Während sich auf dem europäischen Festland die französische Armee gegen eine Koalition verschiedener Staaten zu behaupten mag, ist die französische Kriegsmarine ihren Feinden in der Karibik auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Rick, der Sohn des ROTEN KORSAREN, hat es nicht nur aufgrund seiner Herkunft schwer, an Aufträge für sein Schiff zu gelangen. Die Kriegslage erschwert es allen, die einen französischen Hintergrund haben, gegen englische, niederländische oder spanische Schiffe in den karibischen Gewässern zu bestehen. Als endlich ein Auftrag in Sicht ist, sind Rick und seine Freunde Baba und Dreifuß von Erleichterung weit entfernt. Denn es fehlt an einer tüchtigen Mannschaft. Und wer würde sich freiwillig zu einem Himmelfahrtskommando bereit erklären?
Der Leser trifft den Sohn des ROTEN KORSAREN in einer äußerst verfahrenen Situation wieder. Eine Übermacht beherrscht die Karibik und ein einzelnes Schiff kann dagegen nur bestehen, wenn es List anwendet. Wie die beiden Ausnahmecomickünstler Jean-Michel Charlier (Autor) und Victor Hubinon (Zeichner) bereits mehrfach gezeigt haben, ist Rick, besagter Piratensohn, mindestens ebenso schlau wie sein Ziehvater, wenn es darum geht, einer schier aussichtslosen Lage zu entkommen.
Die Abenteuer der fünften Gesamtausgabe, In geheimer Mission, Der Pakt mit dem Teufel und Der Pirat ohne Gesicht stellen jenen Mann in den Mittelgrund, der für seinen Vater, den ROTEN KORSAREN, durch dick und dünn gehen würde, der Piraterie aber den Rücken gekehrt hat. Zu seinem großen Unglück scheren sich die Feinde des Adoptivvaters wenig um derlei Versprechen und machen gnadenlos Jagd auf den jungen Mann und seine Freunde. Sei es, um seiner persönlich habhaft zu werden, weil er ihrer Meinung nach eine Gefahr darstellt. Sei es, um ihn als Druckmittel gegen den ROTEN KORSAREN zu benutzen, den sie schon lange am Galgen sehen wollen. Vor diesem Hintergrund nun findet sich der Leser in den Ausläufern eines Krieges wieder, der bereits damals in der Hochzeit der Segelschiffe die Welt umrundete.
Victor Hubinon hatte es nie nötig zu experimentieren. Er besaß einen klaren Stil. Seine gezeichneten Gesichter repräsentierten einen Ausdruck der 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, klar umrissen, meist (da selten Frauen in den Geschichten zu Gast waren) sehr männlich, hart, Gesichter, die bereits Geschichten erzählten. In Der Pakt mit dem Teufel findet sich ein schönes Gleichgewicht zwischen Szenen auf See, zu Lande, feinen Dialogen und Aktionssequenzen. Wunderbar zu betrachten sind die Schiffe, in aufgewühlter See, die dadurch vermittelte Atmosphäre, die ein Piratenabenteuer einfach braucht.
Erwähnenswert ist der Umstand, dass Charlier seinen Co-Künstler in diesem Abenteuer in Passagen schickte, die zum Beispiel an Szenen aus Robin Hood erinnern. Die Befreiung von Dreifuß, seine Errettung vor dem Galgen kommt einigen Wagemutsbeweisen des englischen Volkshelden sehr nahe. Grafisch gibt es aber noch mehr zu entdecken und deshalb sollte der Leser nicht gleich zu Beginn zuvorderst bei den jeweiligen Hinweisen zu den einzelnen hier beinhalteten Alben nachschauen.
In Der Pirat ohne Gesicht darf der Leser versuchen herauszufinden, ob er die von zwei anderen sehr bekannten Comic-Künstlern gezeichneten Seiten entdeckt. Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr ein Zeichner seinem Werk seinen Stempel aufzudrücken vermag, obwohl sich seine Ersatzleute bemühen die Originalstilistik beizubehalten. Beide Grafiker sind sehr gut in anderen Serien und sie leisten auch hier gute Arbeit, aber DER ROTE KORSAR war so sehr von Victor Hubinon perfektioniert worden, dass es schwer war, diese Lücke zu füllen. Die Kurzgeschichte Das Gold von San Christobal, zum guten Schluss in dieser Gesamtausgabe, abgedruckt einst in Super Pocket Pilote, beweist in Schwarzweiß die haargenaue Illustrationstechnik Hubinons.
Ein Piratenfest für jeden Genre-Fan. Rick, der Sohn des ROTEN KORSAREN, wird von Jean-Michel Charlier in viele, scheinbar auswegslose Situationen gebracht. Als geschickter Erzähler versteht sich Charlier auf das Anlegen von Spannungsschrauben, zumal DER ROTE KORSAR diesmal Hilfe gebrauchen kann. 🙂
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