Mittwoch, 31. Oktober 2007
Lex Luthor und Brainiac heißen die Feinde, die der Justice League of America, kurz JLA, das Leben schwer machen. Inzwischen ist es den Helden auch klar, wie es zu dem Großangriff der Schurken kommen konnte. Brainiac kontrolliert sie mittels mikroskopisch kleiner Parasiten.
Die Zeit zum Gegenschlag ist gekommen. In der Festung der Einsamkeit versammeln sich die Freunde und lauschen einem Plan, der ihnen zunächst nicht so recht behagen mag. Die Metal Men schlagen das Tragen zusätzlicher Rüstungen vor, die ein Eindringen der Miniroboter Brainiacs unmöglich machen sollen.
Wenig später rollt ein Großangriff der Helden gegen Gorilla Grodd. Das Untier, ausgerüstet mit der Macht des gelben Rings von Siniestro, macht ihnen den Kampf so schwer wie möglich.
Doch nicht nur Wonder Woman, Green Lantern, Green Arrow und Red Tornado haben einen schweren Kampf zu schlagen. Auch Captain Marvel findet sich in einer Auseinandersetzung wieder. Allerdings hat er es nicht nur mit seinem Erzfeind Black Adam zu tun, sondern muss noch gegen seine Verwandten antreten, die durch Brainiacs Roboter manipuliert sind.
Der Kampf hat Folgen. Wenig später treffen zwei Titanen aufeinander: Superman und Captain Marvel.
Und das ist erst der Anfang. Nachdem die Helden allesamt mit speziellen Rüstungen gewappnet sind, ziehen sie in die Schlacht.
Wenn Alex Ross seine künstlerischen Fähigkeiten anwendet, dann entsteht für die Augen des Fans ein wahres Fest. Justice ist ein solcher Leckerbissen geworden. In dem vorliegenden Sechsteiler findet sich alles und jeder, der im DC-Universum Rang und Namen hat. Alleine das Cover hat bereits Poster-Qualität – im Gegensatz zu anderen Produktionen setzt sich diese Qualität im gesamten Heft fort.
Das Besondere an Ross‘ Figuren ist der 50er-Jahre-Look. Er zieht diese Helden so an, wie man sich im Jahrzehnt des Umbruchs Superhelden vorstellte – ja, so wie es Joe Shuster und Jerry Siegel sich vorstellten. Ross setzt diesen Vorstellungen seinen Fotorealismus auf, hier stark unterstützt durch das handwerkliche Geschick von Doug Braithwaite. Mehr von seinen Arbeiten sieht man unter www.dougbraithwaite.com, wo sehr schön heraus gearbeitete Bilder zu sehen sind.
Begeistern könne in diesem Band einige großformatige oder doppelseitige Bilder. Beispiele für eine perfekte Arbeit sind hier der Auftritt der gerüsteten Helden, die Tafel der Schurken, der Kampf zwischen Supie und Captain Marvel wie auch einige Szenen mit Green Arrow und Black Canary.
Die Vielfalt, die ein absolutes Plus des gesamten Abenteuers wie auch des vorliegenden Bandes ist, ist zugleich auch ein Minuspunkt, weil die Bilderflut wie in einem überbordenden Action-Film geradezu erschlagend ist. Angesichts der Qualität mag man das aber (mehr als) billigend in Kauf nehmen.
Auch der Einfallsreichtum versteht zu begeistern. Die Rüstungen von Hawkman und Hawkgirl sind genial anzuschauen, Batsies rotschwarzes Outfit erinnert an Batman Beyond (hierzulande: Batman Of The Future).
Die Handlung steht ein wenig hinter der Optik zurück – immerhin können die Bilder einen Vorgeschmack davon geben, wie ein JLA-Film aussehen könnte, dessen Verfilmung im Augenblick heiß diskutiert wird, da DC wohl endlich einen cineastischen Gegenangriff auf die X-Men starten will.
Was sich in jedem Fall mit Fug und recht behaupten lässt, ist, dass es sich hier um einen echten Action-Klopper handelt, der unter der Federführung eines Top-Produzenten wie Jerry Bruckheimer entstanden sein könnte.
Hammer-Unterhaltung, Riesenbilder in einer Top-Produktion toller Künstler und eines Erzählers, der den Kraftakt vollbringt, nahezu (fast) alles und jeden des DC-Universums in einer Sonderreihe unterzubringen. 😀
Montag, 29. Oktober 2007
Fernab in der Stadt Lankhmar finden sich die buntesten, die gruseligsten, die leidenschaftlichsten und abenteuerlichsten Gestalten. Inmitten einer Stadt, die ein Schmelztiegel für vielerlei Schichten ist, treffen sich zwei liebenswerte Halunken, Schurken, Diebe, die sehr bald die dicksten Freunde werden. Die Geschichte nennt sie: Fafhrd und der Graue Mausling.
Viele Abenteuergeschichten sind häufig auch Erzählungen über Männerfreundschaften. Fafhrd und der Graue Mausling beschreibt eine solche Freundschaft. Zwei sehr unterschiedliche Männer gehen gemeinsam durch Dick und Dünn, geeint durch ein ähnliches Schicksal, dem Verlust ihrer jeweiligen großen Liebe.
Der eine, ein großer starker Mann, rothaarig, bärbeißig und humorvoll ist ein Barbar. Fafhrd ist Mann, den kein Wässerchen trüben kann. Der Graue Mausling ist flink, geschickt, etwas kleiner, mit etwas mehr Manieren gesegnet und ein Dieb.
