Zum Inhalt springen


Comic Blog


Donnerstag, 31. Dezember 2009

Die weiße Tigerin 5 – Das Jahr des Phönix

Filed under: Cartoon — Michael um 18:22

Die weiße Tigerin 5 - Das Jahr des PhönixDie weißen Tigerinnen haben ein Geheimnis. Es gibt einen ungewöhnlichen Weg, die Geheimagentinnen zu identifizieren. Es ist ein Erkennungszeichen, das nur Eingeweihte kennen dürfen. Leider, wie so oft in der Geheimdienstbranche, gerät das Geheimnis in die falschen Hände. Für Alix Yin Fu ist dies der Auftakt zu einem neuen Abenteuer, das sie diesmal in weite Ferne führt, ins Herz des europäischen Kolonialismus: Nach London. Ein Glück für sie ist, dass sie diese Reise nicht alleine bestreiten muss. Zwischen all jenen, deren Befehle sie bislang befolgte, gibt es nämlich einen, dem sie uneingeschränkt vertrauen kann: Maurice Rousseau, den alle nur den Dreifarbigen Drachen nennen.

Die weißen Tigerinnen müssen fliehen. Nach allem, was die Agentinnen durchgestanden haben, nach all der Treue, mit der sie ihren Dienst versehen, ist Flucht das einzige, das noch geblieben ist, um ihre Organisation zu retten. Alix Yin Fu, eine ansonsten schon sehr zurückhaltende junge Frau, hat infolge der Ereignisse noch weniger Grund zum Lächeln als gewöhnlich. Hinzu kommt, dass es eine der gefährlichsten Missionen ihres Lebens ist.

Wilbur (Autor) und Conrad (Zeichner) haben eine spannende Geschichte ausgeheckt, die ein Agentenszenario vom Feinsten ist. Im Mutterland des MI6 darf ein entsprechender Geheimagent natürlich nicht fehlen. Nach mit dem Dreifarbigen Drachen bereits in Schauspieler karikiert wurde (Jean Reno), darf sich ein Mann, dessen schmalen Augen, kantiges Kinn und leicht abstehenden Ohren dem bekanntesten Geheimagenten der Leinwandgeschichte ein neues Gesicht gegeben haben, nun auf seinen Gastauftritt freuen (Daniel Craig). Einzig mit der Haarfarbe (rot) haben sich die Macher eine deutliche Abweichung erlaubt.

Komödiantisch, aber alles andere als zum Lachen. Die vorliegende Episode einer Reihe, die bisher Humor, Action und Spannung gut in Einklang bringen konnte, setzt hier fast vollständig auf die ernsten Seiten des Geheimdienstgeschäfts. Der Auftakt zeigt sofort die Grundrichtung der Handlung auf. Diese Richtung wird nicht nur beibehalten, sondern geht steil bergauf. Mit der Flucht aus China müssen zugunsten ihrer Herrin eine Menge Tigerinnen ihr Leben lassen. An dieser wie auch vielen anderen Stellen ist keine Gelegenheit für Spaß. Ähnlich wie Daniel Craig einen Bond auf den Kopf stellte, sorgt Wilbur, der Ersatz für seinen Vorgänger Yann, für ungewohnten Wind. Im 4. Teil der Reihe war diese Wende zu mehr Realismus nicht so stark spürbar.

Grafisch bleibt Didier Conrad der bisherigen Linie treu. Wo der Humor im Szenario fehlt, kann Conrad immer noch mit seinen Bildern punkten. Es mag für einen Leser ungewohnt sein, einen wirklich handfesten Thriller in dieser Form zu lesen, aber die Härte wird auf diese Art etwas unterdrückt. In einer realistischen Darstellung könnte die vorliegende Geschichte auf Augenhöhe mit Reihen wie Largo Winch mitspielen.

Wir schreiben das Jahr 1947. Gut für Didier Conrad, denn so kann er wunderbar mit Ausstattungen der damaligen Zeit jonglieren. Die Landung eines großen Wasserflugzeugs auf der Themse (heute kaum mehr vorstellbar), alte bullige Automobile (heute sind es Autos, früher waren es Automobile, selbst das kleinste von ihnen), die sich Verfolgungsjagden liefern. Schöne Dialogszenen wechseln sich mit Aktionsansichten ab, die auch der Fantasie eines Alistair MacLean entsprungen sein könnten.

Tolle Spionagethrillerunterhaltung! Conrad und Wilbur schlagen eine noch härtere Gangart ein. Die Schule scheint für Alix Yin Fu endgültig vorüber zu sein. Wer ernsthafte Spannungsunterhaltung im Cartoon-Gewand mag, dem sei der 5. Teil der Reihe um die weiße Tigerin wärmstens ans Herz gelegt.

Die weiße Tigerin 5, Das Jahr des Phönix: Bei Amazon bestellen
Oder bei Schreiber und Leser.

Dienstag, 29. Dezember 2009

WILDC.A.T.S. 2 – Bandenkrieg

Filed under: Superhelden — Michael um 20:22

WILDC.A.T.S. 2 - BandenkriegTAO ist ein gemeiner Verräter. Maxine hat seine Machenschaften entdeckt und will ihn aufhalten, nur mit seiner Brutalität hat sie nicht gerechnet. Für Maxine, den weiblichen Cyborg mit dem stählernen Unterkiefer, war TAO bisher nichts weiter als eine menschliche Denkfabrik. Zwar trieb ihn kriminelle Energie an, doch zu tatsächlicher Gewalt hielt sie ihn nicht für fähig. Aber Maxine ist nicht der Typ für tiefgehende Analysen. Vor ihrer Zugehörigkeit zum Team verübte sie Überfälle und auch jetzt noch stürmt sie lieber vor, haut drauf und fragt erst dann nach den Beweggründen des Gegners. (Leider ist das meistens auch die richtige Taktik.)

Wenn der Leser TAO hört, denkt er möglicherweise nicht an einen Superhelden. Abgesehen von der wahren Verwendung des Wortes, hat die Figur TAO auch nicht mehr viel mit einem Superhelden gemein. Leser der jüngst abgeschlossenen Reihe von Sleeper wissen, wer gemeint ist. Es gab also einmal die WILDC.A.T.S., die einen Krieg gegen ein außerirdisches Volk führten. Zurück auf ihrer Heimatwelt erkannten sie das Ende dieses Krieges. Waren sie auf der Erde schon Fremde, hatten sie sich ihrer Ursprungswelt noch mehr entfremdet. Das Team kehrte zurück, ohne zu ahnen, dass es längst ersetzt worden war.

