz vernarrt in Verschwörungstheorien war, starb ziemlich banal, als er inmitten seines großen Filmarchivs von der Leiter fiel und sich den Schädel aufschlug. Nun hat LUDO den Raum abgedunkelt, die Filmrolle in den Projektor gefädelt und ist gespannt. Doch der Film ist schrecklich, und je länger LUDO ihn sich anschaut, umso mehr packt es ihn, bis plötzlich, die Welt um ihn herum schwarz wird und er mit Schrecken feststellt, dass er blind ist. In seiner Not greift er zum Mobiltelefon und ruft die erste Nummer an, die auf dem Bildschirm aufploppt. Diese gehört zu LUCIE HENEBELLES, ihres Zeichens Polizeileutnant von Lille. Zu diesem Zeitpunkt ahnt die junge Frau nicht, dass dies der Auftakt zu einem grausamsten Fälle ihres Lebens ist.

Bereits 2012 erschien in Deutschland der Roman ÖFFNE DIE AUGEN von FRANCK THILLIEZ, dessen Comic-Adation von SYLVAIN RUNBERG (Autor) und LUC BRAHY (Zeichner) nun unter dem Originaltitel DAS SYNDROM [E] hierzulande erschienen ist. Der Thriller ist, um es vorweg zu nehmen, für Freunde von Spannungsliteratur, die sich mit Verschwörungsmythen befasst, deren Hintergründe in die Jahrzehnte zurückreichen und es dennoch finstere Gestalten gibt, die ein großes Interesse daran haben, jene furchtbaren Geheimnisse weiterhin zu hüten. Hier wird ein ebensolch weiter Bogen gefasst, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch zwischen Europa, Nordamerika und Afrika. Denn neben der Ermittlerin LUCIE HENEBELLES wird noch ein weiterer Polizist ins Rennen geschickt, der ebenfalls von FRANCK THILLIEZ ersonnene FRANCK SHARKO.

Zwei sehr unterschiedliche Ermittler mit zunächst unterschiedlichen Zielen sind hier an der Arbeit. Neben den für den Leser verschieden skizzierten Charakteren, gibt FRANCK THILLIEZ den beiden auch ihre jeweils eigenen Päckchen zu tragen. Ist das von LUCIE HENEBELLES noch recht normal zu nennen, ist sie doch Mutter zweier Töchter, hat FRANCK SHARKO ein ganz anderes Problem. Allein damit ließe sich schon ein Roman bzw. ein Comic füllen, würde den beiden nicht ein Fall vor die Füße fallen, wie recht gut zu diesem Monat passt, schließlich steht Halloween kurz vor der Tür.

Stark ist, wie weit verzweigt die Geschichte angelegt wurde, nicht bloß in der Zeit, sondern auch geografisch. Das garantiert dem Auge, dank Zeichner LUC BRAHY, immer neue Ansatzpunkte, allerdings ohne Glanz und Glamour. Das Szenario bewegt sich von der Normalität der Bevölkerung bis hin zum Bodensatz, in schmutzige Gefilde oder in Gegenden, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und deshalb Halunken die Möglichkeit finden, ungestört ihre Verbrechen zu verüben.

Das sorgt für Action, Auseinandersetzung auf Leben und Tod. Wenn eine Drohung im Raum steht, folgen dieser auch Taten. Danach sieht es anfangs nicht aus. Zwar schwebt da diese Brutalität mehr oder weniger sichtbar, aber dass es den ErmittlerInnen an den Kragen gehen könnte, mögen die LeserInnen kaum ahnen. Denn ganz ehrlich: Polizei genießen (trotz vieler gegenteiliger Beispiele in Unterhaltung und Realität) einen gewissen Schutz. Nach dem Motto: Die biegen das hin, müssen aber nicht selbst drunter leiden.

SYLVAIN RUNBERG, adaptierender Autor, baut viele spannungssteigernde Momente aus dem Roman in die Comic-Umsetzung ein, und es wirkt so, als könne tatsächlich jederzeit ein Polizist sich verabschieden. Über die gesamte Länge der Handlung hinweg, ist die Atmosphäre dergestalt, dass sich keiner sicher fühlen kann. Für die Leserschaft ist die Aufrechterhaltung des mulmigen Gefühls natürlich großartig (für solche, die sich gerne gruseln, versteht sich).

