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Comic Blog


Mittwoch, 21. Oktober 2015

ELOI

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:53

ELOIDie Eingeborenen haben die Fremden aus Europa in jene Höhlen geführt, die für sie nichts anderes als Heiligtümer sind. Die Totenschädel in den Felsnischen jagen den weißen Forschern einen höllischen Schrecken ein. Sie sind froh, als sie endlich der Dunkelheit entkommen und ins Dorf ihrer Gastgeber zurückkehren können. Doch die Atmosphäre ist vergiftet. Die Angst vor den Eingeborenen ist gewachsen. In Gedanken malen sich die Reisenden aus, wie die Eingeborenen ihren kannibalischen Neigungen nachgehen. Ein Gottesdienst verheißt keinen Trost. Der nachfolgende Regen, ein regelrechter Wolkenbruch verdüstert das Land und nährt die Weltuntergangsstimmung der Franzosen. Jeder will nur noch abreisen. Jeder? Nein, nicht jeder. Pierre Delaunay ist bereit, sich über seine Ängste zugunsten der Wissenschaft hinwegzusetzen.

Wissenschaft. Wie stark ist ihr Einfluss auf die Menschlichkeit? Welchem Stellenwert ist der Ehrgeiz zuzordnen? Welchen Wert hat der Mensch, wenn er nicht als solcher wahrgenommen wird? Es sind eine Menge Fragen, die die beiden Autoren, Younn Loucard und Florent Grouazel (gleichzeitig als Zeichner tätig), hier stellen. Es sind unangenehme Fragen, die nur deshalb einen bitteren Beigeschmack haben, weil viele von ihnen auch heute noch nicht geklärt sind. Die vorliegende Geschichte beginnt 1837 an einer fernen Küste von Neukaledonien.

Neukaledonien. Wer damals, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem Schiff nach Neukaledonien reiste, hatte sich einen Punkt auf dem Globus ausgesucht, der kaum weiter weg von Frankreich sein konnte als dieser Flecken Erde. Hierher, in eine Wasserwüste östlich von Australien, hat es die französische Fregatte La Renommee verschlagen. Der Naturforscher Pierre Delaunay ist fasziniert von der Kultur der Kanaken, wie sie hier von den Forschungsreisenden genannt werden. Allein hat er sich aufgemacht, um der erste europäische Zeuge einer kannibalischen Zeremonie zu werden. Er verirrt sich im Dschungel. Seine Schiffskameraden machen sich große Sorgen, doch der Wissenschaftler findet wieder zurück zum Basislager.

Für den europäischen Geschmack ist Kannibalismus nicht nur archaisch, er ist auch höchst verabscheuungswürdig. Ganz gleich, wie groß das wissenschaftliche Interesse an fremden Kulturen sein mag. Ganz gleich, wie sehr es der Forschung dient. Entsprechend negativ fällt die Reaktion aus, als Delaunay einen der Eingeborenen auf die Heimreise nach Frankreich mitnehmen will. Als Leser, moderner Mensch, wird man von den Reaktionen der Schiffsbesatzung abgestoßen, wenn man mitverfolgt, wie sehr ELOI, so der Name, den er von den europäischen Eindringlingen bekommen hat, zu Spielball der Leute an Bord wird. Letztlich sind nicht einmal die, die ihn in Schutz nehmen, schuldlos, ist er doch auf Betreiben auch jener mit auf diese Reise genommen worden.

Younn Loucard und Florent Grouazel entwerfen einen Mikrokosmos, in dem unterschiedlichste Emotionen und Ansichten auf einen Fremden einprasseln, der nicht fähig ist, sich gegen seine Lage zu wehren. ELOI war glücklich und zufrieden in seiner Heimat, dort, wo er verstand, was um ihn herum vorging. An Bord der Fregatte macht man sich sogar über sein Unvermögen lustig, nicht sofort den Gebrauch von Messer und Gabel zu verstehen. In der ersten Hälfte erwartet man als Leser vieles von jenem Verhalten, das sich hier nach und nach offenbart. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher gesellschaftlichen Schicht sich bewegt. Sobald er jemandem in die Quere kommt, nur den Platz streitig macht, ohne sich dessen bewusst zu sein, liegt Ärger in der Luft.

Viel schlimmer wird es in der zweiten Hälfte. Und unerwartet. Zeichner Florent Grouazel zeichnet mit einem dokumentarischen Stil. Mit schnellen Strichen entstehen Charaktere mit gutem Wiedererkennungswert. Ein Mittelblau schattiert die Szenen, ein etwas helleres bringt Licht ins Dunkel. Die Atmosphäre wird auf Dauer durch diese Kolorierung immer bedrohlicher. In der zweiten Hälfte beginnt ELOI sich in die Mannschaft zu integrieren. Mehr noch, er sagt seine Meinung und innerhalb der Mannschaften will er sich immer weniger gefallen. Je mehr er versteht, je mehr er sich selber äußern kann, desto mehr emanzipiert er sich. Und desto weniger ist er bereit, sich unterdrücken zu lassen. Doch damit kratzt er an den Hierarchien, wie es sie auf einem Segelschiff jener Tage nun einmal gab. Schlimmer noch. ELOI wehrt sich handfest.

Das Drama nimmt seinen Lauf. Die Hauptfigur, um die sich alles dreht, vermag echtes Mitleid heraufzubeschwören. Im Comic oder überhaupt in der Fiktion ist das eine ziemliche Seltenheit. Younn Locard und Florent Grouazel überlassen vieles den Vorstellungen des Lesers. Sie ergehen sich in erzählten oder gezeigten Andeutungen. Teils geben die Reaktionen der Beteiligten über das Geschehen Auskunft. Das Ende ist traurig, wie es eigentlich auch die gesamte Geschichte durchweg unterschwellig der Fall ist. Das Ende ist nicht vorhersehbar, aber konsequent.

