Zum Inhalt springen


Comic Blog


Sonntag, 29. August 2010

Yoko Tsuno – Maschinenwesen

Filed under: SciFi — Michael um 18:49

Yoko Tsuno Gesamtausgabe 6 - MaschinenwesenEin kleiner Ausflug mit dem Motorrad. Yoko hat zwar keine Schwierigkeiten, ihrem Freund Knut zu folgen, doch ist seine Maschine deutlich höher motorisiert. Er ist kein schlechter Fahrer, aber er ist auch nicht sehr vorausschauend. Auf der Spitze des Hügels sind Bienenkästen aufgestellt. Im nächsten Moment fliegen die Bienen, die Kästen und Knut auf seinem Motorrad gleich mit. Da die Warnung an die nachfolgende Yoko beinahe zu spät erfolgt, kann sie den Bienen so gerade noch ausweichen. Die beiden machen sich trotz stacheliger Gegenwehr daran, das Malheur zu beheben und geraten prompt in ein kleines Abenteuer.

Wie alles begann: In den ersten Kurzgeschichten um Yoko Tsuno, veröffentlicht im Album Unter Hochspannung, finden sich bereits viele Elemente der späteren Gesamtreihe, die einen hohen Reiz der Serie ausmachen. Technik, auch technische Spielereien (ein leichtes Bond-Flair), ein gewisses Maß an unheimlicher Atmosphäre und viel Herz. Die japanische Elektronikerin Yoko Tsuno wird entsprechend vorgestellt. Bereits in der Geschichte Überfall in Dolby-Stereo kommt Yoko einem Kriminalfall auf die Spur.

Aus heutiger Sicht ist diese Geschichte auch ein kleines Zeitdokument, präsentiert Autor und Zeichner Roger Leloup doch auch das Straßenbild jener Zeit und einen Stand der Technik der einen Meilenstein auf dem langen Weg bis zur heutigen technologischen Spitze aufzeigt. So sind die Versuche der deutschen und österreichischen Post, Briefe mit Raketen über die Alpen zu befördern, aus aktueller Sicht eine kuriose Idee.

Unheimlicher wird es mit dem Fall Die Schöne und das Ungeheuer, der die Begegnung mit einer Art technischem Yeti mitten in der Großstadt erzählt. Die gruselige Unterstimmung findet sich in vielen von Leloups Geschichten. Teils hat er sie sehr stark in bekannten Umgebungen eingesetzt (wie in Die Orgel des Teufels), teils entführte er den Leser mit ihnen auch ins Weltall. Maschinenwesen lautet der Titel dieses Sammelbandes, der neben Unter Hochspannung (Kurzgeschichten, die rein irdisch angesiedelt sind) auch die beiden Geschichten Die Stadt der Verbannten und Ethera aus dem Vinea-Erzählraum enthält. Letztere verwenden ebenfalls die perfekte Mixtur aus Rätseln, Abenteuer, sehr viel Technik und auch Gruselstimmung, die mit aufsässigen und lebensbedrohenden Maschinenwesen ganz von alleine entsteht.

Optisch darf der Leser hier einen direkten Vergleich zwischen dem Anfangsstadium einer Comic-Figur und seinem späteren Aussehen anstellen. In den frühen Auftritten ist Yoko mehr Mädchen als Frau, auch comichafter angelegt. In der späteren Ausarbeitung legt Roger Leloup seine Heldin weiblicher an. Der Wandel zeigt sich bereits in der Kurzgeschichte Der Trick mit den Bienen. Aber da es hier um Maschinen geht, muss auch diese Stärke Leloups hervorgehoben werden. Die Maschinenwesen, Roboter, sind teilweise niedlich, teilweise auch Furcht einflößend.

In den Wesenheiten wählt Leloup ein leichteres Aussehen als bei seinen übrigen Maschinen und Konstruktionen. Leloup liebt eindeutige Gestaltungen. Ungeordnete, sehr verschnörkelte Konstruktionen findet man bei Leloup nicht. Er ist ein Pragmatiker, sieht seine Raumschiffe, Weltraumstationen immer auch vom Standpunkt eines Benutzers. Ein ordentlicher Aufbau, Stromlinienformen ziehen sich konzeptionell durch seine Entwürfe für alles, das mit der außerirdischen Kultur Vinea zu tun hat. Die glatten und exakten Zeichnungen sorgen auch für eine gute Lesbarkeit, das Auge findet Ruhepunkte im Aufbau, der Genuss stellt sich für den Leser ganz von selbst ein. Anders gesagt: Leloup ist von der alten Schule, immer noch eine der besten, die es im Comic gibt.

Einmal Erde, zweimal Vinea hin und zurück: Wer Fan von Yoko Tsuno ist, kommt an diesen Geschichten nicht vorbei. Neulinge können durch die Vinea-Geschichten etwas verwirrt sein. Der Lesegenuss ist binnen kurzem auf jeden Fall gegeben, denn Roger Leloup hat einen Klassiker gestaltet, dessen Einfallsreichtum und Ausarbeitung zu den besten seines Genres gehört. 🙂

Yoko Tsuno Gesamtausgabe 6, Maschinenwesen: Bei Amazon bestellen

Freitag, 27. August 2010

Angor 1 – Flucht

Filed under: Abenteuer — Michael um 21:03

Angor 1 - FluchtTalinn, Evrane und Lorky haben ein Problem. Wie alle Heranwachsenden sind sie mit manchen (oder auch vielen) Ansichten nicht einverstanden. Besonders, wenn es ihre Zukunft betrifft. Talinn möchte Knappe werden, doch daheim hält sein Vater ihn nicht für fähig, dieses auch zu leisten. Besser wäre es, er hülfe auf dem Hof, wie es sich für einen Bauernsohn gehört. Evrane mag sich weder mit ihrer Stellung als Mädchen noch als Bauerntochter anfreunden. Sie übt den Schwertkampf. Sie will dazu gehören, obwohl ihre Mutter sie in ihre Schranken weisen will. Und Lorky? Der kleine Lorky will einfach da sein, wo etwas los ist. Eine Weissagung erklärt ihm, dass er davon bald mehr haben wird, als ihm möglicherweise lieb ist.