LUC BRAHY ist als Autor wie als Zeichner gleichermaßen im Medium unterwegs. Hierzulande kennt der Comic-Fan ihn als Texter der Serie UKAS. Bei DAS SYNDROM [E] ist er als Illustrator dabei. Er vermag sehr schön Gefühle ohne weiteren Text zu transportieren. Besorgnis, Erschöpfung, Verzweiflung, Todesangst, Verärgerung, Lust, Erheiterung und und und. Die gezeigte Gefühlspalette ist sehr weit gefasst und nicht so oft bei Kollegen von LUC BRAHY so zu finden. Der Realismus seiner Bilder fängt den jeweiligen Ort fein ein, was natürlich erst richtig reizvoll wird, wenn die Kulissen wechseln und sich starke Kontraste ergeben. Da herrschen zum Beispiel zwischen französischen und algerischen Schauplätzen starke Kontraste. Insgesamt transportiert sich der vorliegende Thriller für die Leserschaft in einem stimmigen Gesamtbild.

Düster, düster, düster. Ein sehr dunkles Geheimnis, das angesichts des Irrsinns so manch aufgedeckten Skandals und Experimente, die tatsächlich und dokumentiert stattgefunden haben, ebenfalls so passiert sein könnte. Wahrscheinlich hat FRANCK THILLIEZ, der Autor der Romanvorlage, daraus auch seine Inspiration gezogen. SYLVAIN RUNBERG (adaptierender Autor) und LUC BRAHY (Zeichner) sind beides Comic-Veteranen und formen aus der Vorlage einen runden, sehr dicht erzählten Thriller, in dem neben den einzelnen Steinchen, die das Mosaik vervollständigen, die beiden polizeilichen Helden noch ihre ganz eigenen Baustellen haben (ganz besonders FRANCK SHARKO). Spannung von der ersten bis zur letzten Seite, gelungen und versiert illustriert. Daumen hoch! 🙂

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MARGOTS REPORTAGEN 1 – DAS GEHEIMNIS DES 22 CV

Filed under: Thriller — Michael um 16:32

MARGOTS REPORTAGEN 1 – DAS GEHEIMNIS DES 22 CVPARIS. September 1959. MARGOT arbeitet als Volontärin bei der Zeitschrift AUTO REVUE. Eine Sondernummer ist in Planung. Ausführlich soll über den CITROËN TRACTION AVANT berichtet werden, die Baureihe mit Frontantrieb. Die Aufgaben der Ausgabe werden in der Redaktion aufgeteilt. Mit MARGOT wollen sich die Herren der Schöpfung einen Spaß erlauben und diese über den CITROËN 22 CV schreiben lassen. Das Fahrzeug ist eine Legende. Es soll auf der Automobilmesse 1934 vorgestellt worden sein, ging jedoch nie in Produktion. MARGOT weiß von all dem nichts und macht sich frohgemut an die Arbeit. Es wird der Auftakt zu einem Abenteuer, das sich MARGOT niemals hätte träumen lassen. Und der erste Schritt ist, das GEDÄCHTNIS VON CITROËN zu finden…

AUTOS und FRAUEN, in einer Zeit, in die Damen der Schöpfung sich zu emanzipieren beginnen und das Auto sich als solches einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft verschafft, schicken OLIVER MARIN (Autor, Zeichner) und ÉMILIO VAN DER ZUIDEN (Storyboard, Zeichner) ihre Heldin MARGOT auf eine höchst amüsante und spannende Tour de Force.

Der Auftaktband lebt nicht nur von seiner charmanten Hauptfigur. Ebenfalls sehr stark ist das Zeitkolorit von MARGOTS REPORTAGEN, wie die Serie übertitelt ist. Gerade Frankreich hat in seiner Geschichte, seinen Erzählungen, seinen Filmen gerne mit dem Lebensstil seiner Menschen, seiner Kultur kokettiert. Und das vollkommen zurecht. Das Bild jener Tage setzt sich gut von seinen europäischen Nachbarn ab und man will dieses Savoir-vivre gerne glauben. MARGOTS REPORTAGEN fängt dieses Gefühl ein, eine gewissen Gelassenheit, eine Aufbruchstimmung jener Epoche und tatsächlich stehen die 1960er Jahre vor der Tür.

