Samstag, 31. Mai 2008
Im Tempel des nachhaltigen Friedens und der heiteren Gelassenheit tobt ein Kampf, der so gar nichts mit der Namensgebung dieses ehrwürdigen Hauses zu tun hat. Alix hat ihre Mitschüler mit Bravour besiegt, aber der Meister ist noch nicht zufrieden, denn die allerletzte Prüfung steht noch bevor.
Nachdem auch dies gemeistert ist, erfolgt der erste Auftrag. Die kleine rote Fliege wird der goldenen Fliege zugeteilt. Das Ziel heißt Hongkong, eine Stadt unter britischer Verwaltung, ein überkochender Moloch, der mit der kommunistischen Landschaft Chinas wenig gemein hat.
Ein Ausflug in die Hochzeit des Kalten Krieges ist immer eine literarische Reise wert, ganz besonders dann, wenn es außerdem in den asiatischen Raum geht.
Wie bereits andere Autoren vor ihnen haben sich Yann und Conrad mit Spannung, süffisantem Witz und manchmal derbem Humor dieser Szenerie angenommen und beschreiben die Jagd auf eine verloren gegangene amerikanische Atombombe.
Chinesische Geheimdienste, Triaden und Gangster dieser Zeit waren schon Comic-Themen. Als Beispiele mögen hier die Abenteuer von Bob Wilson (In den Pranken des Tigerdrachen) und Nero (Der Hundesalon) genannt sein.
Teilweise wirkt das Abenteuer um Alix, die nagelneue Agentin Im Geheimdienst des großen Steuermanns, als habe man einen Draufgänger wie Bob Wilson in der Figur von Francis Flake karikieren wollen. – Oder vielleicht direkt alle männlichen Engländer zwischen 20 und 50.
Der Humor, der sich hier äußert, könnte auch eine Komikertruppe wie den Pythons eingefallen sein. Francis Flake, obwohl ein Spezialagent im Geheimdienst ihrer Majestät, hat immer noch feuchte Träume, zumeist – Freud hätte seine Freude daran – über seine Mutter. Immerhin erschreckt es Francis wenigstens bis auf die Knochen.
Solch ein Mann hat nun den Auftrag eine Atombombe irgendwo in Asien zu finden. Der Leser kann sich sehr gut vorstellen, welches Chaos dieser Mann bei seinen Nachforschungen auslösen kann.
Yann und Conrad wären nicht die Autoren, die sie sind, wenn sie sich auf diesem Pink-Panther-Prinzip ausruhen würden. Und so steht Francis ein unbedarftes chinesisches Mädchen entgegen, schlau, wehrhaft, jungfräulich, die in dieser gezeichneten Form wohl den niedlichsten Schmollmund seit Angelina Jolie besitzt.
Wer bei all diesen Beschreibungen glaubt, er habe es – auch dank der Zeichnungen – mit einem eher harmlosen Cartoon zu tun, der täuscht sich. Hier stehen sich Form und Inhalt einander gegenüber. Es rollt schon mal ein Kopf, es gibt ein wenig Sex, Action, aber auch sehr stark vermengt mit zum Teil absurdem Humor, der niemanden vergisst. Hier wird keiner bevorzugt, alle bekommen ihr Fett weg – das britische Empire ebenso wie das Land des großen Steuermanns Mao Zedong. Kurzum, es ist gut, wenn eine Geschichte nicht nur herrlich schräg, sondern auch politisch absolut unkorrekt ist.
Yann hat schon mit anderen Geschichten wie Helden ohne Skrupel oder Poison Ivy gezeigt, wie er mit dieser Unkorrektheit spielen kann und dem Leser so einen Gag nach dem anderen serviert. Alix Yin Fu, die Hauptfigur, ist wie alle anderen und die Umgebung in einem locker leichten Strich gezeichnet. Das karikiert ziemlich viel dessen, was der Leser aus einschlägigen Geschichten kennen mag. Merkwürdig gewandete und bandagierte Killer treten hier gleich im Dutzend (+1) auf.
Die leichten, und nicht immer genau sitzenden Tuschestriche sind ein klein wenig auch nostalgisch anmutend. Wie in Zeiten, als Comics noch überaus aufregend waren, weiß auch dieser Auftakt um Alix und den englischen Fang Pi (Stinkefurz) dieses Gefühl wiederzuerwecken. Weniger alte Nostalgiker werden ganz einfach ihren Spaß mit dieser Geschichte haben.
Mit übersprudelndem Humor, derbem Spaß, satter Action und einer schnuckeligen Hauptfigur startet das Rennen um Fat Girl, die verloren gegangene Atombombe. Yann ist ein Spaßvogel, wie es zurzeit nicht viele im Comic-Bereich gibt. Mit Conrad bildet er ein perfektes Team. Wer es englisch pechschwarz mag, ist hier genau richtig. 🙂
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Freitag, 30. Mai 2008
Rick und Michonne hat es nach Woodbury verschlagen. Eigentlich sollte der Fund weiterer Überlebender in einer geschlossenen Siedlung für Freude sorgen, doch das Gegenteil ist der Fall. Für Rick und Michonne wird der Aufenthalt zur schlimmsten Zeit ihres Lebens seit der Auferstehung der wandelnden Toten.
Dem Mann, der sich selbst den Titel Gouverneur verliehen hat, verdankt Rick den Verlust seiner rechten Hand. Michonne ergeht es noch viel schlechter. Sie ist zur unfreiwilligen Gespielin des Gouverneurs geworden, der an ihr seine Lust und Launen auslässt. Aber das Blatt wendet sich.
Nicht alle Bewohner von Woodbury sind mit den Gegebenheiten einverstanden. Die Zweikämpfe inmitten einer Gruppe angeketteter Zombies finden auch nicht jedermanns Geschmack und wüssten die Menschen, was sich hinter der Wohnungstür des Gouverneurs abspielt, wäre eine offene Revolte vorprogrammiert.
So finden sich nur ein paar Menschen, die bereit sind, Rick und Michonne zu helfen. Der Weg aus Woodbury heraus ist nicht leicht. Der Weg durch die Wildnis gestaltet sich schwieriger. Aber was die Heimkehrer und Neuankömmlinge zu Hause erwartet, ist noch viel schlimmer.
