Mittwoch, 25. November 2020
MAMMOTH ist unter den FEARSOME FIVE kein Mann für chirurgische Eingriffe. MAMMOTH drischt drauf. Muskelberge und Übergröße garantieren dafür, dass dort hinterher kein Gras mehr wächst. Auf einen groben Klotz gehört eine grobe Kelle und wird aus BEAST BOY im nächsten Moment ein überdimensionales grünes NASHORN. Leider hat sich BEAST BOY verschätzt. Er kassiert Treffer. Die kurz darauf keine Rolle mehr spielen, denn es gilt unbeteiligte Zivilisten zu retten. Sogleich fängt er als grüner ELEFANT Trümmerteile auf. Die TITANS kennen ihre Prioritäten…
Es sind keine TEENS mehr. Die TITANS sind zu einem schlagkräftigen, verschworenen Quartett herangewachsen. DAN JURGENS, langjähriger Autor im DC-UNIVERSUM, hat sich der TITANS angenommen und ihnen ein paar rasanter Abenteuer beschert. An seiner künstlerischen Seite ist der SCOT EATON, der stilistisch an DAN JURGENS heranreicht. Der hier als Autor tätige DAN JURGENS hat selbst viele Comics illustriert. Über den Tellerrand der Comics hinaus wurde er bekannt durch den TOD VON SUPERMAN. Nun also die TITANS:
Vier SUPERHELDEN mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten, allen voran TIM DRAKE alias ROBIN, der sich auf seine Fitness und seinen starken Intellekt verlässt. Die fliegende Außerirdische STARFIRE verschießt Energiestrahlen, ist schneller, stärker als Menschen und nahezu unverwundbar. Die geheimnisvolle RAVEN ist magisch und mit vielerlei Fertigkeiten unterwegs, unter anderem mit Telekinese und Teleportation. Derjenige Held aber, der wirklich für optische Überraschungen sorgt, ist BEAST BOY. Wie der Name es andeutet, kann sich der grünhäutige junge Mann in Tiere verwandeln und ihre Fähigkeiten annehmen. Und nicht nur in die üblichen Tiere, wie sein Auftritt als KING KONG eindrucksvoll beweist.
Die TEEN TITANS und die TITANS sind als HELDEN mehr in der zweiten Reihe unterwegs. Sie sind eben der Nachwuchs und die SIDEKICKS. Das hat zur Folge, dass sich der Leser auf mehr Überraschungen einstellen kann. Weniger bekannte HELDEN bekämpfen zumeist auch weniger bekannte SCHURKEN. Oder sogar völlig neue HALUNKEN. Hier bekommen es die TITANS mit die FEARSOME FIVE zu tun. Ja, auch DC hat ein FEARSOME-Team wie MARVEL, nur gönnt man sich hier einen VERBRECHER mehr. Auf einen halben Blick dachte ich schon, es handele sich um ALPHA-FLIGHT (MARVELS kanadisches Superheldenteam). Das Missverständnis wurde schnell geklärt.
Immerhin aber gibt es einen Telepathen, einen Schläger, eine Alchemistin, einen Techzauberer und einen Anführer, der sich zunächst allein die Ehre gibt. Es steht also im Verlauf fünf zu vier. In bester Kinomanier bleibt hier kein Stein auf dem anderen und bald geht es um nichts weniger als das Schicksal der Welt. Das relativiert sich in der zweiten Hälfte von BRENNENDER ZORN, in der es deutlich geheimnisvoller zugeht und die SCHURKEN undurchschaubarer sind. Ganz zum Schluss wird es dann GALAKTISCH und tatsächlich taucht ein alter Feind von SUPERMAN auf: MONGUL. Ein Gegner, der selbst dem STÄHLERNEN zu schaffen machte. DAN JURGENS macht aus diesem Zusammentreffen eine traditionelle wie spannende Arena-Gladiatoren-Begegnung.
Der Leser darf ein paar private Momente der Charaktere erwarten. Tiefgreifend in den zwischenmenschlichen Bereich hinein wird es nicht. Es gibt andere jugendliche Heldengruppierungen, bei denen das der Fall ist. Vielleicht ist man hier seitens MARVEL etwas verwöhnt worden. Andererseits gibt es durchaus im DC-HELDEN-UNIVERSUM familiäre und freundschaftliche Verwicklungen, die auch die Handlungen tragen (und das sehr gut machen) oder zumindest ein wichtiger Teil der Geschichte sind.
Grafisch ein aus einem Guss gezeichnetes sehr actionreiches Dauerabenteuer. SCOT EATON beherrscht einen tollen realistischen Stil. Gekonnt werden alle Aufgaben erledigt, von der Kamerafahrt, der Perspektive, der Figuren, der Kampfakrobatik. Ebenso Szenen, die so manches in den Schatten stellen, was andere SUPERHELDENSERIEN zu bieten haben. Wann hat schon einmal ein giftgrüner GARZILLA (frei nach GODZILLA) in einen SUPERHELDENKAMPF eingegriffen? Wahrscheinlich nie. Aber das beweist noch etwas anderes. BEAST BOY kann sich nicht nur in reale oder sogar ausgestorbene TIERE verwandeln. Erfundene TIERE gehören ebenfalls zu seinem Repertoire. (Und auch das bekommt SCOT EATON super hin.)
Ein rasantes Comic-Abenteuer der TITANS. BRENNENDER ZORN verteilt sich auf drei Akte, die keine Zeit zum Verschnaufen lassen. Für die HELDEN nicht, für die Leser auch nicht. Stark illustriert von SCOT EATON, versiert vom DC-Veteranen DAN JURGENS erzählt. 🙂
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Montag, 23. November 2020
Im einen Moment sitzt CONAN noch an der Bar eines ziemlich desolaten Gebäudes. Im nächsten Moment trifft in ein Betäubungspfeil. Als der Barbar erwacht scheint alles unverändert zu sein. Aber CONAN ist misstrauisch. Draußen erwarten ihn seltsamerweise modern ausgerüstete Spezialeinheiten. Für den CIMMERIER und seine kämpferischen Fähigkeiten sind sie nur leichte Beute. Kurz darauf durchbricht er eine Wand und gerät einmal mehr in eine andere Welt…
Ein sehr, sehr ungewöhnliches Team und eine ungewöhnliche Lösung, die Autor GERRY DUGGAN für dieses Experiment gefunden hat. CONAN, DR. DOOM und DR. STRANGE kämpfen gemeinsam Seite an Seite gegen einen brutalen und sehr mächtigen Feind. Was aus der Not geboren ist, ein Stück weit von den Umständen bestimmt, mausert sich zu einem schlagkräftigen Trio.
