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Comic Blog


Donnerstag, 29. Dezember 2011

CHEW 3 – Eiskalt serviert

Filed under: Thriller — Michael um 18:32

CHEW - Bulle mit Biss! 3 - Eiskalt serviertTony Chu, mit der Gabe gesegnet, aus dem Geschmack von Essbarem herauslesen zu können, wie die letzten Lebensabschnitte desjenigen oder derjenigen ausgesehen haben, hat nun auch eine Prise Glück. Er hat eine Freundin. Endlich. Und sie verzeiht ihm sogar die kleinen Probleme, die mit dieser Beziehung einher gehen. Überaus problematisch wird es schließlich doch. Niemand darf es wagen, diese Beziehung zu gefährden. Niemand darf es wagen, seine Freundin direkt zu bedrohen. Aber einer findet sich ja immer. So hat der Mann, der die Waffe auf Chus Freundin richtet, bereits sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Er weiß es nur noch nicht.

John Layman geht den Beginn des dritten Teils von Chew, dem Bullen mit Biss, mit ein wenig mehr Ruhe an, sieht man einmal von der wegweisenden Einleitung ab. Eiskalt serviert er schließlich den Fortgang der Geschichte, der sich eines alten Bekannten aus dem zweiten Teil annimmt. Chu ist nicht nur gezwungen Undercover zu operieren, er muss sich auch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, die ihm in seiner Beziehung doch noch ein Bein stellen könnte.

Layman kann nicht leugnen eine Erzählweise zu besitzen, die stilistisch jener eines Quentin Tarantino nahe kommt. Zwei Bilder, die als Hommage auf Reservoir Dogs und Pulp Fiction abzielen, zeigen, dass sich Layman dieses Umstandes sehr wohl bewusst ist. Damit ist gleichzeitig auch klar, wer seinen Spaß an diesem ungewöhnlichen Comic-Thriller haben kann. Die Ausgangssituation, das weltweite Verbot des Verzehrs von Hühnchen (und Hähnchen selbstverständlich) zusammen mit dem außergewöhnlichen begabten Polizisten Chu, dem eine Variante eines Terminators (in Form eines anderen Cops) zur Seite gestellt wird, bietet derartig viel Potential, so dass nur der Erfindungsreichtum Laymans dem ein Ende bereiten könnte. Betrachtet man sich jedoch die einzelnen Kapitel, auch den vorausschauenden Aufbau, dürfte dieses noch sehr lange auf sich warten lassen.

Der Beginn von Kapitel 5 ist nicht nur eine Beleg für die Fähigkeiten des Zeichners Rob Guillory, sondern auch für eine gelungene Seitenkomposition, die gänzlich ohne Worte auskommt. Wie jeder gute Held hat auch Chu seinen Supergegner, der hier ausgerechnet ein Exkollege ist, der dieselben Fähigkeiten wie Chu besitzt. So wird ein Mahl zu einer Reise in die Erinnerungen eines anderen Ichs sehr intensiv dargestellt, bevor die Szenerie, man muss sagen typisch amerikanisch, in das Tohuwabohu eines Familienfestes expandiert.

Rob Guillory hat diesen Zeichenstil nicht erfunden: Wer auch nur mal einen Blick in Cartoons geworfen hat, in alte mit dem rosaroten Panther, auch die Trickfilmzeiten, Sequenzen, in denen die Formen eher krumm, schmal und aufgebläht waren und sind, der wird einen ungefähren Eindruck von Guillorys Arbeit haben. Ganz gleich wie groß eine Struktur ist, so hat sie doch stets etwas Zerbrechliches an sich. Wird ihm genügend Raum eingeräumt, gibt die Szene etwas Humoriges, entsteht wie im Familienfest zu sehen, eine richtig kleine Show. Guillory hat zwar in dieser Episode auch einige rasante Szenen zu zeichnen, doch im Schwerpunkt kann er sein Können in einer krimilastigen und manchmal recht soap-orientierten Erzählung unter Beweis stellen.

Der dritte Teil konzentriert sich sehr gut auf seine Hauptcharaktere und bindet diese strikt in die fortlaufende Handlung ein: John Layman zeigt, dass jeder zur Zielscheibe werden kann. Ganz (wie) nebenbei baut er seinen Tony Chu weiter aus und verleiht ihm mehr Tiefgang, als man es in einer solchen Produktion erwartet hätte. Sehr unterhaltsam erzählt, ungewöhnlich, mit frischem Humor, der mitreißt. 🙂

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Mittwoch, 28. Dezember 2011

FVZA – Federal Vampire and Zombie Agency

Filed under: Horror — Michael um 18:51

FVZA - Federal Vampire and Zombie AgencyVampire existieren. Zombies haben Beweise für ihre Existenz hinterlassen. Quer durch die Geschichte haben sich immer wieder mutige Männer und Frauen aufgemacht, um die verdorbene Teufelsbrut zu vernichten. Schließlich wurde, als die Attacken häufiger wurden, zu einer Plage degenerierten, die Federal Vampire And Zombie Agency, kurz die FVZA gegründet. Erst mit ihrer Hilfe, der konzentrierten Gegenwehr mit neuesten Mitteln, wurde die Gefahr eingedämmt und galt am Ende sogar als besiegt. Ausgerottet. Doch Dr. Hugo Pecos hat nie so richtig daran geglaubt. Stets hat der alte Mann seine Enkelkinder, Landra und Vidal, auf eine mögliche Rückkehr der Untoten vorbereitet. Leider war seine Vorahnung berechtigt.

Es beginnt harmlos: Nach all den Jahren, während derer die Menschen die Monster bekämpften, haben sich dennoch Gruppen herausgebildet, die eine Art von Bewunderung für die Bestien, vornehmlich Vampire, entwickelt haben. Eine dieser Gruppen, ein paar Grufties, die sich sogar falsche Reißzähne anfertigen ließen, machen eines Nachts die Bekanntschaft mit einem jungen Mann, der sie alle zu becircen weiß. Den nächsten Tag erleben nur noch zwei von ihnen. Hinter geschlossenen Vorhängen.

