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Comic Blog


Mittwoch, 11. Februar 2015

Horologiom 7 – Wandelgänge

Filed under: SciFi — Michael um 11:08

Horologiom 7 - WandelgängeDie Tote ist durch einen Sturz aus großer Höhe verstorben. Wäre sie an anderer Stelle gefallen, vielleicht wäre sie früher gefunden worden. So aber lag wenigstens zwei Tage herum, bevor ein Passant, der sich nur verlaufen hatte, auf sie stieß und den Todesfall meldete. Für alle Beteiligten wäre ein Unfall wohl die beste Ursache für diesen Leichnam gewesen, hätte nicht ausgerechnet ein Neuling auf dem Gebiet der Kriminalistik auf ein wichtiges Indiz aufmerksam gemacht. Ein Handschuh zuviel drängt die Annahme eines Mordfalls auf. Leider, werden wohl die meisten denken, die sich am Tatort versammelt haben. Aber nachdem Zweifel geweckt sind, müssen diese den Spielregeln gemäß ausgemerzt werden.

In der Welt von HOROLOGIOM gibt es andere Gesetzmäßigkeiten als in jenen, die der Leser gewohnt ist. Nur hier wie dort ist Mord gleichermaßen verboten. Und hier wie dort gehört ein Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt. Wie so oft bei Kriminalfällen werden solche und solche Polizisten einander gegenüber gestellt. Solche, die ihren Beruf sehr ernst nehmen und übergeordnete Instanzen nicht fürchten. Und solche, die nicht so genau hinsehen und eine leichte Lösung einer komplizierten Ermittlung vorziehen. Fabrice Lebeault nimmt seine Charaktere ernst, kann es sich aber nicht verkneifen, dass durch gewisse Konstellationen auch komödiantische Elemente in die Handlung einfließen.

Ein Überwachungsstaat wird in HOROLOGIOM geschildert, sicherlich, doch greift ein Vergleich zu 1984 zu kurz. HOROLOGIOM von Fabrice Lebeault mischt einen Funken Märchen, eine Portion Jules Verne und H.G. Wells unter die Handlung. Für den Leser ist es ein Land der Wunder und Ideen, aber alles andere als wunderbar für seine Akteure, denn das Leben in HOROLOGIOM ist pure Tristesse, wäre da nicht der Mord, der zeitweilig den ewig gleichen Alltag aufsprengt. Kleine schwarze Dreiecke sind die Nahrung in HOROLOGIOM. Sie sind nicht etwa die Hauptnahrung, ein Teil davon, nein, sie sind die einzige Nahrungsquelle. Im Vorspann werden dazu Anspielungen auf Soylent Green gemacht, den Science-Fiction-Klassiker von Richard Fleischer auf der Basis des Romans von Harry Harrison (beide sind uneingeschränkt zu empfehlen).

Wenn bei einem derart wichtigen Bestandteil wie der Nahrungsquelle einer Gesellschaft plötzlich Unstimmigkeiten auftauchen, stellt dies ein großes Problem dar, das mit Samthandschuhen behandelt werden muss, denn umstürzlerische Aktivitäten gibt es auch hinter den Kulissen von HOROLOGIOM. Fabrice Lebeaut, Autor und Zeichner von HOROLOGIOM, spricht diese nur vage an, als befürchte selbst der Autor, er könne vor den gestrengen blicken seiner eigens von ihm geschaffenen Kreaturen ein Wort zu viel verraten.

Die Fantasie in HOROLOGIOM. Man beachte allein das Titelbild. Zwei Kriminalbeamte schleichen durch die Gänge, beschreiten jenen stets neuen Weg zu jener Stelle, an der die neuen Dreiecke, die tägliche Fuhre Nahrungsmittel, den Bürgern zur Verfügung gestellt werden. Roboter sind nicht nur maßgeblich an der Produktion beteiligt, sie versuchen in einer Art Ritualfunktion jene in die Irre zu führen, die sich vom rechten Weg abbringen lassen, vielleicht auch jene, die es wagen sollten, einzubrechen, in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen.

Eine akribisch beschriebene Welt und doch kommt die Komplexität mit einer enorm leichten Erzählung daher. Fabrice Lebeault berichtet weiterhin völlig unangestrengt über sein HOROLOGIOM. Zu keiner Zeit hat es den Anschein, als sei eine Information überflüssig oder habe noch unbedingt eingefügt werden müssen. Infolge dessen ist eine Geschichte entstanden, in die man sich als Leser sehr gut fallen lassen kann, auch und gerade wegen ihrer Fremdartigkeit. Denn einiges lernt der Leser zusammen mit den ermittelnden Polizisten. Diese schrecken vor der unheimlichen Automation ihrer Umwelt zu keinem Zeitpunkt zurück und ziehen so den Leser mit sich.

Ein optisches Szenario, in dem Fabrice Lebeault mit seiner Vision auf den Spuren eines Fritz Lang wandelt. Wer nur Ausschnitte oder Bilder von Metropolis gesehen hat, wer ein wenig die grafischen Richtungen eines Art-Deco vor Augen hat, wird hier sofort Anleihen und entsprechende Strömungen entdecken. Wo die Figuren sich mit ihrer Kleidung, ihrer Mode zurücknehmen, spielt die Umgebung umso mehr auf, vollführt Fabrice Lebeault mit seinen Gebäuden, mehr noch mit seinen ungewöhnlichen Vehikeln und Robotern wahre Kabinettstückchen.

So toll kann fantastische Science Fiction sein. Mit HOROLOGIOM ist Autor und Zeichner ein moderner Klassiker im Albengewand gelungen. Der neue Mordfall, der stark hinter die Kulissen dieser Welt führt, ist in jeder Beziehung ein Höhepunkt der Erzählkunst im Comic. 🙂

Horologiom 7, Wandelgänge: Bei Amazon bestellen
Oder bei Finix Comics.

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