Jean-Charles Gaudin, Fantasy-Freunden von Marlysa her bekannt, startet mit Angor eine Reihe, die ein sehr jugendliches Abenteuer erzählt und ein wenig an Klassiker wie Taran von Lloyd Alexander erinnert. Nur hat der Leser hier die Wahl, sich seinen persönlich sympathischsten Helden herauszusuchen. Charakterlich sind die Hauptfiguren verschieden genug. Talinn, in sich gekehrt, ehrgeizig und hilfsbereit. Evrane, behutsam, bedacht, kämpferisch, auch ein wenig mütterlich zu den anderen. Lorky, die Jungenrolle in der Geschichte, der Naseweis, manchmal zu schnell mit der falschen Aktion bei der Sache. Und alle haben das Herz am rechten Fleck.

Dimitri Armand kann nicht verleugnen einen leichten Hang zu Disney-Filmen zu besitzen, insbesondere solche, die mit menschlichen Figuren arbeiten. Wer Filme wie Atlantis oder Der Schatzplanet gesehen hat, wird die Ähnlichkeit schnell feststellen. Schlanke Staturen, schmale, relativ spitz zulaufende Gesichter mit vergleichsweise großen, ausdrucksstarken Augen. Durch feinere Ausarbeitung und Kolorierung, die für Volumen sorgt, entsteht eine recht realistische Zeichnung. Mit all diesen Fertigkeiten, auch den Fähigkeiten zur Abstraktion, wie die Brakyas, eine Monstergattung, beweisen, empfiehlt sich Armand auch, in die Fußstapfen des verstorbenen Carlos Meglia treten zu können. (Canari wurde wegen des Todes des Zeichners nicht mehr vollendet.)

Bis auf die Brakyas verzichtet die Welt von Angor (weitestgehend) zunächst auf andersartige Gestalten. Vieles wirkt mittelalterlich, aber auch wie ein sehr sauberes Mittelalter. Dimitri Armand zeichnet sauber, penibel, jede Form von Perspektive beherrschend. Einige Szenen sind besonders spannend gelungen, allein durch die Wahl der Kameraführung. Die Ausstattung macht einen tollen Eindruck. Von Angor möchte man mehr sehen und es sind auch solche Einblicke wie in einen normalen Haushalt, die der Welt eine besondere Dichte geben.

Da Effekte relativ selten sind, ziehen sie umso mehr Aufmerksamkeit auf sich. Wie bereits auf dem Titelbild ersichtlich ist, spielt ein leuchtender Gegenstand eine besondere Rolle. Daraus ergeben sich, gerade zum Schluss, ein paar interessante Einblicke. Ein neuer Freund ist hier ein Stichwort, dessen Gestaltung sehr gelungen ist.

Ein gefälliger und sehr schön gestalteter Auftakt. Die Rätsel sind sparsam gesät, so behält die weitere Entwicklung der Handlung größtmöglichen Spielraum. Alles ist möglich. Für Fantasy-Freunde, die mehr an Abenteuern als an Schlachten und Kämpfen interessiert sind, könnte die Geschichte einen Blick (oder mehr) wert sein. 🙂

Angor 1, Flucht: Bei Amazon bestellen

Mittwoch, 25. August 2010

Die Legende der Drachenritter 9

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:28

Die Legende der Drachenritter 9 - Die VerblendetenDie drei Drachenritterinnen haben sich noch nie zuvor gesehen. Sie erwachen in diesem finsteren Raum und wissen nicht, wie sie hierher gekommen sind. Nachdem sie einander vorgestellt und sich von ihren Fesseln befreit haben, machen sie sich an die Lösung der dringlichsten Frage: Wie kommen wir hier wieder heraus? Das gestaltet sich jedoch sehr viel schwieriger, als die drei Frauen es sich vorgestellt haben. Sobald sie eine Tür aufgebrochen haben, wartet ein gewaltiges Höhlenlabyrinth auf sie. Im nächsten Augenblick, sie haben sich noch nicht von ihrer Überraschung erholt, strömt ihnen ein Rudel vom Übel befallener Monstren entgegen. Ab jetzt bleibt nur noch der Kampf.

Andernorts versucht ein Mann die Rätsel der Drachen zu ergründen. Damit hat er sich eine gefährliche Aufgabe gestellt, sind es doch einzig Jungfrauen, die nicht vom Übel in der Nähe von Drachen befallen werden und somit auch die einzigen sind, die in den Orden zu Rittern ausgebildet werden. Pater Hassan verwahrt ein Stück eines Zehs eines Drachen in seinem Laboratorium auf. Er beobachtet das langsame Wachstum des Übels rundherum. Seine Suche ist vom Geist eines Wissenschaftlers geleitet. Ein edles Motiv, aber nicht zur Gänze das einzige.

Auf den großen Kampf gegen einen Drachen müssen die Leser in dieser Episode verzichten. Die in sich abgeschlossenen Geschichten der einzelnen Bände aus der Reihe Die Legende der Drachenritter fügen sich wie Mosaiksteine zu einem großen Bild dieser Fantasy-Welt zusammen. Auf der einen Seite steht der einzelne Ritter oder auch eine Kampfgemeinschaft im leicht überschaubaren Gefecht gegen einen Drachen. Auf der anderen Seite existieren verschiedene politische Positionen innerhalb wie außerhalb der einzelnen Drachenorden. Hier geht es um Macht. Manche wollen die Orden entmachten. Einige wollen neutral bleiben. Wieder andere wollen die weltliche Macht brechen und die Orden an die Spitze einer neuen Ordnung setzen.