Der Zugang ist im zweiten Teil der WILDC.A.T.S., obwohl er durchaus für sich alleine stehen kann, nicht gerade leicht. Als Leser der bekannteren Comic-Universen wie Marvel und DC findet das Auge Anhaltspunkte und Ähnlichkeiten und muss trotzdem scheitern. Statt mit einem fremden Team hat man es gleich mit zweien zu tun. In Sachen Erfindungsgeist müssen sich ein Alan Moore als Autor und auch diverse Zeichner wie Travis Charest, Jim Lee und Pat Lee nicht hinter den Vorläufern aus den goldenen und silbernen Comic-Tagen verstecken.

Die Zeichnungen lassen sich mit dem Wörtchen Elegant betiteln. Die Figuren stehen hier eindeutig im Vordergrund. Bilder eines Travis Charest wirken wie fein auf das Papier gemeißelt oder mit dem Silberstift gezeichnet. Die Linien sind ohne Überraschungen, fehlerlos und makellos. Die Zeichnungen sind überaus kühl und halten den Leser wie so oft in den Tagen der übermenschlich lang gestreckten und muskulösen Figuren auf Distanz. Neben unmenschlich erscheinenden Monstren agieren übermenschlich aussehende Helden. Selbst Deformationen wie Cyborg-Implantate können diesen Aspekt nicht überspielen.

Die anderen Zeichner kommen vielleicht mit kräftigeren Grafiken daher, insgesamt wird aber ein durchgängiger Stil bewahrt, der stets von der Technik eines Jim Lee (All Star Batman, Superman: Die Rückkehr) inspiriert zu sein scheint.

Außer dem erwähnten TAO kann sich der Leser auf Grifter, auch Cole Cash genannt im wahren Leben, freuen. In Point Blank wie auch im Schlussspurt von Sleeper hatte Cole Cash unlängst seinen Auftritt auf dem deutschen Comic-Markt. Hier lernt der Leser die Figur nicht als Geheimagent kennen, sondern als scharf schießender Superheld, verborgen hinter einer roten Maske, die so auch in einem Wildwestszenario getragen werden könnte.

Eine der schönsten Szenen, in denen die Künste eines Grifter nichts nützen, ist die Auseinandersetzung zwischen Overtkill (kann durchaus mit Overt-Kill aus Spawn verwechselt werden) und Maxine, gleichfalls ein Cyborg. Während sich die Cyborgs gegenseitig verprügeln (und schlimmeres) entwickeln sich zarte Bande zwischen dem Hünen und der im Vergleich zierlichen Maxine. Hier ist neben aller Schlägerei, Ballerei, Fliegerei und Hüpferei auch der Humor Trumpf.

Eine Superheldengeschichte von Alan Moore, die zwar rasant ist, aber keinem Vergleich mit Watchmen standhalten kann. Wer allerdings eine grafisch einwandfreie und technisch überaus vorbildhafte Heldenactiongeschichte sucht, in der es von Anfang bis Ende nur so kracht, wird hier unbedingt fündig. 🙂

Sonntag, 27. Dezember 2009

Storm – Kommandant Grek

Filed under: SciFi — Michael um 14:18

Storm - Kommandant GrekDie Menschen haben sich der Unterjochung ergeben. Widerstand existiert keiner mehr. Ohne Gegenwehr lassen sie sich von ihren Wächtern abführen. Im Augenblick der Gefahr, als die Wurzeln nach den Wanderern greifen, fliehen die Wächter, die Aquarals, und lassen die Menschen schutzlos zurück. Gefesselt sind sie der pflanzlichen Monströsität ausgeliefert. Oben, an der Spitze des Felsens, versucht Grek, der Mann aus dem All, zu retten, was zu retten ist. Er greift die riesige Pflanze an. Im letzten Augenblick, gepackt von den scharkantigen roten Blättern, hat er eine Idee. Aber wird er es rechtzeitig schaffen?

Es war einmal … die Geschichte eines Raumfahrers, der auf eine fremde Welt stürzt. Nein, nicht Trigan! Hier gibt es keine fremden Schriftzeichen zu entschlüsseln, die die Geschichte eines fernen Volkes erzählen. Hier geht es um Kommandant Grek. Die Arbeit von Vince Wernham, der hier als Autor fungiert, und Don Lawrence dem ausführenden Künstler, kann aus heutiger Sicht als Experiment bezeichnet werden: Als sehr arbeitsintensives Experiment.

Sicherlich hat Vince Wernham eine solide Handlung abgeliefert. Aber er hat noch mehr getan. Es ist die Geburtsstunde von Storm und Rothaar, obwohl ihrer beider Namen hier anders lauten und auch ihr Verhalten sich mitunter unterscheidet. Angesichts der hier vorliegenden Handlung könnte von einer Art Zusammenfassung eines Abschnitts von Storm gesprochen werden. Vince Wernham schildert einen Befreiungskampf der Menschen gegen Fischköpfe, wie Storm sie einmal selber nennt. Der Befreiungskampf, der hier geschildert wird, könnte die Grundlage der ersten Abenteuer von Storm in späteren Ausgaben sein. Nur wurden die Rätsel um die blauhäutigen Besatzer viel ausführlicher erzählt.

Es ist ein phantastisches Abenteuer, mit dem einige Ungereimtheiten einhergehen. Die Eroberung der Erde war mehrere Male Thema in der Science Fiction. Ein großer Klassiker ist der Planet der Affen. Die Herleitung zu dieser Eroberung ist vorstellbar, die Herleitung zur Vormachtstellung der Fischköpfe ist es weniger. Wasserwesen können in einer ausgedörrten und steinigen Welt mit sengender Sonne nicht nur überleben, sie scheinen auch noch die besseren Voraussetzungen dazu zu haben. Dieses Detail stört ein wenig. Das Abenteuer wirkt auch ein wenig episodenhaft angelegt, schon zusammenhängend, aber doch deutlich aufgeteilter, als es in den nachfolgenden Alben der Fall ist.

