Dienstag, 03. November 2015
60 Piaster für eine Sitzung bei Freut? Das ist zu viel. ISNOGUD will lieber mit 60 Peitschenhieben bezahlen und macht einen der schlimmsten Fehler seines Lebens. Aus der Folter wird eine befohlene Enthauptung, doch auf dem Richtblock kann Freut noch mit dem Henker, Dikhör mit Namen, ein Wörtchen reden. So gelingt es ihm, Dikhör davon zu überzeugen, sein Leben, sein ganzes Dasein einmal zu überdenken und eine neue friedvollere Richtung einzuschlagen. Die Hinrichtung ist vorerst abgesagt. Eigentlich alle Hinrichtungen, denn ein Ersatzhenker ist nicht leicht zu finden.
PRÄSIDENT ISNOGUD feuert eine satirische Breitseite auf ein modernes Gesellschaftsbild. Politik, Wahlen, Selbstfindung, Verweigerung um der Verweigerung willen, Revolution, Querelen im Nahen Osten, Manipulation der Massen und Propaganda … Nicolas Canteloup und Laurent Vassilian schießen mit so geballter Kraft gegen die kleinen und großen Katastrophen gesellschaftlichen Wahnsinns, dass man kaum weiß, wo einem hinterher der Kopf steht. Es beginnt im Kleinen. ISNOGUD, der seine Macht darauf begründet, jeden, der ihm nicht gehorchen will (oder dessen Nasenspitze ihm nicht passt), einen Kopf kürzer machen zu lassen, verliert völlig unerwartet, seinen Mann fürs Grobe, den Henker. Dank eines gewissen Freut hat der Henker plötzlich keine Lust mehr auf seinen Job.
Tohuwabohu und ein Feuerwerk an Gags. Der Kalif will sich wählen lassen. Warum auch nicht. Er ist der einzige Kandidat. Umfragen fallen stets zu seinen Gunsten aus. Plötzlich wollen die Leute aber Auswahl. Da muss Isnogud ran. Den will bestimmt keiner wählen, gilt er doch als verschlagen und gemein. Aber ein Großwesir kann auch anders. Und es wird den Leuten nach dem Mund geredet, alles gefällt. Als wäre das nicht genug, ist da noch die Sache mit dem Fes-Bock.
Fes-Böcke wollen sich miteinander anfreunden und Schweine kwiekern munter vor sich hin. Ganz Bagdad ist im Wandel begriffen. Nicolas Tabary hat alle Hände voll zu tun, den cholerischen ISNOGUD in Szene zu setzen. Nicolas Canteloup und Laurent Vassilian lassen mit ihrer textlichen Vorlage aber auch keine Pause. Längen gibt es nicht, Ruhephasen ebenso wenig. Die Witze kommen zeilenweise. Ist der eine vorüber und hat gezündet, start die Einleitung zum nächsten oder ein Running Gag nimmt erneuten Anlauf.
Zwei Sympathiefiguren und Gastauftritte. Hatte Prince (wenn er gerade mal wieder so heißt) jemals einen Auftritt in Comics (bei den Simpsons vielleicht), aber in einem europäischen Comic dürfte das kaum der Fall gewesen sein. Jedenfalls klären Canteloup, Vassilian und Tabary die Abwesenheit des kleinen Sangesmannes auf ihre ganz eigene Weise. Nebenbei erhält ein Klassiker der Comic-Kunst seine persönliche Seelenberatung. Nicht zu vergessen: Freut. Die Psychoanalyse, sollte sie wie hier, Kriege verhindern helfen, müsste größere Beachtung verdienen. So aber ist sie für eine Menge Kalauer gut, denen selbst ein Sensenmann sich nicht entziehen kann.
Das Titelbild verrät den Zeichenstil perfekt. Wer die alte Serie bisher verfolgt hat, wird keine Überraschungen erleben. Nicolas Tabary ist der Linie treu geblieben, die sein Vater Jean Tabary, der ISNOGUD-Veteran, vorgegeben hat. Seit dem 28. Abenteuer ist der Junior dabei. An ISNOGUD wurde nichts mehr verändert. Der Strich ist knackig, fett. Viele Figuren sind zum Knuddeln, besonders die Tiere. Mancher Figur leuchtet ein kleiner, harmloser Irrsinn aus den Augen. ISNOGUD, zeitweilig ohne Turban unterwegs, verliert äußerlich einen Teil seiner Autorität, nur mit kurzen Haaren, da mag das Mundwerk noch so groß sein. Interessant ist die Verkündung des Wahlergebnisses zum relativen Schluss, denn Hochrechnungen werden nicht auf eine Tafel geworfen, vielmehr fällt die Präsentation des Ergebnisses viel anschaulicher aus. Damit wäre man wieder beim Thema Autoritätsausstrahlung.
Eine Gag-Parade im Sauseschritt. Würde ISNOGUD es auf den Punkt bringen, hieße es: Lach oder stirb (durch den Henker). Keine Zeit zum Luftholen. Das ist tolle französische Komödie in der Tradition von Louis de Funes oder Pierre Richard. Klasse. 🙂
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Freitag, 30. Oktober 2015
Eine geheimnisvolle Erbschaft lockt den jungen Tristan Bantam in die weite Welt hinaus. Der Vater ist gestorben und hat ihm hinterlassen, dass er noch eine brasilianische Familie gehabt habe. Mehr noch, er hat eine Schwester, die ihm bislang nicht begegnet ist: Morgana. Mit Hoffnung im Herzen trifft er auf Corto Maltese und an der Seite dieses Weltenbummlers schlittert er in das größte Abenteuer seines Lebens. In der Welt von CORTO MALTESE geben sich die Menschen mit geheimnisvollen Vergangenheiten die berühmte Klinke in die Hand. So mancher will seine Vergangenheit vergessen, fernab der Heimat in Alkohol ertränken. So jemand ist auch der Professor aus Prag, der sich Corto irgendwie an die Fersen heftet und zu einem Wegbegleiter wird.
Strolch mit Samtaugen. Eine schöne Umschreibung für CORTO MALTESE, eine der treffendsten, die über den Tunichtgut geäußert wurden. Hugor Pratt, Comic-Universalkünstler, hat selbstverständlich, wie kann es anders sein, einer Frau diese Worte in den Mund gelegt. Der Strolch ist Seemann und kann bereits auf einen guten Einstand in karibischer See zurückblicken. Nun lachen brasilianische Ausblicke. In mehreren Einzelgeschichten, die alle von einem roten Faden zusammengehalten werden, jagt CORTO MALTESE wieder dem Glück hinterher. Er ist nie allein und doch dürfte er zu den einsamsten Comic-Figuren gehören, die je das Licht dieses Mediums erblickten.