Das Autorenduo AnGe setzt sich mit dieser Reihe ein eigenes kleines Denkmal. Die Vielfalt der Reihe ist vorbildlich und zeigt jüngst einmal mehr, was alles aus einer Welt im Comic herauszuholen ist. Auch ist es ihrer Erzählkunst zu verdanken, dass stetig neue Charaktere etabliert werden können, die immer neue Facetten dieses Universums zeigen. Die Wirkung wird durch den steten Wechsel der Zeichner noch verstärkt.

Francisco Ruizge pflegt einen realistischen, aber auch reduzierten Zeichenstil. Mit klaren knappen Linien, die sich bereits aus dem Titelbild ersehen lassen, entstehen Bilder, in denen eindeutig die Charaktere im Vordergrund stehen und weniger die Kulissen. Diese beherrscht er zwar, allerdings haben AnGe der Weltenzeichnung in diesem Band keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So fällt es Ruizge zu, die kämpfenden Frauen ebenso zu begleiten wie auch den Intrigenspielen an der Oberfläche. Das ist sehr gut gelungen und die Wirkung ähnelt einem Blick durch eine Kamera, die immer den besten Winkel sucht, um die Emotionen seiner Darsteller einzufangen.

Die von Stephane Paitreau und Eiko Takayama eingesetzten Farben, geben den Zeichnungen von Ruizge die nötige Fülle. Licht ist stets in ausreichendem Maße vorhanden, auf extreme Helldunkeleffekte wird verzichtet. Weitere Effekte wie Füllmuster zur Darstellung von Gesteinsoberflächen oder ähnlichem erfolgen sparsam, ohne abzulenken.

Vorzüglich: Einerseits als ernsthafte Fantasy-Geschichte mit sehr gut geschilderten Charakteren, andererseits einer der herausragenden Bände der Reihe (die meist überdurchschnittlich ist). Mit Francisco Ruizge wurde ein Zeichner für diese Episode gefunden, der seine Bilder mit schöner Einfachheit entwirft und ein Auge für klare Linien hat. Ein im besten Sinne feiner Albenstil. 🙂

Die Legende der Drachenritter 9, Die Verblendeten: Bei Amazon bestellen

Dienstag, 24. August 2010

Prometheus 2 – Blue Beam Project

Filed under: SciFi — Michael um 19:26

Prometheus 2 - Blue Beam ProjectDie fünf Torpedobomber fliegen akkurat in Formation, als die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Am Himmel sind merkwürdige blinkende Lichter zu sehen. Schon hat der Bomberverband die Orientierung verloren. Das nur wenig später aufsteigende Suchflugzeug empfängt noch eine Nachricht des Staffelkommandanten. Dieser warnt die Empfänger, ihnen nicht zu folgen, denn die sähen aus wie … Kaum reißt die Nachricht ab, als das Suchflugzeug auf des Rätsels Lösung stößt und selbst vom Himmel verschwindet. Aber nicht aus der Geschichte.

Heute. Eine Vielzahl von Flugzeugabstürzen rund um den Globus haben die gesamte Menschheit erschüttert. Nachrichtensendungen berichten, Experten haben sich an die Ursachenforschung gemacht. Eine Lösung für diese weltweit gleichzeitig auftretenden Katastrophen ist nicht in Sicht. Alle stellen nur Fragen, grübeln über Theorien, Antworten finden nur im Ausschlussverfahren statt. Derweil häufen sich weitere mysteriöse Ereignisse und lang gehütete Geheimnisse kommen ans Licht.

Christophe Bec hat eine interessante Verschwörungstheorie als Grundlage seiner Geschichte genutzt. Das Blue Beam Project ist ein mehrstufiger Plan zur Einung der Weltgemeinschaft unter eine einzige Glaubensrichtung. Verkürzt gesprochen. Mysteriöse Ereignisse und Naturkatastrophen werden als Vorboten gedeutet. Ein neuer Messias wird der Welt vorgestellt. Sendungen auf verschiedenen Wellenlängen sollen göttliche Botschaften vortäuschen und das Unterbewusste des Menschen erreichen. Schließlich werden Projektionen von außerirdischen Raumschiffen am Himmel dazu verwendet, um eine externe Bedrohung der Menschheit vorzuspiegeln.

Christophe Bec verwendet eine Verschwörungstheorie auf der Basis des 1996 verstorbenen Journalisten Serge Monast. Der Kanadier Monast entwickelte wohl in den frühen 90er Jahren Theorien über die Verschwörung zur Begründung einer neuen Weltordnung, herbeigeführt durch die NASA, National Aeronautics and Space Administration, und der UNO. (Mel Gibsons Charakter in Fletchers Visionen soll auf die reale Figur von Monast zurückgehen.) In der vorliegenden Ausgabe ereifert sich ein Schriftsteller namens Barnes in einem Fernsehinterview über das Blue Beam Project und stellt es ausführlich vor.

Bec arbeitet mit Versatzstücken, die scheinbar unzusammenhangslos erscheinen. Er nimmt nicht nur für seine Charaktere gerne reale Schauspieler als Vorlage, er verwendet auch reale Ereignisse und fügt sie passend in seine Geschichte ein. Es ist zweckmäßig, diese auch wiederzuerkennen. Im Auftakt stößt der an UFO-Mythologie interessierte Leser auf das Verschwinden einer Bomberstaffel im allseits bekannten Bermuda-Dreieck im Dezember 1945, zuzüglich des Verschwindens des später ausgeschickten Suchflugzeugs. Der berühmte Flug 19, fünf Flugzeuge des Typs TBF Avenger, inspirierte schon Steven Spielberg für seine Unheimlichen Begegnungen der Dritten Art.

Auf seine Art schafft Bec eine moderne Version einer Begegnung mit Aliens und die berühmte Frage, ob da sonst gar nichts mehr ist (außer uns), wird sogar eindrucksvoll beantwortet.