Die Mischung ist gut gewählt. DR. DOOM hat seine eigenen Höllenerfahrungen. CONAN kennt Zauberer und hasst sie wie die Pest. Und letztlich DR. STRANGE, dessen Abenteuer stets mystisch angehaucht sind, komplettiert den Reigen mit seinen Fähigkeiten und einem eher feingeistigen Verhalten. Bevor es zu dieser Gruppe kommt, muss GERRY DUGGAN noch mit dem vorhergehenden Abenteuer abschließen. Denn dort arbeitete CONAN mit dem PUNISHER zusammen.
Dieses DUO funktioniert, weil beide ähnlich brutal zu Werke gehen, jeder seine Lasten der Vergangenheit mit sich zu tragen hat und jeder die Fähigkeiten und den Charakter des anderen respektiert. So kämpfen sich beide aus dem WILDEN LAND zurück in die Zivilisation. Hierbei geschieht eine Art Annäherung. Optisch: Der PUNISHER wird durch die notgedrungen gewählte Kleidung immer mehr zum barbarischen Kämpfer. CONAN hingegen greift auf die Waffen zurück, die ihm unter die Finger kommen. Das kann dann schon mal ein Sturmgewehr sein. Je nach Konfrontation der Charaktere können kuriose Momente entstehen.
Bestes Beispiel ist das gemeinsam eingenommene Essen von CONAN und DR. DOOM. CONAN empfindet DOOMS MASKE als eitles Accessoire. DR. DOOM nimmt schließlich (ein sehr seltener Moment in der MARVEL-WELT) seine Maske ab. CONAN bleibt gelassen, eine Reaktion auf das Gesicht (das selbst dem Leser verborgen bleibt) erfolgt nicht. Wer den einen oder anderen COMIC-Band gelesen hat, weiß, dass der CIMMERIER schon viel gesehen hat und nicht mehr leicht zu schockieren ist.
Grafisch teilen sich gleich drei Comic-Künstler die Arbeit an den Zeichnungen. Ich mag alle drei, obwohl sie sich gut gegeneinander abgrenzen. Bezeichnend für alle drei ist, wie gut sie optisch auf den Punkt kommen. PATCH ZIRCHER, der hier den Löwenanteil der Arbeit hat, ist der penibelste Illustrator der Runde. Der Künstler arbeitet mit sehr feinen Strichen (jeder Künstler in diesem Band hat seine eigene Tuschearbeit übernommen). Detailreichtum, Großaufnahmen werden nicht gescheut. Besonders, wenn DR. STRANGE sich ans Werk begibt, werden die Szenen von PATCH ZIRCHER noch aufwendiger.
Anders bei seinen Vorgängern KIM JACINTO und RON GARNEY. Ihrer beider Technik ist skizzenhafter. Bei RON GANRNEY noch deutlich stärker, der dadurch in grafische Nähe eines JOHN BUSCEMA rückt (wenngleich dessen Bilder noch deutlicher getuscht worden sind). Der Vergleich liegt nahe, denn JOHN BUSCEMA war DER CONAN-Zeichner schlechthin und hat vieles gezeichnet, wovon die Figur in Film und Comic später noch zehrte.
Mein Favorit der tollen Drei ist KIM JACINTO, der sozusagen den Epilog des Vorgängerbandes gleich zu Beginn von Band 2 abliefert. Ein schöner klarer Seitenaufbau, keine Experimente, sehr exakte Zeichnungen, mit ein wenig Retrocharme dank eingefügten Rastern. Die echten Kerle hier, CONAN und PUNISHER, werden ideal in Szene gesetzt, hart zu sich selbst, freundschaftlich zum Kumpel. Der Wechsel zwischen rasanten und ruhigen Sequenzen ist gelungen. Eine Knallerszene ist der Kampf von CONAN und PUNISHER gegen einen Riesenwolf. Das fetzt selbst auf Papier!
Ungewöhnlich insgesamt, jawohl! Aber nach vielen anderen Experimenten innerhalb des MARVEL-UNIVERSUMS ein rundum starkes und gelungenes Experiment. Die Handlung von GERRY DUGGAN stimmt, der Gesamteindruck der Illustrationen ebenfalls. Passt! 🙂
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Dienstag, 03. November 2020
Die SPIDER-WOMEN und SPIDER-MEN (und ein paar andere) sind zurück! Erneut gilt es das SPIDER-VERSE zu retten. Das allesverbindende Netz ist krank. SPIDER-ZERO, ein Mädchen, noch jünger als MILES MORALES, bittet den neuen SPIDER-MAN ihr bei der Suche nach ANNIE MAY PARKER alias PATTERNMAKER zu helfen. Diese ist verschwunden. PATTERNMAKER hat das neue Netz gewebt und wird benötigt, um weitere Schäden daran zu reparieren. MILES MORALES macht sich schnellstmöglich auf die Suche nach ihr, quer durch das SPIDER-VERSE. Dabei trifft er auf alte Bekannte und Freunde. Gleichzeitig aber wird er ebensovielen Bedrohungen konfrontiert. Ein ganz normaler Tag im SPIDER-VERSE…
Das SPIDER-VERSE dürfte eine der besten Ideen im großen Spielfeld der Comic-Helden der letzten Jahre sein. Natürlich entzieht es sich der Ernsthaftigkeit der Themen, die gleichfalls in den letzten Jahren nach vorne kamen, das SUPERHELDEN-GENRE im übertragenen Sinn endgültig erwachsen machte und damit auch für den MAINSTREAM-ZUSCHAUER erreichbar. Aber das SPIDER-VERSE ist nicht einfach nur Klamauk. Es zeigt, wie viel in einer Idee steckt, der des SPIDER-MAN. Denn es zeigt sich, dass nicht nur Alternativen des Netzschwingers machbar sind, sondern auch alternative Versionen von Freund und Feind.