Beide sind perfekt dazu geeignet, sich gegenseitig zu ergänzen.
Howard Chaykin hat sich der Geschichten von Fritz Leiber um die beiden ungleichen Freunde angenommen und sie für das Comic-Genre adaptiert. Für die Umsetzung konnte kein Geringerer gefunden werden als Mike Mignola, der dank seiner überaus erfolgreichen Serien um Hellboy und die B.U.A.P. gerade auf seinem Zenit angelangt ist – wo er hoffentlich noch lange bleibt.
Fafhrd und der Graue Mausling ist aus der Sicht des Lesers aber auch eine kleine Zeitreise. Wir können sehr schön sehen, dass die Umsetzung dieser Geschichten ein Abschnitt auf der Entwicklungsleiter seines Schaffens ist. Zweifellos ist seine Arbeit zu diesen Geschichten noch nicht so reduziert wie z.B. in Hellboy. Einen direkten Vergleich kann mit den jeweiligen Titelbildern anstellen, die ganz bestimmt neueren Datums sind, da sich hier der Zeichenstil findet, der Mignola so populär gemacht hat und inzwischen sogar kopiert wird.
In beiden Schaffensperioden hat Mignola einen geschulten Blick entwickelt. Das Wesentliche steht perfekt im Zentrum eines jeden Bildes, eine Landschaft, eine Perspektive, ein Gesicht, ein Kampf. Mignola hält sich nicht mit überflüssigen Details auf. Trotzdem bleibt das Auge lange hängen, denn die Atmosphäre in der Komposition sowie Licht und Schatten stimmt.
Atmosphäre ist ein Kern dieser Welt, in der Fafhrd und der Graue Mausling zu Hause sind. Die Gassen in der verrufenen Stadt Lankhmar ähneln denen anderer phantastischer Städte aus der Pulp-Ära, so auch denen von Robert E. Howard. Die Magie ist so echt wie Kriminalität, sie dümpelt unter der Oberfläche, brodelt, ist jederzeit zum Ausbruch bereit und wird von niemandem verstanden – manchmal noch nicht einmal von einem Zauberer. Besonders jene letzte Eigenart wird von Fritz Leiber oder besser dem adaptierenden Howard Chaykin sehr schön Szene gesetzt. War schon ein Schwert stärker als schwarze Magie, kann sie gegen eine tiefe Freundschaft überhaupt nicht bestehen. Natürlich machen Leiber bzw. Chaykin ihren Helden nicht leicht.
Obwohl man als Leser sicherlich davon ausgeht, dass die beiden Helden ihr Abenteuer unversehrt überstehen werden, entsteht doch häufig der Eindruck, dass die beiden Männer diesmal nicht den Sieg davontragen werden. – Wenn ein Autor diesen Eindruck erwecken kann und man befindet sich als Leser doch erst in der Mitte des Buches, dann ist er ein hervorragender Erzähler.
Leibers Trick? Vielleicht ist es die Eigenart, nicht jede offene Frage zu beantworten, sondern ein ungewisses Element übrig zu lassen. – Oder sogar Figuren zu installieren, die mit diesen Ungewissheiten spielen.
Ningaubel und Schilba sind solche Kreaturen, beständig unter einem Umhang verborgen, herrscht bei der einen dunkler Schatten unter der Kapuze, während bei der anderen ein Sternenmeer zu glänzen scheint. Diese magischen Wesen haben an den beiden Halunken einen Narren gefressen und stehen ihnen hilfreich zur Seite.
Das wirklich Gelungene, und dies zeigt sich auch an den erwähnten Figuren, die geheime Zutat, wenn man es so nennen will, ist der Humor. Männer unter sich pflegen eine eigene Sprache, sie werden etwas kindischer, lassen sich selber auch hochleben, nehmen den anderen auch mal hoch. All das, und mehr, findet sich wieder im Verhältnis zwischen Fafhrd und dem Grauen Mausling und wird, was wohl der wichtige Aspekt ist, absolut echt geschildert.
Die für mich persönlich stimmigste Geschichte ist Der Fluch der Wiederkehr. Hier passt einfach alles. Der Gruselfaktor, die langsam ansteigende Spannung, bis zu einem Showdown der Extraklasse. Leiber wie auch Chaykin zeigen, wie auf engstem Raum eine Geschichte entstehen kann, wie ein Geheimnis Schritt für Schritt enthüllt wird. Der Kampf gegen die Geisterhunde dürfte ein Höhepunkt in der Fantasy-Literatur sein.
Kraftvolle Fantasy-Erzählungen, dichter, als es zunächst den Anschein hat, klassisch und immer noch modern, mit sympathischen Hauptfiguren, die mit List und Tücke, aber auch mit brutaler Gewalt vorgehen. Vom Schicksal gebeutelt, von den Göttern (und Hexen) geliebt, nehmen Fafhrd und der Graue Mausling den Leser mit auf eine außergewöhnlich schöne und aufregende Lebensreise.
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Samstag, 27. Oktober 2007
Im Jahre 1565 hat Conrad Gessner keinerlei Hoffnung mehr. Gefesselt an den Pfahl des Scheiterhaufens erwartet er die Vollstreckung des Todesurteils. Plötzlich taucht ein Monster aus der Nacht auf und greift die Versammelten an. Doch für Gessner kommt jede Hilfe zu spät.
Der Jäger schenkt dem Toten auf dem Scheiterhaufen keine Beachtung mehr. Das Monster ist es, dem er hinterher jagen muss. Diese Aufgabe ist nicht leicht, denn die Kreatur scheint stärker zu sein als die bisher bekannten Wesen. Der Jäger verschwindet in der stürmischen Winternacht.