Eine Welt, in der die Legenden Wirklichkeit sind: Mehr noch, die Welt hat sich mit ihnen nicht einfach abgefunden, sie hat darauf reagiert und entsprechende Maßnahmen getroffen. Die Verbindung einer möglichst realistischen Welt mit den Schrecken von Vampire und Zombies schickt sich an eine weitere breite Welle innerhalb des Genres zu werden. Längst haben die Horrorfiguren die angestaubten viktorianischen Ecken und die sie anklagenden 70er und 80er Jahre verlassen. Seit Michael Jackson mit den Zombies tanzte, ist alles möglich. Ähnlich wie es ein David Wellington oder ein Kim Newman in ihren Vampirtrilogien machen, erklärt auch David Hine die gesamte Welt zum Schlachtfeld gegen die Untoten.

Federal Vampire and Zombie Agency: Der Rückblick in die Entstehung der FVZA wäre allein bereits eine entsprechend große Geschichte wie die hier vorliegende wert gewesen. Die zeitweilige geschichtliche Einbindung im Abschnitt des Zweiten Weltkriegs, in den Holocaust, hat zwar wie so oft bei amerikanischen Autoren einen faden Nachgeschmack, doch die kurze Anspielung auf eine Art Cowboys & Vampire & Zombies reißt das wieder heraus. Ein Blick auf die Entwicklung eines Menschen zum Zombie am Beispiel einer amerikanischen Familie ist sehr gelungen. Er skizziert die realistisch konstruierte Zombiewerdung, eine Atmosphäre, die auch im Roman World War Z von Max Brooks mitschwingt. So gesehen rangiert FVZA auf Augenhöhe mit gut und spannend erzählten Thrillern dieses harten Genres, das kein Blatt vor den Mund nimmt.

Auch für Splatter-Fans: Streichelzombies will kein Leser dieser Horrorgeschichten haben. Doch von David Hine erzählt, werden entsprechende Einlagen nicht zum Selbstzweck. So sind die von Roy Allan Martinez und Wayne Nichols gezeichneten Bilder sorgsam gesetzte Bluteffekte. Farblicher Realismus in der Kolorierung sorgt für fotografische wie auch für gemäldeartige Eindrücke. Hier haben die Koloristen Kinsun Loh und Jerry Choo ganze Arbeit geleistet und es wäre für Comic-Fans wünschenswert, ihre Arbeiten auch in anderen Genres wiederzuentdecken.

Für den Genre-Fan gibt es einen Wiedererkennungseffekt: Die zweite Verfilmung Blade machte die bleichen, klapperdürren und kahlköpfigen Vampire hoffähig. Auch diese Kreaturen finden sich hier. Der Zombie bleibt der Zombie. Keiner der Künstler hat es gewagt, die von Romero populär gemachte Kreatur zu verbessern, eher wird sie ins rechte alte Licht gerückt: Blutig, verwesend, langsam, immer hungrig, vielleicht ein wenig lernfähig. Mehr nicht.

Ein harter Reißer: David Hine beschreibt mit seiner FVZA in diesem abgeschlossenen Band einen Horrorthriller, der ebenso gut als Roman funktionieren würde und gleichzeitig leinwandtauglich wäre. Beste Horrorunterhaltung in toll gestalteten Bildern. Für Genre-Fans genau richtig. 🙂

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Dienstag, 27. Dezember 2011

Valerian & Veronique Gesamtausgabe 3

Filed under: SciFi — Michael um 17:58

Valerian & Veronique Gesamtausgabe 3Ein Shinguz verkauft, er verschenkt nichts. Wie gut, dass Veronique ein kleines Wesen bei der Hand hat, dem es zwar keine Freude bereitet, Zahlungsmittel herzustellen, dies jedoch bis zu einem gewissen Erschöpfungsgrad schafft. Doch Geld ist nicht der einzige Türöffner und Wegweiser in der bunt zusammengewürfelten Welt von Central City. Die Beharrlichkeit und auch die Liebe von Veronique zu ihrem Valerian führt letztlich ans Ziel. Aber der Weg dorthin ist einer der beschwerlichsten, den sie jemals auf sich nehmen musste.

Kein Flugzeug, auch nicht E.T., der auf einem Fahrrad am Mond vorüber fliegt: Valerian ist es. Ein Experiment und unzählige Kopien von Valerian machen es möglich. Doch Veronique ist keineswegs begeistert. Inzwischen liegt der dritte Band der Gesamtausgabe von Valerian & Veronique und ein weiteres Mal überraschen Pierre Christin und Jean-Claude Mezieres mit den hier versammelten drei Abenteuern. Die beiden Comic-Künstler räumen ihrer Veronique hier einen deutlich größeren Anteil an den Geschichten ein. Man könnte auch sagen: Veronique ist eindeutig die Vernünftigere der beiden Abenteurer geworden.

Botschafter der Schatten, so der Titel der ersten abgedruckten Geschichte in diesem Sammelband, entführt den Leser in die verschlungene Welt und das wahrhaftige Vielvölkergemisch von Central City. Unzählige Formen, Atmosphären, Moden, Einflüsse aller Art, politische Ziele und mittendrin die Menschen, ein Stück weit zu arrogant für diese Konzentration für diese Wesen aus allen Ecken der Galaxis. Sicherlich handelt es sich um ein Abenteuer, das mit Hand und Fuß erdacht wurde, andererseits eröffnet die Vielfalt der Umgebung auch ungeahnte Möglichkeiten der Erzählung, die eine Vorhersehbarkeit des Fortgangs unmöglich macht.

Hier zeigt sich die Begeisterung von Christin und Mezieres für das Genre Science Fiction ganz besonders, denn wie es bereits ein Zitat von Mezieres auf der Buchrückseite sagt: In dieser Serie ist einfach alles möglich, und jedes neue Album bringt uns dorthin, wo wir es wollen. Präsentiert sich diese Episode fast als Besichtigungswanderung und gleichzeitig als ein Höhepunkt der grenzenlosen Ideen der beiden, ist die Nachfolgegeschichte Trügerische Welten weitaus mysteriöser.

Valerian stirbt! Und nicht nur einmal. Fast fühlt man sich an virtuelle Welten erinnert, in denen nicht nur alles möglich ist, sondern auch noch immer neue Leben zur Verfügung stehen, mit denen der nächste Einsatz machbar wird. Alles beginnt mit einer Szene, die den kolonialen Bemühungen der Briten in Afghanistan oder Indien entlehnt scheint. Unter den Soldaten, die mutig, aber taktisch unklug gegen die einzunehmende Festung anrennen, ist auch Valerian. Bald treffen ihn die Kugeln. Als Leser, der auf die Überraschungen von Christin und Mezieres geradezu wartet, trifft die unerwartete Wendung doch ins Mark. Mit sehr hoher Geschicklichkeit spinnt Christin den Faden fort und schickt Valerian ein ums andere Mal in weitere ausweglose Situationen, bis sich ein Muster abzeichnet und die Auflösung ein gewisses Moebius-Element hineinbringt.