Dazu gehören solche von DAREDEVIL, CARNAGE, KRAVEN, SKORPION. Für MILES MORALES bedeutet das eine Achterbahnfahrt in Realitäten, die seiner ähneln. Genauso landet er im WILDEN WESTEN oder in einer schwarzweißen Fassung, der Welt des SPIDER-MAN NOIR. Das Schöne solcher Geschichten ist immer ihre Grenzenlosigkeit. Deshalb darf sich der Leser auch nicht über eine SPIDER-MA’AM wundern.
Ein recht großes Künstler-Team hat diese hier zusammengefasste Miniserie auf die Beine gestellt. Nicht einmal, wie sonst häufig anzutreffen, hat ein einziger Autor SPIDER-ZERO geschrieben. Es waren mit CHRISTOS GAGE, TARAN GILLAM, JED MACCAY und RYAN NORTH gleich vier Stück am Start. Immerhin bewältigt JED MACCAY drei der insgesamt 6 Episoden. Die Wirkung, erzählerisch betrachtet, wirkt trotz des Quartetts aus einem Guss. Optisch ist das schwieriger zu bewerkstelligen. Ich denke nicht, dass es jemals überhaupt zweien Illustratoren gelungen ist, sich derart stilistisch anzugleichen. Aber da gibt es unter dem Strich nichts zu befürchten. Das Gesamtergebnis ist sehenswert.
Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, aber meine bevorzugten Episoden sind der Auftakt (mit SPIDER-PUNK und einer Art von SPIDER-MAD-MAX) mit SPIDER-ZERO, die Begegnung mit SPIDER-MA’AM sowie die letzte Episode, in der die Leser wieder auf SPIDER-ZERO und zusätzlich auf PATTERNMAKER treffen. Stilistisch ist hier einiges vertreten. Der Realismus, den ich hier (nicht grundsätzlich) am besten finde. Die dritte Episode hat grafische Anleihen eines Mangas. Das passt zu einer Roboterversion von SPIDER-MAN. Im WILDEN WESTEN trifft MILES MORALES auf den WEB-SLINGER. Diese Episode kommt skizzenhafter daher. Und richtig düster, wie in Hollywoods schwarzer Serie, wird es mit SPIDER-MAN NOIR (die Figur ist klasse, thematisch gefällt es mir nicht so sehr).
Als Zückerchen, für alle SPIDER-MAN-RIESENFANS, haben sich ein paar Comic-Künstler gefunden und neue SPIDER-MAN-Varianten erdacht, illustriert und mit (wenigen) Hintergrundinformationen versehen. Das ist teils kurios (wie SPIDER-MANLY, eine Art CONAN-Version des Netzschwingers), sogar romantisch (mit GARDEN-SPIDER, auf Insektengröße geschrumpft und in einer Gießkanne lebend), aber grundsätzlich einfallsreich.
Das SPIDER-VERSE hat es einfach. Nach doch recht vielen MULTIVERSE-Szenarien ist auch die neue Geschichte um SPIDER-ZERO frisch, flott, unvorhersehbar, lustig, spannend, sehr, sehr einfallsreich. Hier bleibt man dran! Wer das SPIDER-VERSE mag (Comic und Film), liegt hier goldrichtig! 🙂
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SUPERMAN war häufiger im Weltall. Nicht wenige seiner Feinde stammen von anderen Planeten. SUPERMAN kennt sich dort aus, kann sich gefahrlos bewegen, über weite Distanzen hinweg. Für andere SUPERHELDEN ist es schwieriger. BATMAN hat als normaler Mensch diese für eine lebensfeindliche Umgebung Fähigkeiten nicht. Deshalb bittet er SUPERMAN in einem dringenden Fall um Hilfe. Aus GOTHAM wurde ein kleines Mädchen entführt. Hier kann der DUNKLE RITTER nicht helfen. Hier muss jemand ran, der stählerne Qualitäten hat und die Entführer zur Strecke und das Mädchen nach Hause bringt. Aber das kostet Zeit. Zeit, in der SUPERMAN nicht auf der ERDE ist. In der er keine einstürzenden Brücken auffängt. Oder Flugzeuge. Ganze Familien davor rettet, erschossen zu werden. Und viele mehr. Sollte SUPERMAN für ein Leben eine ODYSEE beginnen, von der niemand sagen kann, ob sie jemals erfolgreich sein wird?
Was gilt ein Leben gegen viele? Eine ebenfalls nicht selten gestellte Frage. Sollte SUPERMAN sich auf eine sehr lange Reise begeben, um nur einen einzigen Menschen zu retten? Ja, natürlich. Das ist jedenfalls die Antwort, die Autor TOM KING hier dem Leser nahebringt, in einer sehr abwechslungsreichen Miniserie mit dem Titel JENSEITS DER ERDE. Die in einem Band zusammengefasste Serie bietet nicht nur Spannung, sie hält sie von Episode zu Episode hoch, weil nicht vorhersehbar ist, wohin die Reise geht.
Ein Wiedersehen mit anderen Stars und Schurken gibt es auch. Neben SUPERMAN trifft man GREEN LANTERN oder BATMAN, DARKSEID gibt sich die dunkle Ehre. Als Hommage darf SUPERMAN einen neuen BOXKAMPF bestreiten (welcher Comic-Fan erinnert sich nicht an den FIGHT zwischen SUPERMAN und MUHAMMD ALI?). Es gibt einen Besuch in einem RESTAURANT AM ENDE DER GALAXIS (auf jeden Fall verdammt weit weg von der Erde). Selbst im Weltall verfängt sich SUPERMAN in der Bürokratie und will doch bloß ein Telefongespräch führen (man erinnert sich gerne an eine ähnliche Situation bei ASTERIX). Ein berühmtes Rennen im DC-Universum wird angedeutet. Und wer hätte es gedacht, dass sogar SERGEANT ROCK einen sehr dramatischen Auftritt absolviert. Kurz: TOM KING hat keine vergessen: Neulinge, Gelegenheitsleser und eingefleischte SUPERMAN-Fans, die gerne etwas aus alten Zeiten entdecken.