Da Vinci und Van Helsing treffen den Namen der Rose.
Das Einhorn: Es gab eine Zeit, bevor Halbgötter in Weiß das Land bevölkerten und Ausstellungen mit plastinierten Leichen um die Welt reisten. In jenen Tagen ließ sich das Studium am menschlichen Körper nur mit dem Aufschneiden bewerkstelligen. Von diesen Tagen und Erfahrungen, den ersten Operationen, die sich bewährt hatten (oder auch nicht) künden heute noch alte Gemälde aus jener Zeit. Im Geheimen trafen sich gelehrte Männer, auch gegen die Weisung der Kirche, und vertieften ihr Wissen. Autor Mathieu Gabella und Zeichner Anthony Jean nutzen diese geschichtlichen Hintergrundinformationen, um eine Welt wiederzubeleben, in der Wissen bestraft werden konnte. Sie setzen eine zweite Säule aus dunkler Fantasy und eine dritte Säule mit opulenter Ausstattung hinzu. Heraus kommt eine äußerst innovative Geschichte, die auf ihre Art vorerst unvergleichlich ist.
Historie und Fantasy haben sich schon immer gut vertragen. Neben der realen Bedrohung, mit der sich die Ärzte jener Zeit auseinandersetzen müssen, entführt das Element der Mystery den Leser in ein sehr geheimnisvolles Szenario. Aber im Klartext: Ambrosius Paré ist ein bärbeißiger Mann, der über ein – für seine Zeit – beachtliches Wissen auf dem Gebiet der Anatomie verfügt. Zwar ist er der Chirurg des Königs, doch für seine Kollegen mit geschultem Wissen in Latein und Griechisch ist er nur ein Barbier, der innerhalb ihrer Zunft eigentlich nichts zu suchen hat. Paré hat ein respektables Alter erreicht, er lässt sich nichts sagen und ist nur schwer zu beeindrucken. Wie groß sein Können ist, zeigt sich bei einem Eingriff an den Augen eines Patienten.
Alleine diese wenigen Ereignisse, die bereits zu Beginn stattfinden, sind derart aufregend, dass sie einfach fesseln. Aber Gabella hat seine Hausaufgaben gemacht. Er belässt es nicht bei der spannenden Schilderung eines Arztes der Renaissance. Im nächsten Augenblick verstirbt ein alter Freund in den Armen des Arztes. Glaubt man sich in einem historischen Thriller, findet sich kurz darauf ein großzügiger Umgang mit Blut und Innereien, nur um wenig später erneut einem phantastischen Geschöpf zu begegnen. Diese Mischung aus Golem und Homunkulus bringt ein gruseliges, magisches Element mit ein.
Durch die Augen von Ambrosius taucht der Leser immer tiefer in die Geheimnisse der Geschichte ein. Die Bilder, die sich ihm dabei offenbaren, sind mystisch, grausam, einfallsreich – vor allem sind sie von einer ungeheuer guten Inszenierung beseelt.
Denn grafisch kommt Anthony Jean nicht nur mit einem ganz eigenen Stil daher. Als Zeichner und Kolorist in Personalunion ist er maßgeblich für die schaurige Atmosphäre der Handlung verantwortlich. In dieser Zeit des geistigen Aufbruchs trennte sich das Licht von den Schatten, und es scheint, als habe Jean diesen Grundgedanken wörtlich genommen.
Ob es sich um Außen- oder Innenaufnahmen, tagsüber oder nachts, ob es Straßen, Gassen, Gebäude oder Landschaften, ob es Menschen oder Monster sind, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt.
Bilder wie die Übersicht über Paris hätte man gerne ohne Textkästen gesehen. Bilder von Innenräumen, in bräunliches oder graues Licht getaucht, sind nur wenige Beispiele für eine elegante Inszenierung, die ein Beleuchter eines Kinofilms nicht besser bewerkstelligen könnte.
Sicherlich arbeiten Autor und Zeichner hier auch sehr gut Hand in Hand. Beide scheinen in gewisser Weise auch das Abstruse zu lieben. Wann gab es schon Schlägereien mit Knochen oder wurde die Flüssigkeit von Innereien zur Ablenkung eingesetzt. Es entsteht eine mythische düstere Stimmung, die sich vielleicht mit einem Film wie Der Pakt der Wölfe vergleichen lässt.
Nach einem Gespräch zwischen Ambrosius und dem legendären Nostradamus verdichtet sich die Geschichte immer mehr – und es ist wirklich beeindruckend, wie viel Information und Handlung das Duo in diesem Album zu erzählen vermag, ohne zu langweilen oder zu aufdringlich zu sein. Jemand, der sich einen Umberto Eco mit Action und hohem Gruselfaktor vorstellen kann, findet in dieser Geschichte perfekte Unterhaltung.
Faszinierend erzählt und gestaltet, grafisch eine Perle auf dem Gebiet der Comics, von Gabella und Jean an der Grenze zu einem neuen Genre geschrieben und gezeichnet. Der Auftakt von Das Einhorn straft alle jene Lügen, die den Comic immer noch für eine oberflächliche Angelegenheit halten. Wenn Gabella und Jean ihre eigene Steilvorlage aufnehmen können, sollte aus dieser Reihe ein Meilenstein des phantastischen Comics werden. 😀
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Julia Kutsch, Annelie Kretzschmar & Maren Marmulla gewinnen MangaMagie VI.
