Dienstag, 28. Februar 2012
Luc Orient ist Wissenschaftler und Abenteurer. Seine Begabung hinsichtlich telekinetischer Fähigkeiten war seinen Freunden bisher unbekannt. Er selbst ist allerdings auch völlig überrascht. Denn leider hat er diese Gabe auch nicht im Griff. So mancher Gegenstand bewegt sich, sobald er in der Nähe ist, doch wirkt der luftige Tanz von Gegenständen verschiedener Art auf die Dauer nicht sehr amüsant. Luc ahnt nicht, dass diese neuen Fertigkeiten nur das Vorgeplänkel für ein neues Abenteuer auf einem fernen Planeten ist.
Ein Teil einer Comic-Ära geht zu Ende. Manche Serien brennen sich ins Gedächtnis ein, auch aus der goldenen Zeit der Comics heraus. Damals, so hat es heute den Anschein, wurde in viele Bereichen noch nicht auf Einschaltquoten geschielt. Es wurde experimentiert, frisch von der Leber weg erzählt. Und gar nicht einmal selten entstand daraus eine sehr unterhaltsame Geschichte oder sogar Serie. Luc Orient hatte mit Greg einen der Comic-Autoren schlechthin, mit hohem Einfallsreichtum und dem richigen Händchen für den Aufbau eines spannenden Abenteuers. Der vorliegende 5. Band der Gesamtausgabe der Reihe fasst die letzten noch fehlenden Geschichten zusammen.
Sporen aus dem All: Stellvertretend für einige andere Kurzgeschichten in diesem Band ist die schaurige kleine Geschichte (damals im ZACK-Parade-Taschenbuch erschienen) ein gutes Beispiel für eine gelungene Comic-Zwischenmahlzeit. Ein schneller Sprung hinein, ein Rätsel, relativ wenig Aktion, dafür jedoch ein unheimlicher, auch offener Schluss. Greg hätte hier durchaus noch einmal ansetzen können. Dazu kam es leider nicht mehr.
Mission 2012: Sieht aus wie Luc Orient, ist aber Kim Barry. Der Privatdetektiv und seine Kollegin Carol werden von der Zeitpolizei zur Lösung eines Falles in der Vergangenheit, 2012, engagiert. Ausgehend vom Jahr 2021 macht sich das Duo an die Arbeit. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie so manche Zukunftsaussicht in der Vergangenheit dargestellt wurde, welche Möglichkeiten in der Zukunft machbar schienen. Vorausblickend scheint es aus aktueller Sicht unmöglich, dass in neun Jahren Zeitreisen möglich sein werden.
Die Kurzgeschichte spielt mit den Betrachtungsweisen der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, nach denen eigentlich alle bereits mit Atomfluggeräten unterwegs sein müssten. Ist dieser Teil recht amüsant, ist die Geschichte selbst spannend und schlüssig in dieser Kürze. Interessant ist hier auch der Schluss, der mit ungewohnter, auch realistischer Härte aufwartet.
Auf Albenlänge geht hingegen Die Reise in die Hölle. Die Hölle ist in diesem Fall die Vergangenheit. Greg schickt Luc Orient geradewegs in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, mitten hinein hinter die deutschen Linien. Bei der Vielfalt der Möglichkeiten, die sich Greg durch das Science-Fiction-Szenario der Serie geschaffen hat, ist es ein wenig schade, dass ausgerechnet ein Abenteuer in dieser Zeitphase das insgesamt letzte der Reihe ist. Danach begann Zeichner Eddy Paape am Abenteuer Die Mauer, war jedoch nicht sehr glücklich damit. Eine Fertigstellung wurde durch den plötzlichen Tod von Greg ad acta gelegt.
Reise in die Hölle: Im Vergleich zu den Kurzgeschichten fällt die albenlange Geschichte deutlich feiner gezeichnet aus. Auch hat sich Eddy Paape hier weiterentwickelt. Er stilisiert seine Figuren etwas mehr. Sein Luc Orient ist kantiger, der Haarschnitt ist älter, weniger jugendlich, als sei tatsächlich eine Spätphase erreicht. Im Gegensatz zu anderen Serienhelden, die niemals altern, hat es den Anschein, als wollte Paape mehr Natürlichkeit in die Abfolge bringen und Alterung hinzufügen. Vielleicht stand damals schon ein Ende der Reihe zur Diskussion, denn immerhin findet Luc Orient ein Foto aus der Vergangenheit, das ihn vor einem Erschießungskommando stehend zeigt.
Der redaktionelle Teil sowie die ersten Seiten des unveröffentlichten und nicht fertig gestellten Albums Die Mauer runden den Abschluss der Gesamtausgabe mit einem Blick hinter die Kulissen ab. Wer des Französischen mächtig ist, kann mit den Abbildungen von Gregs begonnenem Drehbuch einen Eindruck seiner Arbeitsweise gewinnen.
Ein leicht melancholisch anmutender Abschluss: Ein richtiges Serienende war der Reihe nie vergönnt. Kurzgeschichten, ein langes Abenteuer und ein Fragment bilden das Finale der Reihe. Sehr interessant, unterhaltsam, auf Albenlänge wieder einmal sehr spannend. 🙂
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Sonntag, 26. Februar 2012
Selbst die größten Helden waren einmal klein. Ihre Freunde ebenfalls. Ihre Feinde genauso. Doch früh übt sich, wer ein Held sein will. Und auch Boshaftigkeiten wollen einstudiert sein. Die kleine Cian spielt gerne mit Puppen, auch hat sie bereit in diesem jungen Alter eine Vorliebe für die Nachahmung einer Beziehung. Für den kleinen Lanfeust ist diese Art Spiel recht langweilig. In einer solchen Ehe passiert ja nichts! Da ist Cixi, Cians Schwester, weitaus mehr auf seiner Wellenlänge. Das schwarzhaarige Mädchen, das nicht mit Puppen spielt, sie aber köpft, hält es im Spiel auch lieber mit Ehestreit, bis die Fetzen fliegen. Für den zukünftigen Hitzkopf Lanfeust ist dies genau das richtige.
