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Comic Blog


Samstag, 24. September 2016

DAS DOPPELTE LOTTCHEN

Filed under: Klassiker — Michael um 15:14

DAS DOPPELTE LOTTCHENIn Seebühl am Bühlsee verbringen kleine Mädchen ihre Sommerferien. Die jugendlichen Gäste kommen von überall her. Luise hat sich gut eingelebt, neue Freundinnen gefunden. Eines Tages kommen mit dem Bus neue Urlaubsgäste und die Mädchen staunen nicht schlecht, als Lotte aussteigt und mit Aussehen, den blonden Haaren, Statur und Alter wie eine Kopie von Luise aussieht. Luise ist erschüttert und rennt erst einmal weg. Auch in nächster Zeit mag sie der Neuen nicht begegnen.

Der ewige Klassiker von ERICH KÄSTNER. DAS DOPPELTE LOTTCHEN ist bei weitem nicht seine einzige sehr bekannte Veröffentlichung, doch sicherlich jene, die sich am meisten ins Gedächtnis einer generationenübergreifenden Leserschaft eingeprägt hat. Die Comicumsetzung von ISABEL KREITZ greift die Originalerzählung auf und versetzt den Leser zurück in die Jahrzehntenwende der 40er hin zu den 50er Jahren, im 20. Jahrhundert. Vieles ist anders, einfacher vielleicht sogar. Vieles ist aber auch ähnlich, aus heutiger Sicht sogar modern, ja fast schon normal zu nennen.

ERICH KÄSTNER beginnt seine Geschichte mit einem Ferienerlebnis und einem gelüfteten Geheimnis. Der Titel deutet es an, das Titelbild sowieso und es ist nach so vielen Jahrzehnten und diversen Verfilmungen wohl kein Geheimnis, dass es sich bei den beiden LOTTCHENS um Zwillinge handelt. Für die Zeit damals war das Geheimnis hinter der Trennung der Zwillinge für eine Kindererzählung mutig und frisch zu nennen. Die Eltern, geschieden, haben die beiden Töchter heimlich unter sich aufgeteilt. Eines Tages landen beide zufällig in derselben Ferienfreizeit und entdecken nicht nur ihre Ähnlichkeit, sondern forschen auch nach, ob mehr hinter diesem unglaublichen Zufall steckt.

ISABELL KREITZ hat sich in den letzten Jahren nicht nur mit Kästner-Adaptionen ins Herz der deutschen Comic-Begeisterten gezeichnet, sie erregte ebenfalls mit Geschichten für ein erwachsenes Publikum, DIE SACHE MIT SORGE und DIE ENTDECKUNG DER CURRYWURST Aufsehen. Kurzum, sie gehört zu den Comiczeichnern in Deutschland, die das Medium auch in Kritikeraugen salonfähig gemacht haben. DAS DOPPELTE LOTTCHEN in ihrer Version erweckt die Vergangenheit zu neuem Leben, wie es zum Beispiel ein Schwarzweißfilm aus jener Zeit nicht könnte. Denn in den Bildern lässt sich ein anderes Fühlen, grundlegenderes Denken jener Tage sehen. Die Menschen sind enger beieinander, so scheint es. Natürlich ist das gleichfalls romantisierend, Hinweise darauf fehlen nicht, aber der Gesamteindruck ist heimeliger, als es ein vergleichsweise modernes Setting vermögen würde.

Hier wird, anders gesagt, der Charme eines grafischen Stils eingefangen, den ein Walter Trier damals in der Originalzeit kultiviert hat. Triers bekannteste, bei weitem nicht die einzige, Arbeit ist wohl das Titelbild zum Buchklassiker EMIL UND DIE DETEKTIVE, dem auch eine Briefmarke gewidmet wurde. Rundliche, etwas pausbäckige Gesichter, Knopfaugen, mit leichtem Strich erfasst, auf den Punkt gebracht sozusagen, ziehen sich als Erscheinungsbild quer durch alle Charaktere der Geschichte.

Es ist ein liebevoll gezeichneter Blick in vergangene Lebensrealitäten, in Wohnungen, Küchen, in den Straßenverkehr und auf die Alltagskleidung in München und Wien. Das Freizeitverhalten und so mancher Wunsch von Erwachsenen und Kindern wirkt aus heutiger Sicht nostalgisch verklärt, vielleicht sogar ein bisschen naiv. Die beiden Mädchen haben, auch hier erzählt man kaum ein Geheimnis, ähnlich wie der Prinz und der Bettelknabe, die Plätze getauscht und lernen so ihre bis dahin jeweils unbekannten Elternteile kennen. Da weder Mutter noch Vater mit diesem Tausch rechnen, bleibt der Plan von Luise und Lotte vorläufig unentdeckt.

In sachten, weichen Farben, einer Postkartenrührseligkeit der 50er Jahre gut nachempfunden, entspinnt sich die von Kästner geschriebene und von Kreitz fein inszenierte Kindergeschichte hin zu einem, natürlich, guten Ende. Die Erwachsenen tun schließlich, inspiriert vom Leid der Kinder, die einfach nach Gutdünken von ihren Eltern getrennt wurden, das Richtige.

Ein schöner Ausflug in die Vergangenheit, ein Ausblick, wie Kindheit einmal war, sicherlich auch etwas märchenhaft, etwas nostalgisch überzogen, aber das erhöht die Eindringlichkeit der Geschichte, die dafür geeignet ist von Kindern und Eltern zusammen gelesen zu werden. Klasse. 🙂

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