Die 6. Folge der Reihe um die Überlebenden der Zombie-Katastrophe wurde von Robert Kirkman als Horrortrip zum Quadrat geschrieben. – Und wie zuvor geht der größte Horror von den Menschen aus, denn die Untoten sind wenigstens berechenbar.
Michonne, eine Späteinsteigerin der Reihe hat sich zu einer der Hauptfiguren gemausert. Nach der Tortur, die sie erleben musste, ist ihr das Mitleid des Lesers gewiss gewesen. Nach der Rache, die sie an Philip, ihrem Peiniger, dem selbsternannten Gouverneur, übt, mag man als Leser diesem Gefühl nicht mehr folgen. Hatte sich ihr Peiniger als Tier erwiesen, mit Spaß an der Gewalt, geht sie bei ihrer Rache mit einer chirurgischen und eiskalten Präzision nach, die sie selbst auf einer gewissen Stufe der Gewalt erschöpft und anwidert. Michonne ist zu etwas noch schlimmeren geworden als der Gouverneur.
Und sie ist nicht die einzige, die eine Wandlung durchläuft. Auch Rick, der ehemalige Polizist, stellt Veränderungen an sich fest. Die Ziele sind plötzlich glasklar umrissen. Der Schutz der eigenen Leute, im Kern, der eigenen Familie, steht an erster Stelle. Ansonsten gibt es nichts mehr. Gehandelt zum Erreichen dieses Ziels wird ohne nachzudenken und mit absoluter Konsequenz.
Mit dem Erwachen der Toten ist bei manchen Überlebenden etwas gestorben. Etwas, das sie binnen kurzer Zeit nicht einmal vermissen.
Nach einer Weile ist man als Leser dankbar, dass es wieder die Zombies sind, die den Horror der Geschichte ausmachen.
Robert Kirkman schenkt dem Leser in dieser Episode nichts. Es bleibt nichts dem Zufall überlassen – und kaum etwas der Phantasie. Der Angriff auf dieses kribbelnde Gefühl im Magen, das sich bei extremem Horror einstellt, ist frontal.
Wer annimmt, es handele sich bei dieser Reihe um eine Art Fun-Splatter, wie er früher einmal populär war (und mitunter ist, siehe Marvel Zombies), sieht sich hier gewaltig getäuscht. Angesichts der Leiden, die hier durchstanden werden, ist für Spaß kein Platz. Zuschauer von einst, die eine Testvorführung von Der Marathon-Mann, genauer nach der Zahnarzt-Szene, mit Übelkeit verließen, würden hier schreiend davonlaufen.
Allerdings ist die Heftigkeit der Brutalität auch genau berechnet. Was zeigt man, was überlässt man der Phantasie des (wahrscheinlich meist männlichen) Lesers?
Wäre Michonne nicht eine Figur von Robert Kirkman, könnte sie auch dem Ideenreichtum eines Frank Miller entsprungen sein, der es auf ähnliche Weise versteht, mit der Gewalt zu spielen und sie wie ein Instrument einzusetzen.
Das gnädige Schwarzweiß der Bilder von Charlie Adlard bewahrt den Leser vor einem härteren Eindruck. Ein unbestimmbarer dokumentarischer Charakter lässt sich an den Bildern ablesen, ein wenig so, als wäre ein Zuschauer mit einer Handkamera anwesend und filme Angelegenheiten, die ihn nichts angingen. – Eine Technik, die inzwischen auch auf der Leinwand mit Diary Of The Dead und [REC] Einzug gehalten hat.
Noch immer ist ausgerechnet ein Gefängnis der Zufluchtsort der Hauptfiguren.
Ausgerechnet ein Gefängnis will gegen äußere Feinde verteidigt sein. Diese Umkehr der Verhältnisse des realen Amerika hat seine Wirkung auch in dieser Fortsetzung nicht verloren. Die Düsternis der Geschichte und die Hoffnungslosigkeit – obwohl sich die Figuren beständig dagegen auflehnen – sind ein Erfolgsmerkmal dieser Reihe.
Die Zombies sind eher zu Nebendarstellern geworden, einem permanenten Naturereignis, kaum furchtbarer als die Resultate von Naturkatastrophen.
Kaum vorstellbar nach all den Ereignissen: Der 6. Band ist einer der härtesten. Spätestens nach der Hälfte der Lektüre dürften die Nerven blank liegen. Robert Kirkman gibt der Thematik Weltuntergangsszenario ein neues furchtbares Gesicht, wie es im Comic kaum zu finden ist.
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Jackie Estacado arbeitet immer noch als Auftragsmörder für die ehrenwerte Familie. Dank seiner neuen Fähigkeiten als der Erbe der Darkness fällt ihm dieser Job noch ein wenig leichter als zuvor. Aber ein Problem gibt es dennoch.
Früher einmal war Estacado ein Frauenheld. Mit der Darkness jedoch geht ein deutlicher Nachteil einher: Sollte Estacado jemals Sex mit einer Frau haben, bedeutet das seinen sofortigen Tod und die Kräfte gehen auf seinen Erben über. Eine Alternative wäre eine Frau, die er Kraft seiner Gedanken, ähnlich wie die Darklings, erschafft. Doch damit hapert es gehörig.
Wenn es bei diesem Problem bliebe, wäre alles in Ordnung. Leider muss sich Estacado über die Gebühr abreagieren und riskiert so einen Kleinkrieg zwischen Mafia und Yakuza.
Liest man die Liste der Macher der vorliegenden 2. Werkausgabe der Darkness, meint man einen kleinen Ausschnitt aus dem Who ist Who des Comics vor sich zu haben.
Illustre Namen wie Marc Silvestri, Garth Ennis (!), Brian Haberlin und Michael Turner (!) haben ihren Beitrag zu dieser heftübergreifenden Begegnung zwischen der Darkness und der Witchblade geleistet.