Die sehr episodenhaft erzählte Handlung kann mit sehr unterschiedlicher Action aufwarten. So hat ANDY KUBERT, Zeichner, allerhand Entfaltungsspielraum, ob in Weltraumszenarien oder irdischen Kulissen. Der Illustrator, der sich über die Jahrzehnte stilistisch eigen von seinem Vater JOE KUBERT, ebenfalls eine Comic-Legende, abgesetzt hat. Beide verbindet der Hang zum Realismus und wer die Arbeiten von Vater und Sohn vergleichen möchte, darf das mit der Interpretation des SERGEANT ROCK tun, den ANDY KUBERT in dieser Mini-Serie abliefert und sein Vater gegen Ende der 1950er Jahre zeichnete.
ANDY KUBERTS Können bei anatomisch und perspektivisch korrekt gezeichneten Menschen steht außer Frage. Spannend für das Auge des Lesers wird es, wenn er sich auf das Feld außerirdischer Charaktere und Figuren wagt. Das sieht gut aus, ist aber auch sehr klassisch ausgelegt, richtet sich ein wenig nach den Vorstellungen von Alien-Entführungsopfern (wie sie zum Beispiel WHITLEY STRIEBER in seinem Buchklassiker beschrieb). Auffallend: Außerirdische haben hier keine Haare. Na, es können eben nicht alle LOBO heißen.
Erzählerisch stark, optisch noch stärker. SUPERMAN ist einmal mehr JENSEITS DER ERDE unterwegs. Das bietet sehr, sehr viel Abwechslung und solche Unterhaltung, wie man sie als SUPIE-Fan in den besten seiner Abenteuer erlebt hat. Empfehlenswert! 🙂
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Freitag, 09. Oktober 2020
Indianer erregen in einer Kleinstadt im WILDEN WESTEN immer Aufsehen. Obwohl sie friedlich in die Ortschaft einreiten, wird ihnen offen von einer Einheit Soldaten gedroht. Dabei haben sie ein ganz anderes Ziel: BOUNCER. Der Sohn von WEISSER ELCH soll sein Erbe antreten und den heiligen Boder des Stammes beschützen. Doch zuvor muss der einarmige Mann, der mitten unter Weißen lebt, beweisen, dass er überhaupt fähig ist, seine Aufgabe zu übernehmen. Der Beweis ist denkbar einfach zu führen. Er muss lediglich, einen anderen Mann im Zweikampf besiegen. Sein Gegner OSO LOCO, der beste Krieger des Stammes, wartet nur darauf, BOUNCER zu töten …
Aber es gibt noch mehr als Mord und Totschlag im WILDEN WESTEN, denn ewig lockt das Weib. Zumindest bei ALEJANDRO JODOROWSKY und seinen Erzählungen ist das häufig so. Männer verfallen ihnen. Manchmal glauben sie noch, die nötige Macht zu besitzen, sich jederzeit zurückzuziehen. BOUNCER ist auch so eine Figur, die sich gerne etwas vormacht. Und einmal mehr hat er nicht den Schneid zu erkennen, wenn es eine Frau tatsächlich gut mit ihm meint oder ob sie ihn nur benutzen will. Meistens ist letzteres der Fall. Mit den Waffen der FEMME FATALE, versteht sich. Manche tarnen sich zuvor, andere arbeiten sehr offen mit verführerischen Qualitäten. Manchmal ist alles ein großes Verwirrspiel. Ganz wie es der äußerst fantasievolle Erzähler ALEJANDRO JODOROWSKY mag.
ALEJANDRO JODOROWSKYs Ansichten erschöpfen sich nicht in einem Frauenbild. Es gibt die Sichtweise einer Mutter, die ihre Tochter ganz standesmäß (ihrer Ansicht nach) verheiratet sehen möchte. Es gibt die Tochter, die aus Liebe bereit wäre, jederzeit mit diesen sogenannten Traditionen zu brechen. Es gibt die Hilfe einer Indianerin, die sich über die Völkergrenzen hinweg um einen verwundeten Weißen kümmert. Liebe und Mitleid sind keine Fremdwörter hier. Aber sie gehen nur allzu oft hinter all der Gier, der Brutalität und einem sehr schlechten Bild über den amerikanischen Westen unter.
Immerhin gibt es die Freundschaft, die BOUNCER dementgegen doch immer wieder findet. Völlig begründet, denn tief in ihm steckt ein gutes Herz, das sich aber gemäß der Regeln einer Anti-Zivilisation zu wehren weiß. Und wie! Gelegenheit erhält er dazu genug. Bis eine Grenze auftaucht, an dessen Schwelle sogar er den Revolver beiseite wirft.
Auffallend sind zwei Aspekte dieser dritten GESAMTAUSGABE von BOUNCER. Erstens der vordergründige Gegner: AXE HEAD. Ohne Umschweife als Unhold präsentiert, wird hier weder von Autor ALEJANDRO JODOROWSKY etwas an dieser Figur beschönigt (oder entschuldigt), noch von Zeichner FRANCOIS BOUCQ, der aus AXE HEAD (wie in einem der guten alten Spaghetti-Western) einen widerlichen Killer macht, der schon in einer rein gezeichneten Variante Abscheu beim Leser produziert. Und weil das nicht ausreicht, werden dem Unhold noch fünf Zöglinge zur Seite gestellt, die ihrem Vater nicht nur in nichts nachstehen. Ich möchte sogar behaupten, dass sie ihn an Brutalität noch überflügeln. Ist furchtbar (gut) fantasiert und wirkt nach, Comic hin oder her.
Zweitens (schon wieder) ein anderes grauenvolles Ereignis: Während BOUNCER in einem Indianerdorf im Apachen-Reservat gepflegt wird, planen Soldaten, aus purem Menschenhass und auf der Jagd nach Skalps, für die eine Belohnung gezahlt wird, ein Massaker. Das Szenario, wenngleich in viel kleinerem Maßstab als das historisch tatsächliche Geschehen, erinnert an das MASSAKER VON WOUNDED KNEE. Gänzlich unvorbereitete Angehörige der Sioux wurden von Granaten und Kugeln der US-Soldaten hingemetztelt. Männer, Frauen und Kinder ohne Unterschied. ALEJANDRO JODOROWSKY hat dieses Ereignis ganz offensichtlich als Vorlage für diese Szene genutzt, die in der ersten Albengeschichte der dritten Gesamtausgabe von BOUNCER vorliegt. Autor und Zeichner walzen diese Szene keineswegs aus. Im Gegenteil, beim Betrachten der Bilder sieht der Leser vor dem geistigen Auge wahrscheinlich mehr, als wirklich zu erkennen ist.
