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Comic Blog


Freitag, 01. März 2024

SCURRY 2 – DER ERTRÄNKTE WALD

Filed under: Abenteuer — Michael um 16:35

SCURRY 2 – DER ERTRÄNKTE WALDDer FALKE dachte, er hätte seine Beute sicher. Aber RAUBVÖGEL sind nicht unbedingt die Könige der Lüfte. Diejenigen, die sich vor gar nichts fürchten, sind die RABEN. Und so greifen sie diesen Eindringling in ihren Luftraum gnadenlos an, versuchen ihm sogar die Beute zu stehlen. Der Angriff ist nur halb erfolgreich. PICT, die kleine weiße MÄUSIN, die sich ebenso halb sicher in einem Vogelhaus sicher vor dem Verspeisen durch den FALKEN wähnt, stürzt durch die Attacke in die Tiefe. Doch sie hat Glück im Unglück und findet einen neuen Freund…

Die Reise geht für den Leser an der Seite der beiden Mäuse WIX und PICT. MAC SMITH, Autor und Illustrator, eröffnet eine Welt, aus der sich die Menschen verabschiedet haben. Es ist ruhiger geworden. Kein Auto fährt mehr, kei Mensch lässt sich sehen, die Natur hat die Ruinen der Häuser zurückerobert. Aber darüber hinaus hat sich manches verändert. Die Natur scheint erschöpft, das Wetter agiert gegen das verbliebene Leben. Verschiedenste Tiere versuchen mit der Situation klar zu kommen. MÄUSE, RATTEN, KATZEN, BIBER, WÖLFE, ein ELCH, eine SCHLANGE, RABEN, FÜCHSE, FALKEN, SCHILDKRÖTEN, generell Tiere des Waldes. Tiere, die einst zum Leben der Menschen gehörten, sind verschwunden. Nahrung ist schwer zu finden, sichere Zufluchten sind selten.

MAC SMITH zeichnet eine düstere Welt. Aber das macht er in einer hochrealistischen Optik, die SCURRY zu etwas ganz Besonderem macht. Und im Fortsetzungsband, DER ERTRÄNKTE WALD, mit vielen Wendungen und Überraschungen aufwartet. Zwei MÄUSE, WIX und PICT, haben ihre Kolonie verlassen (mehr oder weniger freiwillig), die Richtung hierbei wurde, kann man sagen, ihnen aufgezwungen. Da die beiden getrennt wurden, entwickeln sich zwei völlig unterschiedliche Erzählstränge. Perfekt für MAC SMITH, um diese (seine) Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, jedoch in jedem Fall die Düsternis und die Verzweiflung, die dem Szenario innewohnt, zu vertiefen.

Und wie! Beiden Hauptcharakteren werden, sprichwörtlich, wahnsinnig viele Steine in den Weg gelegt. Die Welt ist grau, sie ist nass! Und wer klein ist, dessen Leben hängt sowieso dauernd am seidenen Faden. Es regiert der Wahnsinn, die Gier, die Brutalität. Selbst die ganz großen Tiere, jemand wie der ELCH ATLAS, müssen aufpassen, wollen sie in dieser Welt überleben. Denn eine Rotte WÖLFE kann auch für sie Todesgefahr bedeuten. MAC SMITH ist in jeder Sequenz meisterhaft darin, die höchstmögliche Intensität aus der jeweiligen Erzählung herauszuholen. Das geschieht zuallerst über die Bilder, die der in Sachen Illustration autodidaktische Künstler (ja, wirklich!) MAC SMITH so anlegt, als seien diese aus einem Animationsfilm entsprungen. Das Titelbild verrät es schon: Hier ist REALISMUS, sogar leichte Überzeichnung, Trumpf! MAC SMITH holt aus computergestützter Kolorierung so ziemlich alles raus, was geht!

In zweiter Linie muss der Leser natürlich mit den Figuren fiebern können. Das geschieht über eine gewisse Vermenschlichung, aber auch über die Anwendung mancher Fabelregeln, indem den Tieren bestimmte Eigenschaften zugestanden werden. Anleihen hierzu kann sich MAC SMITH außerdem bei klassischen Zeichentrickfilmen geholt haben. Wie zum Beispiel MRS BRISBY UND DAS GEHEIMNIS VON NIMH (1982). Drei Bilder seines ARTSTATION-Accounts verraten, dass er sich mit diesem Film auseinandergesetzt und sich vielleicht Inspirationen von dort geholt hat. Entsprechend dieses Vorbildes sind WIX und PICT absolute Sympathieträger. Mutig, loyal ihrem Partner (oder Partnerin) und ihrer Kolonie gegenüber. Findig, schlau und offensichtlich auch so manchen anderen Figuren in der Geschichte nicht unsympathisch (bis auf jene eigentlich, die sie nur zum Fressen gern haben).

Und damit der Leser, wir, so richtig Mitfiebern kann, erspart MAC SMITH den beiden Mäusen nichts. Die menschliche Zivilisation, in dieser Postapokalypse, ist längst untergegangen. Doch die kleineren Welten, die nicht so unabhängig von der großen Menschenwelt waren, wie sie angenommen haben mögen, drohen nun ebenfalls alles zu verlieren. In der MÄUSEKOLONIE wird der Hunger für einen Exodus verantwortlich sein. In einer Kolonie der BIBER ist es eher der Wahnsinn eines Herrschers, der alle am Fleck hält, obwohl die Versorgungslage kaum besser ist. Und wenn der Leser denkt, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, setzt MAC SMITH noch eines drauf. Dann kommen sogar drei FÜCHSINNEN zu Wort, die sich ein WILLIAM SHAKESPEARE hätte einfallen lassen können und dem Ganzen noch einen mystischen Anstrich geben.

MAC SMITH ist in Sachen Comic-Kunst Autodidakt. Das mag man kaum glauben, betrachtet man die teils fotorealistischen Bilder. (Entwicklungsarbeiten zu SCURRY finden sich im Anhang sowie im Netz auf Accounts von MAC SMITH.) Jahrelange Arbeit war für SCURRY insgesamt nötig und wer die Seiten betrachtet, mag jede einzelne Arbeitsminute davon regelrecht spüren. Liebe an der eigenen Geschichte, Detailfreude, all das kommt hier zum Ausdruck. Das mittlere Abenteuer der SCURRY-Trilogie, aufgeteilt in vier Kapitel, DER ERTRÄNKTE WALD, vermag es auf jeder Seite den Leser in seinen Bann zu ziehen. In nervenzerrender ACTION ebenso wie in den ruhigeren Momenten. Einfach nur stark!!! 🙂

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Donnerstag, 22. Februar 2024

JUAN DER LANGE

Filed under: Abenteuer — Michael um 16:56

JUAN DER LANGEEin Schiff muss her! Doch woher nehmen, wenn man keines stehlen kann? Ein waghalsiger Plan führt die kleine Mannschaft erst auf eine halsbrecherische Diebestour und kurz darauf mit einer Kanone (!) auf einem Floß auf hohe See. JUAN DER LANGE hat seine Leute überredet, ihm zu vertrauen und Beute versprochen. Das verlangt viel von den Halunken (und der einzigen Frau in der Mannschaft, die letztlich auch ein Halunke ist). Am Ende blicken alle auf das Wasser hinaus, warten auf Ebbe und hoffen das Beste. Es wäre gut für JUAN DER LANGE, wenn sein Plan Früchte trüge, denn die PIRATEN werden langsam ungeduldig…

Es waren einmal: PIRATEN! Über die Jahrzehnte hinweg hatten sie ihre unterhaltenden Auftritte in Popkultur. So richtig weg waren sie nie, und sie tauchten auf sämtlichen Weltmeeren auf. Eine zentrale Umgebung, wo sie, hauptsächlich, in Literatur und Film besonders gern gesehen waren, ist die von hier aus betrachtet überseeische Karibik. Dieser Knotenpunkt auf dem Weg von Europa an die Goldküsten Südamerikas mit den Besitzungen der spanischen Krone ist der weitläufige Schauplatz von JUAN DER LANGE. Dieser junge Mann möchte ein Pirat sein. Er hat seiner kleinen Mannschaft einiges versprochen, doch bisher war keine Beute in Sicht. Obendrein fehlt ihnen zum Piratendasein das Wichtigste: Ein Schiff!