Eine düstertraurige Handlung über Unverständnis, Missverständnis, Unwissen und Unwollen. Wohin führt mangelnde Mitmenschlichkeit? Wie oft lässt sich jemand drangsalieren, bis selbst bei dem Friedfertigsten die Grenze überschritten ist? Und was ist der Kern von Zivilisation? Viele Fragen, viele Antworten in dieser dichten, sehr komplexen Tragödie. Packend, traurig, intelligent. 🙂

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Dienstag, 13. Oktober 2015

BARRACUDA 5 – Kannibalen

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:41

BARRACUDA 5 - KannibalenBlackdog war lange Zeit verschwunden, draußen auf See und obwohl der Glaube an die Unbesiegbarkeit dieses Piraten groß ist, scheint es nach so vielen Gefahren und derart langer Zeit nicht mehr wahrscheinlich, den Piratenkapitän irgendwann einmal wiederzusehen. Aber Blackdog lebt und er hat einen guten Grund dafür. Der berühmt berüchtigte Diamant von Kashar ist ein mächtiges Motiv. Der Edelstein zieht die Menschen in seinen Bann, macht sie verrückt. Nur einer hat dieser furchtbaren Kraft widerstanden: Blackdog. Wo andere dem Irrsinn und Machtfantasien verfallen, kann Blackdog den Diamanten in Besitz nehmen. Gäbe es bloß nicht immer wieder Menschen, die glaubten, über ähnliche Fertigkeiten zu verfügen.

Blackdog ist im Laufe der Handlung zu einem Mythos geworden und selbst der Leser hätte annehmen können, diese Figur nur noch in den Legenden dieses Abenteuers vorzufinden. Doch tatsächlich hat der Vater von Raffy, dem allein gelassenen jungen Piratennachwuchs, überlebt. In bester Lage befindet er sich allerdings nicht. Der Untertitel des fünften Bandes der Reihe, Kannibalen, deutet schon ein paar der Schwierigkeiten an, in den sich die Helden dieses Abenteuers wiederfinden. Autor Jean Dufaux gehört nicht zu jenen Erzählern, die etwas aussparen, wenn es dazu dient, die Spannungsschraube anzuziehen und was könnte mehr an den Nerven zerren, als die Vorstellung lebendig gefressen zu werden?

Penilla, der Zauberer, ist der gruselige Höhepunkt dieser Geschichte. Er ist die einzige Person auf der Insel der Kannibalen, der den Stamm lenken kann. Comic-Künstler Jeremy entwirft einen Schamanen, dessen Gesichtsumwandlung einen Totenschädel imitiert. Abgeschnittene Nase und zugefeilte Zähne sorgen neben Schminke für den nötigen Effekt. Die Augen leuchten und geschlitzte Pupillen lassen die Figur noch unwirklicher erscheinen. Nichtsdestotrotz ist sie ein Mensch mit irdischen Begierden, ganz vorneweg die Gier nach Macht, wie Penilla im eigenen Tagtraum erleben muss. Denn der Diamant von Kashar zeigt jedem den ureigensten Wunsch, bevor er ihn in den Wahnsinn treibt.

Nach den bisherigen Ereignissen auf der Insel Puerto Blanco, die noch längst nicht vorüber sind dank Raffy, ist der hauptsächliche Erzählwechsel auf die Kannibaleninsel ein tiefer Einschnitt. Comic-Künstler Jeremy gestaltet eine Atmosphäre, die einem Horrorfilm gut zu Gesicht stehen würden. Warme Grautöne werden einem feurigen Rot gegenübergestellt. Eine mittelblaue amerikanische Nacht geht langsam in eine hellrote Dämmerung über. Blutrot ist die Gewaltfantasie des Zauberers. Kurzum, Farben verbreiten hier ein gehöriges Maß an Grundstimmung. Aber das normale Tageslicht ist trügerisch. Denn ist die optische Gefahr gebannt, lässt Jean Dufaux die Handlung noch einmal so richtig zuschlagen.

Das Blatt wendet sich. Jean Dufaux versteht es geschickt, die Neugier des Lesers anzuheizen. Es wird eine Ankündigung gemacht und dann gerät diese aufgrund diverser Ereignisse fast in Vergessenheit, in Wahrheit wird schleichend eine unbekannte Figur eingeführt und allein der Reaktion der übrigen Charaktere wird das Unbehagen, ein ängstlicher Respekt dieser Figur bereits deutlich. Der Rote Falke, nur kurz zu sehen (aber in einem tollen Portraitbild), scheint den gleichen Schrecken zu verbreiten wie Blackdog. Das lässt angesichts des Cliffhangers am Ende für die Fortsetzung wieder eine neue Handlungsrichtung erwarten.

Ein Soundtrack zu dieser modernen Piratengeschichte müsste harte Rockklänge haben, je nach Szene ein wenig Punkrock, wenn die Gefahr dem Leser regelrecht ins Gesicht springt. Jean Dufaux und Jeremy lassen es in der fünften Folge von BARRACUDA richtig krachen. Horror trifft Piraterie. Ein Knaller, weiter so. 🙂

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Montag, 21. September 2015

Elixier 3 – Ein Hauch von Nichts

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:50

Elixier 3 - Ein Hauch von NichtsGötter vergeben selten Aufträge. Als gewöhnlicher Sterblicher sollte man sehr misstrauisch in derlei Angelegenheiten sein, denn bestimmt hat die Sache einen Haken. Bei Tolriq, dem Abenteurer, ist der Ansporn ziemlich einfacher Natur: Er hat kaum eine andere Wahl. Eine bunt gemischte Gruppe macht die Erfüllung der Aufgabe nicht leichter. Die Tatsache, gleichzeitig in Konkurrenz zu einer gegnerischen Partei, einem anderen Gott, zu stehen, erschwert den Wettlauf mit der Zeit zusehends. Eine Prinzessin, die sich zu fein für die Gruppe ist. Ein Dämon, der sich stets im falschen Moment zu erkennen gibt …

Nein, Tolriq hat es wirklich nicht einfach. Da trifft es sich doch, als die Prinzessin Murmillia das ihr verhasste Bündnis aufgibt und die erstbeste Gelegenheit nutzt, um ihr in altes Leben zurückzukehren. Aber für die Bediensteten ist Prinzessin Murmillias Heimkehr eher eine Heimsuchung … Zurück bei ELIXIER. Christophe Arleston (Autor) und Alberto Varanda (Zeichner) haben sich ein paar Jahre, und nicht nur die üblichen ein bis zwei, Zeit gelassen, bevor die ersten beiden Folgen eine Fortsetzung erfuhren. Aufgrund ihrer Talente sind beide gefragte Künstler. Arleston ist stark bei seinen Comic-Kreationen TROY und YTHAG eingebunden. Varanda hat neben seinen eigenen Projekten (BENJAMIN) viel für die Autorenideen anderer Comic-Künstler zu tun. Dies ist nicht die einzige Zusammenarbeit mit Arleston (siehe TROY). Für das Autorenduo ANGE gestaltete er Das verlorene Paradies und blieb damit dem Fantasy-Genre treu.