Die dritte Gesamtausgabe von BOUNCER fasst den 6. Teil, DIE SCHWARZE WITWE, und den 7. Teil, DOPPELHERZ, der WESTERN-SAGA zusammen. Die beiden zusammengehörenden Teile einer Doppelfolge geben ein abgrundtief düsteres Kapitel des einstigen Rausschmeißers und jetztigen Saloon-Besitzers wider. Das lässt sich aufteilen in eine Kulissenerzählung, in der ALEJANDRO JODOROWSKY das Gesicht des WILDEN WESTENS zeigt, wie er durch Überlieferungen und sogar Fotografien dokumentiert ist. Die andere Hälfte ist fast schon eine griechische Tragödie, die im Mantel eines Westerns daherkommt. ALEJANDRO JODOROWSKY verbindet beides zu einer packenden und mitreißenden Handlung.
FRANCOIS BOUCQ illustriert auf seine gewohnt perfekte Weise. So entsteht ein lebendiges, wuchtiges Bild. Gleichzeitig ist es schauerlich, da sich Autor ALEJANDRO JODOROWSKY nicht allein auf die üblichen Wildwestthemen verlässt. Stark, kurios, kurzweilig, anders, gut. 🙂
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Samstag, 03. Oktober 2020
Die goldenen Tage des Hollywood-Gruselfilms. Frankensteins Monster erwacht auf der Leinwand. Ein Vampir namens Dracula verschreckt die Kinozuschauer in schönstem Schwarzweiß. Zwei Darsteller des Genres haben sich in Hollywood einen Namen gemacht und sind bekannt für ihre Rivalität. BASIL ORLOFF und VLAD BURLANDI liefern im Film professionelle Arbeit vor der Kamera. Dahinter lässt einer am anderen kein gutes Haar. Beide arbeiten an SOL WURTZELS neuestem Film, DIE RACHE DES RABEN. Leider gerät das Werk noch während der Dreharbeiten in die Schlagzeilen, als der Schriftsteller CHARLES ANDERSON, ebenfalls am Film beteiligt, ermordet wird.
Eher zufällig wird der Detektiv HIPPOLYTE FYNN in die Aufklärung des Verbrechens hineingezogen. Der private Ermittler ist in Los Angeles längst kein Unbekannter mehr. Und besonders INSPEKTOR WHILLER von der Kriminalpolizei hat HIPPOLYTE FYNN sprichwörtlich gefressen, denn überall, wo der Detektiv auftaucht, liegen plötzlich auch Leichen auf der Szene.
Vor rund zwanzig Jahren erschien eine Reihe, deren Fokus auf dem Comic-Künstler PHILIPPE BERTHET lag. Den Auftakt machte DER DETEKTIV VON HOLLYWOOD. Besagter HIPPOLYTE FYNN durfte in mehr als nur einem Fall ermitteln. Er kehrte wieder im Band AMERIKA und in DAS GEHEIMNIS VON WRIGHTSVILLE, beide in der BERTHET-Reihe erschienen. In den nachfolgenden Geschichten bleibt er weiterhin mit HOLLYWOOD verstrickt. Insgesamt schreiben wir in den Krimis das Jahr 1939. Die Amerikaner drehen sich um sich selbst. Der Krieg ist anfangs weit weg. HIPPOLYTE FYNN gleitet durch diese Welt der Eitelkeiten mit großer Selbstverständlichkeit. Nicht immer behält er die Oberhand, manchmal ist auch der Spielball.
An HIPPOLYTE FYNNs Seite ist seine getreue Sekretärin CONNIE, die ihm fast schon mütterlich menschliche Fehler durchgehen lässt, obwohl sie im gleichen Alter wie der Privatdetektiv ist. Ihr wird von den Autoren PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET immer mehr Raum gegeben. In Band 3, DAS GEHEIMNIS VON WRIGHTSVILLE, ist sie einmal mehr ermittelnd tätig, aber ohne Rückendeckung und gerät in höchste Lebensgefahr.
Wer klassische Krimis der schwarzen Serie Hollywoods mag, vielleicht immer noch einem SAM SPADE oder PHILIP MARLOWE nachtrauert, landet mit HIPPOLYTE FYNN genau an der richtigen Adresse. Dunkler als der Auftaktkrimi gerät AMERIKA. Plötzlich zieht eine Bedrohung auf, die niemand vorher so recht bemerkt hat oder bemerken wollte. Das ist von PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET sehr elegant geschildert und für PHILIPPE BERTHET eine perfekte Vorlage. Seine klaren Linien und präzisen Charakterzeichnungen übertragen diese unterschwellige Stimmung perfekt. Das Titelbild von AMERIKA übersetzt das Gefühl hervorragend. HIPPOLYTE FYNN steht auf einem Friedhof an einem regnerischen Tag. Soeben wurde eine wichtige Person in Hollywood beerdigt.
BERTHETS Bilder fangen eine zeitweise mehr, mal weniger dekadente Gesellschaft ein. Man könnte so manchen der gezeigten Persönlichkeiten überkandidelt nennen. Da sind die schön eingefangenen, berühmten Horrordarsteller, die natürlich stellvertretend sind für ihre echten Pendants BORIS KARLOFF und BELA LUGOSI. Es gibt den Blick hinter die Kulissen, in Hollywood wörtlich zu nehmen. Reiche Orte stehen dunklen Schauplätzen gegenüber. Das ist fehlerfrei gestaltet, erschließt sich dem Auge schnell. Experimente unternimmt PHILIPPE BERTHET keine. PATRICK RIVIÈRE und BOCQUET verlassen sich oft über längere Bilderstrecken auf BERTHETs Gestaltung und lassen der Handlung ohne Worte ihren Lauf. Und es funktioniert.
Auch schon als Klassiker zu betrachten. Dank seines historischen Settings, seiner leichten Illustrierung und der konsequent strikten Erzählweise immer noch sehr zu empfehlen. Für Comic-Krimi-Liebhaber sowieso. 🙂
Nur noch antiquarisch erhältlich. Sich danach umzuschauen, lohnt sich.