Optisch erwartet den Leser, wenn schon nicht ein Kino-Blockbuster, so doch wenigstens ein TV-Blockbuster im Stile von V. Christophe Bec lässt es sich nicht nehmen, selbst auf diesen SF-Klassiker aus den 80er Jahren hinzuweisen. Zitate finden sich auch mit der Wiederkehr der Titanic, der echten, wie auch mit einem feurigen Meteoritenhagel im Stile von Armageddon. Bec überlässt nichts dem Zufall. Er setzt auf klare Linien, was manchmal einen etwas hölzernen Eindruck in den Gesichtern der Akteure hinterlässt, in den sonstigen Darstellungen aber überhaupt nicht stört. Im Gegenteil entsteht hier ein stark dokumentarischer Eindruck. Farblich setzt Bec diese Linie fort. Die Bilder wirken, als habe Bec Fotografien in farblicher reduzierter Fassung in Comic-Bilder übersetzt.

Weiterhin sehr rätselhaft, aber immerhin wirft Christophe Bec dem Leser ein paar Lösungsansätze hin, während er aber noch selbst den aufmerksamsten Betrachter im Unklaren lässt, wie es nun ausgehen wird. Spannend. Die Kenntnis des ersten Teils ist ein Muss. 🙂

Prometheus 2, Blue Beam Project: Bei Amazon bestellen

Freitag, 20. August 2010

O’BOYS 2 – Zwei Katzen auf dem heißen Blechdach

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:51

O′BOYS 2 - Zwei Katzen auf dem heißen BlechdachHuck Finn möchte seinen Bruder finden. Mehr ist ihm von seiner Familie nicht geblieben. Er und sein schwarzer Freund Charley Williams können sowieso nicht lange an einem Ort bleiben, denn Charley wird wegen Mordes an Huck gesucht. Doch das soll Charley nicht wissen. Um unterzutauchen, um sein altes Leben endgültig hinter sich zu lassen, hatte Huck eine einmalige Gelegenheit genutzt und seinen eigenen Tod inszeniert. Eine Leiche konnte nicht von der Polizei gefunden werden, aber die zahlreichen von der Polizei gefundenen Indizien sprechen für einen Mord. Da passt es sehr gut ins Konzept, dass ausgerechnet Hucks Verschwinden mit dem Verschwinden eines Schwarzen zusammenfällt, der ohnehin unbeliebt gewesen ist.

Huck und Charley leben das Leben der Hobos immer intensiver. Die Tramps, die auf der Eisenbahn reiten, teils aus der Notwendigkeit, einen Job finden zu wollen, teils als Flucht, teils, weil sie so sind und nichts anderes kennen wollen, werden zu Hucks und Charleys Begleitern. Die Reisen bergen Gefahren. Die Bremser, Bahnmitarbeiter, wollen sie verjagen, wenn nötig auch einfach vom Zug werfen. Andere Hobos können gefährlich sein. Aber in dieser Zeit, in der Jobs Mangelware sind und manche Menschen aberhunderte von Kilometern zurücklegen, nur um einem Gerücht über eine Anstellung hinterherzujagen, entsteht auch Enthusiasmus, eine Strömung, die Besseres verspricht.

Eines Tages glaubt Huck, eine Spur gefunden zu haben. Ein geheimnisvoller Snake könnte ein neuer Anführer sein, einer, der die Hobos zusammenführt, eine Einheit unter den Arbeitern herstellt. Und dieser Snake könnte sogar Hucks verschollener Bruder sein.

Zwei Katzen auf dem heißen Blechdach. Sie sind Katzen, Streuner. PhilippeThirault und sein Co-Autor Steve Cuzor, der hier auch als Zeichner arbeitet, schicken ihre Helden gleich zu Beginn, geradezu titelgebend auf eine alte herrschaftliche Plantage, die in ihrer Optik an das Anwesen aus dem berühmten Drama nach der Vorlage von Tennesse Williams erinnert. Allerdings gab es dort nur eine Katze namens Elisabeth Taylor. Thirault und Cuzor gönnen den beiden Freunden lediglich einen kurzen Ausflug. Der Schwerpunkt neben der Suche nach Hucks Bruder liegt auf den Wahnvorstellungen von Charley.

Seit dieser eine Gitarre eines Fremden übernahm, dieser ihn in Drogenrausch versetzte, erkennt Charley häufig und meist vollkommen unerwartet jene dämonische Gestalt namens Lucius wieder. Zu Hucks Leidwesen wird Charley dadurch unberechenbar. Thirault und Cuzor haben sich einiges einfallen lassen, um selbst den Leser im Unklaren zu lassen, ob Charleys Visionen und Fähigkeiten nun echt sind oder nicht.

Die beiden Erzähler berichten von einem harten Los. Steve Cuzor setzt dies in mitleidlosen Bildern um. Es gibt keine Unterschichtromantik, dafür aber Andeutungen. Der Schrecken darf im Kopf entstehen. Cuzor zeigt den Weg zum Drama. Größere Katastrophen werden mitunter gezeigt. Wenn ein Lokführer seine Maschine nicht wegen eines auf den Schienen liegenden Autowracks nicht drosselt, da er es den Hobos zeigen will und der gesamte Zug in einer regelrechten Weltuntergangsstimmung entgleist, ist die Szene sinnbildlich für die gesamte Handlung. Hier bremst niemand (na, kaum jemand) für den anderen.

Optisch darf sich der Leser auf eine glatte 1 freuen. Steve Cuzor zeichnet Bilder, die an einen Entwicklungsweg des jungen Jean Giraud (Blueberry) hin zum alten Moebius erinnern. Vergleichsweise kann auch ein Colin Wilson (ebenfalls Blueberry) genannt werden. Cuzor hat einen sicheren Strich, pinselartig aufgetragen, immer nur so dick wie nötig. Die Farben, per Computer aufgetragen von ihm und Meephe Versaevel, beschränken sich auf Grundstimmungen. Allzu viele Feinheiten finden sich hier nicht, so dass es eine Konzentration auf die feinen Zeichnungen von Cuzor gibt. Der Gesamteindruck ist optimal.