Alberto Varanda zeichnet sich durch ungeheure Genauigkeit aus, die fast schon, wäre es aus Lesersicht nicht so toll anzuschauen, an eine professionelle Pedanterie grenzt. Wo andere Zeichner Mauern andeuten, Fugen anskizzieren oder Palisadenwände, Holzdächer skribbeln, zeichnet Alberto Varanda Stein für Stein, Brett für Brett, Maserung für Maserung, Dachschindel für Dachschindel. Wenn das Künstlerteam Arleston, Varanda nebst den beiden Koloristen den Leser mit in die Stadt Lorunde nehmen, hat man das Gefühl, die Bilder seien von Straßenkarten und in Natura existierenden architektonischen Vorbildern entnommen worden. Neben dieser prächtigen Umgebung nehmen sich echte Architekturereignisse wie Florenz oder Rom wie Dörfer aus.

Dank der erwähnten Pedanterie, die sich in den modischen Erscheinungen, individuellen Figuren fortsetzen, sich nicht einmal an den Marktständen mit ihren zahllosen Gemüseangeboten erschöpfen, atmet das Ambiente dieser Fantasy-Reihe regelrecht. Was das Charakterdesign anbelangt, rückt Alberto Varanda sich mit seinen optischen Vorlieben, den großen Augen, den Rundungen seiner Figuren in die Nähe von Disney-Standards, aber ebenso auch von Kollegen wie Crisse (Atalante) und zu früh verstorbenen Carlos Meglia (Canari).

Ein großer Verdienst des tollen Gesamteindrucks von Elixier 3 ist bei den beiden Koloristen Nolwenn Lebreton und Jerome Maffre zu finden. Sie wenden eine Farbpalette an, wie sie auch in der Hochzeit der klassischen Malerei zu finden ist, von einigen Auswüchsen ins Himmelblaue und Türkise hinein einmal abgesehen. Das goldbronze leuchtende Titelbild gibt einen sehr guten Eindruck von dem farblichen roten Faden, der sich durch das gesamte Album zieht. Oft darf dieses Licht, das den Farben zugrunde liegt, auch am Himmel, in Sonnenuntergängen, durch Strahlen in Innenhöfe hinein (Stichwort: Hof der Wunder) bestaunt werden. Es beginnt mit diesem Licht und endet damit. Zwischendurch gibt es einige wenige Veränderungen, die stets auf eine Sequenzwandel hindeuten, manchmal heiter, sonst eher geheimnisvoll (Stichwort: Ritt auf dem Tausendfüssler).

Das Warten hat sich gelohnt. Das Erscheinen des dritten Teils der Reihe ließ fraglos auf sich warten, aber die Erzählung ist gelungen, die Optik überragend dank eines Ausnahmecomickünstlers wie Alberto Varanda. Wunderschön anzuschauendes Fantasy-Spektakel. 🙂

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Donnerstag, 17. September 2015

TROLL VON TROY 18 – Pröfy hat den Blues

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:18

TROLL VON TROY 18 - Pröfy hat den BluesMan stelle sich vor: Da ist das Haus gerade fertig gebaut. Man hat sein Bestes gegeben, denn die Angebetete soll schließlich und vor allem beeindruckt werden. Bei der folgenden Feier ist die gesamte Verwandtschaft anwesend und diese feiert … wie Trolle eben feiern. Und am Ende ist von dem neuen Haus nur noch Kleinholz übrig. Kein Wunder, dass Pröfy daraufhin den Blues bekommt. Seine Freundin Waha, vom Verhalten her eine echte Trollin, von der Abstammung her jedoch menschlich, versucht ihn aufmuntern. Gelingen will ihr das nicht. Und dem Dorfzauberer auch nicht. Und dann ist Pröfy ja nur ein Halbtroll. Sein Vater war ein Mensch. Vielleicht kann seine menschliche Seite behandelt werden? Vielleicht liegt da der Fehler, der Blues begraben?

Wo der Trollzauberer versagt, muss ein Menschendoktor her. Sigismond Leid befragt seine Patienten gerne auf einer Couch liegend. Also, die Patienten liegen und er sitzt gleich daneben in einem Sessel und macht sich Notizen. Da werden Fragen nach der Kindheit und dem Verhältnis zu Exkrementen aufgeworfen, allesamt wichtig für das geistige Wohl. Natürlich sind da noch die Eltern, als letzte Lösung. Was aus Mama wurde, ist bekannt. Aber Papa? Wo ist der abgeblieben? Aus der Praxis des Therapeuten geht es geradewegs auf eine lange, abenteuerliche Suche, wie sie sich ein Christophe Arleston so gerne ausdenkt.

Aber es ist noch mehr als das. In gewisser Weise wandelt Christophe Arleston einige Schritte in den Spuren eines Rene Goscinny, der bereits in Kampf der Häuptlinge das Wunder der Psychtherapie thematisierte und einen Freudschen Klon auf Asterix und Obelix losließ. Arleston geht natürlich noch eine Spur weiter. Seine Anleihen bei dem weltbekannten Psychoanalytiker aus Wien sind weitaus größer, nicht zuletzt durch die bissige grafische Umsetzung durch Jean-Louis Mourier, der dem Arzt ganz besonders, wenn es um Kacka geht, eine übertrieben ehrgeizige Mimik verleiht.