Eher klassisch abenteuerlich findet sich Valerian in einer Hatz auf Die Insel der Kinder wieder. Hier ist Veronique mehr zum Zuschauen verurteilt, bis sie schließlich doch noch das Heft in die Hand nimmt und ihren Valerian rettet. Nach der Rätselhaftigkeit der ersten beiden Geschichten erzählt Christin wieder geradliniger, auch mit sehr viel mehr Humor, indem ganz offen auf Moebius (und Jodorowsky ebenfalls) angespielt wird. Allein bei dieser kleinen Hommage zeigt sich beispielhaft der große humorige Anteil der Handlung, die gleichzeitig viele Heldenabenteuer und Sagen karikiert.

Wieder einmal für jeden Geschmack etwas dabei: Deutlich rätselhafter fallen die ersten beiden Episoden aus, abenteuerlicher und lustiger ist die dritte Geschichte. Immer ist das phantastische Element sehr stark ausgeprägt, wie immer ist der Einfallsreichtum der beiden Comic-Macher bewundernswert. Die Reihe präsentiert sich einmal mehr als Paradebeispiel der Space Opera. 🙂

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Donnerstag, 22. Dezember 2011

Daddy

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:49

DaddyDer Junge ist schwer krank. Jesus hat Mitleid. Er hat es auf seine Art zu bekämpfen versucht, so recht gelungen ist es ihm nicht. So ist er auch sofort bereit, den Jungen zu heilen. Der ihn daraufhin mit einer Waffe zu bedroht. In der amerikanischen Großstadt, zwischen Normalbürgern, Versagern und Todkranken, treibt sich der Sohn Gottes herum. Obwohl er sich verraten fühlt, geht er noch seiner Aufgabe nach, heilt und teilt mit anderen. Nur manchmal, wenn ihm dann doch der Kragen platzt und er den Wahnsinn dieser Welt nicht mehr erträgt, wird er rabiat.

Der Vater hat den Sohn verlassen. Einzig ein Gehilfe steht dem Blinden zur Seite. Der besagte Sohn, Jesus, weilt wieder auf Erden, dick geworden, niedergeschlagen, resignierend und ständig den Versuchungen eines Hilfsteufels im Miniformat ausgesetzt. Dieser, zwergenhaft, mit Narrenkappe, dem Aussehen sowie dem völkermordenden Charakter eines Hitler ausgestattet, versucht, verführt oder versorgt den Sohn Gottes wenigstens mit Stoff. Matthias Schultheiss kreiert einen Jesus, der von seines Vaters Machenschaften, von all dem, was dieser zulässt, ziemlich angeekelt und angeödet ist. Gleichzeitig, bei allem Verdruss, hilft Jesus Kindern, wo er nur kann.

Dieser Jesus meint es ernst: Keine Komödie, eher eine ironische, zynische Anklage mit jenem Jesus in der Hauptrolle, der die Händler aus dem Tempel vertrieb und am Kreuz klagte, dass sein Gott ihn verlassen habe. Und dieser Jesus hat sich Fett angefressen und jagt sich Drogen in die Adern. Andererseits wirft er sich in die Flammen eines brennenden Hauses, um Kinder zu retten. Jene, von denen er glaubt, dass sein Vater auch sie verlassen habe. Er heilt die Todkranken und ist voller Mitleid jenseits der Verzweiflung, die ihn um die Welt treibt.

Aber dieser Jesus rennt nicht nur weg, flieht nicht nur vor seinem Schicksal, weshalb Gott ihn mit Blindheit strafte, er wird zugleich gejagt, als die Kirchenoberen erkennen, wer da wieder auf der Erde wandelt. Matthias Schultheiss lässt nichts aus, lässt seinen Jesus regelrecht auf die Menschen los. Dieser Jesus stellt die Fragen, die sich die Menschen oft über den Allvater stellen, der das Leid der Welt nicht verhindert. Und er stellt ihm gleichzeitig eine Kreatur zur Seite, die einer der größten Massenmörder der Menschheit ist. Dieser kassiert auch mal Prügel. Letztlich still bekommt ihn auch Jesus nicht.

Matthias Schultheiss pflegt einen sehr intuitiv wirkenden, sehr ausdrücklichen Zeichenstil, der das Schöne treffen kann, aber das Hässliche in den Mittelpunkt stellt. Einzig die Kinder bilden einen wirklich schönen Aspekt seiner Bilder mit ehrlichem Lächeln, auch Dankbarkeit und Freude um ihrer selbst willen, will man es poetisch ausdrücken. Jede Seite will als Einheit betrachtet werden: Text und Bild bilden ein Ganzes. Im Dialog oder aus dem Off erzählt, sogar unterstützt durch krakelige Strichzeichnungen, wie Jesus eine auf dem Titelbild auf dem Rücken eingeritzt hat.

Dieser Jesus ist optisch ein heruntergekommenes, völlig desillusioniertes Wrack, aus feinen, schnellen Linien geformt, mit einer fetten, starken, expressiven Computerkolorierung ausgewölbt. Schultheiss karikiert den Realismus, sie beißen ins Auge und schüren Mitleid, für diesen Jesus, der rebelliert und sich gegen Gott auflehnt, ebenso wie er sich weigert, sich selbst aufzugeben. Unmerklich gleitet der Realismus ins Surreale ab, wenn Jesus in die Fänge der Kirche gerät, die nichts besseres zu tun hat, als ihn erneut zu kreuzigen.

Eine Abrechnung, eine Anklage, ein Bombardement von Fragen: Matthias Schultheiss reiht sich mit dieser (nennen wir sie) Satire in Veröffentlichungen ein wie Suing the devil oder Gott bewahre (von John Niven), in der Jesus ebenfalls seine Probleme mit der modernen Welt und Gott hat. Er ist ein wenig so, wie Klaus Kinski ihn in seinem legendären Vortrag über Jesus Christus Erlöser beschreibt. Eines wird auch in dieser Geschichte deutlich: Hier wartet bei allen Fragen keiner auf den Messias. Nicht mehr.

