Im Wilden Westen ist die Art der Verteidigung jene mit der Feuerwaffe. Wer schnell schießt, überlebt länger. Vesper Grey gehört zu diesen Schützen. Außerdem, nebenbei gesagt, scheint sie einen gewissen Hang zum Töten entwickelt zu haben. Die junge Frau war, so hatte sie es selbst erkannt, in einem langweiligen Leben gefangen, unter der Fuchtel ihrer Tante. Diese versuchte die Haltung einer gut erzogenen jungen Dame beizubringen. Und eine Dame kann sich eben nicht alles erlauben. Eines Tages, sie selbst hatte wohl nicht mehr daran geglaubt, ändert sich ihr Leben radikal und für immer. Sie hätte sterben können, ertrinken, als plötzlich das Amulett um ihren Hals zu leuchten begann und ein Fremder in ihr Leben trat.
K. Lynn Smiths Comic hat einen ungewöhnlichen Weg genommen. Noch immer erscheint die Geschichte um Vesper Grey als Webcomic, aber so fein gestaltet, so spannend erzählt, so dass der Weg von der rein digitalen Variante hin zur gedruckten Version führte. Die Autorin und Zeichnerin (Koloristin natürlich auch) stellt ihrer Hauptfigur einen Beschützer der besonderen Art zur Seite und bearbeitet damit eine Grundidee, die bereits einige Geschichtenerzähler reizte. Man könnte sagen, Han Solo hatte Chewie, Aladdin hatte seinen Dschinni und Vesper Grey hat ihren Corrick.
Die Geister, die ich rief … Corrick ist kein einfacher Zeitgenosse und durchaus nicht willenlos, wie die Konstellation der beiden, junge Frau und die Seele, die diese Welt nicht verlassen darf, deutlich macht. Corrick hat seinen eigenen Willen, ist nicht Freund (freundlich schon), nur ein Diener. Mit seinen weißen Haaren, einer jahrhundertealten Höflichkeit, nicht immer zurückhaltend. Für ihn ist Vesper ein wenig zu albern, auch ein wenig zu naiv, waghalsig vielleicht, deshalb gibt es Warnungen gleich zu Beginn. Zu Recht, wie es sich bald herausstellt.
Vesper ist jung, abenteuerlustig, mit einem gesunden Querkopf ausgestattet, Selbstbewusstsein, auch im Angesicht einer vollkommen anderen Welt, als jener behüteten und abgeschotteten Ecke Amerikas, die sie von ihrer Tante her kennt. Ein großer Verlust führt zum großen Knall und damit zur endgültigen und unumkehrbaren Veränderung. Damit Vesper sich aber nicht vollends mit Corrick aufreibt, stellt K. Lynn Smith eine dritte Figur, eine ganz andere Art Frau, nämlich die Prostituierte Tegan, an die Seite des Abenteurerduos.
In einer dem Zeichentrick verwandten Stilistik setzt K. Lynn Smith ihre Figuren in den Vordergrund, ein wenig wie in einer Comic-Soap, was aber keine Kritik ist, sondern in diesem Fall eine schöne Technik, um den Leser nah an die Charaktere heranzuführen. Es ist, um es so zu übersetzen, monitortauglich, entsprechend des Webcomics. Die Adaption auf die Printseiten, ein fremdes Format, in dem nicht gescrollt werden muss, gelingt sehr gut (vielleicht dank vorausschauender Intuition.
Eine frische junge Erzählung, ein kräftiges Farbschema, mit Bildaufbauten, die ihre Vorbilder aus Trickfilmen nicht verleugnen können. K. Lynn Smith überrascht sehr schön mit dem ersten Band dieses Fantasy-Abenteuers. Eine Heldin im Wandel, ein Held, der immer mehr von seinen Fähigkeiten zeigen kann. Fein. 🙂
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