Herzerfrischendes Miteinander. Trolle sind bekanntlich für einander da. Gehen sie auch sonst mit allem anderen Getier, den Menschen sowieso, recht unschön um, haben sie einen durchweg großen Gemeinschaftssinn. Allein diese Eigenschaft reichte schon als Grundlage für eine Komödie. Christophe Arleston mischt noch den Liebesfaktor mit hinein und eine ordentliche Portion verkopfter Heilslehre. Trolle sind zum Knuddeln (das zeigt auch das diesmal das besonders geniale Titelbild von Jean-Louis Mourier) und der Beweis wird gleichfalls angetreten. Mehr wird hier nicht verraten, nur, dass es für einen Menschen ab einer bestimmten Intensität zu sehr verstörenden Momenten führen kann.

Der traurige Pröfy: Wenn jemals die Traurigkeit ein Gesicht hatte, dann wohl jenes von Pröfy, dem Halbtroll. Oft haben Arleston und Mourier (und natürlich der Top-Kolorist Claude Guth) den Leser in Städte und irrsinnige Ländereien entführt. Hier bleiben sie eher im kleinen Kreis. Dafür werden die Charaktere, die Eigenarten der Trolle mehr in den Mittelpunkt gestellt und mit Pröfy im Zentrum herrlich herausgearbeitet. Selbst Wasser kann diesen in Lethargie versunkenen Troll nicht mehr schrecken. Und das will etwas heißen. Liegt Pröfy erst einmal auf der Therapiecouch, legt Mourier mit feinen Mimiken des Erkrankten los und so bleibt für den Leser kein Auge trocken (bei Pröfy ebenfalls nicht).

Es menschelt bei den Trollen. Pröfys menschliche Seite bedarf einer Behandlung, die Psychotherapie greift ein und zeigt, was sie kann. Und da es eine Komödie ist, zeigt sie noch viel mehr von dem, was sie nicht kann. Lacher garantiert. Sehr schön! 🙂

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Freitag, 24. Juli 2015

DER ROTE KORSAR Gesamtausgabe 5

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:25

DER ROTE KORSAR Gesamtausgabe 5Während sich auf dem europäischen Festland die französische Armee gegen eine Koalition verschiedener Staaten zu behaupten mag, ist die französische Kriegsmarine ihren Feinden in der Karibik auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Rick, der Sohn des ROTEN KORSAREN, hat es nicht nur aufgrund seiner Herkunft schwer, an Aufträge für sein Schiff zu gelangen. Die Kriegslage erschwert es allen, die einen französischen Hintergrund haben, gegen englische, niederländische oder spanische Schiffe in den karibischen Gewässern zu bestehen. Als endlich ein Auftrag in Sicht ist, sind Rick und seine Freunde Baba und Dreifuß von Erleichterung weit entfernt. Denn es fehlt an einer tüchtigen Mannschaft. Und wer würde sich freiwillig zu einem Himmelfahrtskommando bereit erklären?

Der Leser trifft den Sohn des ROTEN KORSAREN in einer äußerst verfahrenen Situation wieder. Eine Übermacht beherrscht die Karibik und ein einzelnes Schiff kann dagegen nur bestehen, wenn es List anwendet. Wie die beiden Ausnahmecomickünstler Jean-Michel Charlier (Autor) und Victor Hubinon (Zeichner) bereits mehrfach gezeigt haben, ist Rick, besagter Piratensohn, mindestens ebenso schlau wie sein Ziehvater, wenn es darum geht, einer schier aussichtslosen Lage zu entkommen.

Die Abenteuer der fünften Gesamtausgabe, In geheimer Mission, Der Pakt mit dem Teufel und Der Pirat ohne Gesicht stellen jenen Mann in den Mittelgrund, der für seinen Vater, den ROTEN KORSAREN, durch dick und dünn gehen würde, der Piraterie aber den Rücken gekehrt hat. Zu seinem großen Unglück scheren sich die Feinde des Adoptivvaters wenig um derlei Versprechen und machen gnadenlos Jagd auf den jungen Mann und seine Freunde. Sei es, um seiner persönlich habhaft zu werden, weil er ihrer Meinung nach eine Gefahr darstellt. Sei es, um ihn als Druckmittel gegen den ROTEN KORSAREN zu benutzen, den sie schon lange am Galgen sehen wollen. Vor diesem Hintergrund nun findet sich der Leser in den Ausläufern eines Krieges wieder, der bereits damals in der Hochzeit der Segelschiffe die Welt umrundete.

Victor Hubinon hatte es nie nötig zu experimentieren. Er besaß einen klaren Stil. Seine gezeichneten Gesichter repräsentierten einen Ausdruck der 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, klar umrissen, meist (da selten Frauen in den Geschichten zu Gast waren) sehr männlich, hart, Gesichter, die bereits Geschichten erzählten. In Der Pakt mit dem Teufel findet sich ein schönes Gleichgewicht zwischen Szenen auf See, zu Lande, feinen Dialogen und Aktionssequenzen. Wunderbar zu betrachten sind die Schiffe, in aufgewühlter See, die dadurch vermittelte Atmosphäre, die ein Piratenabenteuer einfach braucht.

Erwähnenswert ist der Umstand, dass Charlier seinen Co-Künstler in diesem Abenteuer in Passagen schickte, die zum Beispiel an Szenen aus Robin Hood erinnern. Die Befreiung von Dreifuß, seine Errettung vor dem Galgen kommt einigen Wagemutsbeweisen des englischen Volkshelden sehr nahe. Grafisch gibt es aber noch mehr zu entdecken und deshalb sollte der Leser nicht gleich zu Beginn zuvorderst bei den jeweiligen Hinweisen zu den einzelnen hier beinhalteten Alben nachschauen.