Mystische Welt in südamerikanischen Gefilden. Hugo Pratt liebt diese Rätsel, die mit seltsamen Symbolen in Verbindung stehen. Er liebt die merkwürdigen Konfrontationen, wenn einige Figuren dem Wahnsinn, der Gier, der Verzweiflung, einem tiefen Gefühl zum Opfer fallen und sich hinreißen lassen, völlig im Extrem aufgehen. Nicht selten gibt es dann Tote. Aber auch das ist die Welt von CORTO MALTESE. Entscheidungen werden mit der Faust gefällt. Nicht selten kommen auch Mordwerkzeuge zum Einsatz. Nachhaltig wird dem Leser eine Auseinandersetzung von CORTO MALTESE in Erinnerung bleiben, die der Held unter dem Geschützfeuer von Kanonen auszuhalten hat. Sie ist neben einigen kleineren Scharmützeln besonders einprägsam, erst recht, da ein alter Bekannter kräftig mitmischt.
Blick zurück in zurückhaltender Verzweiflung. Schaut ein Abenteurer auf sein Leben zurück, auf einzelne Episoden, bedeutende Abschnitte, die ihn maßgeblich geprägt haben, dann kann das Ergebnis nicht immer zur Zufriedenheit ausfallen. CORTO MALTESE, der nicht sesshaft sein will, nicht sein kann, weil es ihn immer weitertreibt, macht dank Hugo Pratt einen kleinen Seelenausflug. Für den Leser sind die Begebenheiten dieses Trips bekannt, in der Kürze vorgetragen, wirken sie besonders eindringlich. Es wird deutlich, wie zerrissen der von Pratt erschaffene Held eigentlich ist, obwohl CORTO MALTESE mit einem losen Mund werk und einer geballten Ladung von Lebensweisheiten über einen tiefen Schmerz hinwegzutäuschen versucht.
Die entwurzelte Figur ist, auch das ist der sensiblen Erzählweise von Hugor Pratt zu verdanken, aber nicht gefühlsduselig. CORTO MALTESE wehrt sich im Gegenteil gegen das Abrutschen in Depressionen. Aus der gedanklichen Grube heraus macht er Schritt auf Schritt, bis er wieder obenauf ist. Hugo Pratt lässt für den Leser viel zwischen den Zeilen übrig, zum eigenen Enträtseln, sollte jemandem danach sein. Andernfalls genügt der nachdenkliche Held, der eben mehr ist als nur ein Haudrauf.
Hugo Pratt, ein Meister der schnellen Skizze. Zwei, drei ganzseitige Farbskizzen in einem auf die Geschichte einstimmenden Teil im Vorfeld des Abenteuers haben Leinwandcharakter und könnten tatsächlich unter tropischem Licht entstanden sein. Es sind nur einfache Arrangements, aber sie besitzen eine leichte, klare Stilistik und strahlen regelrecht.
Abenteurer, Gauner, Schwerenöter, ein klein wenig Philosoph, ein guter Freund und nicht selten erbarmungslos gegenüber seinen Feinden. Hugo Pratt hat mit CORTO MALTESE die Karibik verlassen und folgt neuen Spuren nach Südamerika. Anders im Aufbau als die SÜDSEEBALLADE, probiert Hugo Pratt einen anderen Erzählstil, in kleineren Häppchen, mit mehr Höhepunkten. Sehr schön! 🙂
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Sonntag, 25. Oktober 2015
Rubine ist eine knallharte Polizistin. Sie hat keinerlei Skrupel ihre Magnum einzusetzen, wenn es notwendig ist. Sie besitzt Einfühlungsvermögen, Intelligenz und in ihrem Job macht ihr so schnell keiner etwas vor. In ihrem Liebesleben sieht es ganz anders aus. Ein Date gestaltet sich als äußerst schwierig, die Umsetzung eines schönen Abends als holprig. Das Kleid will nicht richtig sitzen. Der Kavalier ist eigentlich auch nicht ihre Kragenweite, zumal er von einem Rendezvous und dessen Ablauf andere Vorstellungen hat als sie. Da will es der (glückliche) Zufall, dass die Arbeit ruft …
Ein SERIENKILLER geht um. Doch die Spur ist verwirrend. Rubine macht einen Abstecher auf die Jungferninseln. Eine unerwartete Entdeckung ist die Folge. Kriminalistischer Einfallsreichtum zeichnet die drei in diesem zweiten Gesamtausgabenband versammelten Fälle der rothaarigen Polizistin aus Chicago aus. DIE VERMISSTE VON HALLOWEEN und AMERICA, die beiden weiteren Fälle spielen mit ur-amerikanischen Themen und vergessen auch nicht mit kleinen Szenen an Klassiker der Popkultur zu erinnern. RUBINE emanzipiert sich spätestens hier als Cop, der sich mit harten Fällen auseinandersetzt, in denen Morde nicht geschönt werden, obwohl die Stilistik der Zeichnungen es vielleicht vermuten lassen könnte.
Nach dem Auftakt, der Geschichte SERIENKILLER, in der Humor mit RUBINES Dating-Bemühungen Einzug hielt, wird es sehr ernst. MIt dem Thema Kindesentführung wird in DIE VERMISSTE VON HALLOWEEN ein Thema angerissen, wie es auch in seiner Erzählweise auch für eine gute TV-Krimiserie herhalten könnte. Zeitweise vergisst man als Leser den cartoonartigen Zeichenstil und konzentriert sich auf die Handlung, als seien die Bilder realistischer geraten. Das Schicksal des entführten Kindes, die Emotionen packen und der Fall ist recht verzwickt. Die Ganoven sind sehr hart, äußerst gewalttätig und kennen keine Gnade. Kurzum, mit DIE VERMISSTE VON HALLOWEEN findet sich für meine Begriffe das Zückerchen in diesem Band.