Grafisch ist Don Lawrence hier schon spitze, allerdings noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. Das Titelbild der vorliegenden Neuausgabe zeigt, was in späteren Veröffentlichungen von Storm einmal möglich sein wird, wenn Alben wie Vandal der Zerstörer oder Die Wendewelt entstehen. Gestrichelt, schraffiert und getupft präsentieren sich die Bilder. Im Abdruck gerät dieser Farbauftrag so fein, dass ein sehr plastischer Effekt entsteht, Oberflächen sehr organisch aussehen und die Bilder sehr gut erkennen lassen, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Don Lawrence hat bei seinen außerirdischen und fremden Figuren stets großen Einfallsreichtum bewiesen und war doch immer auch auf ein gewisses Maß an Echtheit bedacht.

Die Fischköpfe sehen durch ihre riesigen Augen zwar auch ein bisserl knuffig aus, sind aber bestens gestaltet. Ein einfaches Fischgesicht ist immer noch zu einer großen Bandbreite von sichtbaren Emotionen fähig. Bei ihnen wie auch bei einem riesigen Leguan wird bis in die kleinste noch sichtbare Schuppe hineingearbeitet.
Einziger Wehrmutstropfen zum Schluss: Die Bilder auf den letzten vier Seiten wirken nachgeschoben, als seien sie unter Zeitdruck entstanden oder noch nicht fertig. Das trübt das Ende insgesamt.

Eine sehr gute Überleitung, ein Stück Comic-Geschichte: Nicht mehr Trigan, noch nicht ganz Storm. Vernham und Lawrence ergänzen sich, aber noch nicht auf einen Grad, auf den es Lawrence und Lodewijk später schaffen. Als Fan kommt man an Kommandant Grek trotzdem nicht vorbei. 🙂

Storm 0, Kommandant Grek: Bei Amazon bestellen

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Sleeper 4 – Das lange Erwachen

Filed under: Thriller — Michael um 15:24

Sleeper 4 - Das lange ErwachenGretchen hat eine merkwürdige Art und Weise, um für einen Auftrag in Schwung zu kommen. Sie prügelt sich gerne. Manchmal tötet sie auch mit einer starken Beiläufigkeit einen Menschen. Niemand sollte Miss Misery, wie ihr Unterweltsname lautet, über Gebühr reizen. Das Beste ist eigentlich, man geht ihr einfach aus dem Weg. So schnell wie möglich und so weit wie möglich. Einigen sind diese Chancen verwehrt. Ein alter Mann im Rollstuhl freut sich gerade noch über die Hilfe, die ihm durch die freundliche Dame zuteil wird. Im nächsten Augenblick … Und wäre das noch nicht genug, kann sich der Taxifahrer, der Gretchen transportieren soll, auf eine Schlittenfahrt der besonderen Art freuen. Oder doch nicht?

Die letzte Runde im Untergrundkampf von Carver Holden gegen eines der mächtigsten Verbechersyndikate der Welt. Abseits der üblichen Superhelden-Geschichten, mit deutlichen Wurzeln in der Welt der WILDC.A.T.S. konnte der Leser bis hierher einer Agentenhandlung folgen, die ihresgleichen sucht. Versorgt mit dem Besten aus mehreren Welten, hat Ed Brubaker beinahe ein neues Genre erschaffen: Ein dreckiges Geschäft namens Superkräfte.

So ungefähr jedenfalls. Ed Brubaker hat eine komplexe Handlung geschaffen, in der weder die Hauptfigur noch der Leser stets sicher sein kann, wer eigentlich die Guten sind. Am allerwenigsten weiß der Leser, ob er gerade weiß, wo der Hase lang läuft, denn hier ist der Schein alles. Nicht nur Holden, sondern auch Tao, das Ziel der gesamten Operation agiert mit schwer durchschaubaren Winkelzügen. Wenn schließlich noch Holdens eigentlicher Chef ins Spiel kommt und seine eigenen Pläne verfolgt, dann … Kurzum, hier liegt ein sehr langes Finale vor, dessen Ende bis kurz vor Schluss kaum absehbar ist.

Wie Ed Brubaker in dieser Phase den Spannungsbogen nicht nur hochhalten, sondern auch noch steigern kann, ist ein wahrhaftiges Kunststück, nicht nur für das Comic-Genre, vielmehr für eine Erzählung insgesamt. Gäbe es den Sammelbegriff Sex and Crime nicht, müsste er für dieses Szenario erfunden werden. Brubaker erspart weder seinen Figuren, noch dem Leser etwas. Wer die vierteilige Reihe bis hierher verfolgt hat, kennt die Eskapaden von Miss Misery, doch derart ausfallend ist noch nie geworden. Das geht zuerst an die Grenze der Parodie, in jene Sphären, die auch ein Garth Ennis mit The Boys erreicht. Und stürzt zum Schluss auf einen sehr harten realistischen Boden ab.

Bei aller Härte hat Brubaker einen sehr verletzlichen Helden geschaffen. Könnte es sein, dass die harten Knochen, die sich in mancherlei Agententhrillern tummeln, in Wirklichkeit ein weiches Herz haben und sich nach der Normalität eines Normalbürgers sehnen? Holden ist in Wirklichkeit ein derartiger Mensch. Je mehr er in die Ecke des Gangsters gedrängt wurde, desto mehr hat er den Wunsch entwickelt, aus allem auszubrechen und diese unselige Angelegenheit endlich hinter sich zu lassen. Einerseits kämpft er mit einer stetig wachsenden Verzweiflung, andererseits zieht er auch Kraft aus diesem Wunsch. Sonst wäre er in vielen Szenen nicht bereit, derart weit zu gehen.

Sean Phillips zeichnet die Geschichte mit einer ungeheuren düsteren Ausstrahlung. Diese Welt versinkt nicht in den Schatten, sie lebt darin. Sleeper wird zu einem Alptraum, aus dem es nur auf einigen wenigen Seiten ein Erwachen gibt. Ansonsten explodieren die Bilder in dunklen Gassen, in Kämpfen, in Mord und Totschlag, auch in Perversion. Man könnte sagen, Phillips wird zum Sargträger des Superhelden-Genres. Was einst Alan Moore und Dave Gibbons mit ihren Watchmen begannen, wird hier konsequent zu Ende geführt. Die reduzierten und leicht skizzenhaften Bilder besitzen eine Art Gerichtszeichnungscharakter. Sie dokumentieren, besonders dann, wenn es schnell gehen muss. Sicherlich gibt es Zeit zum Luftholen, doch selbst in der Ruhe scheint stets ein Countdown mitzulaufen.