In Der Pirat ohne Gesicht darf der Leser versuchen herauszufinden, ob er die von zwei anderen sehr bekannten Comic-Künstlern gezeichneten Seiten entdeckt. Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr ein Zeichner seinem Werk seinen Stempel aufzudrücken vermag, obwohl sich seine Ersatzleute bemühen die Originalstilistik beizubehalten. Beide Grafiker sind sehr gut in anderen Serien und sie leisten auch hier gute Arbeit, aber DER ROTE KORSAR war so sehr von Victor Hubinon perfektioniert worden, dass es schwer war, diese Lücke zu füllen. Die Kurzgeschichte Das Gold von San Christobal, zum guten Schluss in dieser Gesamtausgabe, abgedruckt einst in Super Pocket Pilote, beweist in Schwarzweiß die haargenaue Illustrationstechnik Hubinons.

Ein Piratenfest für jeden Genre-Fan. Rick, der Sohn des ROTEN KORSAREN, wird von Jean-Michel Charlier in viele, scheinbar auswegslose Situationen gebracht. Als geschickter Erzähler versteht sich Charlier auf das Anlegen von Spannungsschrauben, zumal DER ROTE KORSAR diesmal Hilfe gebrauchen kann. 🙂

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Mittwoch, 08. Juli 2015

DIE DIEBE VON KARTHAGO

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:17

DIE DIEBE VON KARTHAGOHorodamus und Berkan werden Zeuge eines Überfalls. In der Nähe von Karthago schließen die Römer den Belagerungsring immer enger und bringen einheimische Soldaten reihenweise um. Horodamus, der Gallier, und Berkan, der Numider, ehemalige Söldner erkennen ihre Chance, als ihnen eine Überlebende eines solchen Gemetzels in die Hände fällt. In jenen Tagen müssen Frauen ständig auf der Hut sein. Frauen gehören für Soldaten und Söldner ebenso zur Beute wie Gold und Silber. Aber Tara, die junge Frau, weiß sich nicht nur zu wehren. Sie versteht es auch, die beiden Halunken neugierig zu machen und mit einem Schatz zu locken, für den jeder Gauner, der etwas auf sich hält, alles aufs Spiel setzen würde.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss. So soll es Cato der Ältere häufig gesagt haben. Das Zitat beschreibt einen zentralen Konflikt des alten Rom, der hier als Hintergrund für ein antikes Schurkenstück dient. Apollo, Autor, und Herve Tanquerelle, Zeichner, lassen hier eine Epoche lebendig werden, in der Leben nichts galt, der Krieg die treibende Kraft der menschlichen Entwicklung war und römische Feldherren mit Siegen ihre finanzielle und politische Macht mehrten. Karthago konkurrierte lange mit dem anderen Stadtstaat auf der anderen Seite des Mittelmeeres. In Die Diebe von Karthago kommt es nun zur finalen Auseinandersetzung, an deren Ende nichts anderes steht als Karthagos völlige Vernichtung samt aller Bürger.

Apollo nimmt sich drei sehr unterschiedliche Menschen zu Hauptfiguren her, die vor diesem Hintergrund aufgewachsen sind und diese Mentalitäten verinnerlicht haben, obwohl sie aus verschiedenen Teilen der Welt stammen. Durch Handel mit Waren und Sklaven, Söldnertum, auch durch verschiedene Religionen herrscht bereits zu jener Zeit eine große Internationalität. Vor dieser drastischen Atmosphäre erscheinen die beiden Ex-Söldner zunächst als wenig sympathische Figuren. Auch die junge Frau Tara macht da keine Ausnahme. Menschliche Momente, die auch ihre Verzweiflung erklären, ihren Wunsch nach einem besseren Leben, der kaum durch Mitgefühl und normale Arbeit zu erreichen sein mag, führen den Leser an die drei Hauptcharaktere heran.

Gefangen in einem Leben, einer sozialen Schicht, in den Strukturen des antiken Lebens, zwischen Krieg, Exzessen und Angst. Hier spenden selbst die Götter keinen Trost. Es werden Menschenopfer verlangt und erbracht. Vor den Augen der weinenden Mütter werden Kinder lebendig in den brennenden Schlund der Gottheit Baal-Moloch geworfen, freilich nur eine gigantische Statue. Selbst hartgesottene Männer, die Horodamus und Berkan nun einmal sind, werden von diesem brutalen Spektakel, das der Stadt Karthago überirdische Hilfe zuteil werden lassen soll, erschüttert.

In einem karikierendem Strich, der manchmal durch die Kolorierung von Isabelle Merlet an Bilderbücher erinnert, manchmal einem Albert Uderzo nacheifert, fast wie ein wild gewordener Herge wirkt, ein wenig wie Frederik Peeters, weit entfernt von einer bequemen Optik, sehr einfühlsam kommt die Arbeit von Herve Tanquerelle daher. Tanquerelle ist ein Künstler, der auch sehr gut mit schwarzweißen Grafik zurecht kommt, auch Grautöne bestens verwendet. Durch die Farbgebung von Merlet gewinnen die Bilder eine enorme Wärme und eine tolle Leuchtkraft, die das Auge nicht mehr loslässt.

Es finden sich keine harten Kanten. Tanquerelle und Merlet bringen eine Mischung aus Buntstiftschattierung und Aquarellkolorierung zu Papier. Das erklärt die Wärme und die sehr organische Wirkung des Grafiken. Karthago, die Wüstenstadt, verblasst vor dem Glanz eines weitaus prächtigeren Roms. Der Eindruck dieses afrikanischen Zentrums ist spartanischer, militärischer, weniger verspielt. Die Lebenseinstellung der Bevölkerung, ein düsteres Ende, allerdings nach dieser Geschichte das einzig denkbare, verstärkt diesen Eindruck drastisch.