Deutlich, unmissverständlich, eine Aussage: Vielleicht ein wenig mehr, vielleicht zu viel, vielleicht auch zu wenig. Matthias Schultheiss nimmt in jedem Fall kein Blatt vor Mund und scheut sich nicht, den Zeichenstift da anzusetzen, wo es möglicherweise weh tut. Sehr menschlich, eindringlich, aber bestimmt nicht jedermanns Sache. Grafisch stilistisch eigen, mit starkem Ausdruck. 🙂

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Barracuda 2 – Narben

Filed under: Abenteuer — Michael um 12:43

Barracuda 2 - NarbenDer junge Mann erkennt die Frau sofort wieder. Sie hat Schuld daran, dass er nicht mit seinem Vater auf See sein kann, sondern auf dieser Insel im Müßiggang auf die Rückkehr des Schiffes warten muss. Er greift sich die nächstbeste Waffe, übersieht sogar die Pracht seiner Umgebung, rennt an den Strand, um dort regelrecht übermannt zu werden und seine Rachsucht erstickt zu sehen. Alles wegen einer Frau, wegen der Frau, gegen die nicht nur er machtlos ist.

Hass ist die treibende Kraft. Liebe spielt eher eine untergeordnete Rolle. Allenfalls Leidenschaft spornt die einzelnen Menschen, jeden auf seine Weise, an. Entstand zu Beginn der Reihe noch das Gefühl, als sei des Piraten oberstes Gebot, Reichtum zu mehren und deshalb Schiffe zu überfallen, wandelt sich dieses Bild mit der Fortsetzung gehörig. Jeder einzelne Charakter trachtet nach seiner persönlichen Rache. Dona del Scuebo, die als Sklavin verkauft wurde, frönt ihrer Rache täglich, indem sie ihren Herrn erniedrigt und zum Gespött macht. Andere müssen noch ein wenig warten, bis sie am Ziel dieser Wünsche sind. Mit der Landung des Kapitäns Morkam (siehe Titelbild) setzt sich eine immer schneller ablaufende Spirale in Gang.

Feinde treffen wieder aufeinander: Autor Jean Dufaux entschlüsselt einige Motivationen seiner Figuren. Manche sind edler Natur, aber nicht uneigennützig. Die meisten wollen ein Ziel erreichen und verletzen auf diesem Weg mit Worten und Waffen. Nur wenige halten sich vornehm im Hintergrund und harren der Dinge, die da bald ausbrechen werden. Dufaux betitelt die zweite Folge mit Narben. Ebenso gut hätte er es Tanz auf dem Vulkan nennen können.

Das Netz aus Begierden und Abstoßung wird von Jeremy weiterhin brillant in Szene gesetzt. Es wirkt wie eine Vervollkommnung eines Manga-Stils, mit mehr Nuancen allerdings. Beste Beispiele sind die Figuren von Mr. Flynn und seines Mündels, die auch in entsprechenden Manga-Genreproduktionen eine herausragende Stellung einnehmen würden. Neben der sehr realistischen Darstellung von Menschen lebt die Geschichte von einer sehr schön gestalteten Ausstattung, modischen Ansichten jener Epoche und natürlich dem Flair einer karibischen Insel, die jedoch nur oberflächlich eine Idylle ist.

Doch bevor es in die Wildnis geht, überrascht Jeremy mit den Spitzen der Zivilisation jener Tage, die sich besonders in Gotteshäusern äußerte. In aller Pracht zeigt uns der Künstler den spanischen König vor einer Altarwand, im Gebet versunken, bevor die Handlung, weitaus gruseliger, an ein Totenbett fortschreitet und den Grundstein für spätere Ereignisse gelegt werden. Eindringlich lassen sich diese Bilder nennen, die das Piratengenre hervorragend aufgreifen. Sie besitzen auch ein romantisches Element, ein furchtbares und nehmen, moderne Stoffe kommen selten ohne aus, eine sexuelle Komponente hinzu, die mal mehr, mal weniger stark thematisiert wird.

Das Finale soll hier natürlich nicht verraten werden. Dennoch verdient es eine ausdrücklich Erwähnung, da es optisch wie erzählerisch höchst gelungen, spannend inszeniert und ineinander verschachtelt ist. Hier haben sich Dufaux und Jeremy zweifellos von filmischen Techniken inspirieren lassen. Der Eindruck ist sicherlich modern zu nennen, aber auch passend, der der Szenerie Schnelligkeit verliehen wird, ohne den Leser zu hetzen. Im Gegenteil fügt Dufaux auch bremsende Elemente ein, die zum Schmunzeln einladen, während es parallel dazu um Leben und Tod geht. Damit trifft Dufaux jedoch das Herz vieler Piratenerzählungen.

Weiterhin packend erzählt: Dufaux präsentiert Einzelschicksale, Rachegeschichten und baut im Hintergrund an politischen Plänen, von denen einige Charaktere noch nicht einmal ahnen können, dass sie darin verstrickt werden. Bestens und mit viel Liebe zum Genre von Jeremy illustriert. 🙂

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Mittwoch, 21. Dezember 2011

Blutprinzessin

Filed under: Thriller — Michael um 19:06

BlutprinzessinDie junge Frau wollte ausspannen, sich erholen. Nach ihren letzten Arbeiten, immer an Brennpunkten, immer in Krisengebieten, ist sie erschöpft, ausgebrannt, leer. Ein Aufenthalt im kubanischen Dschungel, ohne jegliche Ablenkung, soll Abhilfe schaffen. Doch bereits binnen kurzem sind Stille und Nichtstun ebenso erdrückend wie so mancher Kugelhagel, dem sie sich ausgesetzt sah. Ivory Pearl, so der Name der ungewöhnlichen jungen Frau, versucht sich abzulenken. Sie fotografiert die Natur. Eines Tages wird sie Zeuge einer Jagd und entdeckt einen Mann, der zusammen mit einem kleinen Mädchen im Busch lebt. Als er ihr verbietet, Fotos von dem Mädchen zu machen, wird Ivory nicht zum ersten Mal stutzig.

Starke Charaktere: In diesem Comic-Thriller, adaptiert von Doug Headline nach einem Roman von Jean-Patrick Manchette, sind die einzelnen Figuren regelrecht gegeneinander positioniert. Im übertragenen Sinne: Mit gesenkten Köpfen, bereit, um aufeinander zuzurennen. Jean-Patrick Manchette hat sehr interessante Hauptfiguren kreiert. In Zeiten des Kalten Krieges agieren die Sturköpfe hinter den Kulissen. Selbst jene Staaten, die vordergründig Verbündete sind, gönnen einander nichts. Machtkämpfe sind in der Politik und in verschiedenen Systemen ebenso an der Tagesordnung wie in den Hinterzimmern der organisierten Kriminalität. Und manchmal arbeitet man übergreifend Hand in Hand.