Tolle Fortsetzung: Das Leben auf der Wanderschaft wird eindrucksvoll von Philippe Thirault und Steve Cuzor forterzählt. Beide Figuren wachsen einem ans Herz. Eine stimmige und technisch feine Grafik machen dieses Abenteuer zu einem Erlebnis. 🙂

O′BOYS 2, Zwei Katzen auf dem heißen Blechdach: Bei Amazon bestellen

Mittwoch, 18. August 2010

Alim der Gerber 4

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:53

Alim der Gerber 4 - Dort, wo die Blicke glühenDer Sumpf scheint undurchdringlich. Nicht nur die Natur birgt Gefahren. Geheimnisvolle Angreifer scheuen sich nicht, den Anführer der Expeditionsgruppe, Khelob, anzugreifen. Mehr glücklich als geplant kann er überleben. Alim, der mit der Gruppe eher ungewollt unterwegs ist, aber keine andere Wahl hat, wird inmitten einem vom Meutereigedanken aufgewühlten Soldatentruppe, auch noch zum Heiler von Khelob. Dabei sähe er diesen, nach allem was geschehen ist, lieber tot als lebendig. Langsam nähern sich die Wanderer der Propheteninsel, wo sich ihrer aller Schicksal erfüllen soll.

Viel Zeit ist vergangen. Alim kann nicht mehr damit rechnen, seine Tochter jemals wiederzusehen. Allerdings weiß Autor Wilfrid Lupano, was er seinen Lesern schuldig ist, die er auf den Leidensweg von Alim führte. Aber Alims Schicksal ist es nicht alleine, das hier seine Auflösung erfährt. Auch Khelob, fanatischer Hohepriester, und Torq Djihid, sein loyaler und brutaler Heerführer, werden an das Ende ihres Weges gelangen. Wilfrid Lupano gelingt der Trick, zeitweilige Sympathie für diese bislang als Verbrecher und menschliche Monster dargestellten Männer herauszuarbeiten.

Jesameth und Blicke, die glühen. Alles dreht sich um den Gott, von dem viele Antworten erwarten. Wilfrid Lupano gibt sie ihnen. Es sind nur nicht die, die auch der Leser vielleicht nach der bisherigen Erzählung erwartet hat. Durch den Wechsel der Geschichte in den Dschungel und später auf die paradiesische und doch ungewöhnliche Insel entstehen viele neue Aspekte, die Lupano mit den bestehenden Ereignissen verknüpft. Damit ist auch schon ein Erfolgsgeheimnis des Vierteilers gelüftet: Die zwanglose Schilderung der Länder, ihrer Kulturen und Vegetationen, all das schafft einen dichten Teppich, auf dem sich die Handlung mit der Leichtigkeit eines Flipperballs bewegt. Jeder Anstoß befördert die Geschichte weiter und vor allem: Unvorhersehbar.

Virginie Augustin, die mit diesen vier Ausgaben ihr Serien-Debüt gibt, hat eine tolle Leistung vollbracht. In der optischen Tradition neuerer Werke des Studio Ghibli ist eine grafisch pralle Geschichte entstanden. Virginie Augustin hatte mit unterschiedlichen Herausforderungen umzugehen. Besonders herrlich sind ihre Darstellungen der Städte gelungen. Kostüme wandeln vor diesen Kulissen. Viele verschiedene Gesichtausdrücke machen aus den Figuren Schauspieler. Augustins Technik ist es zu verdanken, dass aus den Ereignissen um Alim und seine Tochter Bul mitreißende Comic-Schicksale werden.

Ähnlich wie bei einer Prinzessin Mononoke (einem Film aus dem Studio Ghibli) täuscht der grafische Stil zunächst. Manch einer der älteren Generation mag die Zeichnungen mehr in Richtung ebenfalls älterer Zeichentrickserien rücken. Letztlich kommt Alim der Gerber aber stellenweise auch mit einer optischen Härte daher, wie SciFi-Fans von Akira her kennen. Die scheinbare Einfachheit mancher Strichführung macht Augustin durch die eigene, sehr natürlich wirkende Farbgebung wieder wett. Manchmal weiß ein ausführender Künstler am besten, wie seine Bilder koloriert aussehen sollen.

Eine schöne Zuspitzung der Ereignisse, die noch allerhand Überraschungen und Wendungen bereithält. Wilfrid Lupano weiß seine Leser mit traurigen Geschehnissen zu schocken. Virginie Augustin lässt diese Fantasy-Welt durch ihre feinen Bilder zum Leben erwachen. In seiner Gesamtheit eine tolle Abenteuergeschichte. 🙂

Alim der Gerber 4, Dort, wo die Blicke glühen: Bei Amazon bestellen

Sonntag, 15. August 2010

Luc Orient – Planet der Angst

Filed under: SciFi — Michael um 20:08

Luc Orient - Planet der AngstDer Planet Terango: Noch immer sind Luc Orient und seine Freunde auf dem fremden Planeten. Nachdem sie den Einheimischen im Kampf gegen den Tyrannen Sectan geholfen haben, sind sie nun auf der Suche nach weiteren Verbündeten in der weiten Wildnis des urwüchsigen Planeten. An der Seite seines außerirdischen Freundes Galax-Ahj erkundet Orient die Buchten eines größeren Gewässers, als ein Unfall die Freunde zum Halten zwingt. Kurz darauf finden einen weiteren auf dem Planeten ansässigen Stamm, allerdings werden sie zunächst alles andere als freundlich begrüßt. Die Drachenmenschen legen sie herein. So hatte sich Luc Orient eine Kontaktaufnahme nicht vorgestellt. Wenig später findet er sich nicht nur in einem Befreiungskampf wieder. Für seine Freunde und ihn geht es um Leben oder Tod.