Obwohl die beiden Figuren getrennt voneinander entwickelt wurden und auch alleine sehr gut bestehen, passen sie ungeheuer gut zusammen – wie es sich auch in späteren Crossovern zeigte. Das liegt an diesem kratzbürstigen Design, mit dem sich Witchblade und Darkness bei ihrer Verwandlung umgeben. Kantig, wie eine Ansammlung einer mit Klingen beladenen Oberfläche, aus der nach Bedarf mit weiteren Schnittkanten bewaffnete Peitschen schießen können.
So trifft es sich, dass eine aus der Witchblade-Saga bekannte Figur, Ian Nottingham, schließlich beide Kräfte in sich vereinen kann. Im Gegensatz zu manch anderem Crossover wirkt diese Zusammenführung nicht angestrengt sondern vollkommen geplant.
Die vorliegende Ausgabe ermöglicht den direkten Vergleich mehrerer Zeichnergrößen: Steve Firchow, Michael Turner und Joe Benitez.
Steve Firchow arbeitete für die verschiedensten Labels wie Image, Dark Horse, DC und andere. Leider steuert er hier nur einen kleinen Teil bei (mehr seines grafischen Talents sieht man unter www.stevefirchow.com). Michael Turner muss nicht erst groß dem Comic-Fan vorgestellt werden. Seine schmollmundige Witchblade, sein Fathom-Universum und diverse Ausflüge zu altbekannten Helden wie Superman und Batman haben ihn selbst hinreichend bekannt gemacht. Er ist ein Vertreter der Bombast-Panels, einer Kino-Comic-Variante, wo die Szenen den Bildrahmen zu sprengen versuchen, wo zeitweise die Körper derart ausdrucksstark zu sein scheinen, dass sie ihren eigenen Hautmantel zu sprengen versuchen.
Bei Joe Benitez wirken die Figuren wieder etwas zerbrechlicher, aber auch bodenständiger, nicht so ätherisch wie es manchmal bei Turner der Fall ist. Action-versiert sind alle beide. Benitez konnte dies auch mit seinen Bildern zur Magdalena unter Beweis stellen, einer Figur, die sich ebenfalls gekonnt in das Universum dieser modernen Gruselfiguren einfügt.
Der Zyklus um das erste Zusammentreffen von Witchblade und Darkness schließt mit einem furiosen Showdown in einem Naturkundemuseum ab. Wer die Kinofilme in der jüngsten Vergangenheit verfolgt hat, weiß, was alles Nachts im Museum passieren kann – dank der beiden Hauptfiguren geht es dabei noch ein härter zu Sache, aber nicht weniger überraschend.
Eine heftige Schauermähr mit den modernen Gruselgestalten, die immer noch auf eine würdige Verfilmung warten. Hier haben sich zwei Comic-Charaktere gesucht und gefunden. Top-Zeichner liefern einen tolles Action-Abenteuer ab. 🙂
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Mittwoch, 28. Mai 2008
Am Trading Post machen sich Tolson und seine Männer einen Spaß daraus, auf Indianer zu schießen. Die Angehörigen der Armee sind zwar empört, aber ihnen fehlt es ganz eindeutig an Durchsetzungskraft. Anders die Indianer: Sie wollen die Schmähungen nicht länger hinnehmen und ersinnen einen listigen Plan, um sich zu rächen.
Als eine Postkutsche im Trading Post hält, denken sich Tolson und seine Männer nichts Böses. Doch die Passagiere sind alles andere als harmlose Reisende.
Die 9. Ausgabe der Blueberry Chroniken beschäftigt sich mit einer der dunkelsten Seiten der amerikanischen Geschichte. Immer weiter zurückgedrängt, wissen viele Indianer nicht mehr ein noch aus. Einige lehnen sich auf, andere fliehen, wieder andere geben sich auf. Mit den Geschichten Gebrochene Nase, Der lange Marsch und Der Geisterstamm, zusammengefasst unter dem Titel Tsi-Na-Pah, erzählen Jean-Michael Charlier und Jean Giraud das spannende Schicksal des Stammes, bei dem Blueberry nach seiner Flucht vom Attentatsort auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten Zuflucht fand.
Die Chiricahua, bei denen Blueberry Unterschlupf findet, gehören zu den Apachen-Stämmen, die durch die amerikanische Geschichte (und einen bekannten Erzähler namens Karl May) besonders bekannt sind. Bereits früh wurde ein Blueberry gezeigt, der sich auf die Indianer als gleichberechtigte Gesprächs- und Verhandlungspartner einlässt und nichts auf die vorherrschenden Ansichten der Weißen gibt.
In dieser Trilogie verstärkt Charlier diesen Aspekt noch, indem er Blueberry auch in den Sitten und Gebräuchen des Stammes aufgehen lässt. Sein Kampf gegen den Adler, den er nur vollzieht, um eine indianische Frau zu beeindrucken, spricht Bände.
Wie wenig Eindruck er – ebenso wie Vittorio, sein indianischer Rivale – dabei hinterlässt, ist einer der gelungenen humoristischen Einsprengsel in diesen drei Geschichten, die es bei aller Dramatik und Tragik gibt.
Ob sie weiß sind oder rot, die Männer sind Dummköpfe! Der eine bringt mir einen Revolver mit, der andere einen stinkenden Geier, und dann wollen sie, dass Chini ihnen um den Hals fällt.
Ein moderner Zeitmesser wäre Chini lieber, die sich hier durch Mut und Weitsicht als moderne amerikanische Frau darstellt.
Weder erzählerisch noch optisch ergehen sich Charlier und Giraud sich im berühmten edlen Wilden, denn beide stellen auch ganz klar: In der Verzweiflung ist für Edelmut kein Platz, allenfalls für einen letzten Rest Vernunft.
Trotzdem mag man als Leser den Eindruck gewinnen, dass die Figuren allgemein etwas schöner geworden sind. Blueberry sind wieder die Haare gewachsen (die ihm während seines Gefängnisaufenthalts gestutzt worden waren) und selbst Mikes alter Freund Jimmy und auch Red Neck sehen besser aus. Im Vergleich zu vorhergehenden Ausgaben wurde der Strich noch leichter geführt, feiner, zierlicher, zum Teil wie eine ganz eigene Rasterimitation aussehend.