Diese Kinder! Christophe Arleston, als Autor eng mit dem Universum von Troy verwurzelt, kreiert hier Jugendepisoden der späteren Hauptfiguren eines Zweiges der Reihe, nach denen es überaus erstaunlich ist, dass Troy überhaupt noch existiert. Wo Klein-Lanfeust und Konsorten zuschlagen, bleibt kein Stein auf dem anderen. Aber immerhin auch kein Auge trocken. In einer so wundersamen Welt wie Troy, in der jedem Bewohner eine ganz besondere magische Gabe zuteil wird, ist der Moment, in der sie sich zum ersten Mal zeigt, natürlich einzigartig. Dieser Augenblick wird sehnsüchtig erwartet, obwohl niemand vorhersagen kann, welche Fähigkeit es sein wird. Und ob sie überhaupt einen gewissen Nutzen hat.
Christophe Arleston führt dem Leser zusammen mit dem Zeichner Tarquin positive wie auch negative Beispiele vor. Lebendigen Besen die ganze Hausarbeit machen zu lassen, ist eine Fähigkeit von der nützlichen Sorte. Wer aus den Ohren furzen kann, wirkt auf seine Umwelt eher befremdlich. Für Lanfeust ist es umso trauriger, da sich seine Fähigkeit Zeit lässt. Cixi kann längst Wasser zu Eis gefrieren lassen, nur Lanfeust schlägt sich mit den Spätfolgen des Essens seiner Mutter herum. Von einer besonderen Fähigkeit keine Spur.
Tarquin, der Zeichner, der sich dank seiner Arbeiten an Lanfeust von Troy und Lanfeust der Sterne wie alter Hase mit dem Troy-Universum und seinen Möglichkeiten auskennt, zeichnet mit einem sehr schmissigen, frechen Strich die Jugendabenteuer der bei den Fans allseits bekannten Helden. Kugelrunde Gesichter mit wilden Frisuren und breitem Grinsen: Der Friseur hat die Frisuren gestutzt. Die Rache der Jungen geht mit einem diabolischen Grinsen einher. In vielen Einseitern und einigen längeren Abschnitten widmet sich Tarquin dem Erwachsenwerden der Schlingel.
Mal erinnern die Grafiken von Tarquin an Bilderbücher, mal auch an MAD, dann wieder sind sie überaus putzig anzuschauen, aber immer trifft er mit seinen Bildern den richtigen, leicht anarchischen Ton, der das gesamte Universum von Troy trägt. Den Strichen schient keine Regel auferlegt worden zu sein. Wo der Strich hin soll, da sitzt er. Ob nun besonders dünn oder dick, krumm, schraffiert oder perspektivisch vielleicht immer ganz korrekt, spielt hier überhaupt keine Rolle. Das Gesamtergebnis zählt und das stimmt hier.
Ein Spaß im Quadrat: Erlaubt ist, wo der Humor die Geschichten hinträgt. In kleinen Episoden, in denen trotzdem eine Entwicklung der Kinder zu erkennen ist, toben sich Arleston und Tarquin regelrecht aus. Wer auch Spaß an den Kindern anderer Comic-Universen oder an Garulfo hat, liegt hier goldrichtig. 🙂
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Freitag, 24. Februar 2012
Wäre nicht dieser furchtbare Unfall geschehen, hätte Erwan Pauline vielleicht niemals wieder gefunden. Wäre nicht überall eine Berichterstattung möglich, Fernsehkameras und Reporter, ständen nicht überall Fernseher, vielleicht hätte Erwan Pauline niemals entdeckt. Doch selbst der kurze Hinweis auf Paulines Anwesenheit in Paris macht es kaum einfacher. Ein dunkelhaarige Frau mit einer roten und einem Baguette unter dem Arm? Wie soll die inmitten all der anderen Menschen gefunden werden? Erwan beginnt damit, die Bäckereien der Umgegend abzusuchen. Die Schnitzeljagd wird zu einem Geduldsspiel. Aber Erwan gibt nicht auf. Er kann nicht.
Eine Welt verabschiedet sich: Die einstige Perle unter den Städten, Paris, verkommt. Sie ist nur noch Abglanz ihrer früheren Pracht, der Lebensfreude, Kultur und Zivilisation. Nun bevölkern immer mehr arme Menschen die Straßen. Sie haben keine Arbeit. Ihre Zukunft ist mehr als ungewiss. Nach dem ersten Teil der Serie Der große Tote wähnte sich der Leser kurz in einer vollkommen anderen Welt. In der gigantischen Weite der Natur zeigten Regis Loisel und Jean Blaise Djian eine ebenso fremde wie vertraute Umgebung. Eine Rückkehr der Hauptfiguren in unsere, die wirkliche Welt konnte diesen Zauber nur zerstören. Aber Loisel und Djian hielten für den Leser noch mehr parat.
Vieles sollte dem Leser bekannt vorkommen, doch diese haarscharfe Negativbeschreibung einer nahen Zukunft schmeckt recht bitter. Regis Loisel, der bei aller Phantastik auch einen Nerv mit seinen realistischen Szenarien treffen kann, entwirft hier einmal mehr eine Welt (am Bilde Frankreichs), in der sich die Menschen an den Untergang gewöhnt zu haben scheinen. Sie kampieren in Behelfszelten auf den Bahnhöfen, streifen obdachlos umher. Vertrieben werden sie nirgends mehr. Die geplante Revolution erneuerbarer Energien verrottet in Form von einstürzenden Windrädern auf dem Land vor sich hin. Wo auch immer der Optimismus sein Zuhause gehabt haben mag, hier ist er vor langer Zeit mit unbekanntem Ziel verreist.