Auch Comic-Helden haben Familie. Gerade im Krimibereich werden gerne Verwandte dem Helden beigestellt. RUBINEs Bruder konnte der Leser bereits sehr früh kennenlernen. Dieser war aber in Beziehungsfragen nicht derart drängend, wie es insbesondere RUBINEs Mutter ist. Diese lässt ihrer Tochter beinahe keinen Ausweg. Während RUBINE ihren Verehrer abwimmeln muss, lassen sich andere Frauen auf eine gefährliches Beziehungsspiel ein. Wie gefährlich dieses ausfallen kann, erfährt der Leser in einer kleinen Bildfolge, die in Anlehnung an eine der denkwürdigsten Szene aus Der weiße Hai entstanden sein könnte. Viel mehr soll dazu nicht verraten werden.
AMERICA, der Titel des dritten Abenteuers in der 2. Gesamtausgabe, für viele das Land unbegrenzter Hoffnung, bevor sie entdecken, dass die Möglichkeiten eben doch begrenzt sind. Mythic, Walthery und Co-Künstler Dragan de Lazare gelingt mit diesem Abenteuer eine Geschichte, die auf dem zweiten Platz der Rangliste des vorliegenden Bandes. AMERICA ist bitterböse und rückt den Blick auf das gelobte Land enorm zurecht. Die Aufklärung des Kriminalfalls rückt dabei lange Zeit in der Hintergrund, weil auch das Privatleben RUBINEs sehr nach vorne geschoben wird und so einiges mehr von der Figur enthüllt, vor allem aber deutlich macht, wie schwer es für die toughe jemals sein wird, einen passenden Mann zu finden. Wer eine 44er Magnum zum Abendkleid trägt, kann da schon Probleme haben.
Eine feine Mischung aus Kriminalfällen und Thrillern mit engem Kontakt zur Hauptfigur RUBINE und den jeweiligen Nebenfiguren mit ihren ganz eigenen Lebensgeschichten. Insgesamt besitzen die Geschichten sehr viel mehr Tiefe, als die grafische Umsetzung vermuten lassen könnte, die halbrealistisch daher kommt, wie es der Comic-Fan von Serien wie Natascha her kennt (die hier einen Mini-Auftritt hat). Prima. 🙂
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Mittwoch, 21. Oktober 2015
Die Eingeborenen haben die Fremden aus Europa in jene Höhlen geführt, die für sie nichts anderes als Heiligtümer sind. Die Totenschädel in den Felsnischen jagen den weißen Forschern einen höllischen Schrecken ein. Sie sind froh, als sie endlich der Dunkelheit entkommen und ins Dorf ihrer Gastgeber zurückkehren können. Doch die Atmosphäre ist vergiftet. Die Angst vor den Eingeborenen ist gewachsen. In Gedanken malen sich die Reisenden aus, wie die Eingeborenen ihren kannibalischen Neigungen nachgehen. Ein Gottesdienst verheißt keinen Trost. Der nachfolgende Regen, ein regelrechter Wolkenbruch verdüstert das Land und nährt die Weltuntergangsstimmung der Franzosen. Jeder will nur noch abreisen. Jeder? Nein, nicht jeder. Pierre Delaunay ist bereit, sich über seine Ängste zugunsten der Wissenschaft hinwegzusetzen.
Wissenschaft. Wie stark ist ihr Einfluss auf die Menschlichkeit? Welchem Stellenwert ist der Ehrgeiz zuzordnen? Welchen Wert hat der Mensch, wenn er nicht als solcher wahrgenommen wird? Es sind eine Menge Fragen, die die beiden Autoren, Younn Loucard und Florent Grouazel (gleichzeitig als Zeichner tätig), hier stellen. Es sind unangenehme Fragen, die nur deshalb einen bitteren Beigeschmack haben, weil viele von ihnen auch heute noch nicht geklärt sind. Die vorliegende Geschichte beginnt 1837 an einer fernen Küste von Neukaledonien.
Neukaledonien. Wer damals, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem Schiff nach Neukaledonien reiste, hatte sich einen Punkt auf dem Globus ausgesucht, der kaum weiter weg von Frankreich sein konnte als dieser Flecken Erde. Hierher, in eine Wasserwüste östlich von Australien, hat es die französische Fregatte La Renommee verschlagen. Der Naturforscher Pierre Delaunay ist fasziniert von der Kultur der Kanaken, wie sie hier von den Forschungsreisenden genannt werden. Allein hat er sich aufgemacht, um der erste europäische Zeuge einer kannibalischen Zeremonie zu werden. Er verirrt sich im Dschungel. Seine Schiffskameraden machen sich große Sorgen, doch der Wissenschaftler findet wieder zurück zum Basislager.
Für den europäischen Geschmack ist Kannibalismus nicht nur archaisch, er ist auch höchst verabscheuungswürdig. Ganz gleich, wie groß das wissenschaftliche Interesse an fremden Kulturen sein mag. Ganz gleich, wie sehr es der Forschung dient. Entsprechend negativ fällt die Reaktion aus, als Delaunay einen der Eingeborenen auf die Heimreise nach Frankreich mitnehmen will. Als Leser, moderner Mensch, wird man von den Reaktionen der Schiffsbesatzung abgestoßen, wenn man mitverfolgt, wie sehr ELOI, so der Name, den er von den europäischen Eindringlingen bekommen hat, zu Spielball der Leute an Bord wird. Letztlich sind nicht einmal die, die ihn in Schutz nehmen, schuldlos, ist er doch auf Betreiben auch jener mit auf diese Reise genommen worden.
Younn Loucard und Florent Grouazel entwerfen einen Mikrokosmos, in dem unterschiedlichste Emotionen und Ansichten auf einen Fremden einprasseln, der nicht fähig ist, sich gegen seine Lage zu wehren. ELOI war glücklich und zufrieden in seiner Heimat, dort, wo er verstand, was um ihn herum vorging. An Bord der Fregatte macht man sich sogar über sein Unvermögen lustig, nicht sofort den Gebrauch von Messer und Gabel zu verstehen. In der ersten Hälfte erwartet man als Leser vieles von jenem Verhalten, das sich hier nach und nach offenbart. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher gesellschaftlichen Schicht sich bewegt. Sobald er jemandem in die Quere kommt, nur den Platz streitig macht, ohne sich dessen bewusst zu sein, liegt Ärger in der Luft.