Insgesamt mag sich Charlier selbst nicht einig gewesen sein, wie er seinen Stamm nun zuordnet – Navajo oder Apachen – letztlich aber schildert er sie sehr behutsam, freundlich, auch Mitleid erregend. Es besteht gar keine Frage, auf welcher Seite die Sympathien dieser Geschichte liegen, obwohl mit Vittorio ein recht unbequemer Zeitgenosse eine der Hauptfiguren ist. Und das ist noch sehr vornehm ausgedrückt. Andere würden einfach sagen, dass es sich bei Vittorio um einen halsstarrigen Idioten handelt.
Aber solche Gestalten gibt es auf beiden Seiten. Egg Head und auch Wild Bill Hickok sind äußerst unverträgliche Zeitgenossen. Ersterer ein Indianerhasser ohne Grenzen, letzterer wird als Dandy mit Kopfgeldjägerambitionen gezeigt.
Charlier weicht von den realen Ereignissen des Wilden Westens im Sinne einer spannenden Geschichte ab, ohne den Kern der Historie zu verfälschen.
Im Gegenzug scheint es, als würde er die Odyssee auf amerikanische Verhältnisse übertragen. Nirgends sicher fliehen Blueberry und seine Freunde immer weiter und lassen sich stets neue Pläne einfallen, um zu entkommen. So ist eine sehr verschachtelte Trilogie entstanden, die auch alte Bekannte wie Jimmy oder Chihuahua Pearl zurückholt. So finden sich ebenfalls beste Voraussetzungen, um Girauds Gestaltungsfreude aus der Reserve zu locken. Zur Freude des Lesers sind dadurch grandiose Eindrücke entstanden.
Der Postkutschenüberfall, Mikes Kampf mit dem Adler und sein Aufenthalt bei den Chiricahua, Pearls Hilfestellung bei Blueberrys Flucht und einige Szenen mehr haben Vorbildcharakter, nicht nur auf zeichnerischer Ebene, sondern generell für einen schönen Bildaufbau und einen guten Sinn für Perspektive.
Ein aussichtsloser Kampf, eine packende Flucht. Charlier ist ein mitreißendes Western-Spektakel geglückt, in dem die Weißen die Bösen sind. Ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte, dank der Bilder von Giraud eine tolle Abenteuertrilogie. Eine der besten. 😀
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Dienstag, 27. Mai 2008
Der Spirit macht einen Ausflug. Man könnte sagen, er wird für ein Picknick zwangsrekrutiert. Zuerst wehrt er sich dagegen. Doch mit fortschreitender Aktivität wie kuscheln, schwimmen, faulenzen oder Softball spielen, vergisst er so langsam den Alltag. Derweil passt Streifenpolizist Klink auf Crusher, einen Gehilfen des Kraken, auf. – Aufpassen? Na, Sam Klink hat dazu seine ganz eigene Auffassung.
Der Krake? Wie kann er geschnappt werden? Crusher könnte ein guter Köder sein. Nachdem der Spirit Crusher nach seinem falschen Ausbruch unter einer Treppe im Polizeigebäude wiedergefunden hat, steht einer Falle für den Kraken nichts mehr im Wege.
Als der Krake offensichtlich verstorben ist – der Umgang mit Handgranaten will gelernt sein – ist der Spirit kurzzeitig geblendet. Dies ist die Gelegenheit für seine Feinde, sich an ihm zu rächen oder aber durch den Tod des Spirits ein großes Tier in der Unterwelt zu werden. Allerdings wäre der Spirit nicht der Spirit, wenn er nicht auch eine ordentliche Portion Glück neben seinem Können als Detektiv – oder maskierter Held – verbuchen könnte.
Und so ist er zwar blind, aber mit einem guten Helfer wie Ebony an seiner Seite kann nichts mehr schief gehen. Na, so gut wie nichts jedenfalls.
Will Eisner – Man mag ihm als Leser zu Füßen liegen oder ihm mit Abneigung begegnen, seine Schaffenskraft hingegen ist so oder so bewundernswert. Alleine die 192 Seiten in der vorliegenden 15. Ausgabe von Will Eisner’s The Spirit Archive müssen erst einmal erdacht, geleistet und publiziert werden.
Was bin ich für ein toller Held!
Der Spirit hat durchaus die Fähigkeit zur Selbstkritik, ist doch dieser Ausspruch nicht ernst gemeint. Wieder einmal flog eine Handgranate, wieder einmal hat ihn der Krake ausgebootet. Der Spirit muss einerseits als Kind seiner Zeit angesehen werden, andererseits ist sein Humor zeitlos. Eine Figur wie Ebony, ein schwarzer Gehilfe, ist sicherlich so heutzutage nicht mehr denkbar und könnte ähnliche Proteste hervorrufen wie Tim im Kongo.
Der vorliegende zeitliche Ausschnitt aus Will Eisners Schaffen, 6. Juli bis 28. Dezember 1947, hatte seine ganz eigene erzählerische Kultur, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg besonders von den Vereinigten Staaten geprägt war. Es war die große Zeit von James Cagney, Humphrey Bogart, Edward G. Robinson, welche die Hollywoodsche Schwarze Serie mitprägten. Der Leinwandhumor eines Jerry Lewis, hier bereits auf geniale Art von Will Eisner vorweggenommen, könnte für den berühmten Komiker tatsächlich inspirierend gewesen sein. Die Albernheit, die gerade im Zusammenhang mit der Jagd auf den Kraken zutage tritt, findet sich später auch in der Fantomas-Trilogie mit Louis de Funès. Ein gutes Beispiel für Eisners Gespür für zeitlose Komik. (Ebenso wie er mit dem blinden Auftritt des Spirit die ewig wiederkehrenden Geschichten um blinde kriminalistische Aufklärer gehörig auf die Schippe nimmt.)
Eisner ist ein Meister des Anfangs. Die erste Seite einer Geschichte kann mit einem stets anderen Seitenaufbau aufwarten. Mal sind es mehrere Bilder, mal nur eines, dessen begleitender Text wie ein Hörspiel- oder Märchenauftakt wirkt. Immer wieder versteht es Eisner geschickt, die Neugier des Lesers zu schüren.
Die gelungensten Varianten dürften jene von Das Zeichen des Kraken, Mr. Bowsers Wahl und Aladins Lampe sein.