Im Namen von Kölner Stadtrat und Oberbürgermeister kürte heute der Kulturausschussvorsitzende Dr. Lothar Lemper im Historischen Rathaus der Domstadt die Gewinner des 6. Nachwuchswettbewerbs MangaMagie. Bei diesem Wettbewerb hatten sich 886 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland mit einem achtseitigen Manga um die Hauptpreise der zwei Altersgruppen beworben.
Siegerin der Altersgruppe 12-17 Jahre (= 500 €) wurde Julia Kutsch (16 Jahre, lks.) aus Petersberg (bei Fulda) mit dem Manga „Mademoiselle Clafoutis“, worin sie zeigt, dass auch mysteriöse Ereignisse zum Schulbesuch motivieren können…
Platz 2 ging an Natalia Schiller (17 Jahre) aus Landsberg/Lech und Platz 3 an Laura Fernandez Exposito (16 Jahre) aus Lahnau.
Den ersten Platz der Altergruppe 18-26 Jahre (= 1000 €) erreichte die Gruppenarbeit „Escape Ade“ der 22jährigen Annelie Kretzschmar aus Berlin und der 19jährigen Maren Marmulla aus Dortmund. In ihrem Manga geht es um ein geheimnisvolles Internat, diversen finsteren Gestalten und was passiert, wenn die Phanasie mit einem durchgeht… Die Plätze 2 und 3 errangen Anke Grunwald (19 J.) aus Leipzig bzw. Luisa Velontrova (19 J.) aus Luckenwalde.
Quelle: Presseinfo MangaMagie 6/2007
Freitag, 26. Oktober 2007
Helga hätte gerne einen Mann, der reinlicher ist. Oder aufmerksamer. Einer, der ihr Blumen mitbringt. Oder wenigstens etwas Schönes für den Haushalt. Aber leider ist ihr Mann nicht irgendein Mann, sondern Hägar der Schreckliche.
1973 begann die Erfolgsgeschichte einer Figur, die einen trockenen und herzlichen Humor in aller Welt verbreiten sollte. Den Auftakt druckten bereits 136 Zeitungen ab, heute drucken immer noch rund 2000 Zeitungen weltweit die Abenteuer des grantigen und rauflustigen Wikingers. Hägar, so scheint es, ist vom Ruhestand weit entfernt. Der Humor eines längst vergangenen Jahrzehnts im vergangenen Jahrhundert trägt und begeistert nach wie vor.
Trottel! Ihr habt uns letzten Monat ausgeraubt!
Dik Browne, Autor und Zeichner, nutzt diverse Inhalte und Vorgaben als Grundlage seines Humors. Zu Beginn steht sicherlich die Zeit, in der ein Wikinger eben so lebt. Es ist ein dunkles Mittelalter, und der richtige Wikinger bricht auch immer wieder auf, um über die Völker an Englands und Frankreichs Küsten herzufallen. Ritter müssen bekämpft und Burgen belagert werden. Solche Raubzüge erfolgen natürlich mit unterschiedlichem Erfolg. Eine Belagerung will gut durchdacht sein – vor allem gilt es auch ein Augenmerk auf den Feind zu werfen, denn es könnte vielleicht ein Riese sein.
Monatelang habe ich von einem Ende Englands bis zum anderen Angst und Schrecken verbreitet! Gebrandschatzt! Geraubt! Geplündert! Ich finde, in meinem eigenen Heim habe ich etwas Ruhe und Frieden verdient!
Ist es nicht der ständige Kampf, den Hägar der Schreckliche sucht, ist es der Trost in der Feier, in einer ordentlichen Portion Bier. Der Schwerpunkt von Hägars Abenteuern liegt in den abgedruckten zwei Jahren deutlich auf seinem Familienleben. Seine Frau Helga hat durchweg etwas zu mäkeln, die reizende Tochter Honi will unter die Haube gebracht werden und der Sohn Hamlet – nun, es wäre ganz schön, wenn er weniger Wert auf Bücher legen würde.
Und als wäre das noch nicht genug, gibt es da noch Sven Glückspilz, dessen Name eher Wunschdenken ist und keine Umschreibung seines tatsächlichen Händchens für das Schicksal, denn in der Nähe von Hägar ist ihm nur selten das Glück beschieden.
In dieser Ausgangssituation treibt Dik Browne seinen Schabernack. Seine Phantasie und sein Humor scheinen kein Tief zu kennen. In den Sketchen, rein Schwarzweiß gehalten, aufgeteilt auf jeweils ein bis vier Bilder, entfaltet Browne Wortwitz ebenso wie Bilderwitz oder gelungene Zusammenspiele beider Varianten.
In seiner ganzen Bandbreite hat Hägar außerdem für jeden etwas zu bieten. Die Szenen einer Ehe im trauten Wikingerheim haben bis heute Allgemeingültigkeit und es hat den Anschein, dass all unsere Comedians in deutschen Landen, die mit diesem Thema über die Bühnen tingeln kaum etwas Neues beizusteuern haben. Hägar ist ein kleiner Prolet, also ein echter Mann, der längst ein Wörterbuch zum Thema Mann/Frau – Frau/Mann auf den Markt gebracht haben könnte – Moment, das hat er sogar!
Helga: Das Schlimme ist … Unsere Ehe hat das Geheimnisvolle verloren. Weg! Fort! Dahin!
Hägar: Für dich vielleicht, Schatz! Du bist mir immer noch ein Rätsel!