Durch die Kolorierung von Carrie Strachan gibt es kein Entkommen für das Auge des Lesers. Keine wirklich helle Stelle bietet einen Anker oder Zufluchtsort. Dunkler war eine Geschichte selten und noch viel seltener ging sie optisch so stark Hand in Hand.

Eine Messlatte für Agententhriller und Superheldengeschichten. Ed Brubaker hat zusammen mit Sean Phillips (ein anderes Duo scheint hierfür kaum denkbar) einen Wahnsinnsalptraum geschaffen. Die Kenntnis der drei Vorläuferbände ist zwingend, aber es lohnt sich. 🙂

Sleeper 4, Das lange Erwachen: Bei Amazon bestellen

Montag, 21. Dezember 2009

100 Bullets 4 – Abservierte leben länger

Filed under: Thriller — Michael um 8:17

100 Bullets 4 - Abservierte leben längerZwei Männer unterhalten sich über das ganz große Spiel. 13 Familien agieren hinter den Kulissen, beeinflussen, herrschen unbemerkt. Machtspiele, Streitigkeiten auf Leben und Tod gehören dazu. Doch darin unterscheiden sie sich nicht von den allgegenwärtigen Dealern in den Straßen von New York und im Central Park. Bei den beiden Männern steht am Ende immer nur eine Konsequenz, die es zu beachten gilt. In den Straßen von New York herrscht das gleiche Gesetz. Wenig später sehen die Straßen von New York eine weitere Schießerei, müssen sich unbescholtene Passanten flink in Sicherheit bringen.

100 Bullets, also 100 Patronen sind das Kernthema, der Aufhänger der vorliegenden Serie. Ein geheimnisvoller Mann taucht im Leben eines Unbekannten auf. Der Unbekannte hat noch eine Rechnung zu begleichen. Der geheimnisvolle Fremde bietet ihm die Möglichkeit dazu, diese Angelegenheit für immer zu bereinigen. In einem Aktenkoffer findet sich eine Pistole und 100 Schuss Munition. Beides ist nicht zurückzuverfolgen. Wenn sich der Unbekannte entscheidet, die Gelegenheit zu nutzen, wird es nie eine Strafverfolgung geben, geschweige denn ein Verfahren.

Fragt sich nur, was ist, wenn gleich mehrere Menschen für das eigene Versagen verantwortlich gemacht werden? Jack ist so ein Mensch, von Drogen abhängig, ein vollkommener und auch gemeingefährlicher Versager, der eigentlich nur auf seine Gelegenheit wartet. Mehr noch: Er hat ein ganz besonderes Ziel auserkoren. Brian Azarello lässt den roten Faden der Handlung außen vor und widmet sich den Randfiguren. Allein auf diesem Feld kann er eigentlich immer neue Geschichten entwerfen. Einzig die Fantasie setzt Grenzen. Die Gesamtdramaturgie ist nicht so wichtig, da sich beiderseitig der großkopferten Familien genügend Platz für Erzählungen findet, ohne sich um die Zusammenhänge zu sorgen. Und, falls nötig, können diese Nebenhandlungen sogar später noch eingeflochten werden.

Es besteht natürlich die Gefahr, dass sich der Autor in seinen Details verliert. Ebenso besteht die Gefahr, dass der Leser versucht einem Faden zu folgen, der keiner ist. Es ist eine Frage der Gewöhnung. Spätestens nach den ersten zwei Episoden ist ersichtlich, welche Figuren wichtig sind (also auch überleben, um weiter zu kommen) und wer nur Kanonenfutter ist. Während die Großen weiter spielen, grämen sich die Kleinen und werden auf schnellstem Wege zu Bauern in einem noch viel größeren (und gemeineren) Spiel.

Mit Eduardo Risso zeichnet ein Künstler, der einerseits Minimalist ist, andererseits aber stets das richtige Bild trifft, indem den wichtigen Teil einer Szene intuitiv zu erfassen scheint. Hat er sich schon reinen Schwarzweißoptiken hervorgetan (Vampire Boy) und dort einen sehr gotischen, aber auch blank polierten Horror einfangen können, hat man sich mit 100 Bullets für eine kolorierte Handlung entschieden.

Der einzige Unterschied für Eduardo Risso scheint in der grafischen Umsetzung darin zu liegen, dass er mehr Platz für Farbe lässt. Er arbeitet weiter gerne und oft mit Schwarzflächen, geschickt eingesetzten Schatten, die Tiefe simulieren und zugleich zu einem wichtigen dramaturgischen Gestaltungselement werden. Indem er durch sie Bereiche ausblendet, setzt er den Fokus auf den Augenausdruck einer Person, auf ein Lächeln, eine Haltung. Risso ist ein Künstler, dem es auf perfekte Art einerseits gelingt ein Film Noir Gefühl auf Comic-Seiten einzufangen, es aber andererseits in einer Art Miami Vice Optik zu präsentieren.

Als kleines Schmankerl geben sich seitenweise einige Zeichner ein Gaststelldichein. Der direkte Vergleich zu Risso ist interessant zu sehen. Der Leser kann sich so unter anderem auf die Interpretationen von Frank Miller, Jim Lee und Jordi Bernet (Torpedo) freuen.