Viel schlimmer wird es in der zweiten Hälfte. Und unerwartet. Zeichner Florent Grouazel zeichnet mit einem dokumentarischen Stil. Mit schnellen Strichen entstehen Charaktere mit gutem Wiedererkennungswert. Ein Mittelblau schattiert die Szenen, ein etwas helleres bringt Licht ins Dunkel. Die Atmosphäre wird auf Dauer durch diese Kolorierung immer bedrohlicher. In der zweiten Hälfte beginnt ELOI sich in die Mannschaft zu integrieren. Mehr noch, er sagt seine Meinung und innerhalb der Mannschaften will er sich immer weniger gefallen. Je mehr er versteht, je mehr er sich selber äußern kann, desto mehr emanzipiert er sich. Und desto weniger ist er bereit, sich unterdrücken zu lassen. Doch damit kratzt er an den Hierarchien, wie es sie auf einem Segelschiff jener Tage nun einmal gab. Schlimmer noch. ELOI wehrt sich handfest.
Das Drama nimmt seinen Lauf. Die Hauptfigur, um die sich alles dreht, vermag echtes Mitleid heraufzubeschwören. Im Comic oder überhaupt in der Fiktion ist das eine ziemliche Seltenheit. Younn Locard und Florent Grouazel überlassen vieles den Vorstellungen des Lesers. Sie ergehen sich in erzählten oder gezeigten Andeutungen. Teils geben die Reaktionen der Beteiligten über das Geschehen Auskunft. Das Ende ist traurig, wie es eigentlich auch die gesamte Geschichte durchweg unterschwellig der Fall ist. Das Ende ist nicht vorhersehbar, aber konsequent.
Eine düstertraurige Handlung über Unverständnis, Missverständnis, Unwissen und Unwollen. Wohin führt mangelnde Mitmenschlichkeit? Wie oft lässt sich jemand drangsalieren, bis selbst bei dem Friedfertigsten die Grenze überschritten ist? Und was ist der Kern von Zivilisation? Viele Fragen, viele Antworten in dieser dichten, sehr komplexen Tragödie. Packend, traurig, intelligent. 🙂
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Dienstag, 13. Oktober 2015
Blackdog war lange Zeit verschwunden, draußen auf See und obwohl der Glaube an die Unbesiegbarkeit dieses Piraten groß ist, scheint es nach so vielen Gefahren und derart langer Zeit nicht mehr wahrscheinlich, den Piratenkapitän irgendwann einmal wiederzusehen. Aber Blackdog lebt und er hat einen guten Grund dafür. Der berühmt berüchtigte Diamant von Kashar ist ein mächtiges Motiv. Der Edelstein zieht die Menschen in seinen Bann, macht sie verrückt. Nur einer hat dieser furchtbaren Kraft widerstanden: Blackdog. Wo andere dem Irrsinn und Machtfantasien verfallen, kann Blackdog den Diamanten in Besitz nehmen. Gäbe es bloß nicht immer wieder Menschen, die glaubten, über ähnliche Fertigkeiten zu verfügen.
Blackdog ist im Laufe der Handlung zu einem Mythos geworden und selbst der Leser hätte annehmen können, diese Figur nur noch in den Legenden dieses Abenteuers vorzufinden. Doch tatsächlich hat der Vater von Raffy, dem allein gelassenen jungen Piratennachwuchs, überlebt. In bester Lage befindet er sich allerdings nicht. Der Untertitel des fünften Bandes der Reihe, Kannibalen, deutet schon ein paar der Schwierigkeiten an, in den sich die Helden dieses Abenteuers wiederfinden. Autor Jean Dufaux gehört nicht zu jenen Erzählern, die etwas aussparen, wenn es dazu dient, die Spannungsschraube anzuziehen und was könnte mehr an den Nerven zerren, als die Vorstellung lebendig gefressen zu werden?
Penilla, der Zauberer, ist der gruselige Höhepunkt dieser Geschichte. Er ist die einzige Person auf der Insel der Kannibalen, der den Stamm lenken kann. Comic-Künstler Jeremy entwirft einen Schamanen, dessen Gesichtsumwandlung einen Totenschädel imitiert. Abgeschnittene Nase und zugefeilte Zähne sorgen neben Schminke für den nötigen Effekt. Die Augen leuchten und geschlitzte Pupillen lassen die Figur noch unwirklicher erscheinen. Nichtsdestotrotz ist sie ein Mensch mit irdischen Begierden, ganz vorneweg die Gier nach Macht, wie Penilla im eigenen Tagtraum erleben muss. Denn der Diamant von Kashar zeigt jedem den ureigensten Wunsch, bevor er ihn in den Wahnsinn treibt.
Nach den bisherigen Ereignissen auf der Insel Puerto Blanco, die noch längst nicht vorüber sind dank Raffy, ist der hauptsächliche Erzählwechsel auf die Kannibaleninsel ein tiefer Einschnitt. Comic-Künstler Jeremy gestaltet eine Atmosphäre, die einem Horrorfilm gut zu Gesicht stehen würden. Warme Grautöne werden einem feurigen Rot gegenübergestellt. Eine mittelblaue amerikanische Nacht geht langsam in eine hellrote Dämmerung über. Blutrot ist die Gewaltfantasie des Zauberers. Kurzum, Farben verbreiten hier ein gehöriges Maß an Grundstimmung. Aber das normale Tageslicht ist trügerisch. Denn ist die optische Gefahr gebannt, lässt Jean Dufaux die Handlung noch einmal so richtig zuschlagen.
Das Blatt wendet sich. Jean Dufaux versteht es geschickt, die Neugier des Lesers anzuheizen. Es wird eine Ankündigung gemacht und dann gerät diese aufgrund diverser Ereignisse fast in Vergessenheit, in Wahrheit wird schleichend eine unbekannte Figur eingeführt und allein der Reaktion der übrigen Charaktere wird das Unbehagen, ein ängstlicher Respekt dieser Figur bereits deutlich. Der Rote Falke, nur kurz zu sehen (aber in einem tollen Portraitbild), scheint den gleichen Schrecken zu verbreiten wie Blackdog. Das lässt angesichts des Cliffhangers am Ende für die Fortsetzung wieder eine neue Handlungsrichtung erwarten.