Wer die einzelnen Strips aufmerksam liest, muss lachen. Zahlreiche Sitcoms mögen sich hier ihre Inspiration geholt haben, nicht nur auf dem Gebiet der Mann/Frau-Thematik. Honi, jung und forsch, leidet unter ihrer Stärke und genießt andererseits ihre Ausstrahlung. Sie ist Frau genug, um sich den Hof machen zu lassen, aber auch Manns genug, um einen Konflikt per Armdrücken zu lösen. Ein Liebeslied wird auch schon mal mit dem Schwert erzwungen.
Hamlet ist der Sohn, der ernsthaft und strebsam ist und jede Pisa-Studie Lügen straft. Auf diese Weise ist er auch eine fleischgewordene Strafe für seinen Vater, der viel lieber einen Haudrauf als Sohn hätte. Doch alle Bemühungen das Verhalten des Sprösslings zu ändern scheitern kläglich.
Du kannst weder rudern noch kochen, Sven Glückspilz … Könntest du Ausschau halten? – Nach vorne, Depp!
Zum guten Schluss ist Slapstick Trumpf. Oder auch absolute Albernheit. Eine mannsgroße Mausefalle, mit einer Flasche Wein bestückt, für versoffene Wikinger gedacht, spricht für sich und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Neben seiner zeitübergreifenden Komik verbindet Hägar durch seinen Humor außerdem die verschiedenen Kulturen, weil schlicht und ergreifend nicht nur für jedes Alter oder Geschlecht etwas dabei ist, sondern ganz einfach für jeden.
Dik Brownes Humor ist ein Paradebeispiel dafür, wie man verschiedensten Lesegruppen Freude bereiten kann, ohne auch nur einer davon auf den Schlips zu treten.
Hägar: Mein Bart ist nicht ganz rot. Da sind winzige silberne und goldene Sprenkel drin. Findest du nicht, das sieht vornehm aus?
Helga: Das sind Dorschschuppen.
Hägar der Schreckliche – Gesamtausgabe 1973-1975: Bei Amazon bestellen
Nachdem vor rund zwei Jahren die Figur Andi bereits mit einer Comic-Geschichte über die Gefahren des Rechtsextremismus aufklärte, ist nun eine neue Ausgabe erschienen, die sich dem islamischen Extremismus auseinandersetzt. Unter der Schirmherrschaft des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen entstand dieses Projekt. Da das erste Projekt gut angenommen und somit als Erfolg gewertet wurde, setzt man in NRW mit der neuen Geschichte, in der ein Hassprediger als Beispiel dient, auf einen ähnlichen Aufklärungserfolg.
Die zweite Episode von Andi geht mit einer Auflage von ca. 100.000 Exemplaren an den Start. Beide Comics stehen auch als Download bereit.
Unter www.andi.nrw.de erfährt man mehr über die beiden Episoden und ihre Inhalte.
Quelle: andi.nrw.de und WDR2-Nachrichten
Mittwoch, 24. Oktober 2007
Johnny Blaze kann fahren. Soll die Welt, soll seine Angebetete ihn doch für einen Feigling halten. Niemals wird er mit seinem Können in der Manege auftreten, so wie es Crash Simpson macht.
Eines Tages ist es soweit. Crashs großer Tag steht bevor, ein Auftritt im berühmten Madison Square Garden. Wer es bis dorthin als Künstler, Sportler oder Artist schafft, ist in gewissem Sinne in seinem Beruf geadelt. Aber die bevorstehende Vorstellung steht unter einem schlechten Stern. Johnny geht einen Handel mit dem Bösen ein. Doch es kommt, wie es kommen muss: Johnny wird betrogen.
Als Ghost Rider rast Johnny durch die Nächte. Eines Tages begegnet er einem Motorradfahrer, der ihm Verständnis entgegenzubringen scheint. Bald schon wird aus der neuen Freundschaft eine Falle. Voller Schrecken stellt Johnny fest, wer ihm das Leben nehmen will. Hin und her gerissen zwischen der Bedrohung und seinen Empfindungen, stellt sich der ehemalige Stuntman schließlich dem unvermeidbaren Kampf.
Die erste Ausgabe der klassischen Ghost Rider-Geschichten ist Nostalgie pur. Gary Friedrich beschäftigte sich ausführlich mit dem Motorradakrobaten Johnny Blaze und legte das Schicksal vor, dass vor kurzer Zeit im Kino mit Nicolas Cage für Furore sorgte.
Der Teufel spielt nicht fair. Johnny wollte seinen Ziehvater retten und vor einer tödlichen Krankheit bewahren. Stattdessen stirbt Crash Simpson durch einen Unfall, während eines Stunts, von dem er jahrelang geträumt hat. Mit Simpson stirbt auch Johnnys Hoffnung auf ein normales Leben. Eine lange Odyssee beginnt. Immer wieder versuchen neue (und alte) Feinde dem dämonischen Motorradfahrer aufzulauern.
Friedrich, der Autor dieser Episoden, lässt sich dazu einiges einfallen. Es ist nicht nur die Rache, die den Ghost Rider aus dem Totenreich erfährt. Das Blatt wendet sich mitunter schnell. Ein wenig fühlt man sich angesichts der vielen Mystik und der Erzählstruktur an alte Conan-Comics erinnert. Es ist etwas schlichter, der Held wird bedrängt, ist verzweifelt, wird ein ums andere Mal hereingelegt und Verschnaufpausen gibt es kaum. Interessant ist, wie bereits kurze Zeit nach der Einführung des düsteren Helden ein Nachspiel erfolgt. Wenig später, alles scheint ausgestanden, erwartet den verfluchten Rennfahrer die Mystik der amerikanischen Ureinwohner. Ein Medizinmann hat es auf Johny abgesehen.