Hoffnung? Die Menschen haben sich nicht vollkommen aufgegeben. Erwan und Pauline waren gemeinsam auf der anderen Seite, kehrten aber getrennt zurück. Erwans Suche nach Pauline gestaltet sich schwierig, bis ein Zufall ihm weiterhilft. Als er und seine Freundin Gaelle die junge Frau endlich finden, ist es auf einmal fraglich, ob dieses Wiedersehen unter einem guten Stern steht. Denn zusammen mit Pauline hat noch jemand diese Seite der Welt betreten: Blanche.
Die Entdeckung der Langsamkeit: Hier steht sie für Intensität, Ruhe, einen sorgsamen Aufbau, in dem sich ein Unheil mehr und mehr zu kristallisieren scheint. Blanche, einem kleinen Mädchen ähnlich, ist nicht so, wie ein kleines Mädchen dieses Alters normalerweise auftritt. Pauline, die Mutter, erkannte diesen Aspekt nicht nur durch eine enorm verkürzte Schwangerschaft, die darüber hinaus auch in gewisser Weise unbemerkt erfolgte. Blanche kann Dinge. Mehr soll hier nicht verraten werden.
Vincent Mallie, dem Zeichner, gelingt der Mittelweg zwischen Realismus und einer Prise Abstraktion. In der Kulisse, der Landschaft, dem städtischen Umfeld legt er wert auf starken Realismus und er trifft den Niedergang der Nation (vielleicht Europas) mit bestechendem Blick. In den Figuren schweift er ab. Mal legt er den Charakter stark im Gesicht fest, mal verfolgt er eine leicht puppenhafte Gestaltung. Dann wieder greift eine künstlerische Abstraktion, als habe tatsächlich jemand Modell gesessen, nur für ein Bild. Unter dem sprichwörtlichen Strich entsteht so eine hohe Lebendigkeit der Figuren und eine starke Nähe.
Neben einigen wenigen Straßenansichten, die noch einen gewissen Charme ausstrahlen, sind viele Kulissen mit Kühle dargestellt. Je mehr sich Erwan und Gaelle bewusst sind, wo Pauline zu finden ist, umso abweisender scheint die Stadt zu werden. Die Reise auf das Land hinaus wirkt wie eine Fahrt in eine heile Welt, wo das Grün der Natur noch vieles abschirmt oder auch zudeckt. Wie sich etwas Unbekanntes in diese heile Welt einschleicht, darf der Leser durch die Charaktere und ihre Reaktionen auf Blanche entdecken.
Mysteriös: Die Normalität ist nur oberflächlich. Regis Loisel und Jean Blaise Djian lassen den Leser noch einmal durchatmen, bevor das Geheimnis gelüftet wird. Eine kleine Andeutung zukünftiger Ereignisse lässt immerhin eine Ahnung aufkommen. Vincent Mallie und Francois Lapierre sorgen für die schönen Bilder eines bekannten und dennoch unheimlichen Frankreichs. Die Kenntnis der beiden ersten Teile ist zum Verständnis dieser Episode ein Muss. 🙂
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Mittwoch, 22. Februar 2012
Ein Hot Dog in morgendlicher Frühe? Für den Kommissar kein Problem. Vor allem nicht, da man ihn schon um halb fünf aus dem Bett geworfen hat. Als er den Grund dafür erfährt, bleibt ihm der nächste Bissen beinahe im Halse stecken. Kurz darauf ergibt sich eine Gelegenheit. Für den Beamten, der sich einen der Polizisten des Kommissars ausleihen will, bleibt nur eine Möglichkeit. Will er White in seinem Team haben, muss er auch Spoon nehmen. Das hätte er besser nicht getan.
Was ist schlimmer? Terrorismus? Oder zwei liebeskranke Polizisten? Die beiden Cops Spoon & White sind mit ihrer Fixierung auf die hübsche Fernsehjournalistin Courtney Balconi dem Liebeswahn nahe. Sind ihre Empfindungen schon häufiger durch eine Art von Übereifer geprägt, sind die beiden Polizisten in der Nähe der jungen Frau kurz vor dem Durchdrehen. Oder kurz dahinter. Weit dahinter. Denn für den Leser ist binnen weniger Seiten klar, wer für den Untertitel des 7. Bandes der Reihe verantwortlich ist: Manhattan Kaputt.
Nicht viel Zeit: Mit der TV-Serie 24, dem Konzept, eine Serie ungefähr in Echtzeit ablaufen zu lassen, entwickelte sich ein Quotenrenner von Staffel zu Staffel, dem Spoon & White hier ihren Tribut zollen. Die Macher des vorliegenden Bandes, Jean Leturgie, Simon Leturgie (Zeichner) und Franck Isard (Zeichner), lassen die beiden Comic-Cops in die knallharte Welt der Counter Terrorist Unit, kurz CTU, platzen. Wie unprofessionell die beiden sehr unterschiedlich gebauten Polizisten bei der Arbeit vorgehen, darf der Leser gleich zu Beginn bei einer Festnahmeaktion begutachten.
Im Schmelztiegel der Völker, den Vereinigten Staaten, können Namensgleichheiten auftauchen, die einen besonders diensteifrigen Polizisten schon einmal verwirren können. Während Spoon seinem nicht vorhandenen Instinkt folgt und einfach irgendeinen Martinez verhaftet, wäre White lieber einer präzisen Adresse nachgegangen und hätte den richtigen Martinez verhaftet, müsste er nicht all die Scharten auswetzen, die Spoon der Welt wieder beigebracht hat.