MARGOT, jung, adrett, mit frecher Kurzhaarfrisur, neugierig, mit den modernen Ansichten ihrer Zeit ausgestattet und kleidungstechnisch sehr modisch unterwegs, befreit sich hier wunderbar aus der Rolle einer Frau, die nicht ernst genommen wird, hin zu einer Reporterin, die man(n) ernst nehmen muss. OLIVER MARIN zeigt einen Charakter, der im Laufe des Geschehens immer tougher wird (auch von den Umständen dagezwungen) und sich mit dieser neuen Rolle ziemlich gerne anfreundet.

OLIVER MARIN und ÉMILIO VAN DER ZUIDEN spielen außerdem mit Legenden. Der titelgebende 22 CV vorneweg, gleich dahinter die GÖTTIN, der CITROËN DS, die sich anschickt das Szepter zu übernehmen. Nebenbei wagt es eine ALFA ROMEO GIULETTA SPRINT sich in den französischen Straßenverkehr einzumischen. Da spielen die beiden Comic-Macher mit modernen Fahrzeugmythen (wer eine bestimmte Szene sieht, wird wissen, was ich meine; es soll halt nicht gespoilert werden) und stellen das Automobil natürlich auf ein Podest. Denn lange Zeit war der Besitz eines Autos auch gleichbedeutend mit zusätzlich gewonnener Freiheit.

Grafisch beschreiten OLIVER MARIN und ÉMILIO VAN DER ZUIDEN den Weg einer klaren, deutlichen, sauberen Linie. Das sitzt und passt, das gibt jeder Figur markante Merkmale, unverwechselbar für das Auge. Das genügt. Schurken und Helden sind nicht direkt erkennbar, das sorgt für Überraschungen. Die strengen Linien sorgen außerdem für penibelst dargestellte Fahrzeuge. Man(n) will schöne Autos zu Papier bringen (und sehen)!

Ein sehr schöner nostalgischer Serienauftakt (5 Bände gibt es inzwischen). Wer in die 1950er Jahre eintauchen möchte, einem mit Spannung und Augenzwinkern erzählten sowie fein und klassisch illustrierten Comic-Band, der liegt hier goldrichtig! 🙂

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Donnerstag, 26. September 2024

HARRY DICKSON 2 – DAS HORROR-TRIBUNAL

Filed under: Thriller — Michael um 11:38

HARRY DICKSON 2 – DAS HORROR-TRIBUNALFREDERIC HAMILTON hat einen Traum. Keinen schönen Traum. Er sitzt auf einem Stuhl vor einer Bühne, auf dem ein Tribunal Aufstellung genommen hat. Alle Köpfe sind unter Kapuzen verhüllt. Davor an einem Tisch, stehend, ein Richter, ebenso vermummt, der den reichen Unternehmer anklagt, sich an den Menschen versündigt und diese ausgebeutet zu haben. FREDERIC HAMILTON weiß nicht, wie ihm geschieht. Es bleibt nicht bei diesem einen Traum. Und der nächste ist bedrohlicher als der zuvor. FREDERIC HAMILTON wendet sich an die Polizei. Doch Träume sind nicht die Sache der Kriminalbeamten. Gäbe es nicht GOODFIELD, der die Angelegenheit doch ernst nimmt und ihn an einen Privatdetektiven verweist, dem seltsame Fälle gerade recht kommen: HARRY DICKSON.

JEAN RAYs amerikanische Version von SHERLOCK HOLMES ist erneut unterwegs. Die einst so beworbene Figur HARRY DICKSON, ihres Zeichens Privatdetektiv, ansässig in England, ist wieder mit einem unheimlichen Fall befasst, der den Anschein vermittelt, es könnten übersinnliche Mächte am Werk sein. Doch wer steckt tatsächlich dahinter?