ANTONIO SEGURA, der Autor, lässt seine Charaktere sozusagen bei Null beginnen. Und es stellt sich gleich zu Beginn die Frage, wie gelangt man an ein Schiff, wenn man nicht gerade in einem Hafen eines stehlen kann? Man kauft es und das Geld dazu verdient man sich zuvor mit einem Husarenstreich. Und viel Schweiß und Anstrengung. Der Leser verfolgt diesen kuriosen Plan, der auf einen einzigen Treffer setzt. Und darüber hinaus auch keine Versuche zulässt. Das reicht, um Spannung aufzubauen. ANTONIO SEGURA lässt es darauf nicht beruhen, denn die versammelte Mannschaft um JUAN DER LANGE ist punktgenau und perfekt zusammengestellt.

Das Titelbild verrät schon einiges über die Truppe, aber insgesamt ist es in der Geschichte noch um ein Vielfaches differenzierter. Auffallend betagt ist METHUSALEM, ein altgedienter Pirat, einbeinig, einäugig, doch von seiner Erfahrung her für die Truppe absolut unverzichtbar. Es gibt den FRANZOSEN, zwei Haudraufs, von denen einer der Vater der HÜBSCHEN KLEINEN ist. Hier gibt es Konstellationen, die erinnern an einen gallischen Stamm, ebenso finden sich Anleihen (oder Verbeugungen) bei klassischen Kinoabenteuern, in denen sich berühmte Piratendarsteller einen Namen machten. Entsprechend geht es durchaus ernsthaft zu, aber auch humorvoll (öfters) und familienfreundlich (meistens). Den Schurken sieht man ihre Schurkenhaftigkeit sogleich an, erst recht den anderen Piratenkapitänen wie dem HOLLÄNDER, der bei Widerworten kurzen Prozess macht.

Aber die Halunken sehen gut aus dabei! Zu verdanken ist das dem Zeichner JOSÉ ORTIZ, der hier eine Parade von Schurken abliefert und solche Gesichter aufs Papier zaubert, wie es die goldene Ära der Piratenfilme (als die Welt meistens schwarzweiß war) dem Zuschauer darbrachte. Die Comiczeichner aus Spanien brachten einen frischen realistischen Grafikstil in das Medium ein. JOSÉ ORTIZ, hierzulande mindestens noch mit HOMBRE bekannt, könnte technisch mit JORDI BERNET (TORPEDO) verglichen werden. Beiden ist zueigen, dass sie neben dem Realismus auch eine Spur Karikatur einfließen lassen. Die Figur des METHUSALEM ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Nicht zu echt, aber auch nicht zu abgedreht illustriert, um nicht in der Realität existieren zu können.

Kapitelweise, jeweils schön abgeschlossen, ohne den Gesamtfluss der Geschichte stark aufzuhalten, erzählt ANTONIO SEGURA vom Leben der PIRATEN und das beinhaltet natürlich eine gehörige Portion ACTION. Zu WASSER selbstverständlich, aber eben auch zu LANDE. Da gibt es die Kämpfe gegen ihresgleichen, auf dem SCHIFF. Da müssen Stürme bestanden und Wege durch Sumpfgebiet beschritten werden. Da droht eine Begegnung mit vermeintlichen Kannibalen unschön auszugehen. Da gibt es in einer Situation höchster Not noch Zeit für eine Spur ROMANTIK (die braucht ein PIRAT auch). Und ein Kollege von ROBINSON CRUSOE sorgt für Einlagen, die für besondere Abwechslung im PIRATENLLEBEN sorgen. Daneben aber, zum Beispiel in einem Kapitel das den Sklavenhandel thematisiert, wird auch es auch mal bitterernst.

Das alles ist von JOSÉ ORTIZ mit außerordentlich leichter Hand gezeichnet. Er führt den Leser nah an die Auseinandersetzungen, auf die Decks der Schiffe, die Strände, die Hafenstädte und die Spelunken sowie in die Dschungel. Das ist sehr lebendig, wie vor Ort skizziert und mit Tusche meisterhaft leicht hingeworfen. Kein Wunder, denn JOSÉ ORTIZ war auch ein Perfektionist darin, wenn es darum reine Schwarzweißzeichnungen abzuliefern. Hier muss er sich zugunsten der Kolorierung nur etwas zurücknehmen. Nicht ein Strich zu viel, keiner zu wenig und obwohl JUAN DER LANGE erstmals vor über 30 Jahren erschien, ist der grafische Stil immer noch modern.

PIRATEN kommen heutzutage viel zu kurz, da kommt die klassisch erzählte Geschichte um JUAN DER LANGE von ANTONIO SEGURA (Autor) und JOSÉ ORTIZ (Zeichner) gerade recht mit einer Neuauflage. Das Vermächtnis der beiden Comic-Künstler kann solche Comic-Leser, die sich für PIRATEN und HISTORISCHE SZENARIEN begeistern, ganz bestimmt einfangen. Jung, frisch und in einer Erzählweise, die gerade der heutigen Zeit sehr angepasst scheint. Klasse! 🙂

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Freitag, 16. Februar 2024

URBAN – BAND 5 – SCHIZO ROBOT

Filed under: SciFi — Michael um 10:54

URBAN - BAND 5 - SCHIZO ROBOTDas Drama hat in MYJOY seinen Lauf genommen. Obwohl es gerade dort kein Drama geben sollte. Denn MYJOY ist der größte Ferienpark aller Zeiten, wo jeder Mensch, der es sich leisten kann, sich zwei Wochen lang seinen Vergnügungen hingeben kann. Aber hinter den Kulissen von MYJOY gärt es. Schon seit längerem entgleisen die Strukturen, gibt es immer mehr Menschen, die über die Stränge geschlagen haben, sich überschuldeten und nun auf den Straßen von MYJOY leben. Jeden Tag sind solche Leute auf der Flucht, weil das computerisierte System es jedem Individuum nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt gestattet, seine Schlafstätte zu nutzen. Wer danach noch vor Ort ist, verliert sein Leben. Darüber hinaus, für alle sichtbar, hat der Kopf von MYJOY, sein Erfinder SPRINGY FOOL, nicht nur die Kontrolle über sich selbst, sondern auch über den Park verloren. Eine unaufhaltbare Abwärtsspirale setzt ein …

LUC BRUNSCHWIG, Autor, und ROBERTO RICCI, (Zeichnungen und Farben) setzen SPRINGY FOOL, der im Gewand des HASEN aus ALICE IM WUNDERLAND auftritt und völlig verantwortungslos ist, einen jungen enthusiastischen Mann, BUZZ, gegenüber, der in MYJOY als Sicherheitsbeamter (oder vielleicht besser als Parkpolizist) arbeitet. Inspiriert von einer alten Zeichentrickserie, in der ein Indianer namens LAUGHING RACOON durch die Zeit reist und unbestrafte Verbrecher richtet, hat sich BUZZ von seinem elterlichen Bauernhof verabschiedet und will ein gänzlich anderes Leben führen. Diese völlig gegensätzlichen Charaktere prallen in URBAN aufeinander. Es entspinnt sich ein, über die gesamte Länge andauerndes, SCIENCE FICTION DRAMA der besten Art.