Damit wird auch das konsequent durchgehaltene Konzept der Reihe deutlich: Kaputt machen. Ob sie wollen oder nicht, das können die beiden Comedy-Polizisten nun einmal am besten. Mehr noch, in absoluter politischer Unkorrektheit wird gekalauert, durch den Kakao gezogen und eben Kleinholz gemacht. Spoon & White sind die (im besten Sinne) Demolition Men des Comics. Der Angriff auf die Lachmuskeln in diesem Band ist auch ein weiteres Mal ein Tiefschlag gegen die amerikanische Lebensart. Denn unter dem Strich, was hat (will man dem Terroristen in diesem Band glauben) die amerikanische Kultur der Welt vor allem gebracht? Kalorien.
Es ist ein Glück für die beiden Cops, dass ihre Umwelt noch einen Deut dümmer ist als sie selbst. In einer schmissigen Strichtechnik, die einerseits einer frankobelgischen Tradition folgt, andererseits noch etwas frecher ist als ein Andre Franquin, erfährt der Leser eine kleine Besichtigungstour durch New York, die selbstverständlich auch nicht den Central Park, die grüne, arg erschöpfte Lunge der Stadt, nicht auslässt. Die Gegend rund um einen Brunnen mit Motiven aus Alice im Wunderland wird kurzerhand zum Schlachtfeld. Na, eigentlich wird alles zum Schlachtfeld. Hat Spoon erst einmal seine Waffe gezogen, setzt diese Aktion einen Schneeball in Gang, der sich zu einer Lawine auswächst.
Simon Leturgie und Franck Isard vereinnahmen mit ihren Karikaturen und Parodien den Leser auf blitzschnelle Weise. Neben Franquin findet sich in der Stilistik auch ein wenig Groening, wie Figuren wie Spoon und der hier genüsslich aufs Korn genommene Zack Bauer zeigen.
Ein weiteres Feuerwerk: Manhattan ist in großer Gefahr. Die beiden Chaoten-Cops machen ernst. Wenn Bomben, Kanonen und Liebe zusammenkommen, kann alles passieren. Eine Explosion der Lachmuskeln ist die Folge. Wer herrlich schräge Comic-Comedy und Parodie mag, kommt hier voll auf seine Kosten. 🙂
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Dienstag, 21. Februar 2012
Zarla ist eine Waise. Ihre Eltern, einstmals die Bezwinger von Drachen, kehrten vor vielen Jahren aus dem Feld nicht zurück. Aber Zarla ist nicht vollends allein. Ihr Großvater passt auf sie auf. Eine Riesin namens Garda sorgt sich um alle beide. Und dann wäre da noch Hydromel, ein ganz besonderer Hund. Die Gefahren in Zarlas Welt sind überschaubar. Für ein Mädchen, das es sich in den Kopf gesetzt hat, eine Heldin wie ihre Eltern zu werden, ist dies allerdings von Nachteil. So wird jede Chance genutzt, die sich für den Kampf nur bietet. Zarla ist noch sehr jung, ihr Mut jedoch ist viel, viel größer. So würde sie sich in so manche ausweglose Situation begeben, wäre da nicht Hydromel. Denn Hydromel hat ein kleines Geheimnis, das sein Frauchen nicht kennen darf, aber die Besorgnis über Zarlas Ausflüge bei Großvater und Garda mildert.
Eine neue Heldin ist im Land: Szenarist Janssens schließt sich mit dem Entwurf dieser Fantasy-Welt Autoren wie Jeff Smith (Bone) an, die den oft düsteren Weltenbeschreibungen und Abenteuern eine heitere und bisweilen absurd komische Note abgewinnen können. Die tollkühne Kämpferin, für die sich Zarla hält, ist letztlich ein kleines Mädchen, der ein herzensguter und sehr starker Dragon-Bull, ein Drachen-Jagdhund, zur Seite steht.
Situationskomik pur: Elegant erzählt Janssens von den Begebenheiten, in die Zarla mit großem Anlauf hineinstolpert, im Vertrauen auf ihre Fähigkeiten, nicht wissend, dass der vermeintlich alte Hund im Hintergrund der eigentliche Kämpfer ist. Wenn aus dem boxerähnlichen Hund eine rothäutige Kriegerkreatur mit Reißzähnen wird, die sich trefflich im bewaffneten Kampf auskennt, haben viele Feinde nicht einmal mehr genügend Zeit zur Flucht. Das ist von putzigem Humor. Guilhem greift diese Stimmung auf und kreiert eine Zarla, die mit Kulleraugen und kleinen blonden Zöpfen den Feinden entgegentritt.
Ideenreichtum und Anspielungen: Ob es nun Geistergeschichten sind, die die junge Heldin anlocken oder brutale Wegelagerer in Form von Alafanten, die Klischees des Genres werden genüsslich aufs Korn genommen. Manches nehmen Janssens und Guilhemo auseinander, manches sind kleine Verbeugungen vor Romanen, Filmen oder auch Computerspielen. In den Zeichnungen, in denen sich der Stil aus dem Hause Disney findet, Einflüsse eines Albert Uderzo (aus der Zeit, als er noch Umpah-Pah und Pitt Pistol zeichnete) und die Knuffigkeit des Comics von Jeff Smith, brilliert Guilhem mit vielen Kleinigkeiten am Rande.
Ist es der Reiter auf einem Pfau, der Oger und seine sprechende Fledermaus, Hyperosse, Feen, natürlich Drachen, die hier eine immens wichtige Rolle spielen oder sind es die Einzelheiten einer mittelalterlichen Welt, die sich in Zarla zu einem sehr unterhaltsamen, gefälligen Gesamtbild zusammenfügen? Starke, präzise Außenlinien meißeln die Figuren in ebensolch präzisen Haltungen. Mimiken sind treffgenau gezeichnet, manchmal unterstützt durch Details der jeweiligen Kreatur, wie sich am Beispiel der Alafanten mit ihren gefiederten Ohren sehr schön sehen lässt.