Ein knallharter Thriller ohne Kompromisse: In 100 Bullets geht der Tod ein und aus, schwebt er wie eine unsichtbare Sense über den Akteuren, seien sie nun König, Dame oder Bauer. Eine sehr dichte Erzählung von Brian Azarello und stilistisch klaren Bildern von Eduardo Risso. 🙂

100 Bullets 4, Abservierte leben länger: Bei Amazon bestellen

Samstag, 19. Dezember 2009

Canoe Bay

Filed under: Abenteuer — Michael um 15:41

Canoe BayLucky Roberts versteht keinen Spaß. Nach außen, gegenüber seinen Freunden ist er generös, auch freundlich, doch er weiß, was er will. Einen einmal eingeschlagenen Kurs behält er bei, Verräter sind des Todes. Lucky Roberts ist tief in seinem Herzen mehr als nur ein Seemann, er ist ein Pirat. Sein Herz rät ihm allerdings auch, keine Sklaverei zu unterstützen. Sein Instinkt sagt ihm ebenfalls, dass es ratsam ist, ein Kind als Geisel zu nehmen. Er ist ein sehr zwiespältiger Charakter, der für jedermann undurchsichtig und unberechenbar ist. Der Junge Jack hat keine Wahl. Er muss diesem Mann folgen. Außerdem: Das Ziel ist ein Schatz. Zwar muss dieser bereits durch viele geteilt werden. Doch sollte dieser Reichtum gefunden werden, kann so mancher von ihnen ruhiger in die Zukunft schauen.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts lag England auf dem nordamerikanischen Kontinent mit Frankreich im Krieg. Aus heutiger Sicht gehört diese Auseinandersetzung neben dem Vernichtungskampf gegen die amerikanischen Ureinwohner und dem amerikanischen Bürgerkrieg zu zentralen Eckpunkten der nordamerikanischen Geschichte. Es ist aber auch, neben aller Tragik, eine jener Epochen, in der sich einige Abenteuergeschichten finden, die unsterblich geworden sind. Zu den bekanntesten Vertretern gehören sicherlich Der Wildtöter und Der letzte Mohikaner aus der Lederstrumpf-Reihe. In jene Tage verschlägt es den Leser mit Canoe Bay.

Ein Junge wird geboren. Doch bereits bei seiner Geburt gerät sein Leben aus der Bahn. Der Vater ist tot, die Mutter stirbt noch im Kindbett. Das einzige Erbe, eine Kette mit einem Medaillon daran, wird den Jungen eine lange Zeit begleiten und schließlich eine Wende herbeiführen. Tiburce Oger erzählt die Geschichte von Jack, dessen Leben erst auf See so richtig Fahrt aufnimmt, als er seinen Freund Andrew und den geheimnisvollen Seemann Lucky Roberts kennen lernt. Es ist eine klassische Geschichte eines Kindes, die vom Abenteuer jener Zeit lebt. Sie lässt die Gräuel in diesen Tagen nicht aus: Sklaverei, Vergewaltigung, Krieg gegen Indianer, Entführung, Mord und Totschlag, Piraterie.

Aber Tiburce Oger legt sich auch selbst Beschränkungen auf. Beschreibungen und Szenen, die Gewalt benötigen, sind auf Mindestmaß beschränkt. Jack ist ein Teil dieser Welt, all das Grausame gehört zur Normalität. Überleben ist schwer, der Kampf um das eigene Dasein gehört dazu. Weniger in der Erzählung, als vielmehr in der Darstellung von Künstler Patrick Prugne findet sich die Abenteuerromantik. Zuerst an Bord, später in der neue Welt schimmert ein Paradies durch, eine wunderbare Fremde, dem etwas Verwunschenes anhaftet. Begünstigt wird dieser Eindruck durch die Indianer, die anders sind, weniger aufgeräumt als die uniformierten weißen Eindringlinge. Allerdings sind sie nicht weniger brutal.

Prugne und Oger werfen den Leser mit Schwung in die Geschichte. Jack wird gleich zu Beginn von einem Indianer verfolgt. Dieser trachtet Jack nach dem Leben. Die natürliche Feindschaft unter den Stämmen haben sich die Engländer wie auch die Franzosen zu Nutze gemacht, um jeweils weitere Kämpfer zu rekrutieren. Jack droht genau in diesem Moment, ein Opfer einer solchen Allianz zu werden. Eine Geschichte mit Kind, aber keine Kindergeschichte.

Patrick Prugne malt seine Bilder. In einer ausgefeilten Aquarelltechnik bannt er die Welt von einst auf die Seiten. Dabei entpuppt er sich als Meister der Atmosphäre und des Breitwandeindrucks. Szenen aus der Natur, der Landschaft, der Umgebung der handelnden Personen sind von außerordentlicher Schönheit. Prugne versteht es, seine Bilder zu arrangieren. Seine Skizzen im Anhang, Entwurfsbilder zur Gestaltungslinie des Albums zeigen technische Raffinesse und routinierten Umgang mit Pinsel und Farbe in Perfektion. Wo sich Prugnes Stärken zeigen, offenbaren sich auch seine Schwächen. Dies ist allerdings unter Vorbehalt zu verstehen.

Die von ihm gestalteten Gesichter sind oft zu starr, einander zu ähnlich, um Vielfalt zu zeigen. Es mag an der Aquarelltechnik liegen, die in diesem Bereich Grenzen auferlegt. Im Kleinen, in Massenszenen wie bei Kampfgetümmeln oder Stadtansichten funktioniert es tadellos. Bei Gesichtsausdrücken, bei Individualität klemmt es. Das schmälert das Vergnügen etwas, je nachdem, wie viel Wert auf derlei Details gelegt wird.

Ein klassisches Abenteuer: Wer alten Piratenfilmen hinterher trauert, sich noch an die Geschichten von Cooper und Stevenson erinnern kann, Mantel und Degen mag, sich von einer feinen Erzählung entführen lassen möchte und sehr schöne Aquarellbilder auch im Comic zu schätzen weiß, der liegt mit diesem Abenteuer genau richtig. 🙂

Canoe Bay: Bei Amazon bestellen

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Blueberry 47 – 1276 Seelen

Filed under: Abenteuer — Michael um 11:28

Blueberry 47 - Die Jugend von Blueberry 18 - 1276 Seelen1276 Seelen sind tot. Getötet in einem Krieg, in dem Bruder gegen Bruder kämpft. Die Armee der Nordstaaten richtet mit ihren Kanonen ein Massaker an Männern, Frauen und Kindern an. Als Jim Thompson nichtsahnend auf seinem Pferd zurückkehrt, findet er alle seine ehemaligen Nachbarn in Blutlachen liegend vor. Die Raben tun sich bereits an den Leichnamen gütlich. Zuerst rebelliert Thompsons Magen, dann verliert er den Verstand. Thompson, ein Mann Gottes, beginnt im blinden Wahn einen Rachefeldzug. Der Mann des Friedens wird ohne zu zögern zu einem Mörder.