Im vorliegenden 5. BAND, mit dem Untertitel SCHIZO ROBOT, werden viele über die Reihe URBAN hinweg ausgeworfene Fäden zusammengeführt. Glücklich werden hierbei die wenigsten Charaktere. Tote, Verletzte, seelisch gebrochene Gestalten bleiben in den Fährten von BUZZ und SPRINGY FOOL zurück. Das ist von LUC BRUNSCHWIG meisterhaft geschrieben und mit großer Weitsicht über einen sehr gestreckten Handlungsbogen. So manches klärt sich erst zum Schluss. Den einen oder anderen AHA-Moment gibt es ebenfalls, wenn sich die letzten Knoten entwirren. Bezeichnend ist eine tolle Charaktertiefe, selbst bei solchen, die realtiv kurz eingeführt werden. Bedeutet im Klartext: Selbst wenn der Leser glaubt, eine Figur könnte wichtigere Bedeutung in der Handlung erlangen, kann er ziemlich falsch liegen. Hier kann jeder Charakter über die Klinge springen.

ROBERTO RICCI arbeitet mit einem starken Mix aus organischen Zeichnungen und Computerkolorierung. Neben der bereits bekannten Zeichentechnik darf sich der Leser aber auch noch auf eine Abwandlung freuen. Die von BUZZ so geliebte Zeichentrickserie seiner Kindheit wird in einem Rückblick vorgestellt. Genauer gesagt wird sie gepitcht. Das Serienkonzept, der Handlungsablauf, die Hauptfigur LAUGHING RACOON. Die gezeigten Ereignisse sind anfangs nah an der amerikanischen Historie, bevor die Geschichte in Richtung SCIENCE FICTION schwenkt. Der Zeichenstil ist von ROBERTO RICCI so gewählt, dass er durchaus in einer modernen Zeichentrickserie Verwendung finden könnte (das sieht richtig gut aus!). Es wäre schön, wenn ROBERTO RICCI diesen Stil irgendwann einmal wieder aufgreifen würde (vielleicht für ein SPIN-OFF mit LAUGHING RACOON).

Das ist ein SCIENCE FICTION DRAMA. Natürlich gibt es Übertreibungen, aber nicht hin zur Komik. LUC BRUNSCHWIG und ROBERTO RICCI nehmen die Geschichte und ihre Charaktere sehr ernst. Neben Spannung, Tiefe gibt es auch Platz für Mitleid. Und das nicht zu knapp. Eine toll erdachte Dystopie, stark und durchdacht erzählt, bestens illustriert. Für SCIFI-FANS absolut empfehlenswert! 🙂

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Sonntag, 04. Februar 2024

PLASTIK

Filed under: Thriller — Michael um 19:00

PLASTIKWo die Liebe hinfällt. Wo sie hinfällt, kann sie Menschen verändern. Verbessern. Auf neue Wege führen. So ist es auch mit Edwyn. Edwyn war online unterwegs und hat sich in Virginia verliebt, sie im echten Leben kennengelernt und jetzt sind sie auf der Straße unterwegs nach nirgendwo. Aber EDWYN, der ein Serienkiller war, ist friedlich geworden und tötet niemanden mehr. Ja, er ist sogar überaus freundlich zu jedermann und jederfrau. Bis zu dem Tag, als es jemand an einer Tankstelle wagt, VIRGINIA dumm und obszön von der Seite anzuquatschen. Da zeigt es sich, dass Edwyns Geduldsfaden verdammt kurz ist. Er rastet aus …

DOUG WAGNER, Autor von PLASTIK, hat sich mehrmals ein paar merkwürdige Charaktere vorgeknöpft (vorsichtig formuliert). EDWYN ist ein SERIENMÖRDER, der die Köpfe seiner Opfer gerne in Klarsichttüten packt. Das ist sein Tick. Darüber hinaus tötet er einfach und bedient sich der Gegenstände dazu, die gerade in Reichweite sind oder deren Benutzung ihm Spaß bereitet. Wenn die Wut die Oberhand gewinnt, endet die Angelegenheit meist blutig. Neu ist der Umstand, dass er nun selbst auf die Abschussliste gerät und die mit dem Blut eben nicht nur die anderen sind.

Tödlicher FREAK will FREUNDIN befreien. So könnte der Plot in einem Satz lauten. Darauf ruht sich DOUG WAGNER aber nicht aus. Denn der Killer trifft hier auf andere Killer. Bisher hatte EDWYN eher mit Leuten zu tun, die ihren Alltag nicht als Gangster bestritten und im Umgang mit Waffen nicht so versiert waren. Diese Erfahrung lässt DOUG WAGNER seinem ungewöhnlichen Helden zuteil werden, indem er den Schwierigkeitsgrad, VIRGINIA zu befreien, deutlich erhöht. Man könnte also den ersten Plotsatz um einen zweiten erweitern: Es wird ein SCHLACHTFEST.

Es gab im Kino mal die Ära des SPASS-SPLATTERS (zum Teil wiederauferstanden). Im COMIC wurde sie bereits mehrfach wiederbelebt (zum Beispiel in HACK/SLASH). PLASTIK ist eine Variante solcher SPASS-SPLATTER-GESCHICHTEN, die aber durch einen KILLER besticht (Wortspiel), der eben nicht durch und durch irre ist, sondern tatsächlich auch (mindestens) eine gute Seite hat und sogar so etwas wie Mitleid oder Freundschaft empfinden kann. Dabei darf, bei aller seitens EDWYN offenbarten Empathie, nie vergessen werden, dass dieser KILLER jemand ist, der mit Leichen spricht (die natürlich nicht antworten, außer in seinem Kopf).

Desweiteren sind noch drei Comic-Künstler am Start. In erster Linie muss selbstverständlich DANIEL HILLYARD genannt werden, der das ARTWORK der einzelnen Seiten abliefert und darüber hinaus diverse VARIANTCOVER der hier gesammelt vorliegenden Einzelausgaben der Miniserie PLASTIK. Da gibt es Morde zu sehen, Gewaltexzesse, auch Leichen, aber häufiger mal hält die KAMERA Abstand, schaut rechtzeitig woanders hin. Aber, liebe SPLATTER-FANS, es bleibt noch genug übrig. DANIEL HILLYARD kann, wenn er darf, wie seine VARIANTCOVER zeigen (starker Tobak!) sowie der eine oder andere Look auf das Geschehen. Das sind allerdings die Spitzen der Fights und Morde. Mehr muss DANIEL HILLYARD Stimmungen aufbauen, Spannung anheizen und die richtigen Blickwinkel, die richtigen Gesichtsausdrücke und Haltungen abbilden. Und EDWYN ist wahrlich kein Charakter, der mit Emotionen geizt. DANIEL HILLYARD inszeniert ihn als offenes Buch. Hier ist alles abzulesen.