Johnny fällt seinem Ehrgeiz oder auch seiner Nachlässigkeit zum Opfer. Die Worte heiliger Boden sollten für Johnny inzwischen eine Bedeutung haben. Immerhin hat er durch das Böse einen Teil seiner Menschlichkeit verloren. Er kann auch nicht behaupten, nicht gewarnt worden zu sein – und trotzdem nimmt er das Verbot auf die leichte Schulter.
Mag die Geschichte auch schlicht sein, ist es dennoch überraschend, welche Wendungen Friedrich einbaut, wie sehr sich die Handlung immer weiter bis zu einem außerordentlichen Kampf steigert. Der Ghost Rider zeigt unter Friedrichs Regie, dass er noch eine ganze Reihe von Fähigkeiten besitzt, die weit über das Motorradfahren und das brennende Äußere hinausgehen.
Optisch sind die Episoden, wie auch die erwähnten Conan-Comics, nicht mit aktuellen Produktionen zu vergleichen. Eine Computerkolorierung, wie sie heutzutage gang und gäbe ist, könnte dieses Bild gehörig ändern. Ersichtlich ist bereits hier, wie die Arbeit eines Zeichners wie Tom Sutton unter der Arbeit eines Inkers gewinnt oder auch leidet, je nach Ansicht. Ein guter Inker in diesem Fall ist Jim Mooney, während Sid Shores etwas zu nachlässig ans Werk geht.
Der Auftaktzeichner Mike Ploog gehört zur guten alten Schule. Man darf eine solide Leistung erwarten, aber man muss es auch vor dem Hintergrund einer ebenso guten alten PulpMentalität sehen, die die Comics heutzutage mehr und mehr hinter sich lassen.
Ein sentimental zu nennendes Comeback des brennenden Helden mit dem Totenschädel zeigt, wie alles einmal im wahrsten Sinne des Wortes und des Bildes begann. Mike Ploog, Tom Sutton und Gary Friedrich führen dem Leser vor, wie Comics einmal erzählt wurden, in Zeiten als Marvel-Comics wie Conan, Dracula und Frankensteins Monster Hochzeiten erlebten. Für Fans und Nostalgiker top.
Am Samstag, 27.10. werden in Köln im Historischen Rathaus (Piazetta) die Sieger von MangaMagie VI bekannt gegeben.
Fast neunhundert junge Talente (genau 886) aus ganz Deutschland haben sich in diesem Jahr am 6. Nachwuchswettbewerb MangaMagie beteiligt und sich mit einem achtseitigen Manga um die Hauptpreise (1000,-€/500,- €) der zwei Altersgruppen beworben. Mehrere Wochen hat die Jury in oft langen Sitzungen und unterschiedlichen Zusammensetzungen getagt, damit am kommenden Samstag die Sieger/innen bekannt gegeben werden können.
Für die Musik bei dieser Veranstaltung sorgt die Kölner Rockgruppe OFFBEAT.
Außerdem kommt die professionelle Mangazeichnerin Anike Hage zur Preisverleihung
und signiert. Anike Hage, 1985 in Wolfenbüttel geboren, wurde u.a. durch die Mangaserie
„Gothic Sports“ bekannt.
Quelle: MangaMagie Presseinfo 5/07
Montag, 22. Oktober 2007
Jackie Estacado ist am Boden zerstört. Jenny ist tot. Die einzige Frau in seinem Leben, die ihm jemals etwas bedeutet hat, wurde geradezu hingerichtet. Sein Onkel schickte ihm ein Video. Nichts ahnend legte er das Band ein und sah den Tod des Menschen, den er aufrichtig liebte.
Dabei war es nicht Jenny, die etwas falsch gemacht hatte. Jackie hatte den Fehler begangen, jemanden in sein Leben zu lassen, der am Ende für seine Vergehen büsste. Ein Druckmittel, ein Rachemittel. Sein Onkel nutzte die Gelegenheit, um seinem Neffen für die Schmach bezahlen zu lassen. Atemlos beobachtet Jackie, wie Jenny von der tödlichen Kugel getroffen wird.
Aber Jackies Onkel hat einen großen Fehler gemacht. Nein, sogar zwei große Fehler. Erstens tötete er das Wertvollste, was Jackie in seinem Leben begegnet war. Zweitens glaubte Jackies Onkel, er habe es mit seinem Neffen mit einem ganz normalen Killer zu tun.
Jackies Rache fällt furchtbar und ohne Mitleid aus. – Denn Jackie ist kein einfacher Mafioso, sondern der Träger der Darkness, jedenfalls solange er sich der Liebe und dem Sex entzieht. Ein Verhältnis mit einer echten Frau bedeutet das sofortige Ende. In diesem Fall würde die Darkness auf den nächsten Träger übergehen. Die Frau, zu der er ein familiäres Verhältnis pflegte, die er wie eine Schwester liebte, war seine letzte Verbindung zu einem normalen Leben. Jetzt gibt es nur noch die Darklings, Gnome und Monster, geboren aus der Dunkelheit und Jackie hündisch ergeben, bereit, jeden seiner Befehle auszuführen.
Jackie glaubt zunächst, dass mit dem Tod seines Onkels die Angelegenheit ausgestanden sei. Auch er unterliegt einem Irrtum, denn die Nachfolger stehen schon in den Startlöchern. Der kleine Gangster, der sich am Ziel seiner Träume glaubt und der neue Pate wird, will auch Jackie in seine Schranken weisen. Estacado muss an seine Grenzen gehen. Plötzlich begegnen ihm Menschen, die auch ohne Darkness monströs sind und gnadenlos agieren.