Besonders letztere Geschichte zeigt was grafisch und textlich herauskommen kann, wenn Eisner sich selbst vollkommen freie Bahn lässt. Der allseits bekannte Geist aus der Lampe mischt die Unterwelt auf. Ebony entgeht diesem Geist nur knapp – weil er zu ungeduldig ist. Wie gut Eisner auch mit Märcheninhalten spielen kann, zeigt er außerdem mit seinen Märchen für jugendliche Straftäter. Hänsel und Gretel wie auch das gute alte Aschenputtel werden von Eisner in die Welt des Spirit integriert.
Die Comics sind mit einem großen Sinn für den Cartoon und die Karikatur gezeichnet. Manchmal sind einzelne Figuren sehr überdreht, um sich im Gegensatz zur höchst realistischen Figur des Spirit abzusetzen. Dieser sieht zwar nicht aus wie eine groteske Figur, verhält sich aber munter so. So spielt Eisner auch hier fein mit Klischees und den Vorstellungen des Lesers, so lange, bis man als Leser nur noch lächelnd weiterblättern kann.
Bei dem einen oder anderen mag es dauern, bis der Spirit einen gefangen nimmt. Es bedarf auch einer gewissen Geduld – aus einer Zeit, als mit Geduld auch noch die Zeitung gelesen wurde – aber diese lässt sich angesichts der guten Unterhaltung schnell wieder erlernen. Komisch, auch niedlich, spannend und wieder komisch. Der Spirit passt auch nach so langer Zeit noch! 🙂
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Montag, 26. Mai 2008
Tom sucht sich seinen Weg über die Hauptstraße. Hinter und vor ihm wimmelt alles von Untoten, die seinem Leben mit Vergnügen ein Ende bereiten wollen. Waffen und Munition! Er braucht Waffen und Munition! Vielleicht findet sich etwas davon im Spielzeuggeschäft. Doch weit gefehlt. Tom hastet weiter. Die Zombies sind ihm weiter auf der Spur. Da hat er eine Idee. Er kippt einen Beutel Murmeln aus. Die Monster purzeln durcheinander. Während sie noch damit beschäftigt sind, sich wieder aufzuraffen, rennt Tom hinaus auf die Straße.
Tom erreicht die Feuerwache und hat Glück. Er findet zwar keine Schusswaffe, aber wenigstens eine Feuer-Axt, die es ihm leichter machen wird, sich zu wehren. Bis zum Hubschrauberlandeplatz ist es noch ein weiter Weg. Tom muss sich beeilen. Wenn er es nicht rechtzeitig schafft, schnappt ihm ein anderer das Fluggerät vor der Nase weg und die Untoten erwischen ihn.
Oder:
Eine Möglichkeit gibt es noch. Sollte es Tom gelingen in die Militärbasis einzudringen, kann er den alternativen Hubschrauberlandeplatz erreichen. So oder so, Tom bleibt nicht mehr viel Zeit, denn vor ihm betreten zwei phosphoreszierend leuchtende Zombies die Straße. Schlimmer noch: Irgendjemand hat mit ihnen experimentiert. Diese Zombies sind doppelt so schnell wie die anderen!
ZOMBIES!!!, das Spiel, erweckt unzählige Szenarien der Filme und natürlich in jüngster Zeit in den Comics zu neuem und nachspielbarem Leben. Das Spiel von Todd Breitenstein (kein Witz!) ist comic-haft genial von Dave Atkins illustriert. Es setzt auf leichte Regeln und ein variables Spielfeld, aus Straßenzügen und Häusern, die sich immer neu arrangieren lassen.
Sie sind überall!
Zu Beginn sind die Untoten eher spärlich gesät, doch das ändert sich im Verlauf des Spiels rasant. Plötzlich wimmelt es nur so von ihnen. Sie bewegen sich langsam, aber stetig – und sie stehen immer im Weg. Darüber hinaus machen einem die Mitspieler auch noch das spielwörtliche Leben schwer, wenn sie am Ende ihres Zuges die Zombies auf ihnen genehme Felder ziehen.
Die Schlüssel stecken noch!
Das denkt sich auch Rick, der ehemalige Polizist, aus der überaus erfolgreichen Comic-Reihe The Walking Dead von Robert Kirkman. Allerdings bringt ihn der alte Polizeiwagen nicht sehr weit. Noch vor der großen Stadt muss Rick auf ein Pferd umsteigen. Wer die Ereignisse des ersten Bandes Revue passieren lässt und sich die Szenen in der Großstadt anschaut, hat auch das Szenario des Spiels sehr schnell vor Augen.
Mit einer ähnlichen Leichtigkeit, wie sie so mancher Protagonist in The Walking Dead an den Tag legt, gehen auch die Spieler in ZOMBIES!!! auf die Jagd. Der Stadt zu entkommen, mag ein Spielziel sein. Möglichst viele Zombies zu sammeln (25 Stück), kann ein anderes Spielziel sein. Anfangs mag es leicht sein, die Biester zu erledigen, aber ein wenig Würfelglück gehört auch dazu. Viel Feind, viel Ehr’, ist hier nicht das richtige Sprichwort. Vielmehr dürfte ein umgedrehtes Viele Jäger sind des Hasen Tod eher der Fall sein. Also nicht übermütig werden. Ganz besonders dann nicht, wenn es an die Spieleerweiterungen ZOMBIES!!! 2: Zombie-Korps, ZOMBIES!!! 3: Konsumleichen und ZOMBIES!!! 5: Totencampus geht. ZOMBIES!!! 4: Höllenhunde kann als eigenständiges Spiel ohne die Basisvariante gespielt werden.
Das Schöne sind nicht nur die Erweiterungen, die mit ihren Ideen neue Rasanz in den Spielablauf bringen, sondern auch die vielfältigen Möglichkeiten. Im Gegensatz zu manch anderem Spiel kann auch der Spieler seine Kreativität einbringen und sich eigene Varianten ausdenken.
Mit 3-4 Spielern ist ein zügiges Drankommen gewährleistet, während es mit 6 Spielern etwas schleppend vonstatten geht.