DOUG HEADLINE und LUANA VERGARI haben sich an die Adaption eines Werkes von JEAN RAY gemacht, und die Geschichte braucht sich nicht hinter den Werken von JEAN RAYs Kollegen ARTHUR CONAN DOYLE zu verstecken. Denn gleich zu Beginn setzen Zeichner ONOFRIO CATACCHIO und Kolorist HIROYUKI OOSHIMA eine Szene um, die dem guten alten viktorianischen Krimi- und Schauerroman alle Ehre macht. HARRY DICKSON ist ein Genie auf seinem Gebiet und darüber hinaus sehr hartnäckig, was die Aufdeckung von Geheimnissen und Verbrechen anbelangt. Natürlich ist HARRY DICKSON nicht gezwungen, allein ans Werk zu gehen. Sein Gehilfe TOM WILLS und der Kriminalbeamte GOODFIELD halten dem Detektiven bei Bedarf den Rücken frei. Auch ein Genie kann nicht überall zugleich sein.

Erst recht nicht, wenn ihm ein kriminelles Genie zu schaffen macht. Die beiden Auoren der Adaption lassen sich Zeit, die Spannung aufzubauen und das Netz um das Opfer zusammenzuziehen. Aber sie begnügen sich (nach JEAN RAYs Vorlage) nicht einfach damit. Jedes Kapitel macht das Rätsel knackiger, es steigert die Gefahr und hier können Menschen sterben. HARRY DICKSON klärt keine Fälle auf, in denen alten Damen die Handtaschen gestohlen werden. DAS HORROR-TRIBUNAL bedeutet tödlichen Ernst. Da ist aber nicht nur der Einfallsreichtum auf krimineller Ebene zu bestaunen, gleichfalls darf man die Findigkeit des Detektiven bewundern, der sich wirklich eine recht besondere Aktion einfallen lässt, um unbemerkt zu ermitteln.

Kapitelweise steigert sich die Spannung, fast wie auf einer Treppe, wo die Luft oben für die Charaktere immer dünner wird und ein endgültiges Finale zwingend. In dieser Spirale arbeitet ONOFRIO CATACCHIO als Zeichner mit sehr klaren Linien, stilsicher und man fühlt sich unweigerlich an Zeiten erinnert, als Schauspieler wie BASIL RATHBONE oder MARGARET RUTHERFORD auf den Leinwänden zu sehen waren, in schwarzweiß selbstverständlich. Auf letzteres wird hier natürlich verzichtet. HARRY DICKSON tritt auf mit einem markanten Profil, einem kantigen Kinn, einem meist stechend konzentriertem Blick und einer widerspenstigen Haartolle. Allerletzte Markenzeichen sind seine Pfeife, seine gepflegte Erscheinung und, bei Außeneinsätzen, ein recht amerikanischer Trenchcoat.

Den Gegensatz zur normalen Detektivtätigkeit aus Ermittlung, Recherche, Laufarbeit und geduldigem Abwarten, ob und wie sich eine gestellte Falle schließt, gibt es in bewusst gruseligen Momenten, die sich auch grafisch vom Rest der Geschichte absetzen. Da ist DAS HORROR-TRIBUNAL natürlich gleich vorneweg mit dabei, denn für den armen FREDERIC HAMILTON verdichtet sich die Bedrohung immer mehr, bis keine Fehlinterpretation seiner Lage mehr möglich ist. Darüber hinaus wartet ONOFRIO CATACCHIO mit Anspielungen und kleinen Rückblicken in eine furchtbare Vergangenheit auf, bevor sich HARRY DICKSON einem der kuriosesten Angriffe der Detektivgeschichte stellen muss. Diese sich steigernden Überraschungen dürften die LeserInnen bestimmt zum Umblättern zwingen. (Mir ging es so!)