Greg und Eddy Paape schufen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts einen Helden, der so ganz in die Erzähltradition jener Zeit passte. Das Universum war irgendwie hipp, bunt, ein wenig fifty-futuristisch. Vieles wirkte wie die Auswüchse von Barbarella. Es ist auch abseits anderer bekannter SF-Epen wie Storm, Trigan oder phantastischer Geschichten aus der Reihe Yoko Tsuno. Es wirkt kitschiger, ohne diese Beschreibung nun negativ zu verstehen. Vergleichweise könnte die SF-Serie Dani Futuro herangezogen werden, die wie Luc Orient im französischen Magazin Tintin erschien.

Die 60er und die 70er Jahre brachten gerade im Phantastik-Bereich eine Quietischi-Klicki-Bunti-Utopie unter die Leser, Ausläufer einer Zeitperiode, als die Fahrzeuge noch besonders bauchig und später mit Heckflossen ausgestattet waren. Es war die Zeit, als ein schöneres Wohnen mit Elementen von kugeligem und knallbuntem Plastik in Verbindung gebracht wurde. In dieser Atmosphäre entstanden diese Science-Fiction-Geschichten, deren Optik heutzutage manchmal belustigt, die dank Autoren wie Greg ebenso spannend waren wie aktuell erzählte Geschichten.

Luc Orient ließ, sofern er sich auf fernen Gestaden bewegte, natürlich optische Freiheiten, die ein versierter Zeichner wie Eddy Paape zu nutzen wusste. Fremdartige Vegetation und unheimliche Tiere, rauchende Landschaften waren eine perfekte Kulisse, um jugendliche Leser in andere Welten zu entführen. Kleidung, Erscheinungsformen intelligenter Wesen, seltsam einfach anmutende, aber enorm zerstörerische Waffen und grimmige Endgegner legten schon vor Jahrzehnten die Grundlage für Konzepte, die sich immer noch in allen Bereichen von Comic, Film, Unterhaltungsroman oder auch Computerspielen finden.

Keine Schwarzweißmalerei: Durch seinen Einsatz erwirbt sich Luc Orient das Vertrauen der Drachenmenschen. Auf Angriffslust folgt Freundschaft, nicht generell durch das gesamte Volk, aber immerhin: Das Böse gibt es nicht. Eddy Paape schafft eine Kreuzung zwischen Mensch und Gorilla. Auf der grauen Haut der muskulösen Wesen prangt ein bunter Drachenkamm von der Schädeldecke hinunter zum Nacken. Demgegenüber stehen geflügelte Kreaturen, ebenfalls intelligent, das Volk der Berge, das viel schlanker und andersfarbig daherkommt. Nimmt man die Menschen und ihre Freunde des Planeten Terango hinzu entsteht so ein vielfältiges Gemisch, mit dem Paape besonders in Action-Szenen sehr gut zu spielen vermag.

Klassische Abenteuer: Unterhaltung pur, sorgfältig erzählt, technisch versiert, Tiefgang wird hier nicht benötigt. Ein knalliges und völlig rundes Space Opera Abenteuer, mit allem was das Leserherz begehrt. Auch seit seinem ersten Auftritt 1967 gehört Luc Orient immer noch in die erste Liga der Comic-Reihen. 🙂

Zack Album 16, Luc Orient, Planet der Angst

Freitag, 13. August 2010

Jeff Jordan Gesamtausgabe 3

Filed under: Cartoon — Michael um 19:18

Jeff Jordan Gesamtausgabe 3Jeff Jordan wähnte sich auf der sicheren Seite, als er die Reise nach Gomen antrat, einem kleinen Emirat am Persischen Golf. Er hatte nicht mit derartigen Problemen gerechnet. Denn kurz nach seiner Ankunft wird er auf unsanfte Weise entführt und eingesperrt. Doch Jordan hat nicht nur den nötigen Schneid, er hat auch einen Unimog, mit dem er sich durch ein verschlossenes Tor selber Auslass verschafft. Leider ist er völlig auf sich allein gestellt, in einem fernen und unbekannten Land. Augenblick! Auf sich allein gestellt? Nicht so ganz, da zwei viel bekanntere Freunde Jordans bereits zur Rettung nahen.

Maurice Tillieux dürfte einer der wenigen Comic-Zeichner weltweit sein, die wegen ihrer Arbeit ins Innenministerium einbestellt wurden. Nun, spezifizieren wir es noch auch die westliche Welt. Dennoch ist dieser Vorfall sicherlich ein Kuriosum in der Karriere von Tillieux, der diesen Besuch sogar zusammen mit seinem Kollegen Morris (Lucky Luke) absolvierte. In der vorliegenden Gesamtausgabe, die im Vorfeld viele interessante Details aus dem Wirken von Maurice Tillieux vorstellt, vereinen sich außerdem die vier Alben Geheimauftrag für Jeff Jordan, Anschlag im Reisfeld, Heiße Jagd nach kalten Pelzen und Eine explosive Erfindung.

Das französische Kino hat nicht wenige Klassiker geschaffen. Ein Film davon ist Lohn der Angst mit Yves Montand, eine Geschichte über einen schier unmöglichen Transport von Nitroglyzerin. Nicht selten haben sich Comic-Autoren filmischer Vorlagen bedient. Maurice Tillieux griff die Grundidee, einen Lastwagen über eine gefährliche Gebirgsstraße zu schicken, in Anschlag im Reisfeld wieder auf.

Es sieht funny aus, ist aber auf jeder Seite spannungsgeladen. Zwar gibt es die Trottel, die immer wieder versuchen, die allseits beliebten Helden Jeff Jordan, Teddy und Inspektor Stiesel aufzuhalten (auch mit dem nötigen Ernst) und trotzdem scheitern. Die Schwierigkeiten, die sie dem Trio bescheren, sind allerdings immens. Nicht weniger spannend, dafür weitaus lustiger (oder besser: gewohnt lustig) sind die anderen Geschichten in diesem Band. Als Comic-Fan meint man sogar eine kleine Hommage zu entdecken. Die Abenteuer um eine gigantische Forschungsanlage wie auch um geheimnisvolle Explosionen in einem Garten könnten auch einem Roger Leloup (Yoko Tsuno) eingefallen sein.