Haken schlagen: Privates lässt sich für die Charaktere, allen voran Robert Messenger, Ivory Pearl, Maurer und Negra, kaum vom Beruf trennen. Letztere ist zwar zu jung, um schon einen Beruf auszuüben, eine Aufgabe hat sie dennoch. Messenger, very british, ein Relikt des Zweiten Weltkrieges, der seine Fähigkeiten in den Kalten Krieg hinüber rettet und mehr durch Zufall ein junges Mädchen zu einer Erbin aufbaut. Diese, Ivory Pearl, wird eine starke junge Frau, eine Art Prototyp jener Frauen, die unsere Zeit heutzutage voraussetzt. Maurer und Negra, Beschützer und Köder erinnern zunächst an ein Duo, das im Urwald verloren ging, bis sich zeigt, was wirklich dahinter steckt.

Jean-Patrick Manchette (und natürlich Doug Headline) kostet die Zeitspanne der Hauptgeschichte von 1950 bis 1956 vollkommen aus. Der Unterschied zu Thrillern, die in der Gegenwart spielen, ist offenkundig. Der Zweite Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen. Brennpunkte in Asien wirken viel versteckter als heutzutage. Der Beruf des Kriegsberichterstatters oder Kriegsfotografen hat hier nicht nur etwas abenteuerliches, es rangiert auch in einer Kategorie mit Künstlern, besser Lebenskünstlern. Manchette erschafft mit Ivory Pearl eine Frau, die sich ohne Wenn und Aber ihrem Leben bis zur Erschöpfung hingibt.

Die grafische Umsetzung der Geschichte von Max Cabanes, der für seine Arbeit den Prix PolarEncontre 2010 erhielt, weiß insbesondere durch die Darstellung der Gefühle ihrer Charaktere zu überzeugen. Gleich der Auftakt gibt einen Vorgeschmack auf die kunstvolle Optik, die Cabanes einzusetzen versteht: Zwei Killer stehen sich gegenüber. Eine Lüge steht im Raum. Keiner verzieht eine Miene. Sie ziehen nur ihre Waffen, Pistole und Machete. Dieses Grundgefühl, er oder ich, ist das unterschwellige Thema der Handlung. In einer Welt, in der bereits ein siebenjähriges Kind zum Spielball wird, zählt ein Erwachsener erst recht nicht.

Cabanes will Platz für seine Bilder und nutzt jedes Fleckchen auf der Seite aus, in drei, vier, manchmal fünf Reihen. Möglichst viele Blickwinkel zerren die ernsten Gefühle der Figuren ans Licht. Echte Heiterkeit, Freude ist selten. Cabanes errichtet neben den Szenen im kubanischen Dschungel eine sehr realistisch gezeichnete Welt der 50er Jahre. Gauner, Gangster und Geheimagenten sind vornehm gekleidet. Verhandelt wird in feinen Büros und auf Partys, aber es wird auch munter gemordet. Die Optik ist kühl. Heller und rasanter geraten die umfangreichen Sequenzen auf Kuba, wenn der Dschungel des Kalten Krieges auf den echten Dschungel trifft.

Cabanes legt sich nicht auf eine Strichstärke fest. Zuweilen geraten seine Zeichnungen sehr fein, dann wieder werden Schatten oder Außenlinien sehr grob gesetzt. Die Farbgebung generiert Atmosphäre. Sie ist reduziert, nicht immer mit dem gleichen Realismus eingesetzt wie die Zeichnung. In der Zivilisation ist eher von Abstraktion zu sprechen, während die grüne Hölle treffender koloriert ist und hier auch gerne Farbstimmungen, wie sie in Dämmerungen anzutreffen sind, ausgereizt werden.

Eine dichte Thrillerhandlung, die allein schon durch ihre Charaktere interessant ist, schließlich aber in eine gnadenlose Jagd mündet, in der es für alle Beteiligten nur ums Überleben geht. Ist der Auslöser der Geschichte vergleichsweise klein, setzt er dennoch die berühmte Lawine in Gang, die sher schnell unaufhaltsam wird. Nach einer packenden Romanvorlage von Jean-Patrick Manchette, nicht weniger spannend als Comic-Thriller und überaus stimmig illustriert von Max Cabanes. 🙂

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Montag, 19. Dezember 2011

CÄSAR Gesamtausgabe

Filed under: Comics für Kinder — Michael um 19:58

CÄSAR GesamtausgabeEine Putzfrau ist nicht leicht zu finden: Es gibt welche, die glauben, Cäsar sei als Arbeitgeber nicht gut genug, weil ihm eine gewisse Hochherrschaftlichkeit fehle. Und das Aussehen. Andere glauben ihre Zeit mit dem Rauchen von Zigarren verbringen zu können, da eine ausgedehnte Pause nun einmal dazu gehöre. Aber schließlich findet Cäsar Felicitas, eine wahre Perle. Auf ihre Art. Sie ist nicht weniger frech als die anderen, die sich vorgestellt haben. Doch immerhin kann Cäsar ihr etwas parieren. Es entsteht eine Beziehung mit sehr viel Reibung. Eine Zuneigung ist spürbar, nur scheint jeder der beiden bemüht, diese so gut es eben geht zu unterdrücken.

Heutzutage hätte Maurice Tillieux vielleicht noch einen weiteren Beruf als Autor für Comedy-Serien. Denn bei genauer Betrachtung ähnelt die Konzeption von Cäsar mit den wenigen Nebenfiguren jenen einer Comedy-Serie mit wiederkehrenden Charakteren. In lose verknüpften Episoden erzählt Maurice Tillieux aus dem Leben des Grafikers Cäsar. Dessen Leben könnte ein ruhiges sein, gäbe es nicht die Nachbarn, die ihre kleine Tochter Effi zu ihm schicken, damit er auf sie aufpasst. Cäsar, ein Pfeiferaucher, schlank zwar, aber nicht sportlich, eher gemütlich, muss erleben, wie es ein aufgewecktes Kind schafft, seine behagliche eingerichtete Welt in kürzester Zeit einzureißen.