Paul Jenkins hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen unter den Comic-Autoren gemacht. Die Darkness lebt unter seiner Federführung von einer gut durchdachten Geschichte ebenso wie von dunklem Humor, der natürlich über die Darklings zum Ausdruck kommt.
Eine Figur wie die Darkness ist nicht leicht zu treffen, weder emotional noch körperlich. Am Tage, bei Licht ist sie verletzlich. In der Nacht, in der Dunkelheit ist sie (scheinbar) unbesiegbar. Jenkins verletzt Estacado über einen Umweg, die einzige Lösung die plausibel erscheint. Jenkins lässt die Darkness Selbstmord begehen und überrascht mit dieser Vorgehensweise den Leser völlig.
Estacados Abgang ist grafisch beeindruckend, durch den Auftritt der Darklings mit dem nötigen bösen Witz versehen. Jackie wirft nur ein brennendes Feuerzeug in die Benzinlache, die sich über den gesamten Hallenboden ausbreitet. Die Darklings werfen sogleich noch mehr Feuerzeuge wie Konfetti hinterdrein.
Die Darkness stirbt!
Mit dem Tod, und natürlich der Wiederkehr, gehen neue Fähigkeiten einher, eigentlich Visionen, die sogar den mit allen Wassern gewaschenen Killer erschrecken. Seine Rekonstruktion, seine Bilder wie auch die Endergebnisse seiner Racheakte sind optische Horrorszenarien, die dem Leser keine Phantasie mehr abverlangen. Immerhin, Jackie ist eine jener Charaktere, die mitunter durch ihre eigenen Taten doch noch erschreckt werden kann.
Interessant wird es, wenn dem Killer ein Trio gegenüber gestellt wird, dass sich selbst als den ultimativen Alptraum begreift und Ideen umsetzt, die der Phantasie von Jackies Darklings in nichts nachstehen. Noch interessanter wird es, wenn dieses Trio begreift, dass es gegen die Macht der Darkness keine Chance besitzt.
Hier findet sich auch eine kleine Schwäche dieser Geschichte, die ansonsten sehr stimmig und auch kurzweilig umgesetzt ist: Jackie ist über kurz oder lang zu mächtig, um sich überhaupt von jemandem aufhalten zu lassen. Was ihm letztlich immer wieder einmal im Weg steht, sind seine restlichen Skrupel – am Ende verdankt er es seinen Feinden, dass davon immer weniger übrig bleiben. So zwingt der Nachfolger von Jackies Nachfolger die Darkness geradezu zum Amoklauf.
Grafisch ist dieser Sammelband, ob man Horror mag oder nicht, ein ziemlicher Höhepunkt. Beide Zeichner, Dale Keown und Keu Cha, liefern eine tolle Arbeit ab. Außerdem nähern sie sich optisch so sehr einander an, dass es nur geringe Unterschiede gibt und der Gesamteindruck beibehalten bleibt. Die Arbeit eines einzigen Inkers, Jason Gorder, tut ihr Übriges, um die Handlung wie aus einem Guss erscheinen zu lassen. John Starr und Matt Milla haben das sehr gelungene Farbenspiel übernommen. Besonders Milla, der ein Faible für milchig ineinander übergehende Farben hat, zeigt hier wieder einmal, wie stark und eindrucksvoll er eine Kolorierung umzusetzen weiß.
Mafiosi unter sich: Gangster können noch viel grausamer sein, wenn eine Kreatur des Grauens unter ihnen wandelt. Diese Horror-Vision von Paul Jenkins hat es dank einer sehr gelungenen Umsetzung in sich und setzt sich positiv von anderen Produktionen ab. Sofern man bei einer Horror-Produktion von einer liebevollen Arbeit sprechen kann, trifft dies hier voll zu. 🙂
Freitag, 19. Oktober 2007
Masane und ihre Tochter Riko erhoffen sich von ihrer Ankunft in Tokio ein besseres Leben. Eine Arbeitstelle, eine Wohnung, es bedarf nicht viel zu dem Glück, was sie sich vorstellen. Das Schicksal meint es anders mit ihnen.
Das große Erdbeben, das Tokio in weiten Teilen zerstörte, hat die Menschen und die Gesellschaft verändert. Kinder sind ein wichtiges Gut geworden. Die Behörden prüfen mit Argusaugen, ob Eltern auch in der Lage sind, für ihre Kinder zu sorgen. Eine allein erziehende Mutter ohne Arbeit und Wohnort kann dies ihrer Meinung nach nicht. Hilflos muss Masane zusehen, wie man ihr ihre Tochter wegkommt. Auch ihre blinde Rettungsaktion hilft ihr nicht weiter.
Doch so hilflos, wie es zu Beginn den Anschein hat, ist Masane nicht. Während des Erdbebens ist etwas mit ihr geschehen, was weder sie noch andere erklären können. Fakt ist, dass eine uralte Waffe sich ihrer bemächtigt hat – und bislang hat Masane keinerlei Kontrolle über das Artefakt, das in einer brenzligen Situation die Oberhand gewinnt und den Kampf geradezu sucht, danach lechzt und ihn genießt.
Masanes erster Kampf rettet ihr zwar das Leben, erschüttert sie jedoch auch. Kurz danach fällt ihr die Erinnerung an das Erlebte sehr schwer. Sobald die Witchblade ihren Körper transformiert, wird sie zu jemand anderem. Es scheint, als teilten sich nun zwei Persönlichkeiten den gleichen Körper.