Viel Spaß auf einfachem Niveau in schöner Ausstattung und gelungenen Erweiterungen. Wer nach diversen Zombie-Comics noch nicht genug hat, findet im Kreis anderer Zombie-Freunde einen kurzweiligen Zeitvertreib. 🙂
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Ginger Coffee wurde entführt. Dies ist ein Fall für den Spirit. Keine Frage. Obwohl Ginger in de Gewalt ihrer Entführer große Angst hat – weil diese wirklich Frucht einflößend sind – ist sie von ihrem Retter nicht begeistert. Vielleicht will er bloß Publicity, weil er jemanden vom Fernsehen gerettet hat? Oder er macht das nur wegen einer Belohnung. – Mit Ginger Coffee hat es der Spirit in der Tat nicht leicht.
Denny Colt, so der Name des Spirits im wahren Leben, gehört nicht zu den Männern, die einen Abend auf der Couch der Verbrecherjagd vorziehen. Ellen, die sich alle Mühe gibt, Denny von den Vorzügen eines heimeligen Abends zu überzeugen, findet nach ihrer Rückkehr aus der Küche nur noch ein leeres Sofa vor.
Denny ist bereits wieder auf der Jagd.
Darwyn Cooke pflegt einen Animations-Stil. Bereits bei der Witchblade Animated konnte dies mit Kollege J. Bone unter Beweis gestellt werden. Wer in den vergangenen Jahren Serien wie Superman, Batman, Batman & Robin, Batman Beyond, Justice League verfolgt hat, der weiß, wie Darwyn Cooke zeichnet. (Kein Wunder, hat Cooke doch an den beiden erstgenannten Serien mitgearbeitet.) Mit der kommenden Veröffentlichung Batman/The Spirit schließt sich der Kreis wieder.
Wer sich den echten Spirit anschaut, weiß ebenfalls wie karikativ, wie humorvoll die von Will Eisner geschaffene Figur war und wie sie zugunsten anderer Charaktere auch einmal beiseite stand.
Der Spirit von Darwyn Cooke steht viel mehr im Mittelpunkt. Er hat sich den Humor allerdings erhalten. Auch dieser Spirit ist manchmal ein verhinderter Held, dem auch ein bißchen Slapstick gut zu Gesicht steht, der aber auch in staubernsten Situationen zu begeistern weiß.
Der neue Spirit hat sich das Gefühl der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts bewahrt. Selten nur sind die Momente, in denen eine andere Zeitrechnung spürbar ist. Interessant ist die Vorgehensweise der Geschichten. Im Kern ist eine durchaus ernsthafte Komponente und doch ist manche Figur weit davon entfernt die Sachlage mit dem nötigen Ernst anzugehen. Hussein Hussein ist solch eine Figur. Ein Alleswisser, einer, der sich selbst charmant und witzig findet, jemand, dessen Mundwerk nie still zu stehen scheint. Miss P’Gell ist die geheimnisvolle Sexbombe, die auch eine Spur realistischer als andere gezeichnet ist. Der Commissioner könnte bei Cooke ein Bruder von Popeye sein, mit kantigem überbetontem Kinn und finster verkniffenen Augen.
Darwyn Cooke erhält auch die Spielereien mit dem Namen des Spirit und weiß sich auch hier durch gelungene Phantasie zu beweisen. Der Schriftzug glänzt auf einem regennassen Zaun, in einer Wüste, gebildet durch Kakteen.
Am besten ist dieser neue Spirit, wenn der Geist der alten Reihe richtig erfasst werden soll, denn Cooke schafft es wirklich, die Figur in das neue Jahrtausend zu transportieren. Besonders deutlich ist dies abzulesen, wenn der Spirit zum Werbestar wird und sein Konterfei in bester putziger Manga-Manier auf einer Konservendose mit einem (unappetitlichen) Kinderfrühstücksessen prangt.
Mister Carrion und sein Hausgeier Miss Julia dürften zu den seltsamsten Gaunern gehören, die jüngst die Comic-Thriller unsicher machten. Doch sollte man sich als Leser durch diese merkwürdige Konstellation nicht täuschen lassen, denn die bösen Jungs (obwohl mitunter lächerlich aussehend) nehmen ihren Job sehr ernst.
Der Spirit ist wieder da, ein Spirit für Kids, nicht unernst, so doch mit dem Spirit von TV-Zeichentrickserien der jüngeren Generation aus dem Hause DC, sehr unterhaltsam. Mit Darwyn Cooke gewinnt dieser Held sicherlich einen Macher, der das Potential der Figur erfasst und fein ins neue Jahrtausend transportiert hat. 🙂
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Samstag, 24. Mai 2008
In einer glanzvoll technisierten Zukunft scheint es keine Grenzen mehr zu geben. Das Leben verläuft in streng festgelegten Bahnen. – Aber Gewalt gibt es immer noch. Bei einem terroristischen Anschlag wird die Zivilisation von einem Augenblick zum anderen ausgelöscht. Die Zeit, die kommt, ist anders. In jener Zeit erinnern nur noch Mythen an eine Vergangenheit. Diese Mythen könnten ebenso gut Ammenmärchen sein.
Auf ihrer Flucht vor den Sklavenjägern finden die verzweifelten Männer eine Höhle. In den gläsernen Röhren, die dort aufgestellt sind, entdecken sie mumifizierte Tote. Ob dies eine Stätte der Alten ist?
Ein einziger in den Röhren hat überlebt, aber auch er kann diese Frage nicht beantworten, denn er weiß nicht, wer er ist, wann er einmal war, noch wo er jetzt ist. Außer Frage steht jedoch, dass er ein instinktiver Kämpfer ist, dessen Techniken die Sklavenjäger nichts entgegenzusetzen haben. Mit grausamer Leichtigkeit tötet er die Verfolger seiner Entdecker. Der weißhäutige Fremde, vom Blute seiner Feinde verschmiert, erhält von seinen dankbaren Findern einen Namen: Redhand.
Dem Leser könnten die Macher dieses Bandes durchaus bekannt vorkommen. Kurt Busiek ist inzwischen zu einem namhaften Schwergewicht der Comic-Autoren geworden – nicht zu Unrecht, denn mit seinen Erzählungen hat er neue Wendungen in bestehende Reihen gebracht. Mit frischen Ideen sind außerdem neue Triebe entstanden, die Impulse in die Comic-Landschaft brachten. Conan brachte das Traumteam Kurt Busiek und Cary Nord zusammen. Die Rächer vereinten Busiek und George Pérez.