Wenn die Romanbibliographie stimmt, existieren an die 178 Vorlagen, viel Stoff also für weitere Comic-Abenteuer von HARRY DICKSON. Angesichts der ersten beiden Adaptionen kann ich nur sagen: Mehr davon! Die grafische Umsetzung hält das Auge fest, leitet es sanft zur nächsten Szene, der Vorlage eines Kriminalstoffs aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemäß. Neben der Spannung vollbringen die nach dem Original arbeitenden AutorInnen DOUG HEADLINE und LUANA VERGARI auch das Kunststück, den Leser (mich) zu fesseln. Das sollte aber auch bei anderen LeserInnen verfangen. Dank des Zeichners ONOFRIO CATACCHIO auch ein optisch packendes Detektivabenteuer! Top! 🙂

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Dienstag, 10. September 2024

SCURRY 3 – DER FLUCH DES SCHATTENS

Filed under: Abenteuer — Michael um 15:43

SCURRY 3 – DER FLUCH DES SCHATTENSDie Katastrophe ist geschehen. Was eine Zuflucht hätte sein können, war am Ende eine Sackgasse, eine Falle. Die beiden Mäuse WIX und PICT setzen ihre gemeinsame Flucht fort. Ein Fluss bietet dazu eine riskante Gelegenheit. Überall treibt Zivilisationsschrott der verschwundenen Menschen umher, bis sich schließlich der Müll so weit auftürmt, dass er eine Weiterreise auf dem Wasser verhindert. Die Mäuse müssen an Land. Dort ist es keineswegs sicher. Aus der Luft droht Gefahr und selbst in ihren Träumen verfolgen sie ihre Ängste…

Zurück in der Apokalypse aus tierischer Sicht. MAC SMITH, der Erfinder der Trilogie SCURRY, hat sich der Frage angenommen, was eigentlich mit den Tieren passiert, wenn eine Katastrophe die Menschheit auslöscht. Hier ist es ganz offensichtlich auch eine von Menschen gemachte Katastrophe, möglicherweise ein Krieg. Wie groß oder wie klein entzieht sich der Kenntnis der Tiere. Sie erfahren nur aus jenen Gegenden, in die sie zu reisen vermögen oder von denen sie erzählt bekommen. Und natürlich wissen sie nicht, was eine Bombe ist. Oder raketen. Sie übersetzen es in Worte und Bilder, die ihnen geläufig sind. Das Ergebnis sind Vergleiche, nicht weniger bedrohlich als die tatsächlichen Todesbringer.

Am Beispiel einer Mäusekolonie und einiger weniger herausragender Charaktere spannt MAC SMITH seine Geschichte, hier nun im dritten und letzten Teil angelangt, DER FLUCH DES SCHATTENS. In der zerstörten Welt ist die Nahrung knapp geworden. Tiere, die zwar nichts mit den Menschen zu tun hatten, aber dennoch auf die Lebensmittelreste, auf Felder oder Vorratslager angewiesen waren, suchen nach einem Ausweg, einem neuen Zuhause. Das wären Probleme genug, gäbe es nicht noch Rivalitäten, Machtansprüche, Intrigen und richtige Kämpfe untereinander sowie die Bedrohungen durch Fleischfresser wie Wölfe, Raubvögel oder Raben.

Aber MAC SMITH erzählt eben auch eine Geschichte, die mit alten Fabeln spielt. Tiergeschichten sind keine Erfindung neuzeitlicher Zeichentrickfilme, sondern ein lange bewährtes Mittel, um einem Thema eine Form zu geben. Und er bedient sich der althergebrachten Sagenkonzepte, in denen es einen (oder mehrere) Helden gibt (der oder die aber eigentlich nicht dazu geboren ist), einen Bösewicht (mit einer Bande im Schlepptau), einen Wahrsager (mit einer starken Prophezeiung), einen Ritter (dessen Aufgabe es ist, ritterlich zu sein), einen Erlöser (der wieder alles ins Lot bringen soll). Charakterlich kann das auf männliche oder weibliche Figuren entfallen. Neuzeitlich mehr auf letzteres, denn Heldinnen aller Art erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit, besonders, wenn sie ebenso gut oder noch besser zudreschen können als ihre männlichen Pendants.