Effis Vater, Polizist Knöllchen, versteht nicht viel Spaß. Beruflich versteht er keinen und wenn es Cäsar nicht gelingt, angemessen auf Effi aufzupassen, hört der nicht vorhandene Spaß sogar ganz auf. Ist Effi die findige, quirlige, aber liebe, ist Knöllchen der aufbrausende, sehr bodenständige Beamtentyp, fast eine französischbelgische Version des Münchners im Himmel (ohne zu frohlocken). Mehr Raum nimmt Felicitas ein, die eigentlich bei Cäsar sauber machen soll, aber eher geneigt ist, sich darüber zu beschweren, dass es bei ihm daheim so schmutzig ist.

Ohne Worte verbreitet Cäsars Auto einen gewissen Witz. Das Wetter im Urlaub (stets schlecht) ist ein Running Gag. Und gestaltet sich das Wetter gut, dann stimmt etwas anderes nicht. Als wäre das noch nicht genug Ungemach, gibt es noch die Vertreter, die Cäsar immer abzuwimmeln versucht, aber doch scheitert: Entweder wegen seiner Gutmütigkeit oder ihrer Hartnäckigkeit. Die mit leichter Hand getuschten Zeichnungen, in klassischer Schule, wie sie der Leser von Jeff Jordan, Lucky Luke oder Asterix her kennt, nehmen den Leser schnell für Cäsar ein.

Mögen die Spiele beginnen: Maurice Tillieux bringt seine Charaktere in Stellung und feilt an Witzen. Er setzt die Abschlusspointe oder lässt den Sketch komplett wirken, als kleine humorige Geschichte. Mehr als eine Seite stand ihm nie zur Verfügung. So erzählte er Variationen einer Geschichte, die auf die Leser der Zeitschrift, in der Cäsar erschien, wie eine Fortsetzung wirken konnte, ohne für Neulinge den Einstieg zu erschweren. Tillieux ist mit seinen Sketchen zu keiner Zeit gemein. Sicherlich erleichtert er Cäsar das Leben nicht gerade, doch das ist Cäsars Aufgabe. Allerdings kommt Cäsar meistens mit einem blauen Auge davon.

Großherzigkeit wird dem Grafiker manchmal regelrecht zum Verhängnis. Eines der besten Beispiele ist sein Verhältnis zu Wachtmeister Knöllchen. Im Wagen sitzend am Straßenrand hört sich Cäsar das Liebesleid von Knöllchen an, bis diesem auffällt, dass Cäsar im Halteverbot steht und somit eine Verwarnung fällig wird. Über allem Liebeskummer darf die berufliche Pflicht nicht vergessen werden. Wie alle Cartoon-Figuren ist Cäsar ein Stehaufmännchen von hoher Leidensfähigkeit. Im redaktionellen Teil wird über die Angst der Zeichner und Szenaristen berichtet, einfallslos vor einem leeren Blatt zu sitzen, während der Abgabetermin immer näher rückt. Davon ist bei Tillieux nichts zu spüren.

Die Variation eines Sketches mag zwar wie ein Weg wirken, eine ideenarme Zeit zu überbrücken, doch selbst diese (man beachte hier die kleine Reihe, in der Cäsar versucht, eine Geschichte im Radio bis zu ihrem Ende zu hören) sind so ausgefeilt, auch liebevoll und zeitlos erzählt, so dass Tillieux gleich morgen wieder ins Geschäft einsteigen könnte.

Ein Gag-Feuerwerk: Der pralle Band fasst sämtliche erschienenen Cäsar-Geschichten zusammen. So entsteht ein schönes Bild eines Cartoon-Lebens und zeigt ebenfalls das überdurchschnittliche Talent von Maurice Tillieux. Humor in vielen Variationen, immer intelligent, zeitlos, genau die richtigen Geschichten, um die kalte Jahreszeit zu überbrücken. 🙂

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Freitag, 16. Dezember 2011

KONUNGAR 1 – Invasionen

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:06

KONUNGAR 1 - InvasionenAlstavik, jene fast mystische Festungsstätte, hat seit langer Zeit keinen rechten Frieden mehr gesehen. Die Thronerben, zwei Brüder, entzweiten sich, spalteten das Reich durch ihren Zwist. Einzig ruht sich das Land noch auf dem Sieg über die Zentauren aus. Doch dieser alte Feind kehrt zurück, just als sich die Kelten an anderer Stelle zur Fehde sammeln. Ein Zufall? Berge durchziehen das Land. Urwüchsige Wälder bilden das Antlitz dieses Reiches. Alstavik selbst, die riesige Festung, ruht auf dem Astwerk des Weltenbaumes Yggdrasil. Nichts mag dieses Bollwerk, das sich so mächtig nach außen hin gibt, erschüttern. Doch der Zerfall droht aus dem Inneren. Der Familienstreit, die Uneinigkeit der Streitkräfte schwächt das Reich und so wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis äußere Feinde dieser Dynastie den Garaus machen.

Zentauren: Seltene Gäste im Bereich der Fantasy, eher bekannt aus der griechischen Mythologie, doch im näheren Umfeld der Wikinger, im hohen Norden, waren sie bislang kaum zu erwarten. Allgemein sind sie am Körperbau erkennbar: Ein menschlicher Oberkörper wächst an der Hüfte aus einem Pferdekörper, dort, wo ansonsten der Kopf des Tieres zu finden ist. Zentauren (oder auch: Kentauren, Centauren) sind allgemein eine sehr brutale und kriegerische Rasse. Sylvain Runberg hält sich an diese grundsätzlichen Eigenschaften und fügt noch ein paar ziemlich grobschlächtige Merkmale hinzu.

Eine komplette Seite gönnt Runberg seinem zeichnenden Kollegen Juzhen, um die Ansicht dieses Zentauren, man sollte meinen, einem Anführer, zu zelebrieren. Diese Figur wirkt weniger wie ein Mensch, der eine Verbindung mit einem Pferdekörper eingegangen ist, als vielmehr wie ein Ork, der es proportional betrachtet viel besser mit einem Pferd aufnehmen kann. Das Titelbild lässt den Leser außerdem einen Eindruck darüber gewinnen, wie sich ein Zentaur gegen einen Menschen ausnimmt. Zentauren sind bei Runberg und Juzhen halbe Riesen.

Runberg belässt es nicht bei diesen phantastischen Einflüssen. Anderes orientiert sich an nordischen Legenden und interpretiert gleichzeitig gängige, sehr populäre Erscheinungsformen neu. Dvergars, Zwerge, erinnern mehr an monströse kleine Fledermausmenschen, vage vampirisch sogar. Und der Waldauerochse ist in seiner gigantischen Konzeption ein Anblick, den ein an Fantasy interessierter Leser sicherlich lieben wird. Ansichten dieser nordischen Welt, dunkel, kalt, wie zwischen Herbst und Winter gefangen wirkend, komplettieren einen sehr schön aussehenden Gesamteindruck.