Ein Soundtrack zu dieser modernen Piratengeschichte müsste harte Rockklänge haben, je nach Szene ein wenig Punkrock, wenn die Gefahr dem Leser regelrecht ins Gesicht springt. Jean Dufaux und Jeremy lassen es in der fünften Folge von BARRACUDA richtig krachen. Horror trifft Piraterie. Ein Knaller, weiter so. 🙂
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Montag, 12. Oktober 2015
Es gibt eine Rasse, Predatoren, in den Tiefen des Weltraums, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gefährliche Lebewesen zu jagen. Wenn sie den Weg der Menschheit kreuzte, waren oft noch weitere fremdartige Kreaturen in der Nähe: Aliens. Zwischen diesen beiden Spezies kann der Mensch nur verlieren. Es sei denn, es gibt Wesen, die noch gefährlicher sind. Das Mutagen der Schöpfer, jene mächtigen Außerirdischen, die augenscheinlich für die Existenz der Aliens verantwortlich ist, vermag nicht nur in Androiden und Menschen erheblichen Schaden anzurichten. Bei einem Predator bewirkt es das pure Grauen.
Die Jagd geht weiter. Der Android Elden will immer noch jenen Menschen finden, der ihn bewusst mit dem Mutagen infizierte. Francis Lane jedoch entzieht sich dieser neuartigen Lebensform ein ums andere Mal. Bis es keinen Ausweg mehr gibt. Autor Christopher Sebela schafft nach einer langen Odyssee eine Sackgasse für die restlich verbliebenen Helden. Selbst für den Androiden, der dank seiner Mutation eine gewisse Unbesiegbarkeit erreicht zu haben glaubt, tun sich Grenzen auf. Der Name dieser Grenze lautet Predator.
FEUER UND STEIN geht in die dritte Runde. Die berühmten Aliens trafen schon mehrmals auf den Predator. Der Erfolg der Comics ermöglichte die Verfilmungen (immerhin die erste war ansehnlich) und eine lange Kette neuer Begegnungen. Nach dem Crossover Superman/Batman versus Aliens/Predator kehrt Zeichner Ariel Olivetti zu den außerirdischen Monstren zurück. Bestach er bereits einmal in diesem SciFi-Horror-Universum durch seine präzise, ausdrucksstarke Comic-Kunst, kann er den ersten Ausflug dorthin hier in der dritten Folge des Comic-Event-Vierteiles noch toppen. Verschiedener sind die Lebewesen, die er hier zu bearbeiten hat und der Horror geht ganz besonders von jenen Kreaturen aus, die sich fortwährend im mutierendem Wachstum befinden.
Auffällig an den Arbeiten von Ariel Olivetti ist die Plastizität seiner Bilder, die sich nicht in den Schatten versteckt. Mancher Zeichner arbeitet mit Licht und Schatten und erreicht so enorme Tiefen in seinen Bildern. Manche nutzen diese Tricks aber auch, um sich Arbeit zu sparen oder schwierige Teile zu umgehen. Olivetti sträubt sich gegen gar nichts. Seine Figuren, seine Kulissen sind immer sichtbar. Hier wird nichts kaschiert. Der Argentinier schafft glasklare Bilder, realistisch anmutend, wie sie auch in den Intros zu modernen Konsolenspielen zu sehen sind. Olivetti liebt Details und versorgt seine Leser großzügig damit. Da trifft es sich, dass die von Autor Christopher Sebella ausgedachten Mutanten ihn ständig mit neuen Einzelheiten bedenken.
Im Aufeinandertreffen der Mutanten aus Mensch und Predator gipfelt die Geschichte optisch und in ihrer Erzählung. Die Predatoren besitzen hier nicht viel Aussagekraft, sie verbrüdern sich nicht, wie sie er hin und wieder getan haben. Der Predatormutant ist purer Wahnsinn, ein außerirdischer Hulk mit Riesenmaul und Extraärmchen. Der Menschmutant, eine Art Mr. Hyde, könnte auch der Fantasie eines Richard Corben entsprungen sein. Dieses Wesen tritt gegen den wahnsinnigen Predatoren an. Hier, wie auch schon zuvor, gibt es Szenen, die nicht für zartbesaitete Leser geeignet sind. Wer sich aber schon mit den Spielen die Zeit vertrieben hat, wird nicht schockiert sein.
Ariel Olivetti bietet den Lesern einen grafischen Knaller und es ist erstaunlich, dass er angesichts dieser Qualität hier noch nicht bekannter ist (seine Erfolge in Übersee sind unbestritten) und seine Arbeiten nicht häufiger anzutreffen sind. Christopher Sebela hat mit der mutierten Androidenkreatur Elden ein geradezu philosophisches Wesen geschaffen, einen SciFi-Pinocchio, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. In sich geschlossen, sehr gut. 🙂
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Freitag, 09. Oktober 2015
La Escondida. Diese Insel gehört dem Mönch. Das Gesicht des Verbrechers ist unbekannt, seine wahre Identität geheim. Manchen behaupten, er sei unsterblich. Seine Methoden ist grausam, aber effizient. Ist einmal eine Entscheidung gefallen, gibt es kein Zurück mehr. Eine Einstellung, die auch seine Gefolgsleute verinnerlicht haben. Als Japaner auf der Insel landen, einzig nur um ihre Vorräte etwas aufzufrischen, werden sie Zeuge eines Hilferufes. Damit ist ihr Leben, sogar das der ganzen Mannschaft verwirkt. Ein Maschinengewehr wird enttarnt, desgleichen richtet sich ein kapitales Geschütz auf das japanische Schiff in der Bucht aus. Das Überraschungsmoment lässt den Seeleuten keine Chance.
Das Meer ist in dieser Geschichte wie außerirdischer Grund und Boden. Weit und glatt lässt es einen weiten ungeschützten Blick in die Ferne zu. Die Planken eines Schiffes bedeuten hier den Unterschied zwischen Leben und Tod. Und genau hier steigt Hugo Pratt in die Geschichte ein, indem er es zwei Schiffbrüchigen gestattet, in dieser Einöde das Glück zu haben, von Piraten gerettet zu werden. So beginnt die Südseeballade und der Geburtsprozess von einer der berühmtesten Figuren des europäischen Comics, nämlich CORTO MALTESE.
Es ist der Trick der Unbestimmtheit, der dieses Südseeabenteuer so zeitlos werden lässt. Die Figuren enthüllen sich langsam durch ihre Taten, weniger durch ihre Vergangenheit. CORTO MALTESE selbst betritt die Bühne dieser Geschichte treibend auf See, auf ein Floss gekreuzigt, immerhin nicht sofort getötet. Auch jene, die ihn finden, allen voran der ebenso undurchsichtige wie brutale Rasputin, hätten nichts dagegen, wenn der ausgesetzte Pirat das Zeitliche segnen würde. Doch da gibt es noch eine geheimnisvolle Gestalt im Hintergrund, die im aufziehenden Weltkrieg, der seine Schatten selbst im Pazifik voraus wirft, ihre eigenen Fäden spinnt.