Während ein Geheimauftrag für Jeff Jordan den arabischen Diktator tölpelhaft aussehen lässt, sind es die französischen Gangster nicht minder, dafür lassen sie sich bei ihrem Mordgeschäft aber viel ausgeklügeltere Methoden einfallen. Nun ist ein Teddy, der Kamerad von Jeff Jordan manchmal nicht weniger tölpelhaft (das liegt auch in seiner Funktion begründet, wenn ihm Stiesel diesen Part nicht abnimmt), dafür ist er jedoch ausaußerdentlich sympathisch. Hier darf er mit einer Idee brillieren, die ihresgleichen sucht. Maurice Tillieux nimmt in seiner Geschichte Der heiße Wind so ganz nebenbei Fahrzeugtuner auf die Schippe.

Teddy ersteht einen Oldtimer und lässt diesen mit einer Unmenge von PS ausstatten, die selbst den stärksten Asphaltboliden alt aussehen lassen. Der Gipfel ist jedoch sein Tandem-Auto, wenn man es so nennen mag, eine herrliche Konstruktion. Die Idee zur Handlung mit einem Auto holte Tillieux vermutlich aus Jupp Heister und Herr Jemine. In dieser Humorreihe trat Tillieux als Texter in Erscheinung, ließ es sich aber nicht nehmen, beinahe jede Seite auch vorzuzeichnen. Alte Comic-Hasen werden die Spaßattacken um einen alten Ford T auch unter dem Namen Marcus und Herr Müller kennen.

Geschichten auf Albenlänge, Kurzgeschichten, sogar illustrierte Erzählungen, die Bandbreite von Maurice Tillieux war groß. Dieser dritte Sammelband der Reihe Jeff Jordan zeugt von seinem erzählerischen Talent, in das er sich nicht hineinreden lassen wollte und immer wieder unter Beweis stellte, dass er damit richtig lag. Ein vorbildlicher Klassiker! 🙂

Jeff Jordan Gesamtausgabe 3: Bei Amazon bestellen

Donnerstag, 12. August 2010

Prince of Persia – Vor dem Sandsturm

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:39

Prince of Persia - Vor dem SandsturmDie Halunkenbande, die hier vor dem Richter erscheinen muss, wirkt nicht so, als sei sie besonders vermögend. Schlimmer noch: Eigentlich dürften sie nicht im Besitz königlicher Gegenstände sein, dennoch behaupten sie (wenigstens in diesem Fall), keine Diebe zu sein. Ein jeder erzählt seine Geschichte. Scheich Amar, der scheinbar der Anführer der Gruppe ist, berichtet, wie er einstmals den berühmten Prinzen Dastan traf, lange bevor dieser ein Prinz war. Scheich Amar saß damals hinter Gittern, wegen einer kleinen harmlosen Geschichte. Das versteht sich von selbst. Und Prinz … nun, der einmal ein Prinz sein wird. Dieser fand sich in der Zelle wieder, weil er einer Prinzessin zu nahe getreten war. Weshalb auch sonst.

Bekommen die einen Schwierigkeiten wegen einer Frau, haben die anderen Probleme weil sie eine Frau sind. Dinarzad wird noch als junge Frau verkauft und in einen Harem gebracht. Aber seltsamerweise, bei aller Pracht und sehr guter Behandlung, lässt sich kein Mann blicken. Doch schneller, als ihr lieb ist, erfährt sie, was es mit dem seltsamen Harem auf sich hat. Für sie besteht zunächst keine Gefahr. Aber die Liebe lässt sie ein Wagnis eingehen und sehr bald steht ihr Leben auf dem Spiel.

Vor dem Sandsturm: Scheich Amar, in der Verfilmung des Computerspiels Prince of Persia von Alfred Molina gespielt, führt den Reigen der Geschichtenerzähler an, für die es hier um Kopf und Kragen geht. Jordan Mechner, an der Grundgeschichte des Films wie auch an den zugrunde liegenden Computerspielen beteiligt, ist der Autor der vorliegenden Geschichtensammlung und mit seinem beruflichen Hintergrund bestens geeignet, um diese Abenteuer mit Leben zu füllen.

Es sind spannende Abenteuer, schlitzohrige und traurige Erlebnisse. Einige besitzen viel Herz, andere erzählen von Kriegern. Wer den Film nicht gesehen, die Spiele nicht gespielt hat, wird den Geschichten trotzdem folgen können. Jedes einzelne Erlebnis (ich möchte es nicht unbedingt immer als Abenteuer bezeichnen) wird von einem anderen Zeichner gestaltet. Das Titelbild wurde eigens von Todd McFarlane (Spawn) gezeichnet. Sein Bild gehört zu jenen Darstellungen, die um mehr Realismus bemüht sind.

Eine besondere Variante dieser Bilder findet sich mit der Geschichte von Sharzad, die eine Episode aus dem Leben von Prinzessin Tamina und Asoka erzählt. Zeichner Tommy Lee Edwards fertigt seine Bilder dergestalt an, als seien sie von Fotografien abgemalt, genauer gesagt, durchgepaust worden. Eine ausgefeilte Kolorierungstechnik sorgt für einen sehr plastischen Eindruck und sicherlich für die lebendigste Geschichte des vorliegenden Bandes.

Exemplarisch für einen eher manga-orientierten Zeichenstil steht die erste Handlung um Scheich Amar. Bernard Chang stilisiert und arbeitet mit sehr sauberen und klaren Linien. Eine ebenso klare Farbgebung mit scharfen Abgrenzungen bildet eine Vorstufe zur Zeichentrickatmosphäre. Diese erreicht Cameron Stewart mit seinen Bildern über einen Lebensabschnitt von Roham, einem tapferen Krieger. Seine Bilder rücken in die Nähe eines Darwyn Cooke (The Spririt). Tom Fowler hat sich der Überleitungen zwischen den einzelnen Erzählungen angenommen. Der Strich ist etwas ruppig, auch fett, er karikiert ein wenig. Fowler versteht sich auf Gestalten, die sich gut voneinander abgrenzen und eigenen Charakter besitzen.