Wenn kleine Helden über sich hinauswachsen, ist das häufig einen Blick wert, wenn MAC SMITH jedoch noch einen Schritt weiter geht und einen geradezu filmischen Grafikstil an den Tag legt, eine Wirkung erzielt, als seien die Bilder allesamt einem Animationsfilm entsprungen, fast eine Hommage an den guten alten Filmfotoroman. Obwohl SCURRY das nicht ist. Bedeutet im Umkehrschluss aber, dass jedes Bild ein Fest ist und beinahe jedes als Cover herhalten könnte. MAC SMITH entlockt jedem noch so kleinen Bild (den größeren sowieso) die bestmögliche Qualität. Durch diesen entstehenden Fotorealismus (ja, ich weiß, Tiere können nicht reden, also hinkt das Wort Realismus etwas) wird das Drama der Geschichte umso mehr gepusht.

Die beiden HeldInnen, WIX und PICT, erfüllen unterschiedliche Funktionen dieses dytopischen Abenteuers. Der Leser sieht die Freundschaft der beiden Mäuse wachsen. Sieht ihre Hoffnungen, ihre Verluste, so manche lebensgefährliche Situation. Nie lässt sich vorhersagen, ob und wie WIX und PICT überleben werden. MAC SMITH schenkt seinen Figuren nichts und gönnt ihnen nur selten etwas. Das Titelbild ist hierzu ein starker TEASER, denn ein brennender Katzenkopf spielt eine sehr bildhaft bedrohliche Rolle in SCURRY (keine Bange, hier brennt keine echte Katze, soviel Spoiler darf sein).

MAC SMITH holt aus der grafischen Arbeit am Rechner ein Höchstmaß heraus und ich möchte behaupten, dass er mit SCURRY dem Tier-Abenteuer im Comic-Medium nicht nur einen ordentlichen Schub erpasst hat. Vielmehr hat er die Messlatte für nachfolgende Publikationen verdammt hoch gelegt.

Ein höchst dramatisches Finale. Ein versöhnliches und hoffnungsvolles noch dazu. MAC SMITH schickt die nordamerikanische Tierwelt in ein drittes und letztes Abenteuer. Ein paar eher seltene Kandidaten erhalten auch eine Auftrittschance (u.a. Flughörnchen und Opossums). Neben der sehr aufwendig gestalteten Geschichte (Mann, hat der Mann ein grafisches Talent!), kann MAC SMITH mit einer sehr liebevollen Erzählung überzeugen. Ein paar von den Charakteren wachsen einem echt ans Herz! Schade, dass MAC SMITH seine Geschichte zu Ende erzählt hat. Hier ist alles drin, was eine Graphic Novel braucht. Perfektes Storytelling und noch tolleres Artwork! 🙂

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Dienstag, 20. August 2024

JOHNNY CONGO

Filed under: Superhelden — Michael um 18:57

JOHNNY CONGOSCOTCH hat es nicht gerade leicht. Die Nerven liegen blank. Er sitzt am Steuer eines rasenden Wagens, um den herum ein ungeheures Unwetter tobt. Regen prasselt nieder und macht die holprige Straße beinahe unpassierbar. Panisch versucht er sein Ziel, das Haus von JOHNNY CONGO, zu erreichen, wo er sich Hilfe erhofft. Aber wird er es rechtzeitig schaffen?

Besonders im zweiten Abenteuer hat JOHNNY CONGO seine phantastischen Elemente und zweifellos gibt es die typischen Gegner, die nach einem extragroßen Stück des Kuchens greifen wollen. Da konnte MICHEL GREG, Autor, 1992 nicht aus seiner Haut, denn er war, wie bisherige Veröffentlichungen bewiesen, immer schon sehr fantasievoll. Aber im ersten Abenteuer von JOHNNY CONGO finden sich Aspekte, die kaum aktueller sein könnten. WILDEREI und EPIDEMIE. Elefanten werden Opfer von Wilderern. SCOTCH und BARTHELEMY schlittern mitten ein ein Schlachthaus. Inmitten eines Flusses haben Wilderer ein Blutbad veranstaltet, die getöteten Tiere einfach liegen lassen und das Elfenbein, die Stoßzähne, mitgenommen.