LAURA MARTIN koloriert die von DANIEL HILLYARD sehr systematisch und leicht überzeichneten Grafiken (bei den Männern vor allem hart an der Grenze zur Karikatur). Stets wird eine farbliche Grundstimmung gesucht, die je nach Handlungsort relativ nüchtern ist (wie ein Büro bei Tag) oder eher gruselig angelegt wird (wie das Innere eines Autos mitten in der Nacht). Das ist insbesondere im weiteren Verlauf von LAURA MARTIN gut gelöst, wenn die Handlung im Halbdunkel stattfindet, es plötzlich blutig wird und anschließend jemand das Licht einschaltet.

Noch ein Wort zu ANDREW ROBINSON, der das ARTWORK der ORIGINALCOVER gestaltete. Alle Cover sind im Anhang des Bandes ansehbar. Eines ist auch das Titelbild der vorliegenden Gesamtausgabe. Im Gegensatz zu DANIEL HILLYARDS Covern setzt ANDREW ROBINSON auf Atmosphäre. Jedes seiner Bilder könnte auch das Poster zu einem HORRORFILM sein, ohne jeweils zu viel zu verraten und als Coverillustration einen Fokus auf einen bestimmten Aspekt des jeweiligen Akts richten.

KILLER-THRILLER, mit einer Prise HORROR. DOUG WAGNER, DANIEL HILLYARD, LAURA MARTIN und ANDREW ROBINSON kennen ihr GENRE. Ein psychopathischer Serienmörder, abgedrehte Gangster und korrupte Cops (und ein paar Zwischenstufen, die Übergänge sind fließend). Man kann EDWYN, den KILLER, nicht zur Gänze nicht mögen. Er kann ein paar Sympathiepunkte sammeln. Immerhin ist er verliebt. Obwohl auf der Rückseite des Sammelbandes steht, wer VIRGINIA, EDWYNS FREUNDIN in Wirklichkeit ist, soll das hier nicht verraten werden. Das ist irgendwie ein netter Clou. Starke Nummer von einem Künstler-Dreamteam! 🙂

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Montag, 29. Januar 2024

SHANNA

Filed under: Superhelden — Michael um 19:36

SHANNADie Anlage scheint verlassen zu sein. Die amerikanischen Soldaten, die auf der Suche nach Vorräten und Material sind, haben nicht mit diesem Fund gerechnet. Bereits seit drei Jahren harren sie in dieser menschenfeindlichen Umgebung, einer Insel weitab vom Schuss, irgendwo in tropischen Gewässern, aus. Dinosaurier, eigentlich längst ausgestorben im Rest der Welt, trachten ihnen jeden Tag nach dem Leben. Der Fund einer hermetisch abgeriegelten Forschungsstation ist da ein großer Lotteriegewinn. Das Hochgefühl verflüchtigt sich bald, da sie merken, was sie da gefunden haben. Ersten Aufschluss geben einige noch intakte Bruttanks. Kurz darauf müssen sie leidvoll feststellen, dass sie nicht alleine sind …

FRANK CHO hat im Prinzip den FRANKENSTEIN-MYTHOS umgedeutet. SHANNA ist nichts anderes als ein Experiment unter der Prämisse, ob der Mensch Leben erschaffen kann. Okay, FRANK CHO ist Amerikaner und als solcher in der Unterhaltungsindustrie auch leicht dabei, irgendwelche Nazi-Forschungen als Ausgangspunkt zu nehmen. Damit wandelt er auf den Spuren von STEVEN SPIELBERG und seines INDIANA JONES, aber auch in den Fußstapfen von Comic-Charakteren wie DANGER GIRLS oder HELLBOY. Ein wenig kann SHANNA auch als eine Art weißhäutiger SHE-HULK umschrieben werden. Nicht umsonst hat die hier in einem Band zusammengefasste Miniserie den Zusatztitel THE SHE-DEVIL! Es gibt also durchaus Parallelen und eine gewisse Comic- oder Popkultur in die Richtung einer Geschichte um SHANNA.

Die Handlung ist streng umrissen, der Handlungsort eingeschränkt. Für die Charaktere heißt das in erster Linie: Kein Entkommen möglich! Jedenfalls nicht ohne Hilfe von außen. Mit SHANNA kommt die Hilfe von innen. Ähnlich wie ein TARZAN muss sie den Umgang mit Menschen erst lernen. Ein wenig Zivlisation, denn mittels ihrer Kraft und Geschicklichkeit weiß sie sich bereits gegen Monster durchzusetzen. Aber auch gegen übergriffige Männer. Das sind amerikanische Soldaten, die es auf dieses ferne Eiland verschlagen hat. JURASSIC PARK (und später JURASSIC WORLD) haben den Weg für DINOSAURIER neu geebnet. Ein starke Frau wie SHANNA braucht entsprechende Gegner. Deshalb hat sich FRANK CHO gleich zwei Spitzenpredatoren der Urzeit herausgepickt: den TYRANNOSAURUS REX und den VELOCIRAPTOR (und den gleich dutzendweise).

Hier wird mit ACTION nicht gekleckert, hier wird wirklich geklotzt. FRANK CHO, als Autor und Zeichner hier vertreten, ist nicht nur ein perfekter PIN-UP-KÜNSTLER, er ist auch ein ILLUSTRATOR vom Format eines TERRY DODSON. Man könnte seinen Stil einen idealisierten Realismus nennen. Alles ist noch etwas größer, schöner (sogar die Monster). Letztere werden neben SHANNA stark in Szene gesetzt und nicht gerade mit einem Weichzeichner. Hier werden Raubtiere, Fleischfresser, ins Zentrum der Handlung gerückt und natürlich kommt es auch zu Begegnungen zwischen den Sauriern, die sich hinter Leinwandszenen nicht zu verstecken brauchen. Aber besonders beeindruckend ist es natürlich, wenn sich SHANNA in bester TARZAN-Manier den Sauriern stellt (besonders gegen einen T-REX). Unter dem Strich ist das bestes B-MOVIE-ACTION-COMIC. Bedeutet: Hirn ausschalten, Spaß haben.

Ein COMIC-ACTION-Abenteuer von FRANK CHO, einem Illustrator, der zur ersten Garde seiner Zunft gehört, gleichauf mit Leuten wie JIM LEE, DAVID FINCH oder TERRY DODSON. Ein weiblicher TARZAN trifft auf JURASSIC PARK. Fights der Extraklasse, ultrafiese Saurier zuhauf und eine Handlung wie Achterbahnfahrt von Anfang bis Ende. Spitzenmäßige Grafiken! 🙂

Nur noch Second Hand erhältlich.