Sonntag, 27. September 2020
Der Wahnsinn des Krieges ist auf vielerlei Arten darstellbar. Oft sind es die Brutalitäten oder die Greueltaten, die einem das Monster Mensch verdeutlichen. Der Irrsinn kann sich aber noch andere Ventile suchen. HUGO PRATT nimmt den Leser mit in ein besonders aberwitziges Kapitel des Zweiten Weltkriegs, den WÜSTENKRIEG. Es ist Herbst 1940. Zwischen Lybien und Ägypten ist davon für die Europäer, die sich in den Sanddünen gegenseitig umbringen, nichts zu bemerken. Die Wüste kennt keine Jahreszeiten. Und sie ist unerbittlich gegen jede Seite. WLADIMIR KOÏNSKY erlebt all die Widrigkeiten von Natur und menschlicher Niedertracht am eigenen Leib. Mehr als einmal steht sein Schicksal auf des Messers Schneide. Und mehr als einmal sieht er, wie seine Wegbegleiter der Tod ereilt …
DER LANGE WEG NACH SIWA lautet der Titel der ersten der beiden hier in einem Band zuammengefassten Geschichten. Im Mittelpunkt stehen WLADIMIR KOÏNSKY, LEUTNANT KORD, HASSAN BENI MUCHTAR oder auch JUDITTAH HORA CANAAN. Jeder ist auf seine Art ein Glücksritter. Die einen schreiten mit hehren Zielen in ihrem Leben voran, die anderen trachten danach reich zu werden, der nächste ist schon glücklich, wenn er aus diesem Krieg heil mit dem Leben davonkommt. Stellenweise in DER LANGE WEG NACH SIWA, sieht man einmal von den Kampfszenen ab (mit einem tollen Zugüberfall), entsteht eine Atmosphäre wie in einem Krimi von AGATHA CHRISTIE. Zeitweise lässt sich auch von Leserseite aus nicht sagen, wer nun welches Spiel spielt. Da heißt es, immer auf der Hut zu sein, welchem Charakter man seine Sympathien schenkt.
PICCOLO CHALET nimmt den Leser mit eine außergewöhnliche Situation, die aber in den erzählenden Genres gar nicht so selten ist. Ein kleines sudanesisches Wüstenfort ist leer gefegt bis einen einzelnen letzten Mann Besatzung. LEUTNANT STELLA genießt nur eine kurze Zeit des Alleinseins. ASKARI-SOLDATEN sind weggelaufen. Die ehemals hier stationierten ITALIENER haben offiziell das Fort verlassen. Es könnte für den einsamen Mann recht langwelig werden, führe nicht unweit des Forts WLADIMIR KOÏNSKY mit seinem britischen Panzer auf eine Mine. Fortan schweißt der Krieg die beiden Feinde für einen gemeinsamen Weg aus der Misere zusammen. HUGO PRATT beweist, dass es für einen Charakter in einer Geschichte immer noch schlimmer kommen kann.
Über allem herrscht eine abenteuerliche Stimmung. CINEASTEN und Freunde von Streifen wie LAWRENCE VON ARABIEN oder DER WIND UND DER LÖWE dürften sich hier gleich heimisch fühlen. Militärisch-politische Verhandlungen, Ränkespiele und im wahrsten Sinne des Wortes Sandkastendiplomatie treffen hier aufeinander. Mittendrin, im Kern des Ganzen, WLADIMIR KOÏNSKY als Archetypus des Abenteurers, des liebenswerten Halunken mit Herz und Verstand. Man mag es eine eigene Moral, einen inneren Kompass oder einen Codex nennen, nach dem KOÏNSKY handelt, ganz gleich, was es ist, er erspielt sich jedenfalls die Sympathien des Lesers mit französischer Leichtigkeit (ja, ich weiß, in der Geschichte ist er Pole, aber ihn umgibt nun einmal das Abenteurer-Flair eines JEAN-PAUL BELMONDO).
Die Zeichnungen von HUGO PRATT bergen keine Überraschungen, hat der Leser bereits in anderen Publikationen von ihm Bekanntschaft mit seiner Technik gemacht. Gewohnt fragil, mit dem Strich fürs Wesentliche, erschließt sich die Welt der WÜSTENSKORPIONE durch die Feder eines Mannes, der diese Zeit, wenn auch noch sehr jung an Jahren, tatsächlich miterlebt hat und kurz danach sein Kunststudium begann. HUGO PRATT schafft die unterschiedlichsten Charaktere, auch solche, die nur kurz auftauchen, einzig bei Schwarzafrikanern driftet er öfters mal in Stereotype ab. Seinen Kampfszenen, mit simpler Infantrie oder mit Fahrzeugen und Flugzeugen sieht man gerne zu. Das ist überaus filmisch. Sich die Skizzen anzuschauen macht Spaß, zeigen sie doch, wie sich HUGO PRATT seine Themen erarbeitet hat, sogar über persönliche Fotos aus den Wüstenkriegen, die ihm als Vorlage dienten.
Ein starkes Stück Comic-Geschichte über ein dunkles Kapitel Menschheitsgeschichte. Trotz allem ist es mit Charme erzählt, mit einem sympathischen Tausendsassa, der sich nicht unterkriegen lässt, gewohnt lässig illustriert, dennoch eindringlich (und die kolorierten HUGO-PRATT-Zeichnungen gefallen mir außerdordentlich). Geschichten mit Tiefgang. Sehr gut! 🙂
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Samstag, 19. September 2020
KONG hat gesiegt. Es ist den amerikanischen Streitkräften nicht gelungen, ihn zu töten, geschweige denn von der Insel MANHATTAN zu vertreiben. MANHATTAN gehört nun dem riesenhaften Gorilla und alles, was den Streitkräften zu tun bleibt, ist, jegliches menschliches Betreten der Insel zu verhindern und diesen Flecken Erde vom Rest der Welt abzuschotten. Inzwischen schreiben die Vereinigten Staaten von Amerika das Jahr 1947. 14 Jahre lang veränderte sich die Insel ohne äußere Einflüsse. Inzwischen hat sich die mit baufälligen Hochhäusern übersäte Fläche in einen Dschungel verwandelt. Einen prähistorischen Dschungel …
ERIC HERENGUEL, hierzulande als Zeichner bekannt von ULYSSES 1781 oder SILBERMOND ÜBER PROVIDENCE, springt in seinen Arbeiten gerne in einer Geschichte zwischen verschiedenen Genres umher. Da wird in einer frühen nordamerikanischen Phase gegen Monster gekämpft. Oder es tauchen zur besten Wildwestzeit dämonische Kreaturen an der Ostküste der Vereinigten Staaten auf. Ist ersteres Beispiel noch in Zusammenarbeit mit XAVIER DORISON entstanden, bestritt er SILBERMOND ÜBER PROVIDENCE allein, als Autor und Illustrator. Ebenso verhält es sich mit DIE KONG-CREW, wo er die Genres noch viel heftiger mischt als zuvor in seinen Arbeiten.