Ein gelungener Band zum Film, vorbildlich in seiner Ausführung, unterhaltsam und spannend. Jordan Mechner füllt mit seinen Kurzgeschichten einige Hintergründe und rückt Nebenfiguren mit leichter Hand in den Vordergrund. 🙂

Prince of Persia, Vor dem Sandsturm: Bei Amazon bestellen

Links:
cameronstewart.blogspot.com (Blog von Cameron Stewart)
www.sintitulocomic.com/2007/06/17/page-01/ (SIN TITULO, Online-Comic von Cameron Stewart)
bigbugillustration.blogspot.com (Blog von Tom Fowler)

Samstag, 07. August 2010

Kirihito 3

Filed under: Thriller — Michael um 14:28

Kirihito 3Dr. Urabe hat seine monströse Natur angenommen. Er wehrt sich nicht mehr gegen sie. Langsam höhlt sie ihn aus, treibt ihn dem Ende entgegen, denn er erkennt sich als das, was er ist. Einmal noch möchte er eine gute Tat vollbringen. Nicht, um etwas zu entschuldigen. Das kann er nicht. Kirihito ist in einer ähnlichen dunklen Verzweiflung. Im Gegensatz zu Dr. Urabe hat er sich zur Rache entschlossen. Mehr und mehr Fakten kommen an das Tageslicht. Mit den Enthüllungen wächst auch Kirihitos Entschluss seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen, doch als es dann soweit ist …

Ein versöhnliches Ende, mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählt. Aber der dritte und abschließende Band kommt auch an dramatischen Wendungen und Ereignissen nicht vorbei. Kirihito Osanai, der Arzt, der von der Monmo-Krankheit befallen worden ist, hat nach einer sehr langen Odyssee endlich einen Rückzugsort gefunden. Immer noch haben die Menschen eine gewisse Grundfurcht vor ihm. Sein Äußeres, entstellt durch die Krankheit, an einen Hund erinnernd, lässt sie glauben, er werde sich vielleicht auch einmal so verhalten, wenn er in Wut gerät. Tatsächlich aber brauchen sie seine Fähigkeiten als Arzt, da sich sonst niemand um sie kümmert.

Osamu Tezuka, Autor und Zeichner dieses Dreiteilers, aufgrund seiner Verdienste und jahrzehntelangen Arbeit auf dem Gebiet des Manga und des japanischen Zeichentrickfilms als Manga-Gott verehrt, besticht diese Geschichte allein schon durch ihre Länge und den bis ins Kleinste durchdachten Handlungsbogen.

Was würden Ärzte für ihre Patienten wie auch für ihre Forschungen auf sich nehmen und verantworten? Osamu Tezuka gibt darauf keine einseitige Antwort. Allein aus dem Schicksal der Hauptfigur Kirihito entstehen eine Reihe von Ansätzen. Auch unterteilt Tezuka seine Antworten nicht in Schwarz oder Weiß. Über eine variantenreiche Grautönung entsteht ein realistisches Bild, aber kein tröstliches. Denn selbst jene, die helfen wollen und sich darum bemühen, geraten zu oft an ihre Grenzen oder verstricken sich in Entschuldigungen, um es gar nicht erst zu versuchen. Dahinter steckt keine böse Absicht, sondern ein eingefahrenes System. Tezuka, der 1989 starb, zeigt eine Gesellschaftsordnung, die aktueller denn je ist.

Mit rund 280 Seiten ist auch der dritte Band ein großes Lesevergnügen. Tezuka nimmt den Leser mit um die Welt und schafft dramatische Szenen, die von Einfallsreichtum und Einfühlungsvermögen in die eigenen Figuren zeugen. Kirihito findet Freunde und verliert sie wieder, teilweise durch sehr drastische Ereignisse. Der Tod seiner Freundin Lihua, mit der Kirihito bereits so viel durchgestanden hat, ist nur ein Beispiel für die wendungsreiche und häufig erschütternde Geschichte.

Die losen Enden der einzelnen Handlungsfäden münden langsam in das Finale. Langsam bedeutet, dass Tezuka seine Geschichte wirklich bis zur letzten Seite auskostet und einen ausführlichen Epilog kreiert, der wenigstens Hoffnung verspricht. Mehr darf der Leser nicht erwarten. Ein glorreiches Happy End wäre auch viel zu viel verlangt gewesen. Tezuka schickt seinen Helden um die Welt, dennoch erinnert es mit seinen vielfältigen Szenen an ein Kammerstück. Selten nur gibt es Außenaufnahmen, die Größe oder Weite vermitteln. Tezukas Welt ist eng und klein, denn es gibt auch kaum einen Ort, an den Kirihito fliehen könnte, um dort wirklich sicher zu sein.

Die Bilder schwanken zwischen höchst realistisch und eher kimba-niedlich. Dieser Gegensatz ist durchweg, vom ersten Band an, gewöhnungsbedürftig, ist aber gleichzeitig ein Gestaltungsmittel. Es gibt und nimmt Schärfe aus der Handlung. Manchmal entsteht der Eindruck einer gruseligen Gutenachtgeschichte, manchmal ist es ein beinharter Thriller und Verbrecherhatz. Die vielen Aspekte in Kirihito, gestalterisch wie auch erzählerisch, machen es unmöglich, die richtige oder die eine Schublade dafür zu finden bzw. es in ein Genre einzugrenzen.

Mitreißend, tiefgründig, manchmal unerträglich spannend, so präsentiert sich der dritte und letzte Teil über Kirihoto. Osamu Tezuka hat in dieser 1970 in Japan zuerst erschienenen Geschichte eine Handlung geschaffen, die angesichts vieler neuer Krankheitsgeißeln auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung immer noch wirkt und hoch aktuell ist. 🙂

Kirihito 3: Bei Amazon bestellen