Redhand ist das Projekt von Busiek und Mario Alberti, dessen grafischer Stil sehr individuell ist und einen hohen Wiedererkennungswert hat.
Hierzulande mögen Comic-Fans Albertis Arbeiten von Morgana her kennen, einer SciFi-Geschichte mit starkem Phantastikanteil. So mögen sich die richtigen Macher hier zusammengetan haben, denn der Mystik- und Mythenfaktor von Redhand ist deutlich hervorgehoben. Der seltsame Fremde ist von Busiek fast wie ein Messias konzipiert worden, allerdings ein Messias wider Willen, dessen Fremdartigkeit ihm beinahe zum Verhängnis wird.
Ähnlich wie bei Morgana ist Redhand eine sehr ernste Erzählung. Hier ist keinerlei Platz für Witz, Humor, weder in der Erzählung noch durch eine grafische Anspielung. Busiek und Alberti gehen in der Beschreibung dieser zukünftigen Welt wie auch des Charakters von Redhand auf.
Nicht nur sein Äußeres macht ihn innerhalb der Dorfgemeinschaft zu einem Außenseiter, auch seine mangelnde Eigenschaft auf die Götter zu reagieren.
Irgendetwas hat die Katastrophe in der Vergangenheit überlebt und kann die Menschen dieser Zeit beeinflussen. Der Aufwiegelungsprozess, den Busiek hier beschreibt ist klassisch, nachvollziehbar. Er findet sich in Western ebenso wie in Fantasy-Geschichten, aber er funktioniert immer wieder. Dem Leser sollte es schwer fallen mit Redhand Sympathien zu empfinden. Er kapselt sich sehr ab, nimmt seine Andersartigkeit an und unternimmt nicht viel, um sich zu integrieren. Dadurch entsteht die Möglichkeit, diese Hauptfigur aus der Warte der Dorfbewohner zu sehen. – Und der Schock zum Schluss sitzt so noch tiefer.
Die reduzierte Farbpalette, die Mario Alberti zum Einsatz bringt, verstärkt den Blick in eine andere Welt und eine besonders künstlerische Wirkung. Der Beginn, mit einem warmen Grau, Rot, einem giftigen phosphoreszierenden Grün unterlegt erweckt bei aller sorgsamen Technisierung den Eindruck einer düsteren (auch schlecht gelaunten) Welt. Im Wechsel zur Zukunft wird es heller, mitunter gelblicher, doch wenn die Vergangenheit spürbarer wird, wird auch die Farbpalette von zuvor wieder aktiver und legt schließlich auf ein kaltes Grau einen neuen Schwerpunkt.
Informative Interviews mit den beiden Machern sowie sehr schöne Entwürfe von Mario Alberti runden die vorliegende Ausgabe ab – und schüren die Neugier auf die Fortsetzung.
Durch den Tod einer Welt kommt ein Fremder in die Zukunft. Aber er ist kein Heilsbringer wie so oft, sondern ein Zerstörer – wider Willen – daraus entsteht ein spannender Plot mit unerwarteten Wendungen von einem Comic-Altmeister einerseits (Busiek) und einem Neuling andererseits (Alberti), die hier eine fesselnde Inszenierung zu Papier gebracht haben.
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Der kleine Tross ist auf dem Weg durch das öde Durotar. An der Küste finden die Orcs plötzlich einen fremden Menschen. Unbeweglich liegt er auf dem Boden, die Füße noch im Wasser. Ein Krokilisk ist bereits unterwegs, um sich seine Abendmahlzeit zu holen. Doch der erwachende Fremde ist wehrhaft.
Nur mit einem Stück Treibgut bewaffnet, stellt sich der Fremde dem urzeitlichen Raubtier entgegen. Die Orcs schauen dem Kampf mitleidlos zu, schließen Wetten ab. Zu des Fremden Glück braucht Rehgar, der Anführer der Orcs, einen neuen Gladiator.
Bereit, Meister!
Aber ich nicht!
Mit Warcaft 2 begann der Siegeszug dieser Welt erst so richtig. Markige Sprüche, liebevoll animierte Figuren, tolles Taktieren, gute Editoren und noch mehr machten diese Welt zu einem Langzeitvertreib für Fantasy-Fans. Inzwischen kann die Welt hautnah im Online-Opus World Of Warcraft miterlebt werden. Nach den Romanen zum Spiel folgen nun auch die Comics. Und alle sind sie hier vertreten: Menschen, Waldelfen, Blutelfen, Orcs, Trolle, Kobolde, Oger, Untote, Tauren und andere.
Walter Simonson hat sich einen kleinen Teil dieser Welt vorgenommen. Was wäre besser, als diese Welt an der Seite eines Menschen zu erkunden, der sein Gedächtnis verloren hat? Auf diese Weise kann der Leser ebenso wie die Hauptfigur alles auf sich zukommen lassen und der Erzähler gerät an keiner Stelle in Erklärungsnot. Dieser Grundgedanke ist ein bewährtes Instrument. Er hat bei so manchem Krimi und Thriller funktioniert, er lässt sich aber auch auf die Fantasy übertragen.
Im Kern der Geschichte steht der Gladiatorenkampf. Ein wenig mag sich der Leser an die Arena in Gladiator erinnert fühlen, die sich auf afrikanischem Boden befand und in der der Spanier seine ersten Erfolge errang. Etwas heruntergekommen, abseits der eigentlichen Zivilisation, geben sich hier private Gladiatorenbesitzer ein Stelldichein.
Natürlich steht die Action hier im Vordergrund. Zeichner Ludo Lullabi gehört zu jener modernen Zeichnerriege im Stile eines Humberto Ramos oder Francisco Herrera. Diese Zeichner überzeichnen eine Szene gerne, verändern Proportionen, lieben es cartoony, mitunter auch bombastisch. All diese Eigenschaften prädestinieren zu einer Umsetzung dieses Spieleuniversums, das von Beginn an einen starken Comic-Charakter besessen hat.
