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Comic Blog


Donnerstag, 30. Juli 2015

MILAN K. 1 – Das nackte Überleben

Filed under: Thriller — Michael um 11:30

MILAN K. 1 - Das nackte ÜberlebenDas Leben könnte für den jungen Mann in diesem Moment nicht schöner sein. Immerhin hat die junge Frau, die mit ihm zur Schule geht, ihm ein ganz besonderes Geschenk versprochen. Leider scheitert die Situation an einem Leibwächter namens Igor. Der Sohn von Andrej Khodorov, auf einem Internat in der Schweiz weit weg von den Ereignissen in Moskau, hat den Ernst der Lage, in der sich sein Vater befindet noch nicht so recht begriffen. Das ändert sich, als seine gesamte Familie, seinen Vater eingeschlossen, ums Leben kommt. Der Weltöffentlichkeit wird ein großes Unglück präsentiert. Für den Jungen und seinen Leibwächter hingegen gibt es keinerlei Zweifel daran, dass die Familie umgebracht wurde. Der Beweis lässt nicht lange auf sich warten.

Geld kann zuweilen nicht gegen jede andere Macht bestehen. Manchmal ist die Macht eines Diktators stärker. Manchmal siegt einfach nackte Gewalt. Autor Sam Timel orientiert sich mit seinem Thriller-Auftakt von MILAN K. an der wirklichen Welt. Russland hat in diesem Szenario ebenfalls das Joch des Kommunismus abgeschüttelt, nur um eine versteckte Diktatur aufzubauen, die Widerstand verdeckt oder klar erkennbar im Keim erstickt. Wladimir Palin heißt der Herrscher über das neue Russland bestimmt nicht zufällig. Äußerlich von Comic-Künstler Corentin als Mixtur aus Peter Cushing und Ross Perot angelegt, verbirgt sich hinter diesem Machtmenschen noch ein anderer, eine Art graue Eminenz.

Wer in den vergangenen Jahren die Nachrichten nur halbherzig verfolgt hat, wird dennoch das eine oder andere von Machtkämpfen zwischen Kreml und Oligarchien gehört haben. So ist man als Leser geneigt, dieser Fiktion schnell zu folgen, bewegt sich der Thriller doch auf vertrautem Grund. MILAN K. ist noch sehr jung, als das Schicksal zuschlägt. Gegen seine Stiefmutter hat er eine tiefe Abneigung, das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Mit seinen Halbgeschwistern verbindet ihn mehr, doch der Altersunterschied ist letztlich zu groß. Und so ist es eine Laune der pubertären Jugend, als er es ablehnt, den gleichen Flug nach Moskau wie seine Familie zu nehmen.

Modern, glasklar erzählt. Der Leser ist schnell an der Seite des jungen Helden. Dank der Figur des Aufpassers, eines väterlichen Freundes namens Igor, findet sich eine Identifikationsfigur auch für die älteren Leser. Igor ist nicht der klassische Leibwächter. Denn wäre dem so, würde er seine Haut ab einem bestimmten Zeitpunkt, wenn sich die Schlinge immer enger zusammenzieht, das Weite suchen. Aber er lässt seinen Schützling nicht im Stich. Corentin, der neben den Zeichnungen auch die Kolorierung übernommen hat, gestaltet Igor als bulligen Mann, gewachsen wie ein Ex-Boxer, der nach einem Ortswechseln eine Wandlung durchmacht und sich den Gegebenheiten anpasst.

Ob Veränderungen dieser Art, den erwähnten Ortswechsel, Touristenattraktionen, es herrscht eine optisch realistische internationale Thrilleratmosphäre vor. Corentin schafft sehr individuelle Figuren, angefangen beim Hauptcharakter, mit dem ihm noch ein Kunststück gelingt, nämlich diesen altern zu lassen, über Nuancen, wie es nun einmal mit einem jungen Menschen geschieht. Igor indes altert mit dem Standeswechsel auch körperlich, indem er vom Leibwächter eines reichen Kindes zum taxifahrenden Vater eines amerikanischen Jungen wird.

… denn sie wissen nicht, was sie tun. Cineasten dürfen sich über einen ganz besonderen Austragungsort einer rasanten Sequenz freuen. Das Observatorium wurde als Schauplatz in einem Film mit James Dean unsterblich und reizte seither wegen seiner tollen Architektur und seiner Umgebung viele Kunstschaffende zu weiterer Kulisse. So auch hier. Doch so weit, wie es die beiden Comic-Künstler Sam Timel und Corentin treiben, hat es noch niemand gewagt. Das schafft nur das Medium Comic. Oder mit ein entsprechend budgetierter Blockbusterkinofilm. Mehr sei nicht verraten.

Blick voraus. Wer sind die Damen auf dem Titelbild? Die Geschichte verrät es noch nicht. Auch ist MILAN K. noch nicht im gezeigten Alter angelangt, obwohl er innerhalb der Handlung einen großen Schritt in diese Richtung tätigt. Der in sich sehr geschlossene Auftakt, der sich auch einen Seitenhieb auf das amerikanische Gesundheitssystem (eigentlich nicht nur auf dieses) erlaubt, bildet nicht nur angesichts der Jugend des Helden eine gute Grundlage für weitere Abenteuer. Die Konzeption des Thrillers dürfte Sam Timel es erlaubt haben, aus der jüngeren Geschichte noch weitere Inspiration für den Fortgang der Folgen zu ziehen.

Internationales Flair, klar umrissene Charaktere, das Leben der Helden stets auf des Messers Schneide: Sam Timel weiß, wie ein guter Thriller funktioniert. Und Zeichner Corentin liefert klasse, realistische Bilder dazu. So darf es weitergehen. 🙂

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Oder bei Schreiber und Leser.

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