In Zarla findet sich eine Atmosphäre, wie sie auch in einem Taran und der Zauberkessel zum Tragen kam: So gibt es durchaus gruselige Momente. Die Farbgebung von Cesano ist kräftig, kontrastreich und stützt den Zeichentrickeindruck der einzelnen Szenen. Die Qualität des Titelbildes ist jener der Innenseiten gleichzusetzen.
Ein guter Anfang: Ein komischer, ein sehr schön erzählter Comic, mit vielen feinen Einfällen, zum Schmunzeln und zum Lachen, eine Fantasy-Komödie mit Potential, die nicht zuletzt durch das Gespann Zarla und Hydromel aus der Masse hervorsticht. Mehr davon! 🙂
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Thorgal hat sich den Respekt innerhalb der Gemeinschaft der Wikinger erarbeitet. Freunde sind es deshalb noch lange nicht. Thorgal hat seine eigene Auffassung von Spaß. Einen Adler mit Pfeilschüssen zu quälen gehört nicht dazu. Als er mit einem gezielten Schuss den Strick durchtrennt, der den Adler gefangen hält und der Raubvogel fliehen kann, festigt Throgal damit nur die Feindschaft zwischen sich und Björn. Doch viel Zeit bleibt den beiden Streithähnen nicht. Kurz darauf wird die kleine Siedlung überfallen und Thorgals Geliebte geraubt.
Jean van Hamme (Largo Winch, XIII) bewegt sich mit Thorgal scheinbar in einer vergangenen Zeit, der großen Epoche der Wikinger, in Wahrheit aber versteht er es geschickt, historische Beschreibungen und Fantasy miteinander zu vermischen. Nach dem dramatischen Auftakt des ersten Bandes herrscht zu Beginn des zweiten Teils Normalität vor. Die Männer amüsieren sich. Während sie sich untereinander zanken, bemerken sie nicht, dass ihre männlichen Qualitäten tatsächlich und ernsthaft gefragt sind. Jean van Hamme lässt die Männer zu spät zum Ort des Geschehens kommen, so bleibt nur eine Verfolgungsjagd, die sich über die gesamte Länge des Abenteuers zieht.
Dem Feind hinterher, gegen die Elemente: In Eis und Schnee, im hohen Norden, erleben die Wikinger eine Gewalt, der sie nichts entgegenzusetzen haben. Die Natur ist stärker. Ihre tödliche Kälte könnte die Männer von der Verfolgung abhalten, wäre der Wagemut nicht in der Lage, sie zum Äußersten zu zwingen. Die Gefahr verliert sich in einem Traum. Jean van Hamme gestattet seiner Handlung die eine oder andere Langsamkeit, einen Aufschub bis zum nächsten Sprint. Eine echte Pause findet sich hier nicht.
Im ewigen Eis hat Jean van Hamme ein Geheimnis versteckt. Grzegorz Rosinski stellt diese neuen Entdeckungen dar und nimmt den Leser mit in eine Konstellation, die leichte Erinnerungen an den Auftakt einer anderen Serie weckt: Storm. Auch hier steht die Lüftung eines Geheimnisses am Anfang. Jean van Hamme führt jedoch eine viel stärkere Vermischung von Fantasy, Historie und Science Fiction herbei. Rosinski nimmt sich Raum für seine Bilder. Die Veränderung im Gegensatz zu neueren Arbeiten ist erkennbar. 1980, bei Erscheinen dieses Bandes, war die Sicht auf die zu Papier gebrachten Abenteuer noch nicht so stilsicher, aber auch lockerer.
Van Hamme achtet in seinen Vorgaben immer noch auf die nötigen Informationen. Ein Fluss innerhalb einer Geschichte wird durch Ersparnis von zu reichhaltigen Details hier herbeigeführt. Werden alle Ereignisse nebeneinander betrachtet wird einem erst bewusst, wie viele (auch für zukünftige Abenteuer) Geheimnisse hier gelüftet wurden. Grzegorz Rosinski malt seine Seiten im Durchschnitt mit fünf, manchmal auch nur drei Bildern. Starke, sichere Tuschestriche begrenzen eine einfache Kolorierung. Der Gesamteindruck ist im Vergleich zu neueren Veröffentlichungen noch etwas klobiger, ohne den Begriff negativ zu meinen. Mit der Kantigkeit seiner Figuren findet er sich stilistisch neben Zeichnern wie Jean Graton (Michel Vaillant) oder Philippe Francq (Largo Winch) wieder.
Es beginnt wie ein normales historisches Abenteuer und mündet in eine große Überraschung: Jean van Hamme legt mit dem Abschluss dieses Abenteuers den Grundstein für die folgende Richtung der Serie. Klassisches Artwork von Grzegorz Rosinski setzt den Serienauftakt, der hier erst abgeschlossen ist, packend in Szene. 🙂
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Freitag, 17. Februar 2012
Es ist schwer sich zu erinnern, sofern man die Erinnerung viele Jahre verdrängt hat. Für den Gipsy, der einen bestimmten Punkt in seiner Vergangenheit gerne vergessen hätte, kommt die Aufforderung seiner Schwester, sich mit dem Tod der Eltern noch einmal zu beschäftigen, zur Unzeit. Außerdem ist es einer der Momente, in denen er sich eingestehen muss, dass er doch nicht so abgrundtief kalt und durchtrieben ist, wie er immer jeden glauben machen will. Die Wirkung dieser Erinnerung ist auch nach zwölf Jahren immer noch vorhanden. Abgesehen davon passen Sentimentalitäten im Augenblick überhaupt nicht. Draußen, außerhalb der schützenden Wände des Lastwagens, der sich durch die Eiswüste quält, rüsten sich die Mongolen zum Kampf gegen die russischen Unterdrücker. Zwischen diesen zwei Streithähnen gibt es keinen lachenden Dritten. Da ist man nur im Weg.