Donnerstag, 18. Januar 2024

LARGO WINCH 24 – DAS GOLDENE ZENTIL

Filed under: Thriller — Michael um 19:51

LARGO WINCH 24 – DAS GOLDENE ZENTILEin kleiner Junge hat einen großen Traum. Spät in der Nacht bastelt er an seiner Rakete, die ihm nicht einmal bis zur Brust reicht. Aber sie soll hoch hinauf, so weit wie irgend möglich. Er hat die Maße, das Gewicht, den Treibstoff berechnet und nun scheint der richtige Zeitpunkt gekommen, der Point Of No Return. In seinem Zimmer finden sich viele Hinweise auf seine Interessen und Träume. Modelle aus der Fliegerei, doch viel mehr zeigen die Raumfahrzeuge der NASA. Solche, die es bis zum MOND geschafft haben oder solche, die einen regelmäßigen Flugbetrieb in den Orbit gestatteten, das SPACE SHUTTLE. Der Junge schleicht sich aus dem Haus, immer noch mitten in der Nacht, denn seine Ambitionen (das sind sie für ihn, nicht bloß ein Hobby) werden nicht gern gesehen. Auf einem Hügel angelangt, wird die kleine Rakete in Stellung gebracht, ein Streichholz entzündet die Lunte und dann…

LARGO WINCH bedeutete von Anfang an, als Comic-Leser einen Thriller in den Händen zu halten, der mit internationalem Flair spielt. LARGO-WINCH-Erfinder, der Autor JEAN VAN HAMME legte die Figur zunächst als Romanhelden an, bevor ein Comic-Charakter aus ihm wurde. Inzwischen hat JEAN VAN HAMME den Stift, sprichwörtlich, an seinen Autorennachfolger ÉRIC GIACOMETTI übergeben, der das gesamte LARGO-WINCH-Universum hervorragend verstanden hat und die Mischung aus Agenten- und Actionszenarien, Hochfinanzdramen, Familiengeschichten und amorösen Abenteuern perfekt fortführt. So auch im 24. Band, DAS GOLDENE ZENTIL.

Die Zeiten von Begriffen wie DIE OBEREN ZEHNTAUSEND haben sich längst überlebt. Geld ballt sich noch viel mächtiger, wie es der Leser von den besonders extravaganten Milliardären in den Nachrichten oder den Boulevardmagazinen verfolgen kann. In diesem Bereich ist DAS GOLDENE ZENTIL angesiedelt. JAROD MANSKIND ist im vorliegenden Thriller einer jener Milliardäre, die das Abenteuer der Menschheit ins All vorantreiben wollen, sozusagen die letzte halbwegs unberührte Spielwiese für reiche Menschen. Und ganz so, wie sich in den (echten) Nachrichten für den Leser anhören mag, wenn von Siedlungen auf dem MARS fabuliert wird, so ist die Wirkung auch hier: Könnte, ja. Braucht man’s? Hm. Na, der Mann ist reich, lasst ihn reden und wir klatschen.

Bisher – und dieses Rezept wird hier fortgeführt – hat sich LARGO WINCH immer vor der Kulisse der realen Welt bewegt, Szenarien oder Ideen weiter erzählt. Mancher Leser fragt sich vielleicht, ob einem brisant reichem Menschen etwas Ähnliches widerfahren kann wie zu Beginn von DAS GOLDENE ZENTIL (der Fortsetzung zu Band 23, HINTER DER KARMAN-LINIE). Wer aber einen Blick auf die Schicksale solcher (echter) Charaktere wirft, stellt fest, wie leicht selbst jene in fremdbestimmte oder selbst gewählte Schwierigkeiten kommen, deren Verlauf oft thrillertauglich ist. So viel zum starken INTRO dieses ABENTEUERS, ohne die SPOILER auszupacken. 🙂 Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass ÉRIC GIACOMETTI die verschachtelte Erzählweise eines JEAN VAN HAMME mit unterschiedlichen Handlungssträngen so versiert wie respektvoll aufgreift und umsetzt.

Mit PHILIPPE FRANCQ ist der langjährige LARGO-WINCH-Zeichner am Start, der dafür bekannt ist, feinlinige, äußerst fragil wirkende Bilder zu gestalten, in denen es vor Details manchmal geradezu wimmelt. Manche Zeichner würden eine Gebirgskette, einen Fluss, einen Wald oder auch eine Skyline mit wenigen Strichen hinwerfen, erst recht, wenn sie wirklich nur Kulisse sind und der Fokus der Szene ganz woanders liegt. Bei PHILIPPE FRANCQ verhält es sich nicht so. Hier werden Felsspalten und – absätze herausgearbeitet. Bei Veranstaltungen muss noch der Gast in der hintersten Reihe als Mensch erkennbar sein (und das ist superwinzig). In langjährigen Computerzeiten ist eine Arbeit in solchen Dimensionen natürlich kein Problem mehr. Dass sich jemand die Mühe macht, diese Einzelheiten so herauszuholen, aber schon.

PHILIPPE FRANCQ geht entsprechend in die Technik hinein. Obwohl die Geschichte mit dem Weltraum zu tun hat, sind die grafischen Knaller hier nicht zu finden. Die finden teils mehr in der Luft statt (vor allem im finalen Run gibt es eine starke Sequenz, die ich sonst so noch nirgendwo gesehen habe und verdammt dramatisch ist). Hubschrauber heißt das Zauberwort. Hier kann PHILIPPE FRANCQ vom Leder ziehen, während er ansonsten immer auf der Suche nach der perfekten Kameraeinstellung für eine Szene ist (und diese auch stets findet).

Ein LARGO-WINCH-Abenteuer ist ein verlässlicher Thrillerkracher. ÉRIC GIACOMETTI (anstelle von LARGO-WINCH-Erfinder JEAN VAN HAMME) begleitet als nicht mehr ganz neuer Szenarist Band 24, DAS GOLDENE ZENTIL, und führt LARGO WINCH alles andere als sprichwörtlich in ungeahnte Höhen. Die Charaktere besitzen (wie sich für die Reihe gehört) Tiefe, sind greifbar, gerade so, damit Sympathie oder Antipathie für den Leser funktionieren. PHILIPPE FRANCQ ist als Comic-Illustrator nach jahrzehntelanger Tätigkeit so versiert, dass man als Comic- Thriller-Fan nur noch genießen muss. Empfehlenswert! 🙂

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Donnerstag, 04. Januar 2024

SIGI 1 – OPERATION BRÜNNHILD

Filed under: Abenteuer — Michael um 16:48

SIGI 1 – OPERATION BRÜNNHILDWillkommen in Amerika! Der Erste Weltkrieg ist vorüber. Die Welt wankt erneut, diesmal unter der Weltwirtschaftskrise. In dieser Zeit will eine junge deutsche Rennfahrerin eine großartige Leistung vollbringen, eine WELTUMRUNDUNG mit dem AUTOMOBIL. SIGRID HASSLER hat Glück, sie findet einen Sponsor für ihre kühne Idee und ebenfalls ein Fahrzeug für die lange Reise, einen ADLER STANDARD 6. Die Fahrt beginnt in Deutschland, führt ein vergleichsweise kurzes Stück nach LE HAVRE, wo das Fahrzeug in einen Dampfer nach NEW YORK verfrachtet wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die Reise alles andere als störungsfrei und richtige Schicksalsschläge lassen nicht lange auf sich warten. Und das ist erst der Anfang…

Basierend auf den echten Leben der CLÄRENORE STINNES (1901-1990) und ihrer wahrhaftig stattgefundenen Weltumrundung per Automobil von 1927-1929 haben sich ERIK ARNOUX (Autor, Storyboard) und DAVID MORANCHO (Zeichner, Farben) daran gemacht, ein Szenario zu entwerfen, das den Leser fast 100 Jahre zurückwirft, in eine Zeit, da die Moderne bereits im folgenden düsteren Zweiten Weltkrieg durchzuschimmern beginnt. Aber vorerst ist da nur ein Schimmer. Die einen gehen in einer Aufbruchsstimmung auf, die anderen hängen einer grauenhaften Vergangenheit nach, teils aus Selbstmitleid, teils aus Hass, teils aus beidem. Wieder andere in der deutschen Heimat sehen in einer Frau, die es wagt, in einem Automobil um die Welt zu reisen, ein perfektes politisches Aushängeschild. Das ahnt SIGRID HASSLER aber nicht.