Eine harte, realistische Darstellung des Lebens innerhalb des Niedergangs des einstigen Großreiches Karthago. Apollo, Herve Tanquerelle und Isabelle Merlet arbeiten mit den Erzähltechniken und Bildeindrücken moderner Geschichten über die Antike, sparen nichts aus und können mit Horodamus, Berkan und Tara drei Charaktere vorstellen, die sich erst langsam dem Leser nähern, dafür umso länger im Gedächtnis bleiben. Ein wenig beschriebenes Kapitel in der Literatur, deshalb umso empfehlenswerter für alle, die an dieser Epoche interessiert sind. 🙂

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Mittwoch, 03. Juni 2015

KOGARATSU 14 – TARO

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:38

KOGARATSU 14 - TAROEin Plan will gut vorbereitet sein, ein Spitzel gut bezahlt, dennoch ist es hilfreicher seinen Auftraggeber auch zu kennen. Je gefährlicher die Aufgabe zu werden droht, desto wichtiger kann solches Wissen sein. Furchtlos geht KOGARATSU seinem Treffen mit dem Kunden entgegen und ist am Ende überrascht, wer da in der Hütte auf ihn wartet. KOGARATSU zeigt tatsächlich eine Gemütsregung, die etwas an Schüchternheit erinnert. Zurückhaltung ist auch sonst seine Art, aber wenn es um sein Privatleben geht, wird er auf ungewohnte Weise unsicher. Da ist es gleich besser, sich hinter einer grantigen Fassade zu verstecken und die helfende Frau an seiner Seite mit ihrem Spott ins Leere laufen zu lassen.

Nach einem sehr düsteren und mysteriösem 13. Abenteuer ist KOGARATSU wieder geradliniger und mit klar umrissenem Auftrag unterwegs. Die Rettung des Jungen TARO ist echte Samurai-Arbeit und es benötigt Ehre, Hinterlist und Mut, auch eine Spur Glück, um ans Ziel zu gelangen. KOGARATSU wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert und erhält eine Rettungsmission zugeteilt, weil er der einzige ist, dem die junge Frau Ishi noch trauen kann. Ein Kind ist in das Zentrum politischer und wirtschaftlicher Machtspiele geraten. Die Atmosphäre versetzt den Leser sofort in Sphären von Shogun oder Lone Wolf und Cub. KOGARATSU, mit stählernem Charakter versehen und durchaus ein Einzelgänger, hat in dieser Folge außerdem einen Sidekick, den Jungen nicht mitgerechnet.

Bosse entwirft mit dem titelgebenden TARO ein ganz normales Kind, das einfach nur zu seiner Mutter will und gelernt hat, Erwachsenen zu misstrauen. So stehen für KOGARATSU nicht nur die Rettungsaktion auf dem Plan, vielmehr will auch ein wenig Erziehungsarbeit geleistet werden. Gegen einen Gegner wie Daimyo Zenjiro, dem eine große Truppe zur Verfügung steht, damit er des Jungen wieder habhaft wird, braucht es denn auch eine hohe Nervenstärke, um diese Aufgaben in Ruhe zu erfüllen. Ein Samurai verfällt nicht in Panik. KOGARATSU ist ein Paradebeispiel für diese These.

Der Tuschestrich von Künstler Michetz ist weich, pinselartig aufgetragen für die Schatten und erinnert, wenn er nicht ganz so exakt an einen sehr frühen Jean Giraud. Michetz lässt gerne etwas aus, abstrahiert ein wenig in den japanischen Gesichtern, karikiert die Bösewichter ein wenig wie den Gegenspieler von KOGARATSU, Daimyo Zenjiro, der einer Fantasie von James Clavell (Shogun) entsprungen sein könnte. KOGARATSU ist nicht gerade der große Lächler, er ist mehr ein japanischer Clint Eastwood. Sein Kontrahent Zenjiro lächelt häufiger, sein Gesicht ist sehr aussagekräftig gestaltet. Als tragende Rolle ist hier viel mehr Schauspiel abzulesen. Sympathisch macht ihn das natürlich nicht, aber sehr interessant. Bereits früh enthüllt sich Zenjiros wahrer Charakter und die Menschenverachtung, mit der er zu Werke geht.

Das Farbenspiel, über die gesamte Länge des Abenteuers hinweg, schafft zu Beginn die Atmosphäre eines Westerns. Orange, Rot und Brauntöne vermitteln die Hitze über dem Land, bevor es dunkler wird und KOGARATSU in der Nacht zuschlägt und andere Lichter maßgeblich werden. Orangegelbe Laternen erhellen wie Sterne auf dem Fluss die Nacht. Schnelle filmische Perspektivwechsel ziehen den Betrachter in die dramatische nächtliche Jagd hinein. Danach gibt es eine farbliche Verschnaufpause. Inhaltlich menschelt es kurz, Begegnungen setzen Wendepunkte. KOGARATSU und TARO lernen einander zu respektieren und schließlich zu mögen.

Eine sehr runde Geschichte mit schönen Wendungen und der Figur des Jungen TARO, der ein tolles Gegengewicht zu KOGARATSU bildet und diesem so ein paar ganz neue Seiten abgewinnen kann. Stimmungsvoll illustriert und geschickt erzählt. 🙂

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Freitag, 01. Mai 2015

Richard Löwenherz

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:32

Richard LöwenherzEin Angriff will gut überlegt sein, obwohl so viele wohl meinende Kampfgefährten auf eine Attacke drängen. Richard Löwenherz, gerade erst in Palästina angekommen, will zuallererst seine Sachen auspacken und dann auf den deutschen Kaiser warten, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Jene, die sich aus dem Krieg gegen die Ungläubigen im Heiligen Land einen Profit erhoffen, sind vom zaghaften und kampfesunlustigen Verhalten ihres Königs mehr als nur enttäuscht. Der Feind hingegen findet das Verhalten auch merkwürdig, hat er doch eigens eine Attentäterin auf den fremden König angesetzt. Saladin, der Gegenspieler von Richard Löwenherz, besinnt sich eines Besseren und ändert seinen Plan.

Es waren einmal die Kreuzzüge … Mit der historischen Vorlage hat die Geschichte von Brremaud und Federico Bertolucci nur noch in sehr groben Zügen etwas gemein. Es geht abenteuerlich, auch kriegerisch zur Sache, aber im Kern bestimmen Humor, Fantasie, auch kindliche Naivität die Handlung, in der auch ein Dschinn nicht fehlen darf. Brremaud und Federico Bertolucci vermengen Bilderbuchästhetik mit Action, die auch schon mal blutig anzusehen ist. Darüber hinaus werden hier und da satirische Spitzen verteilt, auch gegen Disneys Tiergeschichten, denn wer halbwegs genau hinsieht, wird schnell fündig.