Und wie es in der Realität ebenfalls vorkommt, sind die Wilderer bereit, für ihre Beute auch über menschliche Leichen zu gehen. SCOTCH und BARTHELEMY werden unter Beschuss genommen, können jedoch nicht mehr, als sich zurückzuziehen. BARTHELEMY ist schwer verletzt. Und das ist erst der Auftakt, bevor es noch viel schlimmer wird. Das ist von MICHEL GREG selbstverständlich dramatisiert und auf Spannung getrimmt, was allerdings nichts daran ändert, dass die Handlung sich durchaus so abspielen könnte. Je nach afrikanischem Land, sogar heute noch.

DER SCHARLACHROTE FLUSS ist ein sehr bodenständiges erstes Abenteuer mit Action und reinen Spannungsszenen, deren Ende sich nicht vorhersagen lässt. Man darf hier durchaus um das Leben mancher Hauptfigur bangen (außer vielleicht um JOHNNY CONGO, der wird in jedem Fall weiter gebraucht). Im zweiten Abenteuer, PFEILE AUS DEM NICHTS, bedient sich ein zwielichtiger Gegner einer ungewöhnlichen Waffe, nämlich einer in Massen auftretenden kleinen Kreatur, die ganz offensichtlich im Labor entstanden und keines natürlichen Ursprungs ist.

Sieht man einmal vom phantastischen Element in der zweiten Episode ab, ist die Bekämpfung einer biologischen Katastrophe, ohne sie näher zu benennen, nach über dreißig Jahren (wir erinnern uns, 1992 entstand JOHNNY CONGO) brandaktuell und je nach Landstrich ist seine Bekämpfung in Afrika (gerade bei Epidemien) heute so schwierig wie damals. Das ist faszinierend, da sich das Rad in mancherlei Hinsicht deutlich schneller gedreht hat. MICHEL GREG war hingegen deutlich optimistischer, was die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe anbelangt. Und er hatte wohl eine länger laufende Serie im Sinn, etwas wie LUC ORIENT, eine Serie, bei der sich MICHEL GREG und EDDY PAAPE bereits als Comic-Dreamteam bewiesen hatten. Doch leider wird man nie erfahren, was aus einem bestimmten Charakter im letzten Drittel werden wird. Obwohl das Abenteuer selbst zu einem befriedigenden Ende geführt wird.

EDDY PAAPE zeigt einmal mehr, wie Comic früher funktionierte und wie zeitlos seine Technik ist und sich heute noch behaupten kann. Was er mit MARC DACIER und LUC ORIENT vorführte, setzt sich hier nahtlos fort. EDDY PAAPE war ein Meister von technischen Figuren, Fahrzeuge, Fluggeräte und bannte gekonnt Halunken aufs Papier. Mit den Helden und Heldinnen sowie Sidekicks war ein Kind seiner Zeit, aber wie das stets mit Klassiker ist, zeichnete er Charaktere (nach Vorgabe von MICHEL GREG), die ein Verhalten an den Tag legen, das nachvollziehbar und nicht unmodern ist. Betrachtet man das Äußere der Figuren, dürften sich (wolle man eine Verfilmung umsetzen) heutzutage eine Reihe SchauspielerInnen finden, die sofort diverse Rollen übernehmen könnten. JOHNNY CONGO ist rundum, wie es auf neudeutsch heißt, gut gealtert.

AFRIKA. Ein exotischer Schauplatz für beinharte Abenteuer! JOHNNY CONGO kennt das Land, seine Menschen, weiß um Probleme und um die Halunken, die hier Probleme machen. JOHNNY CONGO schaut nicht weg, hilft, greift ein. Als große Katastrophen, die auch ihm das Leben kosten können, läuft er nicht weg, sondern stürzt sich mitten hinein ins Geschehen und versucht zu retten, was zu retten ist. Auf Augenhöhe mit so manchem anderen Comic-Abenteuerhelden ist JOHNNY CONGO ein überaus menschlicher Actionstar, verletztlich, klug, halsbrecherisch unterwegs, männlich, ein Typ von der Sorte, die jeder gerne zum Freund hätte. Die von MICHEL GREG und EDDY PAAPE geschaffene Figur findet sich in der vorliegenden Gesamtausgabe mit den beiden geschaffenen Abenteuern. Gelungene zeitlose Unterhaltung vor starker Kulisse! Top! 🙂

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