Zigansk: Ein Verkehrsknotenpunkt im Nirgendwo, inmitten einer meterdicken Schneedecke und andauernden Eisstürmen. Hier ist die Mannschaft auf die Versorgung von außen angewiesen. Andere, Reisende, Gestrandete müssen sich auf den guten Willen des Personals verlassen. Der Befehlshaber macht keinen Hehl daraus, dass Mitleid ein Fremdwort für ihn ist. Zuerst kommen seine Männer, dann erst der Rest. In dieser von Thierry Smolderen geschilderten Welt bezeichnet Zigansk Knotenpunkt in einer Wegstrecke, die sich in der Nordhälfte der Erdkugel um den gesamten Globus windet. Die sogenannte C3C ist ein unermesslicher Wirtschaftsfaktor und entsprechend heiß umkämpft.
Neben dieser Gesamtbeschreibung, die im Hintergrund steht und durch Intrigen immer wieder durchblitzt, ein wenig Sex and Crime stehen für den Gipsy und seine Schwester der pure Überlebenskampf im Vordergrund. Im zweiten Teil der sechsteiligen Saga um den Lastwagenfahrer und Tausendsassa, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist, skizziert Smolderen einen Helden, der so eiskalt ist wie seine Widersacher. Nur eine Schwäche macht ihm fortwährend zu schaffen und erweist sich als hinderlich, das gewohnte Leben fortzuführen: seine Schwester.
Enrico Marini, mit völlig unterschiedlicher Thematik auch mit Die Adler Roms derzeit am Markt vertreten, zeigt in der Fortsetzung von Gipsy mit dem Untertitel Sibirische Nächte weitere seiner grafischen Stärken. In dieser bereits seit einigen Jahren auf dem französischen Sektor vorliegenden Publikation arbeitet er noch etwas manga-orientiert, aber mit starkem realistischen Einschlag. Er kann aber anhand der Bilder, einiger Überzeichnungen auch, nicht leugnen, dass er den Spaß an der spannenden, mitunter auch grotesken Handlung hatte. Die Landschaft ist besonders düster, die Frauen besonders erotisch, die Halunken extrem widerwärtig. Die blaue Lebensfeindlichkeit des allgegenwärtigen Schnees und Eises konkurriert mit den riesigen Feuern nach Überfällen, auch den geschwärzten der Getöteten.
Das Titelbild gibt bereits einen guten Eindruck von der Härte der Geschichte, die hier abgebildet ist und durchaus eine Art Mad Max im ewigen Eis ist. Für den Gipsy und seine Schwester ist die gesamte Reise ein einziger Überlebenskampf. Der Höhepunkt schließlich dürfte die Sequenz in der Gefangenschaft der Mongolen sein, in der eine aufgeregte Herde Mammuts ein optisches Sahnehäubchen darstellt.
Für Freunde sehr actionlastiger, grafisch sehr gut gestalteter Science Fiction sicherlich einen Blick wert. Wer bereits Werke von Enrico Marini kennt und mag, sollte dem grafischen Perfektionisten auch hier eine Chance geben. 🙂
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Garenni soll auf einen Kollegen geschossen haben: Für einen Mann wie den Kommissar eigentlich eine undenkbare Tat. Doch Garenni war vor Ort, allerdings auch sturzbetrunken. Er kann sich an nichts mehr erinnern. So ist die Tat, die ihm angelastet wird, für ihn umso furchtbarer. Ein Fall für Canardo, denn Frau Garenni will ihren Mann nicht an den Pranger gestellt sehen. Sie weiß es, Canardo weiß es, eigentlich muss es jeder wissen, der Garenni einmal kennengelernt hat, dass der Kommissar mit den Hasenohren zu einer solchen Tat nicht fähig ist. Nicht einmal unter Alkoholeinfluss. Und so macht sich Canardo ans Werk und sticht in ein Wespennest.
Ein guter Erpel: Der private Ermittler mit dem müden Blick und der doch sehr pessimistischen Lebenseinstellung hat unter seiner sehr rauen Schale einen weichen Kern, der ihn empfänglich macht für den Schmerz seiner Freunde. Diese sind nicht sehr zahlreich. Kommissar Garenni, der über eine weiche Schale verfügt und einen weichen Kern, der darüber hinaus daheim ein Pantoffelheld ist, darf als solcher Freund bezeichnet werden. Canardo selbst unterstreicht diese Tatsache mit Nachdruck. Sokal, in Zusammenarbeit mit Pascal Regnauld, schickt seinen Canardo in der 20. Ausgabe mit dem Titel Entspiel mitten hinein in den Sumpf aus Korruption und Habgier, die in der Polizei von Belgien in der Welt von Canardo regieren.
Armer Garenni: Zu gut für diese Comic-Welt. Sokal lässt den Polizisten, der längst an sich, an der Polizei, seinem Job, seinem Leben, einfach allem zweifelt, in eine typische, aber bei weitem nicht alltägliche Polizeisituation tappen. Ein Bankraub wird zu einem Fiasko und zu Garennis ganz persönlicher Tragödie. Der erste Abschnitt ist sehr krimiklassisch. Sicherlich blitzt in der Ausgangssituation der schwarze Humor von Sokal durch, sein Mitleid für diesen Polizisten ist eindeutig größer. Stellvertretend für den Autor darf Canardo dieses Mitleid äußern.
Garenni ist ein armer Tropf. Ein mittelmäßiger Polizist, aber herzensgut.
Canardo reiht sich ein in die klassischen Vorgänger der Detektive: Sam Spade, Mike Hammer oder auch Shaft. Es gibt keine Regeln, außer sie stammen von ihm selbst. Der Erpel hat von Sokal diesen manchmal müden, manchmal gleichgültigen Blick erhalten, der schon alles gesehen hat oder gesehen zu haben glaubt. Der Trenchcoat und die Handschuhe komplettieren das klassische wie auch leicht schlampige Erscheinungsbild. Interessant ist das Augenspiel Canardos.