Masanes neue Fähigkeiten wecken das Interesse zweier Gruppierungen, von deren Existenz die junge Frau nicht einmal etwas geahnt hat. Auf der einen Seite stellt sich ihr ein mächtiger Konzern vor, der einmal im Besitz der Witchblade war und dringend sein Eigentum zurückverlangt, denn nur diese Waffe ist in der Lage einige durchgedrehte Maschinen, Mechas, zu vernichten, die eine Blutspur durch Tokio ziehen. Auf der anderen Seite findet sich eine Organisation, die um jeden Preis verhindern will, dass der Konzern, Douji Industries, die Kontrolle über die Witchblade behält. Zu Masanes Überraschung ist sie nicht die einzige Frau mit einem merkwürdigen Armband.
Diese Interpretation der Witchblade führt den Zuschauer wieder nach Japan, doch es ist wieder eine andere Geschichte. Weder das amerikanische Original, noch die Manga-Version finden sich darin wieder.
Wieder einmal ist Japan, genauer gesagt Tokio, von einer Katastrophe erschüttert worden. Diesmal sind das verantwortliche Erdbeben und seine Auswirkungen eher Nebensache. Masane Amaha wurde inmitten der Katastrophe gefunden, mit einem Säugling in ihren Armen. Aus einem unerfindlichen Grund überlebte sie, wo viele andere starben. Die kleine Rihoko Amaha ist ein aufgewecktes Kind, das mit seinem Verantwortungsbewusstsein und seiner Fröhlichkeit ein ums andere Mal auch ein Vorbild für ihre Mutter ist, die bitter lernen musste, dass Misstrauen in dieser Welt die bessere Grundlage für das Überleben ist – das Auftauchen von Angestellten des Amtes für Kinderfürsorge bestätigt sie in ihren Ansichten nur.
Sind die ersten Probleme von Masane rein weltlicher Natur, wird es allzu bald mystisch, unheimlich, gruselig – bis eine faszinierende Action ausbricht. Mit der ersten Transformation in die Witchblade beginnt auch für den Zuschauer ein unvorhersehbares Abenteuer, dessen erste vier Folgen mit den Titeln Beginn, Zweifel, Widerstand und Bewegung nicht willkürlich gewählt sind.
Die ersten Gegner der Witchblade sind ungewöhnlich. Als Entwicklungen von Douji Industries können sich die Maschinenwesen in Form von Menschen tarnen. Während der großen Katastrophe entkamen einige dieser ungewöhnlichen Mechas und mutierten zu wahnsinnigen Serienmördern. Ausgerüstet mit Bohrern und Mikrowellen versetzen sie die Tokioter Polizei in helle Aufregung. Die hart gesottenen ermittelnden Beamten sehen sich mit grässlich zugerichteten Opfern konfrontiert, eine Lösung ist jedoch in weiter Ferne.
Die Überraschung erfolgt schließlich, zur Freude des Zuschauers, als sich außer der Witchblade noch weitere Feinde dieser Mechas einfinden.
In gewissem Sinne sind diese Frauen eine Art weißes Gegenstück zur Witchblade. Letztlich ergibt sich daraus eine ähnliche Konstellation, wie der Genre-Fan sie aus der Konzeption der Darkness her kennt. Auch dort wird die Darkness mit einem lichten Gegenstück konfrontiert. Aus der ursprünglichen Geschichte, dem amerikanischen Original, finden sich auch Elemente oder wenigstens Charaktere, die die Funktion ihres amerikanischen Gegenstücks erfüllen.
Der Chef von Douji Industries ist eine Art Kenneth Irons, sein Sekretär ist ein Gehilfe wie Ian Nottingham, allerdings ohne die kämpferische Funktion der Ursprungsfiguren. Masane ist kein Cop, sondern eine relativ gewöhnliche Frau ohne Erfahrung im Kampf – so doch wenigstens im Überleben.
Rein figürlich, also optisch, hat Masane die Figur von Sarah Pezini geerbt. Das ist keine Überraschung, denn mit dieser figürlichen Ausführung passt sie in das Muster diverser Mangas und Animes.
Auffallend ist, wie blass die Männer in dieser Handlung bleiben. Sie sind allenfalls Gehilfen, wirklich federführend sind die Frauen. Sie haben die Macht, mystisch wie auch im reinen Alltagsleben. Männer werden zum Spielball, wie der Reporter am eigenen Leib erfährt. Selbst die kleine Riko hat mehr Power als er.
Die Einführung in die Handlung ist harmlos und verrät keineswegs (sieht man von den Alpträumen ab), welcher Horror Masane erwarten wird. Als sie ihr Schicksal, die Fähigkeiten der Witchblade annimmt, was zugleich mit einem Job bei Douji Industries verbunden ist, beginnt die Geschichte zu rennen, nimmt sich aber immer noch Zeit genug für seine Charaktere.
Exemplarisch ist die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die fast ein wenig an Gilmore Girls. Obwohl der Altersunterschied so groß ist, erscheinen sie zuweilen wie Schwestern – und manchmal hat Riko ihrer Mutter sogar einiges voraus.
Feine Charakterzeichnungen der Hauptfiguren, knallharte bunte und laute Kämpfe, phantasievoll inszeniert, präsentiert sich die japanische Variante der Witchblade auf vollkommen neue Weise, nicht weniger düster, vielleicht technischer, in einer Mischung aus Kindlichkeit und purem Horror – jene Mischung, die die japanische Erzählweise in der Welt so populär gemacht hat. 😀
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