Verrückte jagt man mit einem Verrückten. So denken sich es zumindest jene, die mit Mike Blueberry zu tun hatten. Der Pinkerton-Agent Baumhoffer trifft Blueberry in einer sehr misslichen Situation. Der junge Mann wurde um all sein Geld betrogen und macht in seinem betrunkenen Zustand nicht den Anschein, als wäre er Herr der Lage. Ein Bad in der Pferdetränke stellt wenigstens den Verstand wieder her. Für Baumhoffer kann sich Blueberry trotzdem nicht erwärmen. Für den Auftrag ebenso wenig. Aber wie gesagt: Verrückte jagt man mit einem Verrückten. Am besten mit einem, der das Herz am rechten Fleck hat.

Der Cineast unter den Blueberry-Lesern wird sich angesichts des merkwürdigen Gottesmannes vielleicht an den ebenso seltsamen wie wahnsinnigen Gottesmann aus Poltergeist 2 erinnert fühlen. Ihre Motivation ist zwar eher unterschiedlich, doch sind sie auf ähnliche Weise von sich eingenommen und von der Weisung des Herrn überzeugt. Francois Corteggiani hat den Wahn dieser Figur sehr schön eingefangen. Jim Thompson, der Name der Figur, die Blueberry jagt, tötet mit einem Lächeln und einem zynischen Satz auf den Lippen.

Der jugendliche Blueberry besitzt bereits viel seines gealterten Ichs, allerdings fehlt die Kaltschnäuzigkeit noch. Corteggiani zeigt in der Tat einen jungen Mann, der noch Erfahrungen sammelt und nicht jede Konsequenz einschätzen kann. Andere Männer in seiner Situation würden nicht so reagieren wie er, wenn sie von einem Kind in einem Feindeslager erwischt würden. In späteren Bürgerkriegsszenarien wird er sehr viel planvoller zu Werke gehen, ganz besonders dann, wenn ihm die Verantwortung für weitere Menschenleben unter seiner Führung anvertraut wird.

Mit Michel Blanc-Dumont ist ein Zeichner an der Arbeit, der auch respektvoll mit dem Spitznamen Architekt belegt werden könnte. Unzweifelhaft liegt den Bildern aus seiner Feder auch eine große Natürlichkeit inne, aber sie wirken nie hingeworfen oder flüchtig. Bei Blanc-Dumont ist nichts dem Zufall überlassen. Die winzigen Striche wirken wie bei einer penibel angelegten Radierung. Man könnte auch sagen, Blanc-Dumonts Zeichnungen sehen aus wie die Planung zu einer dreidimensionalen Umsetzung. Schwächen lassen sich nicht finden. Seine jugendlichen Gesichter sind ebenso toll anzuschauen wie die harten Burschen und die klapprigen Außenseiter.

Die Farbgebung von Claudine Blanc-Dumont ist innerhalb des Albums bei weitem nicht so farbenfroh wie das Titelbild vielleicht vermuten lässt. Diese Kriegswelt kommt äußerst gedeckt, vielleicht in manchen Teilen sogar fahl daher. Das ist allerdings stimmig, denn eine farblich zur Schau gestellte Heiterkeit würde der Geschichte vollkommen zuwider laufen.

Ein in sich geschlossener Handlungsteil um die Jagd auf einen verbrecherischen Fanatiker. Aber auf das Ende der gesamten Geschichte muss der Leser in der Fortsetzung warten. Corteggiani entwirft ein düsteres Kriegsgeschehen, in dem sich hinter den Kulissen ebenso viel abspielt, wie offiziell bekannt wird. Bestens von Blanc-Dumont umgesetzt. 🙂

Blueberry 47, Die Jugend von Blueberry 18, 1276 Seelen: Bei Amazon bestellen

Dienstag, 15. Dezember 2009

Garulfo 2 – Der Prinz mit den zwei Gesichtern

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:26

Garulfo 2 - Der Prinz mit den zwei GesichternGarulfo, der kleine Frosch hat es gut. Er hat seine Erlebnisse als Mensch hinter sich gebracht und lebt nun glücklich und zufrieden mit seiner Froschdame zusammen. Was soll schon noch passieren? Ja, was? Es war einmal ein Prinz, der war ein ziemlich mieser Kerl. Er war über alle Maßen arrogant. Seine Nase trug er so hoch, dass sie schon an den Wolken kratzte. Jegliche Anstrengung war ihm verpönt. Ritterspiele? Also, bitte! So einen Unsinn hat ein moderner Prinz doch nicht nötig! Warum auf solche Art um eine Jungfrau freien, wenn es auch so geht. Dann ist sie zwar keine … Ja, dieser Prinz hat seine ganz eigene Moral entwickelt, aber kommt er damit auch durch? Nee!

Bereits bei seiner Geburt wurde der Grundstein für die späteren Verwicklungen gelegt. Und alles nur weil eine Fee fehlte. In der Tat waren und sind diese zauberfertigen Wesen Mangelware, auch im Reich der Märchen. Es wird gesucht und gesucht … Nur leider ist die einzige Fee, die sich finden lässt, alles andere als eine dieser wunderbar feinen und adretten Feen, sondern sitzt vor sich hin schmollend im Kerker. Sie ist schmuddelig, schmutzig, alt und verknittert und nicht gerade gut auf den König zu sprechen. Gleichwohl erklärt sie sich bereit, ein gutes Wort zur Geburt des Prinzen einzulegen. Aber … Ist am Ende das, was sie dem Prinzen mitgegeben hat, gar kein guter Wunsch? Vielmehr ein Fluch? Nun, manche Wünsche sind einfach das, was einer daraus macht.

Garulfo geht in die zweite Runde! Gerade noch hatte der Leser gedacht: Ende gut, alles gut. Und schon macht der sprichwörtliche Mai wieder alles neu. Garulfo geht es wirklich gut, immer noch. Doch da, wie kann es anders sein, beginnt der Spruch der dritten Fee zu wirken. Garulfo wird wieder zum Menschen (einen Ausgleich muss es anscheinend geben), der Prinz mit Namen Ronaldo wird zum Frosch.