Für sie steht das ABENTEUER im Vordergrund und der Wunsch, am Steuer eines Automobils zu sitzen. Von der POLITIK merkt sie, sobald sie losgefahren ist, erst einmal nichts. ABENTEUER jedoch bekommt sie ziemlich bald, mehr als ihr lieb ist. Denn für SIGI geht es um Leben und Tod. ERIK ARNOUX praktiziert einen kleinen Serientrick zu Beginn der Geschichte. Er springt mitten hinein, in einen besonders gefährlichen Moment, bis zu einem bestimmten Punkt, an dem der Leser (oder vergleichsweise im Stream der Zuschauer) angefixt ist, und hüpft dann an den Anfang, um zu zeigen: Wie konnte es so weit kommen? Das funktioniert hier ebenfalls, denn der Kontrast zwischen der abenteuerlichen Sequenz und der Ausgangssituation ist immens. Spätestens jetzt weiß der Leser, dass für SIGRID HASSLER alias SIGI nicht nur ein Abenteuer startet, sondern dass sie ebenso einen regelrechten Weltensprung hinlegt.

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite ein winterliches Berlin, Drama und Action auf der Rennstrecke, ein wenig Nachtclubflair und einiges mehr. Auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten von Amerika, aufgeteilt in den modernen Osten und den Westen, der noch mit einem Bein in der wilden Ecke steht, Lynchjustiz eingeschlossen. Das ist von DAVID MORANCHO großartig in Szene gesetzt. Wer ein Comic-Freund von historischen Szenarien ist, wird sich über die optische Abwechslung freuen. Durch den Lebensweg von SIGRID HASSLER alias SIGI entsteht ein breiter Bilderbogen, der nostalgisch anmutet, aber keineswegs sentimental ist oder etwas glorifiziert.

Der Auftakt der Geschichte, in Deutschland, ist mehr ein Prolog, denn ERIK ARNOUX und DAVID MORANCHO wissen höchstwahrscheinlich, dass Vorweltkriegsszenarien in den letzten Jahren sattsam abgehandelt wurden und ein Blick über den großen Teich (und später die Weltreise) für den Leser weitaus interessanter ist. So fällt die Gewichtung eindeutig zum amerikanischen Abenteuer hin aus. Und hier findet ein weiterer Trick statt (kein neuer, der aber schon häufiger funktioniert hat und so auch jetzt): Eben befand sich SIGI noch in einer zivilisierten Umgebung, (wo eigentlich mehr die Bürokratie das Heft in die Hand genommen hatte) und plötzlich herrscht Willkür vor. Da entsteht sehr rasch Spannung, auch eine, die sich über die gesamte Länge der Geschichte hält.

DAVID MORANCHO pflegt einen grafisch federleichten Realismus, der nichts in falschen Schatten versteckt. Haltungen, Perspektiven, Gesichter, Mimik werden penibel ausgeführt, jedes Bilddetail ist erkennbar und deutlich. Auffallend ist, dass DAVID MORANCHO gerne mit Farbstimmungen zu arbeiten scheint, nicht nur, wenn es eine bestimmte Tages- oder Nachtzeit abzubilden gibt. Desweiteren verwendet er gerne sanfte Farbtöne. Hier knallt einem nichts entgegen. Das Farbenspiel versucht einen historischen Eindruck zu imitieren, wie eine verblassende Fotografie oder ein Film. Teilweise ist die Anspielung sogar klar zu sehen, zum Beispiel wenn in kurzen Abrissen die Folgen der Weltwirtschaftskrise in bräunlich kolorierten Grafiken abgehandelt wird (SIGI hat einen Fotografen dabei, der ihre Reise dokumentieren soll, demzufolge ist die optische Darstellung sehr gut eingefügt).

Für Freunde historischer Abenteuer in der Neuzeit, als die Welt auf einem Kipppunkt stand, in der westlichen Zivilisation noch nicht alles auf der gleichen Höhe rangierte. In dieser Epoche wagt sich eine junge Frau, SIGRID HASSLER alias SIGI, mit Fotografen auf die langwierige und gefährliche Reise rund um die Welt, mit dem Automobil. Abwechslungsreich und feinfühlig von ERIK ARNOUX erzählt, feingliedrig und realistisch von DAVID MORANCHO illustriert. Sehr schöner Serienauftakt! 🙂

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Samstag, 09. Dezember 2023

NOCTERRA Band 2 – AUF DIE TUBE, FERTIG, FLUCHT!

Filed under: Horror — Michael um 17:11

NOCTERRA Band 2 - AUF DIE TUBE, FERTIG, FLUCHT!Es herrscht Nacht über der Welt. NOCTERRA. Eine Nacht, die niemals endet. An einem Tag, vor mehreren Jahren, wurde es plötzlich dunkel. Der Sonnenschein verschwand. Doch es wurde nicht bloß dunkel. Wer zu lange in der Finsternis lebte, begann sich zu verändern. Menschen und Tiere verkamen zu schwarzen Kreaturen, darauf aus, alles und jedes in ihrer Umgebung zu vernichten. Mutierte Tiere paarten sich. Im Endergebnis wurden die Monster immer kurioser, alptraumhafter. Die letzten Menschen versammelten sich in kleinen Siedlungen, abgeschirmt gegen den Rest der dunklen Welt durch voluminöse Strahler. Nicht nur zu ihrer Sicherheit, denn das Licht wehrte die Kreaturen ab. Auch um nicht dieser mysteriösen Krankheit zu verfallen und selbst zu einem Schattenmenschen zu werden.

Eine kleine Gruppe von Menschen, solche, die den Kontakt zwischen den Siedlungen aufrecht erhalten, hat einen Hinweis erhalten. Es besteht die Möglichkeit, das Licht in die Welt zurückzuholen. Angeführt von einer jungen Frau, VAL, einer regelrechten Veteranin, wenn es darum geht in der Finsternis zu überleben, jagt ein Konvoi durch die Nacht, immer bedroht und gejagt von einem unbarherzigen KILLER: BLACKTOP BILL.

Nach dem fulminanten Auftaktband von NOCTERRA halten SCOTT SNYDER und TONY S. DANIEL den Spannungsbogen weiter hoch. Sie haben ein Szenario geschaffen, das ihnen jede Möglichkeit bietet, die Nerven den Lesers mit immer neuen Überraschungen zu strapazieren. In der Dunkelheit ist einfach alles möglich. Das ist das Schöne an NOCTERRA. Es ist eine Comic-Achterbahnfahrt. Der Leser weiß, dass hinter der nächsten Kurve alles Mögliche warten kann. SCOTT SNYDER und TONY S. DANIEL kitzeln immer wieder aufs Neue dieses Gefühl heraus: Gleich passiert was! Da waren doch Hinweise … Aber dann wird der Leser (vielleicht) erneut in Sicherheit gewiegt. Erwartet das Unvorhersehbare.