Juzhen, der hier seine erste Serie vorlegt, geht mit ungeheurer Perfektion ans Werk. Die Strichführung ist ungemein fein, fast wie mit der Nadel radiert. Figuren, Charaktere wirken, als habe er sie gemeißelt, in Wirklichkeit Standbilder entworfen, immer etwas schöner als die Wirklichkeit, selbst wenn sie hässlich oder gar verletzt sind. Juzhen sucht auf den Seiten stets das Idealbild, so hat es den Anschein. Die Inszenierung hat etwas von einer Bühne mit einem großartigen Bühnenbild und gelungener Beleuchtung. Die unabhängig vom phantastischen Hintergrund erzählten Handlung kann mit einem königlichen Bruderzwist aufwarten, den auch alten Dramen entlehnt sein könnte. Insofern passt die bildliche Darstellung einmal mehr wie die berühmte Faust aufs Auge.

Gerade diesem Streit misst Runberg großen Stellenwert bei, der kaum so zu erwarten wäre, legt doch das Titelbild einen anderen Schwerpunkt, der aber, so lassen es die diversen ausgelegten Stränge vermuten, sehr bald schon zum Tragen kommen wird, denn Runberg schließt alle Vorbereitungen zu einem neuerlichen Kampf gegen die Zentauren ab.

Bruderkampf: Rildrig und Sigvald treten vor dem König, ihrem Vater, in einer Arena gegeneinander an. Dieser mehrseitige Abschnitt der Geschichte wird mit mythologischem Gefühl erzählt, gerade so als handele es sich um eine wahre Sage. Es ist auch kühl, etwas unpersönlich, mit Abstand geschildert, als schaue man durch die Augen des Königs, der selbst einen inneren Abstand zum Geschehen wahrt und sehr nüchtern die Vorkommnisse betrachtet. Sobald der Hass der Brüder in der Arena explodiert, ist die Nähe umso stärker vorhanden.

Fantasy abseits bekannter Strömungen, mehr zum Ursprung, zu den nordischen Völkern, den Wikingern hin orientiert, ohne sich sklavisch an das Original zu halten. Phantastische Einfälle und eine fast von Shakespeare inspiriert wirkende Familiengeschichte komplettieren diesen schönen Serienauftakt. 🙂

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Das Schloss der stummen Schreie

Filed under: Mystery — Michael um 17:35

Das Schloss der stummen SchreieSarah weiß nicht, was sie von dieser Umgebung halten soll. Zwar hat die freundliche Ärztin ihr gesagt, dass ihr geholfen werden solle. Dennoch kann sie diese Freundlichkeit nicht mit dem in Einklang bringen, das sie im Keller vorfindet. Die anderen Kinder, denen sie begegnet, die sie in einem Versteck vorfindet, von dem kein Erwachsener dieser Einrichtung erfahren darf, haben ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht. Auch ihnen begegnete ein Monster und veränderte ihr Leben. Auch sie sind nun infiziert. Doch die Tragweite dieses Zustandes ist ihnen allen noch nicht bewusst.

Monster gibt es! Nur wenige wissen darüber Bescheid, noch weniger, jene, die einen Zusammenstoß mit diesen Kreaturen überlebten, können darüber berichten. Einige haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Wesen endgültig vom Antlitz der Erde zu vertreiben, sie für alle Zeiten zu vernichten. Ihre Form ist vielfältig. Sie sind Vampire, Werwölfe, sie können fliegen oder haben die Gestalt von Minotauren. Im Schloss der stummen Schreie werden Kinder gefangen gehalten, die möglicherweise der Schlüssel zur Vernichtung dieser Wesen sind. Oder zur Kontrolle. Dieser Fraktion, die halbmilitärisch agiert, steht ein Verbund gegenüber, viel mächtiger noch, unter der Kontrolle eines uralten Wesens, das bereit ist, für seine Ziele ebenfalls über Leichen zu gehen.

Nacht über Europa: Im unheimlichen Thriller von David Munoz scheint Nacht, das Zwielicht vorzuherrschen. Munoz erzählt die Handlung aus der Sicht von Sarah, einem kleinen Mädchen, das beide Elternteile und die große Schwester durch den Angriff eines der besagten Monster verloren hat. Lange wähnt sie sich allein, bis sie auf Leidensgenossen trifft und sich die Wahrheit langsam enthüllt. Es sind kleine Einblicke, die Munoz in seine Geschichte einbaut. Die Puzzleteile setzen sich zunächst nur sehr ungenau zusammen. Das Schloss der stummen Schreie spielt mit den Stilmitteln alter Horrorfilme und neuerer Erzählungen, wie sie derzeit sehr populär sind. Dabei gelingt Munoz ein Mittelweg und erinnert etwas an die Vampirserie Crimson von Humberto Ramos und Brian Augustyn, die vor einigen Jahren erschien.

Der im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Sarah kommt eine ganz besondere Rolle zu. Aber die Frage ist: Wird sie am Ende Erlöser oder Vernichter sein? Ähnlich wie der erwähnte Zeichner Humberto Ramos kann auch der hier arbeitende Künstler seine Nähe zu amerikanischen und japanischen Publikationen nicht abstreiten. In den Frauengesichtern finden sich Mangaeinflüsse. Ansichten wie jene der Vampire haben eine optische Nähe zu Figuren, wie sie mit dem Kinofilm Blade II eingeführt wurden. Mit dem Minotaurus und anderen Tierwesen wird der phantastische Aspekt der Handlung auf sehr schöne Weise verstärkt, denn letztlich sind es auch diese Wesen, die den Horror der Nachtgestalten nicht teilen können.

Der Zwiespalt der Figuren wird sehr schnell deutlich. Auf der einen Seite stehen solche Kreaturen, wie sie auch in Cabal (nach einer Geschichte von Clive Barker) zu sehen waren. Diesen Zwiespalt heben Munoz und Tirso gleich zu Beginn der zweiten Episode mit dem Titel Demian in dieser Gesamtausgabe hervor. Keine der hier agierenden Seiten ist vollends einig. Dennoch driftet alles auf eine abschließende Entscheidungsschlacht zu, der nicht nur diese Geschichte vorausgeht, sondern eine Jahrhunderte andauernde Auseinandersetzung zwischen Monstern und Druiden, die heute unter der Bezeichnung Wissenschaftler bekannt sind.