Alain Ayroles ist, das bewies er bereits mit dem Vorgängerband dieser neu aufgelegten Abenteuer, ein Meister darin, Pointen zu setzen und Wendungen, zumeist unerwartete, herbeizuführen und den Leser so richtig am Schlafittchen zu packen und herumzuwirbeln. Die Erwartungen des Lesers an eine Fortsetzung werden kurzerhand auf den Kopf gestellt, indem ein Mensch zum Frosch gemacht wird. Gesegnet wird einer enormen Überheblichkeit, kann sich der Prinz plötzlich im Leiden üben. (Und, so viel sei verraten, damit hat er eine ganze Menge zu tun.)

Plötzlich kann Prinz Ronaldo nicht nur die Tiere verstehen, er muss auch noch miterleben, dass er für viele dieser Katzen, Frettchen, Raubvögel nur ein netter Happen nebenbei geworden ist. Auf einmal ist er auf die Hilfe eines Menschen angewiesen, der einmal ein Frosch war und noch immer nicht begriffen zu haben scheint, wo bei den Menschen der Hase lang läuft. Daraus entwirft Ayroles urkomische Szenen, die ganz von allein zu entstehen scheinen, da beide, Garulfo und Ronaldo, zwar nicht mehr in ihrer eigenen Haut stecken, aber trotzdem nicht aus derselben herauskönnen.

Bruno Maiorana, der Zeichner, garniert diese Szenen mit Bildern, die teilweise schon ohne Worte Wirkung zeigen. Die von ihm gestalteten Gesichtsausdrücke sind göttlich: Ronaldo als Frosch ist eine Offenbarung. Der Oger in der zweiten Hälfte der Geschichte ist perfekt. (Wer genau hinschaut, vermag sogar in der Glasmenagerie des Ogers eine kleine Hommage an ein Werk aus der Literatur zu entdecken. Aber das nur nebenbei. Vielleicht fällt es ja jemandem auf.) In einer Nebenrolle entwirft Bruno Maiorana den Gestiefelten Kater als eine Art Katzenversion von Rett Butler. Kurzum, es gibt wahnsinnig viel zu entdecken, aber auch beständig zurückzublättern, ganz einfach, weil die Bilder so gut sind und genossen werden wollen.

Ein absolut witziger zweiter Teil, dem Auftakt der Reihe ebenbürtig. Es gibt keine Längen, auf jeder Seite gibt es Lacher, Schmunzler und Kracher, die nur darauf warten, vom Leser in Empfang genommen zu werden. Wer einen heiteren Umgang mit Märchen nicht scheut, einen intelligenteren Umgang als es so manche TV-Verballhornung vermochte, der sollte einen Blick in Garulfo werfen. 🙂

Garulfo 2, Der Prinz mit den zwei Gesichtern: Bei Amazon bestellen

Montag, 14. Dezember 2009

Hombre 2

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:23

Hombre 2Hombre ist weiterhin in der Wildnis unterwegs. Bislang hat er seinem Verfolger, dem Pinkerton-Agenten Ronegall Dawson, immer wieder entwischen können. Doch Hombre muss feststellen, dass der Kopfjäger immer näher kommt. Und manchmal ist dies sogar sein Glück. Im bitterkalten amerikanischen Winter hat Hombre sein Pferd verloren. Die nächstgelegene Behausung ist weit weg. Ansiedlungen sind noch viel spärlicher gesät. Hombre ist allein auf weiter Flur. Beinahe jedenfalls: Wölfe, unterkühlt und ausgehungert, sind Hombre bereits auf den Fersen. Wird er eine Chance gegen die wilde Meute haben?

Ist die bisher gezeigte Welt von Hombre überwiegend lebensfeindlich, entsteht durch den Winter eine weiße Hölle. Der Leser trifft Hombre gleich zu Beginn bei einem liegengebliebenen Treck. Ein Scout hat seine Auftraggeber, die Siedler, in die Irre geführt. Hombre lässt niemandem im Stich. Für ihn gibt es nur eine Lösung: Die Flucht nach vorn. In einer halsbrecherischen Reise machen sich die Männer und Frauen daran, den Pass durch das Gebirge zu überqueren.

Auf nur wenigen Seiten erzählen Peter Wiechmann und Rafael Mendez eine Geschichte, die bei anderen abendfüllend wäre. Ein Treck muss auf einer scheinbar unmöglich zu bezwingenden Strecke und unter unwirtlichen Bedingungen durch das Gebirge gebracht werden. Das ist ungeheuer spannend, aber leider wie immer viel zu kurz. Das liegt jedoch am Konzept. In diesen beiden Sammelausgaben wurden sämtliche Geschichten um Hombre zusammengetragen, die im Comic-Magazin YPS erschienen sind. Die Episoden um Hombre haben einen gewissen Fortsetzungscharakter, einen roten Faden (die beständige Flucht). Hombre erwirbt sich nicht zuletzt durch seine Hilfsbereitschaft einen Namen unter den Westmännern wie auch bei den Indianern.

Ein wenig können sich Nostalgiker durch Hombre an Serien wie Western von gestern erinnert fühlen: Das kleine spannende Westernhäppchen für zwischendurch, das durch einen gelungenen Aufbau, geschicktes Erzählen die Kürze oft vergessen lässt. In diesem zweiten Sammelband fällt besonders die erste Erzählstrecke aus drei Geschichten im Winter auf, die einen sehr zusammenhängenden Charakter haben, obwohl sie die übliche Aufteilung von 8-9 Seiten pro Episode besitzen. Die winterliche Zeit der Wölfe wird von Zwischen Freund und Feind abgelöst.

Hier entwirft Peter Wiechmann eine verkehrte Welt. Der Kavallerist, häufig der Held im Western und natürlich nie zu spät kommend, wird hier zum Feindbild, zum Mörder an den Indianern. Unter der Führung eines Lieutenant Buster wird gnadenlos Jagd auf die amerikanischen Ureinwohner gemacht, die sich verständlicherweise wehren, als widerrechtlich eine Eisanbahnlinie durch ihr Reservat geführt werden soll. Hombre, der wieder einmal Partei für die Schwächeren ergreift, wird sogleich als Indianerfreund in Haft genommen. Peter Wiechmann fackelt nicht lange. Hombre erlebt Abenteuer. Dialoge leiten zur nächsten Aktion über und sieht meistens nur Verschnaufpausen für den Leser.