Drei Charaktere stehen im Vordergrund der Handlung. VAL, die Anführerin des Konvois und deshalb auf Verantwortung gedrillt. PIPER, die junge Frau mit dem Brain, das der Welt ein neues Gesicht verpassen kann. Und BLACKTOP BILL, ein KILLER, der schon vor der Dunkelheit ein KILLER war und jetzt in der für ihn perfekten Umwelt gelandet ist. Im Gegensatz zu den (meisten) übrigen Menschen mit ein paar Extras ausgestattet, die ihm das Töten noch erleichtern, wird er von SCOTT SNYDER und TONY S. DANIEL als düsterer HELD präsentiert. Man darf ihn nicht mögen (weil er ein KILLER ist), aber als Charakter fasziniert er dennoch. BLACKTOP BILL ist eben kein tumber Klotz, sondern verdammt gewitzt. Da bleiben VAL und PIPER etwas blasser, allerdings sei es ihnen nicht vorgeworfen, denn gute HELDEN fallen meist etwas blasser aus, weil der GUTE sich nicht alles erlauben kann. Außer zu leiden! Und an seine Grenzen zu gehen!

Das ist das, was jeder gute Held durchmachen muss, ganz gleich, in welchem Universum er gerade unterwegs. Leiden. Wegen Verlust, Trauer, Schmerz, Erschöpfung. Und natürlich ganz viel ACTION. Hier greifen die starken Bilder von TONY S. DANIEL und die fetzig explosive Kolorierung von MARCELO MAIOLO. Ist die Austaktepisode dieses Bandes, ein Rückblick zur Entstehung von BLACKTOP BILL, noch von einer sehr skizzenhaften Technik geprägt, greift daraufhin eine sich sehr auf Realismus und Perfektionismus bedachte Technik. Der Kontrast ist enorm. Wenn Licht Gegenstände, Figuren und Kreaturen aus der Dunkelheit reißt, kann jeder Illustrator mit diesen Grundbedingungen selbstredend trefflich spielen.

Beispielhaft hierfür steht der Konvoi, der sich mit gleißenden Scheinwerfern voranwälzt. Die Kreaturen, deren glosende Augen für den nötigen (noch sanften) Grusel sorgen. Explosionen und Waffenfeuer. Und dann gibt es da noch die NOKTURNEN, rein schwarze Gestalten (wie BLACKTOP BILL), die sich durch Kleinigkeiten wie blendende Gebisse oder leuchtende Augen hervotun. Kurzum, MARCELO MAIOLO arbeitet Effekte heraus, in jeder Beziehung passend für dieses HORROR-SCIFI-SZENARIO.

Im 2. Band von NOCTERRA wird das von SCOTT SNYDER und TONY S. DANIEL geschaffene HORROR-SCFI-Universum durchsichtiger, ein paar Geheimnisse werden gelüftet und eine Reise erreicht ein erstes wirkliches und höchst unerwartetes Ziel (Stichwort: Cliffhanger). Das verlangt nach mehr und das rasende letzte Drittel von AUF DIE TUBE, FERTIG, FLUCHT! verspricht genau das. SCOTT SNYDER und TONY S. DANIEL wissen genau, wie die richtigen süchtigmachenden Brotkrumen ausgestreut werden! Dickes Rundumsorglospaket für alle Horror-Scifi-Darkfantasy-Fans! 🙂

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Mittwoch, 29. November 2023

ROBERT SAX 2 – VERLORENES PARADIES

Filed under: Thriller — Michael um 11:33

ROBERT SAX 2 – VERLORENES PARADIESEin MÖRDER geht auf den Straßen von BRÜSSEL um. Der Winter hat seine weiße Schneepracht über der Stadt ausgebreitet. Nachts bleiben die Menschen lieber daheim. Nur wenige Auots sind unterwegs und hinterlassen Spuren im frisch fallenden Schnee. SUZY BELAIR, eine Barsängerin, wurde soeben von ihrem Chef darauf hingewiesen, dass ihr Auftritt leblos, kraftlos sei. Der Abend ist gelaufen, die Laune im Keller. SUZY macht sich auf den Heimweg, ärgerlich über den Schnee. An manchen Tagen geht eben alles schief. Sie soll sich diesbezüglich nicht täuschen.

ROBERT SAX ist zurück! In der 2. Episode, VERLORENES PARADIES, erwartet den Leser ein geheimnisvolleres BRÜSSEL als zuletzt. RODOLPHE nicht so ganz zufällig in diesen Thriller stolpern. Eine Nachricht trifft ROBERT SAX ins Herz. Sofort ist der Held auf den Beinen und versucht von dieser Nachricht eine Verbindung zu seiner eigenen Vergangenheit herzustellen. Der Leser erfährt mehr über den Mann, der doch mehr als eine Art Hallodri daherkam und nun plötzlich mit einer todernsten Traurigkeit umgehen muss. Dieses Kippen des Charakters gibt der ganzen Handlung ein starkes Gewicht und der Figur des ROBERT SAX zusätzliche Ecken und Kanten, die nicht nur ihn interessanter machen. Auch das BRÜSSEL der 1950er Jahre ist mit seinem altstädtischen Charme, seinen verschneiten Gassen die perfekte Krimikulisse.

Dabei belassen es RODOLPHE und LOUIS ALLOING (sowie Kolorist DRAC) es nicht. Neben falschen Fährten, die hier ausgelegt werden, lassen die Comic-Künstler es sich nicht nehmen, einen absoluten Automobilklassiker in Szene zu setzen: einen PLYMOUTH FURY, Baujahr 1958, knallrot, mit weißen Seitenstreifen. Natürlich hätten sich die Comic-Künstler für jedes Automobil zu diesem Zweck entscheiden können. Automobile Klassiker aus jenen Tagen gibt es reichlich, auch sportliche. Und das Ergebnis? Ganz einfach: die Szenen mit dem PLYMOUTH FURY, als fahrbares Utensil ebenso wie als kurzfristige Werkstattkulisse sind schlicht eine Augenweide. 🙂

RODOLPHE gelingt eine ausgewogene Mischung aus persönlicher Tragödie, aus detektivischer Arbeit, Action und dem Aufbau von Beziehungen und dem Vertiefen von Freundschaften. ROBERT SAX als Serienheld kommt dem Leser näher. Neben der Spannungssteigerung gelingt es RODOLPHE, Mitleid für ROBERT SAX zu wecken. Plötzlich wird aus dem Tunichtgut und Schürzenjäger ein Mann, der mit seiner Vergangenheit (völlig zu Recht) hadert und bei anderen Menschen nur langsam auftaut.

LOUIS ALLOING kann sich für Szenen generell Zeit lassen. Der Aufbau, oft über mehrere Seiten hinweg, ist ruhig (für den Leser, nicht grundsätzlich für ROBERT SAX oder seine Mitstreiter). Bilder (und Text) leiten den Leser ungeheuer versiert, streuen Atmosphöre und Information punktgenau ein. Ein gutes Beispiel ist ein Gespräch zwischen dem Chefmechaniker von ROBERT SAX und der Sekretärin. Aktuelles Geschehen und Rückblick werden geschickt, für das Auge flüssig, ineinander verwoben.