Eine Müllkippe und die Rettung des Richard Löwenherz … Spätestens mit der Öffnung einer Dose Sardinen und der Blutinfusion durch einen Quacksalber, der sich ausnimmt wie Donald Duck mit Turban, überdecken diese Sticheleien beinahe die Handlung und degradieren sie zugunsten eines seitenweisen Suchbildes zur Nebensache. Ein weggeworfener Winnie Puuh auf einer Müllkippe löst diese Tendenz wieder auf. Brrenaud und Federico Bertolucci widmen sich der Entwirrung der aufgeworfenen Handlungsfäden und fügen eine Spur Romantik hinzu, die allerdings noch eine geraume Weile benötigt, bis sie die beiden Liebenden erreicht, womit endgültig bewiesen wäre, dass die beiden Comic-Macher ganz und gar nicht historienkonform erzählen wollen.

Die Form bestimmt letztlich die Handlung. Zwei Löwen stehen sich als Feinde gegenüber. Federico Bertolucci zeichnet lieb ausschauende Tiere. Selbst die Bösewichte weisen einen gewissen Charme auf. Grundtendenzen, wie sie seit dem unerreichten Zeichentrickfilm Dschungelbuch von 1967 vorhanden sind, werden hier spielerisch aufgegriffen und fortgeführt. Tierfiguren stehen hier nicht für eine Charaktereigenschaft im übertragenen Sinne. Derart hintersinnig wurden die Vorbilder nicht verwendet. Wer die spätere Schlacht zwischen den beiden Herrschern, wohl gemerkt Löwen, verfolgt, begreift schnell, dass Bertolucci mögliche fabulöse Charaktereigenschaften wie edel oder königlich gerne in der Form von Löwenherz und Saladin veralbert.

Kindgerechtes Design, qualitativ prima und technisch sehr versiert, liefert Federico Bertolucci in dieser abgeschlossenen Geschichte ab. Da er auch die butterweiche Kolorierung übernimmt, entstehen Bilder aus einem Guss in sehr unterschiedlichen und abwechslungsreichen Seitenstrukturen, die auch die Collage gerne einmal zur Auflockerung zur Hilfe nimmt. Mit durchweg pastellartigen Farbaufträgen werden die Augen regelrecht verwöhnt.

Ein kunterbuntes Abenteuergeschehen mit der Zeit der Kreuzzüge als Hintergrund. Brremaud und Bertolucci erzählen frei von der Leber weg, ohne historischen Anspruch. Es darf mitgefiebert und gelacht werden. Teils rasant, immer wieder überraschend. 🙂

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Donnerstag, 23. April 2015

Die Eroberung von Troy 4

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:25

Die Eroberung von Troy 4 - Der räuberische BergIn einer Welt, in der die Magie erwacht und seinen Bewohnern völlig neue Wege des Lebens ermöglicht, sind Lebewesen, die über besondere Macht verfügen, nicht nur selten, sie sind auch kostbar. Iana verfügt nicht nur über die Fähigkeit, das Pflanzenwachstum zu beschleunigen, darüber hinaus hat die sehr charakterstarke Frau auch einen ungewöhnlichen Freund gewöhnen, dessen Größe langsam aber sicher nicht mehr dem eines Schmusetieres entspricht. Inzwischen fliegt er nicht mehr nebenher, sondern ist zum Reittier geworden. Aber Dodi kann, das wird sich sehr bald zeigen, noch viel mehr.

Die Suche nach den Eltern ist zum zentralen Antrieb von Iana geworden. Gemeinsam mit Foibos, dem jüngeren Bruder, entdeckt sie eine seltsame Spur, die zunächst unwahrscheinlich wirkt, dennoch muss sie die einzige Lösung zum Ziel sein. Bekannte Pflanzen reihen sich wie eine weit gestreckte Perlenschnur auf, an deren Ende die Eltern zu finden sein müssen, weil sie die einzigen auf diesem Planeten sind, die mit diesen Gewächsen vertraut sind. Die Hoffnung der beiden jungen Leute wird binnen kurzer Zeit durch einen Überfall zerstreut. Die Eltern zu finden, scheint wieder ein unerreichbares Ziel zu sein.

Christophe Arleston findet kontinuierlich neue Facetten an seinem Universum, TROY. Fans wissen, dass er längst mit diesem einen Universum nicht mehr auskommt und dass ihm eine Epoche in TROY schon lange nicht mehr ausreicht. Mit Die Eroberung von TROY ist mit ausgreifenden Schritten in die Frühzeit des Planeten zurückmarschiert, hat viele Selbstverständlichkeiten zurückgelassen, ist auch bei weitem nicht so humorvoll, wie es der Fan von Troll von TROY oder Lanfeust von TROY her gewohnt ist.

In Die Eroberung von TROY ist echtes Abenteuer gefragt. Die Helden müssen Schwierigkeiten unter gehörigem Aufwand überwinden, unter Einsatz ihres Lebens und Magie ist so außergewöhnlich, dass ihr Einsatz wegen ihrer Auffälligkeit sehr riskant ist. Ein Allheilmittel oder die letzte Rettung aus der Bredouille ist sie keinesfalls. Aber man wird als Leser zwangsläufig an Anleihen aus der Märchenwelt erinnert. Zwar hat Iana keine Zauberbohnen, wer ihren Fluchtversuch verfolgt, wird verstehen, was ich meine. Es ist diese Märchenhaftigkeit, die die Ernsthaftigkeit der Handlung ein Stück weit wieder aufbricht, der Humor bleibt weiterhin aus.