Absolutes Staunen liegt nicht nur im Moment größter Überraschung darin, auch in solchen Situationen, in denen sich ihm eine Frau an den Hals wirft. Auch ein Moment größter Überraschung. Bissige Entschlossenheit findet sich besonders in einer Situation von Lebensgefahr. Sokal lässt Canardo mit entsprechender Kaltblütigkeit agieren. Nur ein toter Feind ist ein guter Feind. In solchen Momenten ist Action angesagt, da hört der Spaß auch auf. Mit breitem Strich werden die Figuren in kameragerechten Posen auf das Papier gebannt. Zeitweilig ist der Leser bis auf die Nasenspitze heran. Bei Schießereien wird gnädiger Abstand gehalten, doch ähnlich wie in Action-Filmen werden dem Leser auch hier Resultate gezeigt. Bei allem schwarzen Humor ist Canardo auch (oder trotzdem, eine Frage der Sichtweise) ein Krimi.
Der bewusste Comic-Look, die Arbeit mit Tiercharakteren, steht nicht nur der sehr erwachsenen Handlung gegenüber. Neben der düsteren Sichtweise auf eine Gesellschaft legt Sokal auch eine große Portion Pessimismus in seine Figuren hinein. Darüber hinaus scheut er das Fabulieren: Ein Schwein ist hier nicht automatisch ein Schwein. Welcher Charakter sich hinter welchem Tier verbirgt, muss der Leser selbst herausfinden. Am Beispiel von Frau Garenni wird deutlich, dass nicht hinter jedem Hasen auch automatisch ein Hasenfuß steht.
Dunkel, düster, Canardo: Das Comic-Universum des privaten Ermittlers bringt manchmal einen guten Charakter hervor. Grund genug für Canardo für diesen ins Feld zu ziehen. Etwas härter, etwas krimilastiger als bisherige Geschichten. 🙂
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Oder bei Schreiber und Leser.
Dienstag, 14. Februar 2012
Einige Stämme können sich mit der Anwesenheit der Römer in ihrem Land anfreunden, wissen sie doch wirklich die mitgebrachte Zivilisation zu schätzen. Andere Männer, Stämme sehen nur das Schwert, das sie unterdrückt und ihnen seinen Willen aufzwingen will. Doch ein Aufstand wäre fatal. Es könnte nur gelingen, wenn sich die Stämme vereinen und ihre Zwiste untereinander beilegen. Die Römer wissen um die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der germanischen Völker und wähnen sich in dieser Hinsicht sicher. Außerdem können die Barbaren kaum gegen römische Kriegskunst bestehen. Doch was würde geschehen, gelänge es einem Mann genau diese Qualitäten mitzubringen? Ein Verräter? Ein Überläufer? Könnte dieser Mann sich an die Spitze der Stämme stellen?
Enrico Marini hebt die Freundschaft von Arminius und Marcus auf eine neue Stufe. Können der Römer und der Germane in diesen Zeiten einander überhaupt die Treue halten? Oder waren ihre Bande von jeher zum Zerreißen bestimmt? Der Leser findet sich fernab von Rom in Germanien wieder. Die römische Zivilisation ist hier nur punktuell vorzufinden. Selbst die befriedeten Stämme können noch zur Gefahr werden. Kurz: Die römischen Legionen stehen auf verlorenen Posten. Wer nach Germanien an die Grenzen des Reiches abkommandiert worden ist, der hat im Sinne des Imperators Augustus einen Fehler begangen.
Marcus in Ungnade gefallen? Rom ist in dieser Hemisphäre ein Schlangennest aus Intrigen, Missgunst und Verschlagenheit. Enrico Marini breitet ein vielfältiges Bild Roms vor dem Leser aus. Es gibt jene, die Rom missbrauchen, die Zivilisation herabwirtschaften. Es gibt jene in den eroberten Gebieten, die der römischen Zivilisation ehrlich bewundernd gegenüberstehen. Aber letztlich zählt in einer rauen, schlammigen Umgebung, inmitten von düstergrauen Wäldern nur eines: die militärische Macht Roms, die durch die gut ausgerüsteten Legionäre gewährleistet wird. Leider fehlt es den Waffenträgern an Disziplin.
An dieser Stelle setzt Marini an. Abseits des Schlangennestes versucht Marcus aus den heruntergekommenen Männern wieder Soldaten zu machen, während sein alter Freund Arminius, endlich wieder im Land seiner Väter angelangt, alles unternimmt, um die Wehrhaftigkeit der Römer zu untergraben. In einer grafischen Pompösität, in der die Qualität des Titelbildes den Bildern im Innenteil entspricht, erwacht hier ein Teil römischer Geschichte in einer fiktiven Erzählung zum Leben, die sonst seltener Eingang in Romane, Filme und noch weniger in Comics findet.
Aquarellartiger Farbauftrag, mal kalt und herbstlich, weniger von wärmenden Feuern erleuchtet, füllt schöne Ansichten römischer Architektur, Mode, auch Kriegstechnik und gibt der germanischen Kultur ein jeweils sehr individuelles Gesicht. Neben all seiner Fertigkeit als vortrefflicher Illustrator (ich mag das Thema einfach sehr und es könnte für mich kaum besser umgesetzt sein) vergisst Marini seine Charaktere nicht. Zwar stehen Marcus und Arminius weiterhin im Mittelpunkt der Erzählung, aber sie müssen die Aufmerksamkeit des Lesers mit einer ganzen Reihe sehr sorgfältig gestalteten Nebenfiguren teilen.