Neben einer feinen Tuschearbeit von Sandra Hope, die auf jegliche Experimente verzichtet, zeichnen sich die Bilder durch pralle, knallige Farben. Randy Mayor spielt gerne einmal mit dem Licht, taucht eine Szene mal in Blau oder Orange, bleibt aber die meiste Zeit bei einer einfachen Farbgebung, die auf extreme Licht- und Schattenspiele verzichtet.
Nach einer action-reichen Geschichte darf sich der Leser auch wieder an den Ogern erfreuen. Wie bereits zu Urzeiten des Spieles zeigt sich, dass ein doppelköpfiges Wesen, das sich uneins ist, nicht wirklich zu einem guten Kämpfer taugt. Im Sinne anderer grafischer Veröffentlichungen darf sich der Leser nicht nur auf ein Cover von Jim Lee, sondern auch auf ein Poster im Inneren freuen. Alternativ findet sich eine Grafik von Samwise Didier, der eine tragende Rolle bei der Entwicklung der Figuren gespielt hat (siehe auch: The Art Of: World Of Warcraft) 🙂
Yiu will den kleinen Ji-A um jeden Preis beschützen. Sie lässt sich auch nicht durch die Gewehre abschrecken, die samt und sonders auf sie gerichtet sind. Sie hat die Wahl sich zu ergeben, aber Yiu wählt den Kampf. Schüsse krachen in dem rötlich beleuchteten Raum. Kurz darauf ist alles vorbei.
Sie lässt ihren Bruder in der Obhut des Mannes zurück, der sie zuvor noch verhaften wollte. Ihm bleibt keine Wahl, denn ein Kragen aus Spritzen, die Yiu aus der Ferne auslösen kann – so sagt sie. Die Warnung wirkt. Der Mann bleibt bei dem Jungen.
Fortan hat Yiu nur drei Ziele. Beschütze den Jungen. Bring den Eindringling zur Strecke. Bleibe lange genug am Leben, um die ersten beiden Ziele zu erreichen.
Der Schwur der Söhne stürzt den Aufbewahrungsort wertvoller genetischer Ressourcen der Menschheit in ein heilloses Chaos. Die Stellung einer einzelnen Frau, die nichts weiter im Sinn hat, als ihren Bruder zu retten, ist wichtiger als die Rettung den gesamten Genpools.
Kein Geplänkel! Der vierte Band von Yiu ist ein Wettrennen mit der Zeit. Gegner auf unterschiedlichsten Niveau machen ihr das Leben schwer. Selbst Neueinsteiger können an ihrem Aufeinandertreffen mit gewöhnlichen Sicherheitskräften erkennen, wie hoch ihre Professionalität in ihrem Beruf ist: Attentäter.
Bislang zeigte sie stets einen gewissen Ehrgeiz bei der Erfüllung ihrer Aufträge. Nun, da noch viel mehr davon abhängt, nämlich das Leben eines Verwandten, wird sie zur Furie.
Das komplexe Konstrukt von Yius Welt greift in kleinen Zahnrädchen ineinander. Nichts scheint dem Zufall überlassen worden zu sein – und falls doch, merkt man es nicht. Das spricht für Téhy, Vax und J.M. Vee, die sich die Arbeit an diesem Projekt teilen. Téhy und insbesondere Vax hatten mit den Zeichnungen sehr viel Arbeit zu bewältigen, deren Wirkung sich aber erst durch die Farbgebung von Oxom FX und Daniel Ballin vollends entfaltet und einen Bilderrausch freisetzt.
Die technisierte Welt äußert sich hier besonders in verschiedenen Konstrukten und Szenen. Zuallererst ist die merkwürdige Maschine zu nennen, die den Genpool für sich vereinnahmt. Ein Gerät, das an eine mutierte Hummel erinnert, mit glosenden Augen, deren Bestandteile sie abfeuern kann … Das ist Technikhorror pur.
Infiltrationseinheiten bekommen mit den Shoot To Kill-Teams eine ganz neue Bedeutung. Man schießt sie mitsamt ihrer Kapsel geradewegs durch die Mauer. Die gruselige Krönung ist der Stachelfüßler, eine intelligente Maschine zur Heilung, aber mit einer sehr schmerzhaften Prozedur.
J.M. Vee, der für die technologische Ausarbeitung der Reihe zuständig ist, hat ganze Arbeit geleistet.
Die Wirkung von technischen Apparaturen, eigentlich medizinischer Natur, die in einem Kampf eingesetzt verfehlt auch den richtigen Effekt nicht. Kompliziert ineinander verschachteltes Gestänge mit skalpellartigen Schneiden oder Greifern am Ende haben schon in Judge Dredd – Das Buch der Toten gute Dienste geleistet. Berni Wrightson setzte auf ähnliche Art einen Roboter in Szene. Ein feingliedriges Angriffskonstrukt hat etwas von einer mechanischen Gottesanbeterin. Und tatsächlich ist das Ende, das einen Gegner durch ein solches Konstrukt erwartet, ähnlich brutal.
Zum guten Schluss sei noch das Cover hervorgehoben. Nicht nur, dass eine toll choreographierte Action-Szene ist, sie verdeutlicht auch den Charakter von Yiu vortrefflich.
Zwei ihr ebenbürtige Gegner malträtieren sie, aber sie ist weit davon entfernt, aufgeben zu wollen. Es ist außerdem eines jener Bilder, das auf dem Kopf steht. Ich wusste, ihr würdet mich umdrehen sollte eigentlich klein gedruckt irgendwo zu finden sein. Doch nicht nur das Umdrehen lohnt sich, sondern auch ein näherer Blick. Für das Cover zeichnet sich Kolorist Nicolas Guénet verantwortlich, der hier einen beinahe vollkommen natürlichen Farbauftrag erreicht.
Ein SciFi-Action-Abenteuer in einer hochtechnisierten, aber auch tieftraurigen, verlorenen Welt. Yiu überschreitet ihre eigenen Grenzen einmal mehr, diesmal aus Liebe zu ihrem Bruder. Grafisch opulent nehmen Vee, Téhy und Vax den Leser mit auf die Reise in einen spannenden Alptraum. Top! 😀
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