Je mehr sich die Geheimnisse enthüllen, umso dichter wird die Figur der Sarah, die an ihrem Schicksal wächst. Tirso, in Zusammenarbeit mit dem Koloristen Javi Montes, arbeitet mit filmischen Eindrücken, imitiert Geschwindigkeit, die Rasanz von Kämpfen, die Schnelligkeit der Vampire. Er holt in Großaufnahme die Gesichter der Monster heran und verschleiert jene Szenen, die sich der Leser besser vorstellt. Montes zieht den Einsatz einer farblichen Grundstimmung vor oder bedient sich des Gegensatzes, indem er zwei Farbspiele auf einer Seiten einander gegenüber stellt. Düsternis ist Grundtendenz, aber Montes gibt ihr auch stets eine gewisse Leuchtkraft mit, die eine unheimliche, magische Atmosphäre stützt.

Wenn es die einen gibt, muss es auch die anderen geben: David Munoz erzählt von einem geheimen Krieg hinter den Kulissen der wirklichen Welt. In dieser Geschichte, im Umfeld des Schlosses der stummen Schreie, kommt es nach Jahrhunderten zu letzten Schlacht. Er mischt klassische und moderne Einflüsse, spielt mit Erwartungshaltungen und kreiert so manche Überraschung in dieser Gesamtausgabe, die die Einzelepisoden Sarah, Demian und Simon zusammenfasst. Ein grafisch gekonnt umgesetzter Monsterthriller mit einer perfekten Farbgebung. 🙂

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Dienstag, 13. Dezember 2011

Zeit der Asche

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:29

Zeit der AscheFirfin ist nicht gerade derjenige, der einem Reisenden in den gefährlichen Gefilden des Landes Vertrauen einflößen kann. Dennoch sind die drei Zwerge auf Unterstützung angewiesen, so gaunerhaft sie auch daherkommen mag. Firfin kennt sich ein wenig auf dem Gebiet der Heilung aus. Damit kann er nicht nur sich selbst zum Vorteil gereichen, auch die drei Zwerge, die doch bloß einen königlichen Nachfolger nach Hause geleiten sollen, werden sehr auf seine Dienste angewiesen sein. Denn dieses Land wimmelt nur so von furchtbaren Überraschungen: Donnerritter! Und dann auch noch dieses Getier, das an jeder Ecke, in der Luft, auf dem Boden und im Wasser lauert, um zu töten und zu fressen. So hatten sich die ansonsten tapferen Krieger ihre Reise nicht vorgestellt! Dabei fängt sie gerade erst so richtig an.

Fantasy einmal ganz anders: Hier ist schon die Landschaft monströs und lebensfeindlich. Der Leser begegnet in dieser Welt nicht den feinen (natürlich auch unheimlichen) Gegenden, Kerkern und Schlachtfeldern. In dieser von Bruno Chevalier beschriebenen und von Thierry Segur gezeichneten düsteren Weite wirkt es, als habe sich ein H.R. Giger zusammen mit einem Terry Pratchett zusammen getan. Letzterer hätte jedoch seinen Humor vergessen. Firfin, der Gauner, der Zwerg Noren und Morkai, ein Akei (aus dem Süden, von denen man nicht mehr viele findet) sind ein Trio sehr unterschiedlicher Charaktere, die nur selten komische Momente vorfinden (und diese halten auch nicht lange vor). Chevalier und Segur schicken ihre Helden lieber in (scheinbar) auswegslose Situationen.

Ausweglos wirkt bereits die Landschaft: Mit Sumpfgelände mag der Fantasy-Fan vertraut sein, doch dieses vervollständigt einen Gesamteindruck, der sich mit einem Gelände fortsetzt, das wie ein gigantisches Knochengebilde aussieht. Steinerne, geradezu zerrissene Formationen wechseln sich ab mit einer üppigen Grünlandschaft, in der die Natur schier aus allen Nähten platzen will. Und sind es nicht Schnee, Eis und Meer, die weitere Kulissen bilden, so entführen die beiden Macher den Leser in traumartige Sequenzen, die, so könnte man sagen, jeden noch so phantastischen Einfall ausschöpfen, der für eine dramatische Fortführung der Handlung notwendig ist.

Der Einfallsreichtum, der hier gezeigt wird, legt sich keinerlei Grenzen auf. Zwar gibt es Zwerge zu sehen, der Akei mag so etwas wie ein Riese sein auf seine Art, aber darüber hinaus könnten sich für dieses hier geschilderte märchenhafte Reich neben den erwähnten Künstlern auch Lewis Carroll (allerdings mit einer noch abgedrehteren Phantasie als in Alice im Wunderland) und die Erfinder von Jason Vorhees eingefunden haben. Das mag sich merkwürdig und unvereinbar anhören. Wer aber den Donnerritter im Zweikampf mit Ewandor gesehen hat, der an eine ungewöhnliche Mischung aus Yoda und Raupe Absolem erinnert, wird sich vielleicht überzeugen lassen.

Grafisch setzt Thierry Segur auf sehr fein strukturierte Bilder: Zarte Linien, treffsicher gezogen und bereits nach wenigen Seiten zeigt sich, wie es ihm gelingt die Seiten mit unterschiedlichen Perspektiven zu komponieren. So vollführt er den Wechsel vom Beobachter, der heimlich zuschaut, zum Akteur, der sich mitten im Geschehen wiederfindet. Das Design ist sehr eigen und entzieht sich den gängigen Zeichnungen. Segur mag die märchenhafte Ansicht, Ansichten kleiner Wesen, die plötzlich in Massenszenen zu explodieren scheinen. Er setzt die Niedlichkeit der Figuren Ausbrüchen von Gewalt entgegen, die denen im Fantasy-Standard von HdR nicht nachstehen. Die Aquarelltechnik, mit der die Farben aufgetragen sind, in feinen Verläufen und nie wirklich richtig dunkel (selbst wenn es düster ist) verstärkt den Eindruck eines schönen Alptraums, dem man sich als Leser binnen kurzem nicht entziehen kann.

Ganz, ganz anders: Fantasy kann sich auch von gängigen Werken und Beschreibungen lösen. Bruno Chevalier und Thierry Segur machen es vor. Aufregend anders, phantastisch im wahrsten und besten Sinne des Wortes in dieser Gesamtausgabe. Fantasy-Fans sei der Band ans Herz gelegt. 🙂

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