Bei der Lektüre überträgt sich eine gewisse Stille der pazifischen Welt, in der die Inseln selten sind, das Meer oft ruhig ist, aber wenn es erwacht, gnadenlos zuschlägt. Entweder sind es die Wellen, die nach dem Leben der Menschen greifen oder es sind seine Inselbewohner, die Ureinwohner oder die Eroberer. Da scheinen zwei Jugendliche, die Schiffbrüchigen Pandora und Cain, ganz von selbst wegen ihrer puren Naivität dem Untergang geweiht. Gäbe es nicht CORTO MALTESE, dem Piraten mit dem blendenden Aussehen und einer Moral, die ihn vor Übergriffen auf Hilflose zurückschrecken lässt.
In einer Skizzentechnik, mit der auch Tagebuch geführt werden könnte, reiht Hugo Pratt mit schnellen, treffsicheren Strichen Bild an Bild. Er benötigt nur wenig Ausdruck zur Charakterisierung seiner Figuren. Hier tritt ein weiterer Trick zutage, nämlich dem Auge des Lesers die Vervollständigung der äußerlichen Erscheinung zu überlassen. So mag jeder darin seine zeitgemäße Vorstellung von Menschen sehen. War es in der seiner ersten Auflage ein Marcello Mastroianni als perfekte Verkörperung von CORTO MALTESE, passt heute ein Michael Fassbender. Aber das sind nur Beispiele. Pratts Figuren ähneln Leinwänden, die er dem Leser zur Verfügung stellt.
Dampfschiffe sind klobige Schattenrisse vor dem Horizont. Sie wirken wie Fremdkörper in dieser Welt, in der sich die Ureinwohner angepasst haben, eine eigene Zivilisation, eigene Lebensweisen, eigene Boote und Bauweisen ihrer Siedlungen entwickelt haben. Selten sind Eindringlinge in Comics so auffällig dargestellt worden. Europäer und der Asiaten sind mit ihren Streitigkeiten enorme Fremdkörper, was ihren Zwist stets unwirklich erscheinen lässt. Diese Unwirklichkeit wird durch eine Figur wie den Mönch, der auch der Fantasie eines Edgar Wallace entsprungen sein könnte, noch verstärkt. Der Mönch ist eine geheimnisvolle Figur, die selbst in dem Moment, als sie sich öffnet und Teile ihrer Vergangenheit preisgibt, noch weiter verschließt. Aber da gibt es noch Corto Maltese, der … das wird nicht verraten.
Ein romantischer Blick auf die Südsee, ein ganzer Kerl, gute Freunde und eine stolze Menge von Halunken. Hugo Pratt hat eine der geradlinigsten Abenteuergeschichten der Literatur abgeliefert, die sich in die großen Seeklassiker wie Die Schatzinsel, Captain Blood oder Lord Jim einreiht. Ein Mikrokosmos in der Weite einer trügerischen See ist die Heimat eines Helden, der sich immer aufs Neue aus einer misslichen Lage zu befreien weiß. Ein optisches Piratentagebuch mit einem jener Helden, denen jugendliche Leser nacheifern möchten. Mit leisen philosophischen Komponenten erzählt, unaufdringlich eingebaut, überzeugt CORTO MALTESE zusätzlich mit Tiefe und bleibt deshalb lange im Gedächtnis. Toll! 🙂
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Sonntag, 04. Oktober 2015
Enten im Weltraum! Was eine richtige Ente ist, die kommt überall hin! Allerdings hat sie nicht immer richtigen Spaß daran. Donald Duck, der sich gerne über das Science-Fiction-Interesse seiner Neffen lustig gemacht hat, findet sich plötzlich von Außerirdischen entführt weit entfernt von Entenhausen wieder. Nicht nur das. Ein paar der Außerirdischen scheinen Onkel Donald nur des Spaßes wegen entführt zu haben. Ob mit einer unsichtbaren Matratze oder einem berührungsunfreundlichen 3D-Fernsehen, für Donald Duck geht der Schuss immer nach hinten los. Trick, Trick und Track versuchen zu helfen, doch leicht wird es für die Neffen nicht.
Als Kind kann man in die Abenteuer von Donald Duck, von Dagobert Duck, auch von Micky Maus und Goofy vernarrt sein. Auf Dauer allerdings reißen die Geschichten, in denen Figuren mitspielen, die dem eigenen Alter entsprechen, doch viel eher mit. Einer Comic-Figur Verwandtschaft beizustellen war früher ein beliebte Art, um das Universum rund um einen beliebten Charakter zu erweitern. 1937, relativ früh nach der Geburt des guten Donald Duck, betraten Tick, Trick und Track das Licht der Comic-Seiten. Huey, Dewey und Louie, so ihre Namen im amerikanischen Original, sind über die Jahrzehnte viel eigenständiger geworden und haben sogar ihr ganz eigenes Umfeld hervorgebracht.
Eines der wichtigsten Umfelder ist das berühmte Fähnlein Fieselschweif. Plötzlich waren die kleinen Racker nicht nur erfinderisch, wenn es darum ging, ihrem Onkel Donald einen Streich zu spielen. Auf einmal wurden Themen wie Fairness, Ehrlichkeit, Wissensdurst, Naturverbundenheit und sogar Umweltschutz ganz groß geschrieben. Gelungene Lebensrettung, in Schweden 1981 erstveröffentlicht, erzählt von einem Wettkampf zweier Fieselschweif-Trios um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft der Jugendorganisation. Donald Duck möchte den Gewinn seiner Neffen weder der Leistung der drei noch dem Zufall überlassen. Jeder Donald-Fan weiß, dass dergleichen nur schief gehen kann. Daniel Branca illustriert klassisch klar, in einem Stil, der sich bis heute gehalten hat und im neuen Jahrtausend (na, so neu ist es nicht mehr) von Zeichnerinnen wie Enriqueta Perea fortgeführt wird.