Ciro Totas feiner Strich darf stattdessen in Gigantismus schwelgen, der besonders gegen Ende der Handlung zum Tragen kommt. Gleichzeitig bietet Autor Christophe Arleston hier noch eine seine immer wiederkehrenden Überraschungen, indem er sich ein neues Fortbewegungsmittel hat einfallen lassen, vorher nur angedeutet und schließlich in seiner ganzen Pracht zu besichtigen. Diese letzte optische Überraschung gibt der gesamten Reihe eine neue Wendung. Jetzt kann, selbst für die Verhältnisse eines Planeten wie TROY, beim nächsten Mal alles passieren. Hauptsache, es gibt mehr Dodi. Der Drache, mit dem Iana eine bildhafte Verbeugung vor einer der berühmtesten Szenen aus Titanic nachstellen darf, bringt eine grafische Rasanz in die Szenerie ein, die über einfache Fußgänger nicht zu bewerkstelligen ist.

Man bringe seine Hauptfigur an den Rand der Verzweiflung. Sofort eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, die ein Meistererzähler wie Christophe Arleston lässig und unbemüht für sich nutzt und ausbreitet. Stammzeichner Ciro Tota charakterisiert mit feinstem Strich das Geschwisterpaar Iana und Foibos und schafft sehr atmosphärische Sequenzen in seinen Seitenaufteilungen. Gelungen, dieser neue Ausflug nach TROY. 🙂

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Samstag, 28. März 2015

Spirou + Fantasio 52

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:21

Spirou + Fantasio 52 - Der Page der Sniper AlleySniper Alley! Kein wirklicher Straßenname, vielmehr eine kuriose Entwicklung innerhalb kriegerischer Auseinandersetzungen. Eine Verminung von Gelände mittels menschlicher Scharfschützen. Wer diese Allee passieren muss, riskiert sein Leben. Und Spirou bleibt keine Wahl. Er muss durch diesen Korridor, um sein Ziel zu erreichen. Dabei sollte der Krieg in Aswana mit dem Tod eines hochrangigen Militärs eigentlich beendet sein. Leider sich diese Neuigkeit noch nicht bis in den letzten Winkel Aswanas herumgesprochen.

Fabien Vehlmann (Szenario) und Yoann (Zeichner) beweisen einmal mehr ihren bitterbösen Humor. Eine Mixtur aus bekannten Elementen, dem Wiedersehen mit Figuren, an die man sich als Leser gerne erinnert und Anleihen aus einem etablierten Tagesgeschehen innerhalb des ausgehenden 20. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende lassen Lesergefühle aufkommen, wie sie seit QRN ruft Bretzelburg nicht mehr oft zu spüren waren. Das Duo Vehlmann und Yoann legt mit Der Page der Sniper Alley stark nach, nachdem sie bereits mit In den Fängen der Viper ihren anarchistischen Witz in den Ring warfen. Hiermit trumpfen sie noch einmal auf.

Ein Auftrag aus dem Knast heraus. Don Contralto, einstiger Gangster und vor Jahrzehnten zu 634 Jahren Haft verurteilt, verfolgt im Gefängnis sei neues Hobby Archäologie und entdeckt von dort aus dank seiner intelligenten Schlussfolgerungen die Verstecke verloren geglaubter Schätze. Nur, wie kann es bei Vehlmann und Yoann anders sein, ist das Auffinden von Schätzen in der Realität weitaus schwieriger zu bewerkstelligen, als am Tisch einer Bibliothek in einer Haftanstalt. Nach einer kurzen Einleitung, irrwitzigen Parcours in besagter Sniper Alley findet sich der Leser in einem Szenario wieder, in dem sich Schatzgräberfantasien und Computerspiele die Hand reichen.

Aus irrwtzig wird so aberwitzig. Denn Vehlmann und Yoann machen auch vor der Figur des Spirou selbst nicht Halt. Der verärgerte Spirou muss wieder, in einem Kriegsgebiet, in seiner Pagenuniform unterwegs. Das heizt die Mordlust in der Sniper Alley noch weiter an. Das Wiedersehen mit Poppy Bronco (einer Figur aus Band 50), zahlreiche satirische Szenen mit den (wenig kompetenten) Militärs verhöhnt die angeblich sauberen Kriege, über die sich Spirou bei der Lektüre eines Zeitungsartikels schon im Vorfeld aufregt. Und die Schlussszene mit ihrer Konsequenz ist angesichts aktueller Ereignisse in höchstem Maße vernünftig.

Der Zeichenstil von Yoann ist ein bisschen Franquin, ein wenig Old School, sehr, sehr eigen und sehr, sehr ausdrucksstark. Wer den Seitenentwurf im Anhang in Augenschein nimmt, erkennt, wie viel Arbeit hinter den scheinbar zügig gezeichneten Szenen steckt. Trotz eines wilden und für das lesende Auge mühelosen Strichs hat der wahnwitzige Stil des Künstlers Methode.

Kleines Eichhörnchen ganz groß! Pips ist ein heimlicher Held. Immer an der Seite der großen Abenteurer hat Pips hier einen bedeutsamen Auftritt, in dem er einmal im Mittelpunkt ist und seine Leistungen herausstellen kann (Gut so!). Denn das, was Pips so leistet, ist, in seinen eigenen Worten, keine Feldmauskacke. Vehlmann und Yoann könnten den kleinen Kerl in der Zukunft öfters mit umfangreicheren und wichtigeren Auftritten versorgen. Wie vielfältig die Möglichkeiten dazu sind, haben sie hier bewiesen.

Die Rückkehr! Zunächst sind es nur kleine Auftritte, doch die wecken beim Stammleser bestimmt sofort die Lust auf Mehr. Gaston und das Marsupilami geben sich die Ehre. Die Rechte an diesen Figuren wechselten zu Dupuis, so dass die beiden wieder mit Spirou und Fantasio gemeinsame Abenteuer oder Episoden erleben dürfen.

Jawohl, so darf das im Verlauf der Serie weitergehen. Humor, bis der Arzt kommt, voller Spaß an der Pointe erzählt, erstklassig von Yoann in Szene gesetzt. Spirou und Fantasio sind so jung wie eh und je! 🙂

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