Sein Zeichenstil ist sehr realistisch. Figuren, Kulissen, Fahrzeuge, Landschaften, Tiere sind perfekt an die Realität angelehnt. Wo ERIC HERENGUEL in die Karikatur abgleitet, niemals komplett, sind die Köpfe und Gesichter. Die Charaktere werden dadurch aussagekräftiger, verfestigen sich schneller. Das erinnert technisch, gerade im Zusammenhang mit der Zeitschiene, die ERIC HERENGUEL hier bearbeitet, an ROCKETEER des verstorbenen DAVE STEVENS. Das mag auch daran liegen, wie toll sich beide Zeichner das Thema FLUGZEUGE erarbeiten. Beide Zeichner geben ihren Bildern einen filmhaften Look (DAVE STEVENS war zeitweise Storyboardzeichner, u. a. für JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES.) Wer die rasanten Flugszenen von ERIC HERENGUEL in den Straßenschluchten von MANHATTAN sieht, wird das sofort unterschreiben.
Ein Wehrmutstropfen: KONG tritt nur sehr kurz in Erscheinung. Entschädigt wird der Leser dafür mit allerhand Getier, wie es jüngstens die JURASSIC-WORLD-Streifen boten (und noch ein paar Viechern mehr). Außerdem hat sich in den Ruinen dieser ehemaligen Weltstadt ein merkwürdiges Matriarchat eingerichtet. Hier fließen kuriose Gestalten ein, die durchaus auch Platz in einem MAD-MAX-Streifen finden könnten. An Einfällen hat ERIC HERENGUEL jedenfalls nicht gegeizt.
Farblich nimmt sich ERIC HERENGUEL etwas zurück. Er ist natürlich wie in seinen Zeichnungen schon an der Realität orientiert, aber er sucht sich stets einen Kerneindruck für eine Seite. Das kann eine spezielle Farbe sein oder es ist ein besonderes Licht. Der Rest wird darauf abgestimmt oder es wird eine besonders kontrastreiche Szenerie. Letzteres ist seltener. Meist schafft ERIC HERENGUEL eine dezente Farbatmosphäre. Diese farbliche Stimmung kommt dem Setting, der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, sehr entgegen. Fast scheint es, als habe sich der Künstler an älteren Farbfilmen jener Zeit orientiert. Das passt, macht es optisch, später im DSCHUNGEL VON MANHATTAN, eine Spur gruseliger im Look.
Starker Serienauftakt, mal etwas ganz anderes. Ein verrückter Genremix, der verdammt gut illustriert ist. Wer es mag, wenn Geschichten sich wunderbar aus verschiedenen Richtungen vermischen und das Ergebnis ein sehr abwechslungsreiches und spannendes Abenteuer ist, liegt hier genau richtig. Fans von MONSTERN und von Szenarien wie DIE VERLORENE WELT von ARTHUR CONAN DOYLE (das Buch wohlgemerkt) können bedenkenlos zugreifen. 🙂
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Samstag, 29. August 2020
Was geschah 1948? Fest steht, dass sich zwei Männer zum Ende des Zweiten Weltkriegs zusammentaten, um ein ungeheures Husarenstück durchzuführen. Ein Raubüberfall in luftiger Höhe mittels eines technischen Wunderwerks namens GREIF. Der eine Mann ist der amerikanische General ROBERT BRIGHT, für den es bei diesem Überfall um alles geht. Er muss Geld beschaffen, ansonsten ist sein Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Der andere Mann heißt EGON KRATZ, ein ehemaliger Ingenieur, der für das Nazi-Regime tätig war. So unauffällig seine äußere Erscheinung ist, so findig ist er in seinen Konstruktionen. Das Ergebnis ist der GREIF. Der Plan ist so einfach wie aufregend. Der GREIF ist in der Lage, in der Luft an ein Flugzeug der U.S. AIR FORCE anzudocken, das zufällig den Sold, 28 Millionen Dollar, für die amerikanischen Soldaten in EUROPA an Bord hat …
FRANKA erlebt diese Geschichte natürlich nicht direkt, sondern ist auf die Erinnerungsnotizen einer dritten Person, KAY, angewiesen, die sich vor langer Zeit mit ROBERT BRIGHT eingelassen hat. Und von ihm aus seinem Leben vertrieben wurde, als sie ihm gestand, schwanger zu sein. Diese zeitlichen Rückblicke in die 1930er, 1940er und 1950er Jahre sind richtig kleine Schmuckstücke der Comic-Kunst. Im Zusammenhang der jeweiligen Seite oder auch alleine betrachtet. HENK KUIJPERS erzählt kurz über den Werdegang von KAY, berichtet von ihren Arbeitsplätzen. Ein tolles Bild eines Burger-Drive-Ins ist das Paradebeispiel dieses Lebenszusammenschnitts. Militärische Einblicke geben eine Fabrikationshalle von Consolidated B-24 »Liberator« Bombern, Szenen von Fahrzeugaufmärschen oder heimkehrenden Soldaten. Das atmet viel Atmosphäre. Fast könnte man vergessen, um welche Geschichte es sich eigentlich handelt. Schnell kann man sich als Leser in diesen Schilderungen verlieren.
Aber FRANKA bleibt natürlich nicht außen vor. Ganz im Gegenteil. Nach ersten Recherchearbeiten wird sie sogar noch tiefer in die Handlung hineingezogen. Was eben noch Erinnerungen einer fremden Person waren, greift plötzlich in die Gegenwart. Der Sprung gelingt HENK KUIJPERS vorzüglich. Mehr noch. Die Privatdetektivin, deren Aufgabe es ist, anderen auf die Spur zu kommen, wird selbst überwacht und gerät in höchste Bedrängnis.