Die Pfadfinderehre passt nicht so ganz zu den Rangen, die in Schulschwänzer auf hoherSee alles daran setzen, die Ferien auf Biegen und Brechen zu verlängern und ein Leben als Abenteurer anstreben. Leider lässt ein Kapitän blinde Passagiere nicht einfach so mitfahren. So geraten die drei Kids vom Regen in die Traufe und die Aussicht auf Mathe, Erkunde und die übrigen Schulfächer ist durchaus wünschenswert. Am Ende jubiliert so die Moral der Geschichte. Wirklich böse meinen es die drei kleinen Enten sowieso nicht. Wenn es zum Schluss mal Ärger gibt, dann hängt oft auch ein Onkel Donald mit drin, wie in Der Film des Jahres, wenn Daisy Ducky auf der Kinoleinwand vorgeführt wird.
Kapitelweise wird hier aus dem Leben der drei kleinen Enten berichtet. Jeweils ein Motto steht einer Sammlung von Geschichten voran. Wie war das denn mit Tick, Trick und Track am Anfang und wie haben sie sich bewährt? Wie machen sich Kinder in so einer Großfamilie wie den Ducks? Kinder und Abenteuer, wie passt das zusammen? Jungs und Mädchen, zu welchen Zeiten passt das? Eine Frage, der sich das Kapitel Mädchen, Mädchen! annimmt, das einen erhöhten Spannungsgrad erreicht, wenn diese Mädchen, abgesehen von den Wimpern, den Jungs wie aus dem Gesicht geschnitten aussehen. So entspinnt sich ein munterer Geschlechtertausch, der sich vor Kinounterhaltung wie Tootsie oder Rubbeldiekatz nicht zu verstecken braucht.
Betrachtet man eine der ersten Geschichten aus diesem Band, Die Hausordnung von 1950, ist die Zeitlosigkeit der Erzählung auffällig, eine Gesetzmäßigkeit, die auf Geschichten anderer Jahrzehnte übertragbar ist. Kinder bleiben eben Kinder, nimmt man die jeweiligen technischen Vergnügungen einer bestimmten Zeit beiseite, bestimmte Musik oder Kleidung. Eine Autorennbahn als Spielzeug darf als modernes Beiwerk hergenommen werden. Ein Zauberlehrling ist in dieser hier auftretenden Variante zwar einem Harry Potter, aber Zauberei ist dank einer Gundel Gaukeley keine wirkliche Überraschung für Donalds Neffen. Und wenn die Liebe erwacht, dann reichen Verhaltensweisen der Verliebten, hier aus der Sicht von Trick und Track in Nur wer die Sehnsucht kennt …, im Frühstadium zu allen Zeiten an emotionale Idiotie heran.
So sind sie, die lieben Kleinen. Tick, Trick und Track sind ein Comic-Denkmal für die ultimativen Racker, die es nie verlernen, jede Mode überstehen und immer jung bleiben. Mit den ewigen Problemen der Kids, denselben Wünschen aller jungen Generationen, mit Spaß und Energie halten sie auch den Leser jung. Uneingeschränkt empfehlenswert für Jung und Alt. 🙂
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In dieser Stadt ist es still. Die wenigen Menschen, die hier leben, verursachen kaum Lärm. Fremde Geräusche fallen schnell auf. In dieser Gegend sind Vergnügungen rar, doch nach Ansicht eines Mannes existieren dennoch Versuchungen. Ja, selbst dieses kleine Nest im Niemandsland eines Planeten abseits aller bewohnten und unbewohnten Welten hat einen Prediger. Da er lediglich über Gott redet, einem nur den Nerv tötet, lassen die meisten ihn gewähren. Dem abgestürzten Piloten Pollux ist es gleich. Der Drink, den der Priester ihm ausgibt, ist in Ordnung. Will man nicht hören, was der Prediger zu sagen hat, bringt man ein paar Meter zwischen sich und den weißhaarigen dürren Kerl. Außerdem hat Pollux ganz andere Probleme.
Hätten sich Joss Whedon und David Lynche einmal zusammen getan, um eine Zukunftssaga zu erzählen, hätte etwas wie DRIFTER dabei herauskommen können. Whedons westernartige SciFi-Opera Serenity und Lynchs seltsame Krimiinterpretation Twin Peaks müssen nicht zum Genuss dieses Szenarios gekannt werden, das von einem Mann erzählt, der, gemäß den Worten Luke Skywalkers, auf jenem Planeten gestrandet zu sein scheint, der vom hellen Zentrum des Universums am weitesten entfernt ist.
Abram Pollux, Pilot eines Raumschiffes, stürzt auf Ouro ab. Er bringt eine Mentalität mit, die ihn zuerst den Abzug ziehen und dann erst fragen lässt, ob er Freund oder Feind vor sich hat. So fällt seine erste Begegnung mit Lebewesen dieser Welt furchtbar tragisch aus. Er schießt und hat gleich seinen (vermutlich) ersten Toten auf dem Gewissen. Und der Alptraum ist noch lange nicht zu Ende. In einer Welt, in der der Hauptertrag aus dem Bergbau gezogen wird, das Land öde und trocken ist und kaum Abwechslung bietet, warten Gefahren gerade auf die Unvorsichtigen und wenig Wehrhaften. Selbst die, die mit einer Waffe umzugehen verstehen, sehen sich manchmal in die sprichwörtliche Ecke gedrängt.
DRIFTER lebt von seiner durchweg beklemmenden Atmosphäre, die von Ivan Brandon (Autor) und Nic Klein (Zeichner, Farben) mit äußerstem Fingerspitzengefühl zu Papier gebracht worden ist. Die Menschen in dieser Geschichte sind einer Landschaft untergekommen, die gleichermaßen vom Sand einer tunesischen Wüstenei wie auch von Arizonafelsen beherrscht wird. Was einstmals hier florierte, hat das Weite gesucht. Nur wenige verlorene Seelen teilen sich eine Geisterstadt und sammeln die Exkremente von Sandwürmern. Wurmmist ist ein trefflicher Treibstoff. Mag das an den Wüstenplaneten erinnern, so enden hier die Parallelen zum Megawerk von Frank Herbert.
Nic Klein zeichnet seine Figuren mit der gleichen Energie und Vielfalt wie ein Colin Wilson und besitzt mit diesem in Western-Themen sehr bewanderten Comic-Künstler einige technische Gemeinsamkeiten. Charakterisierung beginnt im Comic wie in jedem optischem Medium mit den Gesichtern, Körperlichkeiten, Haltung und vielen anderen Details einer Figur. Nic Klein beherrscht die individuelle Darstellung eines Charakters überaus vielgestaltig. Die kleinste Regung in der Mimik wird eingefangen. Im Strich finden sich besagte Parallelen zu Wilson.