Aber gerade das macht Hombre aus. Mehr Text ist nicht nötig und will man auch nicht angesichts der großartigen Bilder von Rafael Mendez, der einen Wilden Westen zeichnet, der so schön und wild ist, wie er aus der Feder eines Zeichners nur sein kann. Mendez besticht durch seine Naturdarstellungen, mehr noch durch seine Art Tiere zu zeichnen. Wölfe, Hunde, Bären, Bisons, Pferde und Esel sind wunderbar lebendig getroffen. Leben ist ein gutes Stichwort. Gerade im Anhang wird deutlich, wie sehr Mendez auf Augenhöhe mit den ganz Großen gearbeitet hat. Seine Bilder eines Dietrich von Bern besitzen die gleiche Ausstrahlung wie die Bilder eines Hal Foster, wirken allerdings dynamischer, kraftvoller. Die Vergrößerungsansichten der Arbeiten von Mendez vorne und hinten im Sammelband zeigen auf bemerkenswerte Weise mit welcher Leichtigkeit zu zeichnen vermochte.

Ende: Leider. Mit zwei Sammelbänden ist das Werk um den Westernhelden Hombre abgeschlossen. Es ist eine schöne Erinnerung, die aber immer noch vorbildlich ist. Die hier vorliegenden Episoden sind zwar in sich geschlossen und kurz, bilden aber deutlicher als im ersten Band einen größeren Rahmen. Am Ende ist Hombre rehabilitiert (das dürfte kein Geheimnis sein) und für den Leser kann nur feststehen: Selten war der Western so gut. 🙂

Hombre 2: Bei Amazon bestellen

Matrix Comics 2

Filed under: SciFi — Michael um 8:59

Matrix Comics Band 2Das Mädchen sieht Schatten und verhält sich auffällig. Ein Kinderpsychologe untersucht das Kind im Auftrag der Mutter. Das erste Ergebnis beunruhigt ihn. Er möchte einen weiteren Spezialisten hinzuziehen. Dr. Frey nimmt sich Zeit für das kleine Mädchen. Aus dem Kopf der Puppe auf dem Schoß des Kindes ragen Drähte. Das Mädchen hat sie hineingesteckt. Irgendetwas in ihr hat ihr gesagt, dass es so richtig ist. Neuerdings will sie auch nicht mehr baden. Die Badewanne macht ihr Angst. Greg Ruth, ein Meister des realistischen wie auch unheimlich anmutenden Strichs, erzählt hier eine Geschichte aus der Matrix, wie sie so abseits der Abenteuer von Neo und seinen Freunden hätte stattfinden können.

Keiner der hier in diesem Band auftretenden Künstler ist wie der andere. Jede der einzelnen Kurzgeschichten ist in höchstem Maße individuell gestaltet, einzig die Geschichten selber könnten etwas vielfältigere Themen besitzen. Das Bemerken der Matrix, der Ausbruch aus ihr oder auch die Konfrontation mit den Agenten sind die Kerne dieser Handlungen. Selten nur bricht eine Geschichte aus diesem Muster aus. Wenn sie es doch wagt, wie im Beispiel von Peter Bagge erhält sie sogleich einen leicht verrückten Rahmen. Man könnte auch sagen: Mad.

Man stelle sich vor, Morpheus, der sagenhafte Rekrutierer von Neo, wäre auf Geheiß des Orakels losgezogen, hätte bei einem Mann geklingelt und sich dann fragen müssen, ob das Orakel nicht etwas neben der Spur gewesen sei, als es ausgerechnet diesen seltsamen Kerl auswählte. Peter Bagge erschüttert die Matrix durch eine absolut ignorante Person, die durch ihre Penetranz sogar den Architekten der Matrix ins Schleudern bringt. Das hat albernen, aber auch bösen Witz, denn es stürzt die auf den Hollywood-Thron gesetzte innovative Matrix sehr süffisant wieder auf den Boden der Tatsachen.

Bodenständiger geben sich die Geschichten wie Falsch verbunden oder Ein Gewinn für das System. Diese behandeln jene, die sonst ihren Kopf für die eine oder andere Seite hinhalten müssen. Entweder tauschen sie ihren Platz mit Agenten in der Rasanz der Verfolgung oder sie werden von den Matrix-Hackern gnadenlos verprügelt, erschossen oder sonstwie um die Ecke gebracht. Beide Geschichten entlarven sehr schön, dass bei allem Zerstörungswahn, den Neo und seine Kumpane an den Tag legen, hinter jeder menschlichen Identität in der Matrix auch meist ein Mensch steckt, also jene, die doch eigentlich befreit werden sollen. Die Geschichten von Vince Evans und Troy Nixey zeigen, wie doppelbödig auch die Matrix-Befreier zu Werke gehen.

Troy Nixey könnte mit seinem Zeichenstil ein Doppelgänger von Paul Pope sein. Ihrer beider Strichführung ist einander sehr ähnlich. Einerseits zeichnen beide recht genau und penibel. Andererseits sind sie sehr eigen und kultivieren eine leichte Abstraktion, die ein wenig brutal, hart, sezierend wirkt. Demgegenüber stehen Vince Evans, der ein Verfechter des Realismus ist. Das wird durch seinen Koloristen Jason Keith noch verstärkt. Keith holt für sich so viel wie möglich aus der Computerkolorierung heraus. Das unterstreicht die Echtheit der Matrix, aber auch das kompromisslose Ende der Geschichte.

12 Geschichten, die nur schwer gegeneinander abzuwägen sind, von denen jedoch die einer oder andere herausragt. So auch Ich, Kant. Es ist die Geburt eines neuen Matrix-Helden. Neo und Trinity sind Vergangenheit, doch Kant, ein Junge, hadert noch mit seinem Mut. Kare Andrews, Ron Turner und Dave McCaig punkten sich zur Gänze mit der Handlung, können aber durch ihre grafische Umsetzung überzeugen, die stilistisch an Zeichentrickserien wie Superman The Animated Series oder auch Batman Animated erinnert. Dank eines 3D-modullierten Hintergrunds kommt tatsächlich eine sehr starke Zeichentrickatmosphäre auf.

Ein toller Querschnitt: Hier dürfte für jeden Matrix-Fan etwas dabei sein. Grafisch zeigt die zweite Ausgabe hervorragend, was ihm Comic gefallen kann, was machbar ist und welche Möglichkeiten sich durch eine grafische Erzählung ergeben können. Top. 🙂

Matrix Comics Band 2: Bei Amazon bestellen