Sehr viel ernsthafter als die erste Folge kommt Band 2 der Serie ROBERT SAX daher. Gab es im ersten Thriller noch Anflüge einer humoristischen oder auch satirischen Note, geht es hier (wie bei einem Krimi mit einem Serienmörder nicht anders zu erwarten) todernst zur Sache. ROBERT SAX selbst muss sich seiner Vergangenheit stellen. Die damit erreichte dramatische Tiefe richtet sich alsbald nach außen, denn eine alte Wunde scheint nur durch die Lösung eines Kriminalfalls zu schließen sein. VERLORENES PARADIES nennt RODOLPHE diese Wunde. Gleichzeitig ist VERLORENES PARADIES auch ein Schwelgen in einer leicht romantisierten BRÜSSELER VERGANGENHEIT (in der nicht alles besser war, aber vielleicht eine Spur konzentrierter). LOUIS ALLOING, der Zeichner, hat seine Figuren und sein dramatisches Umfeld im Griff, vertrautes Ambiente, vertraute Charaktere, die zudem an der Geschichte wachsen dürfen. Ein Wohlfühlkrimi! 🙂

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Sonntag, 19. November 2023

MANIFEST DESTINY – BAND 8 – SACRIFICIUM & REDITUS

Filed under: Mystery — Michael um 16:46

MANIFEST DESTINY - BAND 8 – SACRIFICIUM & REDITUSBuchstäblich jede Reise hat ein Ende. Die Expedition unter der Leitung der beiden Abenteurer MERIWETHER LEWIS und WILLIAM CLARK ist auf ihrer letzten Etappe des beschwerlichen Weges, der sie zur pazifischen Küste des nordamerikanischen Kontinents führen soll. Hetzend, gejagt und von einer unglaublichen Idee beseelt ist die Gruppe seit ihrem Aufbruch nicht nur sehr dezimiert, sondern auch innerlich zerrissen. Freund und Feind sind schon lange nicht mehr klar definiert. Augenblicklich braucht man sich, denn das Land wehrt sich weiterhin gegen die Eindringlinge. MONSTER können in jeder Verkleidung überall lauern. Das Erklimmen einer Felswand, gefährlich genug selbst für erfahrene Kletterer, wird rasch zu einer Belastungsprobe für die gesamte Gruppe …

Seit 2013 befinden sich MERIWETHER LEWIS und WILLIAM CLARK auf ihrer Comic-Reise. In diesem Medium ist das eine sehr lange Zeit, vor allem da es sich um eine neue Reihe handelte. Weltweit gab es einige bremsende Widrigkeiten, an denen kaum einer vorbeikam. Acht Hardcover-Bände sind heruntergebrochen auf die komplette Reihe 48 Ausgaben, die insgesamt erschienen sind. CHRIS DINGESS stützte sich zu Beginn auf wahre Begebenheiten, nämlich die tatsächliche Expedition von LEWIS und CLARK, die selbstverständlich Eingang in amerikanische Geschichtsbücher gefunden hat. Alles weitere dazwischen, von der Ost- zur Westküste, ist weitestgehend gruselig und spannend fabuliert, sieht man von einigen Charakteren ab, die ebenso wirklich an der Reise beteiligt waren.

Eine ganz wichtige Figur hierbei ist SACAGAWEA, indianischer Abstammung und Mutter eines Sohnes. Dieses Kind spielt eine wichtige Rolle im Endspurt der Geschichte, denn (so hat es sich CHRIS DINGESS ausgedacht) es hängt das Schicksal eines Kontinents und eines noch jungen Staates von ihm ab. Es ist ein KRIEGSKIND, der Sproß zweier verfeindeter Parteien, entsprechend groß ist seine Bedeutung. Ausgerechnet SACAGAWEA, die den weißen Eindringlingen eigentlich nichts schuldet (obwohl sie auch eine gewisse Dankbarkeit empfindet), will die aufgezwungene Aufgabe erfüllen. Am Ende wartet, wählt man den Gamer-Jargon, der BOSS-GEGNER, ein DÄMON namens NAVATH (nicht der Teufel, wie zu erwarten gewesen wäre, aber nah dran).

Der Erfolg der Serie hat verschiedene Gründe. Einer ist die hervorragende Charakterzeichnung der Figuren und ihre Entwicklung über die Reise hinweg. Unterschiedlichste Einflüsse haben die Charaktere geformt. Tiefste Ängste mussten bezwungen werden. Hass wurde geschürt, teilweise besiegt. Unmenschliche Anstrengungen wurden vollbracht. CHRISS DINGESS hat seine Figuren einmal durch die Hölle und zurück geschickt. Nach den körperlichen Herausforderungen werden nun die SEELEN der Reisenden auf eine besondere Probe gestellt. NAVATH ist einer jener DÄMONEN, die zu den geschickten Manipulatoren gehören. Sie quälen ihre Opfer gerne mit Wahrheiten (natürlich auch körperlich, daraus macht er gar keinen Hehl), weil die innere Vernichtung, eine unsichtbare Qual des Menschen dem DÄMON eine ungeheure Freude bereitet.

Gleichzeitig fallen einige Masken zum Schluss. Es gibt Enthüllungen und dabei kommt so mancher Beteiligter überhaupt nicht gut weg. Das ist von CHRISS DINGESS verdammt gut gelöst und erzählt, außerdem konsequent. Hier werden keine falschen Helden aufgebaut. Sie (und ihre Träume und Ziele) werden eher zertrümmert. BAND 8, mit dem Titel SACRIFICIUM & REDITUS, ist so abgrundtief düster geraten, dass er sogar die sieben Vorläuferbände abhängt. Es gibt nur eine Sequenz, die etwas Glück und Freude (bei den Figuren) verbreitet (und die währt nicht lange).

Erzählerische Kunst ist die eine Seite, die grafische Gestaltung ist die andere. Hierfür standen zwei absolute Könner bereit, nämlich MATTHEW ROBERTS (Zeichnungen) und OWEN GIENI (Farben). Die leicht ausgeführten Figuren zusammen mit einer organischen Farbgebung ergeben einen Zeichentrickcharakter früherer Machart, weit entfernt von computergenerierten Zeichnungen heutiger Produktionen. Die Farbgebung von OWEN GIENI, die wirkt, als sei er mit Gouache, Aquarell, teils Buntstift zu Werke gegangen, ist erfrischend vielfältig. Wenn Farben es gestattet wird, ineinander zu verlaufen, Lichter aufgesetzt werden, abschattiert wird, je nach Sonneneinstrahlung (oder nächtlicher Atmosphäre, Feuerschein). Manche Seiten folgen einer Farbstimmung und erzählen zusätzlich zur Szene, zum Text (soweit vorhanden) noch eine zusätzliche Spur. Das Ergebnis ist ein höchst intensives Leseerlebnis.

Ein dramatischer Abschluss, ein trauriger Abschluss. Es ist spannend, weiterhin, aber zum Ende stehen andere Ziele der Geschichte im Vordergrund. CHRIS DINGESS gibt den verbliebenen Charakteren sehr viel Raum, sich dem Leser zum Schluss zu erklären. Haben sich Träume erfüllt? Hat sich das Leben verändert, auch für die Zukunft (in den meisten Fällen, aber kaum zum Besseren)? Selbst auf der dämonischen Ebene ist ein NAVATH nachvollziehbar. Das Böse kann begriffen werden. Optisch ist es ein Hammererlebnis in der achten und letzten Folge. MATTHEW ROBERTS und OWEN GIENI liefern ganz besonders hier, unabhängig vom mysteriösen Faktor der Geschichte, ein starkes Wildwestabenteuer ab, in dem die Wildnis von Nordamerika mehr ist als nur Kulisse. Eine der stärksten Mystery-Adventure-Serien der letzten Jahre (ganz gleich in welchem Medium)! Toller Abschluss! 🙂

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