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Comic Blog


Samstag, 19. Dezember 2009

Canoe Bay

Filed under: Abenteuer — Michael um 15:41

Canoe BayLucky Roberts versteht keinen Spaß. Nach außen, gegenüber seinen Freunden ist er generös, auch freundlich, doch er weiß, was er will. Einen einmal eingeschlagenen Kurs behält er bei, Verräter sind des Todes. Lucky Roberts ist tief in seinem Herzen mehr als nur ein Seemann, er ist ein Pirat. Sein Herz rät ihm allerdings auch, keine Sklaverei zu unterstützen. Sein Instinkt sagt ihm ebenfalls, dass es ratsam ist, ein Kind als Geisel zu nehmen. Er ist ein sehr zwiespältiger Charakter, der für jedermann undurchsichtig und unberechenbar ist. Der Junge Jack hat keine Wahl. Er muss diesem Mann folgen. Außerdem: Das Ziel ist ein Schatz. Zwar muss dieser bereits durch viele geteilt werden. Doch sollte dieser Reichtum gefunden werden, kann so mancher von ihnen ruhiger in die Zukunft schauen.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts lag England auf dem nordamerikanischen Kontinent mit Frankreich im Krieg. Aus heutiger Sicht gehört diese Auseinandersetzung neben dem Vernichtungskampf gegen die amerikanischen Ureinwohner und dem amerikanischen Bürgerkrieg zu zentralen Eckpunkten der nordamerikanischen Geschichte. Es ist aber auch, neben aller Tragik, eine jener Epochen, in der sich einige Abenteuergeschichten finden, die unsterblich geworden sind. Zu den bekanntesten Vertretern gehören sicherlich Der Wildtöter und Der letzte Mohikaner aus der Lederstrumpf-Reihe. In jene Tage verschlägt es den Leser mit Canoe Bay.

Ein Junge wird geboren. Doch bereits bei seiner Geburt gerät sein Leben aus der Bahn. Der Vater ist tot, die Mutter stirbt noch im Kindbett. Das einzige Erbe, eine Kette mit einem Medaillon daran, wird den Jungen eine lange Zeit begleiten und schließlich eine Wende herbeiführen. Tiburce Oger erzählt die Geschichte von Jack, dessen Leben erst auf See so richtig Fahrt aufnimmt, als er seinen Freund Andrew und den geheimnisvollen Seemann Lucky Roberts kennen lernt. Es ist eine klassische Geschichte eines Kindes, die vom Abenteuer jener Zeit lebt. Sie lässt die Gräuel in diesen Tagen nicht aus: Sklaverei, Vergewaltigung, Krieg gegen Indianer, Entführung, Mord und Totschlag, Piraterie.

Aber Tiburce Oger legt sich auch selbst Beschränkungen auf. Beschreibungen und Szenen, die Gewalt benötigen, sind auf Mindestmaß beschränkt. Jack ist ein Teil dieser Welt, all das Grausame gehört zur Normalität. Überleben ist schwer, der Kampf um das eigene Dasein gehört dazu. Weniger in der Erzählung, als vielmehr in der Darstellung von Künstler Patrick Prugne findet sich die Abenteuerromantik. Zuerst an Bord, später in der neue Welt schimmert ein Paradies durch, eine wunderbare Fremde, dem etwas Verwunschenes anhaftet. Begünstigt wird dieser Eindruck durch die Indianer, die anders sind, weniger aufgeräumt als die uniformierten weißen Eindringlinge. Allerdings sind sie nicht weniger brutal.

Prugne und Oger werfen den Leser mit Schwung in die Geschichte. Jack wird gleich zu Beginn von einem Indianer verfolgt. Dieser trachtet Jack nach dem Leben. Die natürliche Feindschaft unter den Stämmen haben sich die Engländer wie auch die Franzosen zu Nutze gemacht, um jeweils weitere Kämpfer zu rekrutieren. Jack droht genau in diesem Moment, ein Opfer einer solchen Allianz zu werden. Eine Geschichte mit Kind, aber keine Kindergeschichte.

Patrick Prugne malt seine Bilder. In einer ausgefeilten Aquarelltechnik bannt er die Welt von einst auf die Seiten. Dabei entpuppt er sich als Meister der Atmosphäre und des Breitwandeindrucks. Szenen aus der Natur, der Landschaft, der Umgebung der handelnden Personen sind von außerordentlicher Schönheit. Prugne versteht es, seine Bilder zu arrangieren. Seine Skizzen im Anhang, Entwurfsbilder zur Gestaltungslinie des Albums zeigen technische Raffinesse und routinierten Umgang mit Pinsel und Farbe in Perfektion. Wo sich Prugnes Stärken zeigen, offenbaren sich auch seine Schwächen. Dies ist allerdings unter Vorbehalt zu verstehen.

Die von ihm gestalteten Gesichter sind oft zu starr, einander zu ähnlich, um Vielfalt zu zeigen. Es mag an der Aquarelltechnik liegen, die in diesem Bereich Grenzen auferlegt. Im Kleinen, in Massenszenen wie bei Kampfgetümmeln oder Stadtansichten funktioniert es tadellos. Bei Gesichtsausdrücken, bei Individualität klemmt es. Das schmälert das Vergnügen etwas, je nachdem, wie viel Wert auf derlei Details gelegt wird.

Ein klassisches Abenteuer: Wer alten Piratenfilmen hinterher trauert, sich noch an die Geschichten von Cooper und Stevenson erinnern kann, Mantel und Degen mag, sich von einer feinen Erzählung entführen lassen möchte und sehr schöne Aquarellbilder auch im Comic zu schätzen weiß, der liegt mit diesem Abenteuer genau richtig. 🙂

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