Der klare Strich von HENK KUIJPERS mag nicht unbedingt bei allen Fans der Ligne claire ankommen. Dafür unterscheidet er sich von den bekannten Vertretern dieser Bildrichtung. Er sieht technischer aus, kantiger. Auch verzettelt er sich mal in überflüssigen Strichen, die ein Bild abrunden, aber nicht unbedingt notwendig sind. Aber auf diese Weise entsteht auch ein unverwechselbarer Stil, der mit seinen Schnörkeln hier und dort vielleicht sogar leicht am Jugendstil angelehnt scheint. Betrachtet man nur die Rückseite, auf der sich HENK KUIJPERS in einem einzigen Bild ausbreitet, versteht man sofort, was gemeint ist.
FRANKA radelt neben einem CITROEN HY, einen uralten Kastenwagen, her, der zu einer fahrbaren Burger-Braterei umgebaut wurde (neudeutsch: Food-Truck). Das ist wieder nur ein Beispiel. Insgesamt steckt da viel Herzblut in den Bildern. HENK KUIJPERS baut, so möchte ich behaupten, baut hier eine richtige Welt um FRANKA herum. Klar, abgeleitet aus der unseren, aber er macht sie eine kleine Spur schöner und sucht sich wie ein Fotograf die besten Ecken, um seine FRANKA in Szene zu setzen.
Toller Abschluss des Zweiteilers (Vorgängerband: DAS GEHEIMNIS VON 1948). Fantastisch illustriert, sehr eigen, unverwechselbar. Ein modernes Abenteuer mit einer modernen jungen Frau (seit den 1970ern schon, HENK KUIJPERS war der aktuellen Entwicklung sogar voraus). Verlässliche Comic-Qualität. Fein. 🙂
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Freitag, 14. August 2020
Ein scheinbar leichter Auftrag für FRANKA. Die junge Privatdetektivin soll eine Museumsangestellte beschatten, die verdächtigt wird, Material unbefugt an Dritte weiterzugeben. Über diesen Umstand ist man sich ziemlich sicher. Doch, wer ist der Auftraggeber? FRANKA macht sich an die Arbeit und wird schnell fündig. Bemerkt aber ebenso schnell, dass die Verdächtige selbst übers Ohr gehauen wurde. Außerdem führt die Spur weiter. FRANKA wird neugierig. Folge dem Geld, heißt das ewige Motto. Was eben noch ein Fall in ROTTERDAM war, gerät zu einer Rätseljagd in LAS PALMAS DE GRAN CANARIA. Und neben Sommer, Spaß und Sonnenschein wird es bald höchst gefährlich…
In der 23. Ausgabe von FRANKA, natürlich komplett aus der Feder von HENK KUIJPER, mit dem Titel DAS GEHEIMNIS VON 1948, ist anfangs nichts so, wie es scheint. Jeder Schritt führt zu einem neuen Rätsel, noch geheimnisvoller, noch undurchsichtiger. HENK KUIJPER kann in Sachen Erzählen keiner mehr etwas beibringen. Das ist von Anfang bis Ende mit sehr viel Spaß, sehr viel Sympathie für die Figur FRANKA geschrieben. Es erweitert die Figur, hält hier und da eine kleine Rückschau, um Brücken aus vergangenen Geschichten zu schlagen. FRANKA ist nun einmal SINGLE, nicht direkt auf der Suche nach einer Beziehung, würde sich aber, wenn es einmal klappt, auch einer solchen nicht versperren. Diese Bereitschaft verheißt nur nicht automatisch, dass sie mit ihrer Menschenkenntnis (trotz ihres langjährig ausgeübten Berufes) immer zu einhundert Prozent richtig liegt.
HENK KUIJPERS entführt den Leser grundsätzlich gerne an penibelst gezeichnete Orte. Da werden Großstädte wie ROTTERDAM und AMSTERDAM zu HINGUCKERN, mit WIMMELBILDCHARAKTER. Und HENK KUIJPERS verschwendet keinen Platz. Da muss was drauf, aufs Papier! Feine, überaus exakt geogene Linien, fasst ein wenig wie ein moderner Jugendstil, erfassen jedes noch so unbedeutende Detail. Da fehlt keine Leine, keine Planke, kein Riss im Stein.
Darüber hinaus hat HENK KUIJPERS ordentlich Zusatzinformationen zur Geschichte für den Leser bereitgestellt. Das will, wie jedes noch so kleine Bild, gelesen, eingeordnet und verarbeitet werden. HENK KUIJPERS verlangt optisch auf einer Seite von den Lesern mehr als es so manche andere Autoren und Zeichner tun, die deutlich luftiger zur Sache gehen. Dabei gibt es für den, der sich nach leichterer Comic-Lektüre nicht abschrecken lässt, ein sehr abwechselungsreiches Abenteuer zu verfolgen, das der Hauptfigur ebenso viel Aufmerksamkeit schenkt wie dem GEHEIMNIS VON 1948.
Einen kleinen Hinweis darauf, gibt bereits Titelbild. Eigentlich spoilert HENK KUIJPERS hier höchstselbst. Im Hintergrund steht eine merkwürdige Flugapparatur mit Heckpropellern. Die Konstruktion ist nicht gerade modern zu nennen. FRANKA steht im Vordergrund und hält neben einer Truhe (mit der Aufschrift US TREASURY) einen Geldsack des us-amerikanischen Schatzamtes in die Höhe, ergänzt durch den Aufdruck 1948. Offensichtlich geht es um eine Schatzsuche. Aber das ist letztlich nur ein Bruchteil dessen, was die Handlung ausmacht. Deswegen mag dieser offensichtliche Hinweis von HENK KUIJPERS dem Autoren und Zeichner in Personalunion verziehen sein.
Stark! Und gleichzeitig der Beweis, warum diese Serie so langlebig ist, die immerhin seit 1976 (!!!) erscheint. Das müssen andere Serien FRANKA erst einmal nach machen. Hauptfigur und Handlung sind erstaunlich jung geblieben, auf der Höhe der Zeit. Mit einer modernen Frau als Hauptfigur. So soll das sein! Sehr gut. 🙂
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