In der Kolorierung, die Nic Klein selbst vornimmt, computergestützt, ist der Künstler eigener und nutzt die Möglichkeiten einer nachgeahmten Gouachetechnik, ein wenig Airbrush, lasierend. In jeder Einstellung leuchtend, besonders in den dunklen Momenten, in der Spelunke des Ortes, im Bergwerk oder natürlich in dieser amerikanischen Nacht, die der Planet zu bieten hat. Der wüste Planet hat nicht viel bieten, sieht man von den Lebewesen ab. Davon aber später. Interessanter ist der Schrott, den die Menschen selbst mitgebracht haben. Diesen gebraucht Nic Klein zu phantastischer Kulisse und macht damit dem Konzept des gebrauchten Universums alle Ehre. Tolle Designstudien außerirdischer Lebewesen runden das tolle Gesamtbild der Grafik ab.
Düster ist es im Weltraum, selbst unter größter Hitzebestrahlung einer gnadenlosen Sonne. Ivan Brandon und Nic Klein liefern einen SciFi-Mystery-Thriller der besonderen Art, mit Ecken und Kanten, sehr eigen, gruselig und spannend, optimal inszeniert mit Bildern eines Top-Comic-Künstlers. 🙂
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Samstag, 03. Oktober 2015
Gemeinsame Ferien sollen es sein. Babette, Jackies Freundni hat sich sehr darauf gefreut. Aber vielleicht ist eine altersschwache Ente ist nicht gerade der beste fahrbare Untersatz, der sich dafür auftreiben lässt. Im dichten Gewimmel steigern sich die Emotionen aller Beteiligten, der Urlauber ebenso wie all jener, die mit im Stau stehen, im dichten Verkehr kaum voran kommen und folgerichtig einen Sündenbock suchen. Da kommt so eine mickrige Ente genau recht. Langer Rede, kurzer Sinn, die Ente lernt fliegen und mit dem Fahren ist vorerst Feierabend. Also werden die Ferien schon früher eingeläutet, irgendwo auf dem Land, unter dem Dach eines alten Ehepaars, das ein Geheimnis hat.
Eines der schönsten Merkmale von JACKIE KOTTWITZ ist die Allgegenwärtigkeit von Abenteuern und Kriminalität gleich hinter der nächsten Ecke. Obwohl Jackie Kottwitz alles andere als den Eindruck erweckt, er sei ein gefährlich lebender Mensch oder gar jemand, der sich ausgerechnet die gefährlichste Ecke in Paris zum Lebensraum auserkoren hat, so schlittert er doch zuweilen sogar von der heimischen Wohnung aus geradewegs in die nächste Geschichte, ohne sich in irgendeiner Form darum bemüht zu haben. Alan Dodier und Pierre Makyo bringen dieses Prinzip mit der wunderbaren Kriminalgeschichte Ein Baby büxt aus auf den Punkt.
Ausgangspunkt ist eine fehlende Gasflasche, ohne die Jackie Kottiwtz leider nichts kochen kann. Wie das immer so ist, ist sie genau im falschem Moment leer geworden, abends, kurz vor Geschäftsschluss. Schnell macht sich Jackie auf den Weg, zu einem Freund Burhan, der neben seinem kleinen Laden viel leidenschaftliches Engagement in den Hilfsverein Die Kinder von da unten hineinsteckt. Jackie unterstützt selbst ein Patenkind durch diesen Verein. Das erklärt auch sofort, warum der junge Detektiv bereit ist, einem anderem Freund zu helfen, als dieser mit seiner kleinen Tochter in großer Gefahr ist.
Ganz nebenbei liefern Alan Dodier und Pierre Makyo eine feine Charakterbeschreibung von Jackie Kottwitz ab, bevor sie ihn ins Kriminalabenteuer stürzen, verfolgt von zwei erbarmungslosen, wenn auch nicht den intellektuell hellsten Killern. Der Humor mildert die ernste Situation ab. Weitere Einstellungen bringen durch Einblicke ins Viertel viel Leben in das Szenario. Letztlich ist es genau diese Palette des Miteinanders, die zur Auflösung der Geschichte und einem ungewöhnlichen Finale führt.
Apropos ungewöhnliches Finale. Zweierlei fällt hierbei auf. Einerseits wird nicht starr auf dieses Finale hingearbeitet, so dass das Ende in dieser oder jener Form stets überrascht. Andererseits versucht es auch nicht durch besonders spektakuläre Ereignisse aufzutrumpfen. Gefährlich sind sie mitunter. Das Titelbild der vorliegenden vierten Ausgabe der Sammelbandreihe gibt einen Eindruck dieser Aussage. Und die beiden Erzähler lassen das Leben ihres Helden auch mal am seidenen Faden hängen. Aber sie übertreiben es nicht. Die Action bleibt anderen überlassen, wie die zweite Geschichte in diesem Band zeigt.
Jackie Kottwitz wäre so gern ein Krimiautor. Genug erlebt hat er eigentlich, nur scheitert es trotzdem an Ideen und der Schreibe. Völlig frustriert macht er sich in einer kalten Nacht auf, um frische Luft zu schnappen und begegnet prompt dem Weihnachtsmann. Nun, natürlich nicht ganz, denn es ist bloß ein Obdachloser, der in den Besitz einer Nikolausmütze gelangt ist und sturzbetrunken auf eiskalten Treppenstufen einzuschlafen droht. Jackie will zuerst vorüber gehen und den Mann seinem Schicksal überlassen, kann es dann doch nicht über sich bringen und nimmt den Mann zu sich mit nach Hause.
Keiner mag es sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, aber Jackies neue Bekanntschaft wird derjenige sein, der für die Action zuständig ist. Wie, das wird hier nicht verraten. Am Ende ist es ein schönes Kabinettstückchen, das mit einer Grundidee spielt, wie es der Cineast aus Der Dieb der Worte oder der Leser von Ein Bär will nach oben her kennt. Außerdem zeigt es, wie ein Buch, hier einigermaßen drastisch, in das Leben eines Menschen eingreifen kann, Krimiaspekte eingeschlossen.
In einer perfekt eingeübten Technik, lockerleicht realistischen Zeichnungen ist Jackie Kottwitz wieder unterwegs und klärt Verbrechen auf und lüftet Geheimnisse. Sympathisch, sehr unterhaltend, auf tollem erzählerischem Niveau, angesiedelt zwischen Columbo und Monsieur Hulot. Klasse! 🙂
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