Der gärende Aufstand gegen die römischen Besatzer erfordert eine Vielzahl von Köpfen und eine Reihe von Bündnissen. Ganz nebenbei flechtet Marini die verbotene Liebe von Marcus ein, die vor den übrigen Intrigen aber beinahe untergeht. Insgesamt ist der dritte Teil der Reihe der wohl bisher dichteste, eine Steigerung, die kaum mehr möglich schien.
Seit Gladiator oder Rom sicherlich eine der besten Rom-Geschichten aus einer Zeit, da sich das Imperium vergeblich bemühte den Germanen den römischen Frieden zu bringen. Marini vermischt Fiktion und Historie in einer tollen Erzählung und mit einer phantastischen Grafik. 🙂
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Donnerstag, 09. Februar 2012
Der verletzte Mann erwacht in der sicheren Obhut von Johann und Pfiffikus im Schloss. Obwohl ihn die Kopfverletzung noch schwächt, hat er nichts als seine Pflichterfüllung im Kopf. Er hätte längst wieder bei seinem Meister sein sollen, der sehnsüchtig das kostbare Gut erwartet, das der Bote bei sich trägt: Den Stein der Weisen. Weder Johann noch Pfiffikus glauben an solchen Hokuspokus. Als ein Ganove den Stein stehlen will, ist jedoch klar, dass es noch andere gibt, die von der Wirksamkeit des Gegenstands überzeugt sind. Gemeinsam machen sich Freunde auf den Weg zum Empfänger des Kleinods, einem Zauberer, der es vielleicht am besten weiß. Leider fangen damit die Schwierigkeiten erst an.
Die Schlümpfe sind noch nicht da: Vorerst müssen die beiden Helden, Johann und Pfiffikus, der aufrechte Page und der gewitzte kleine Hansdampf, ihre Abenteuer alleine bestreiten. Aber das schaffen sie sehr locker, obwohl ihnen auf und über dem Papier kleine und größere Steine in den Weg gelegt werden. Peyo (bürgerlich: Pierre Culliford) hatte das Glück seine Geschichten alleine zu schreiben und zu gestalten, gänzlich unkontrolliert war nicht. Ein ausführlicher redaktioneller Teil der zweiten Folge der Gesamtausgabe von Johann und Pfiffikus gibt Beispiele der internen Zensur des Verlagshauses.
Eine Folterszene wurde gekürzt dargestellt. Wahrscheinlich auch heute noch eine richtige Entscheidung. Eine Verwandlungsszene eines Bösewichts, eigentlich eine schöne Maskerade und heute sicherlich nicht mehr der Rede wert, fiel der Schere zum Opfer. Aber das sind letztlich Kleinigkeiten. Musste Peyo bei den Kurzgeschichten, die hier abgedruckt sind, noch sehr pointiert arbeiten, zeigt er endlich nach einem vielversprechenden Beginn (nachzulesen im ersten Sammelband) sein ganzes erzählerisches Können.
Der Stein der Weisen, das erste hier abgedruckte albenlange Abenteuer, etabliert die beiden Freunde in aller Kürze, bevor ein ereignisreiche Einleitung sogleich zu einem Auftrag führt, der sich in der Folge als sehr gefährlich herausstellt. Allerdings kennt Peyo auch sein Publikum und flechtet humorvolle Wendungen ein, Verwechslungen, ganz so, wie es in französischen Komödien stets gerne gezeigt wird und bis heute vortrefflich funktioniert.
Herausragender sind die Abenteuer Der Schwur der Wikinger und Die Quelle der Götter. Hier wird deutlich, dass Peyo sich nicht mehr nur mit einem Abenteuer zufrieden geben will, sondern durchaus auch längerfristige Handlungsbögen anstrebt. Aus einer Rettungsmission wird ein Abenteuer zu Lande und zu Wasser, an der Seite von Wikingern. Vergleicht man das Gespann Johann und Pfiffikus mit früheren Duos, so sind die beiden eine Art Dean Martin und Jerry Lewis des Cartoons. Der eine nach heutigen Gesichtspunkten stets beherrscht und smart, der andere etwas tollpatschig, vorlaut und auch albern.
Die Wikinger ermöglichen auch den übergang zur nächsten Handlung. Noch sind die beiden Recken nicht wieder daheim. Nach einem eher handfesten Abenteuer mit wilden Kämpfen und Aktionen wird es nun wieder magischer. Ein ganzes Dorf will von einem Fluch erlöst werden. Peyo musste bei der Erstveröffentlichung in Deutschland auch einen kleinen Eingriff in die Handlung erdulden, die aber nach Auskunft des redaktionellen Teils letztlich in sich geschlossener wirkte als das Original.
Stilistisch perfektioniert: Abgesehen von einer Kurzgeschichte, Heiligabend im Schloss (vermutlich eine deutsche Erstveröffentlichung), ist der Strich ungeheuer präzise geworden. Natürlich sind die Bilder dem Cartoon gemäß sehr schlicht im Aufbau gehalten. Es gibt keine Übermäßigen Details. Peyo beschränkte sich auf das Wichtige einer Erzählung. Die Handlung sollte fließen, nicht aufhalten. Dennoch lohnt es sich sehr, auch bei Bilder zu verweilen, denn gerade der Wechsel von Perspektiven, die Ansichten der überaus gelungenen Figuren, bei deren Gestaltung Peyo offensichtlich immer wieder den Schalk im Nacken hatte, dürfte jedem Cartoon-Freund einen ordentlichen Spaß bereiten. Peyo unterhält einfach mit jeder Seite.
Drei albenlange Abenteuer, mehrere Kurzgeschichten, ein ausführlicher Teil zu Peyos Arbeit sorgen für ein langes Lesevergnügen mit diesen klassischen Cartoons, die jung geblieben sind und durch ihre sorgfältige Gestaltung immer noch vorbildlich sind. 🙂
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