Wenn auf einem Schiff nicht genügend Personal zur Verfügung steht, wird auch gerne der Weg des Entführens potentieller Mannschaftskameraden gewählt. Die Press Gang schnappt sie solche, die gesund genug sind, um die die Fahrt zu überstehen, und volltrunken genug, um sich nicht allzu sehr gegen das unfreiwillige Anheuern zur Wehr setzen zu können. Zwar könnten sich Männer mit Freistellungsbescheiden vor dem Dienst an Bord Ihrer Majestät Schiffe drücken, aber nur die wenigsten besitzen ein solches Papier.
Eine Seefahrt ist nicht immer lustig. Ein die See befahrendes Volk, wie jene stürmischen Gesellen der englischen Insel, haben die Meere mit Abenteurern, Piraten und Soldaten überzogen. Einer dieser Soldaten ist Bruce J. Hawker. Der Leser begegnet dem jungen Mann an einem düsteren und verregneten Tag im Jahre 1800, als dieser sich gerade von seiner Liebsten verabschiedet, bereit, um in Kurs auf Gibraltar sein neues Kommando anzutreten. Auf der Fregatte Lark begegnet er gleich ersten Schwierigkeiten. Die Bewaffnung ist unzureichend, denn offenbar ist man an höherer Stelle davon überzeugt, bei dieser Mission handele es sich nur um eine minderen Ranges, die kaum in gefährliche Situationen münden könne. Hawker, hinter dessen Rücken angesichts seiner Jugendlichkeit auch getuschelt wird, sieht sich bald darin bestätigt, dass es besser gewesen wäre, mit ausreichender Bewaffnung aufzubrechen, denn das Unterfangen steht kurz darauf auf des Messers Schneide.
William Vance gilt als einer der Großen im Comic-Genre diesseits des Atlantiks. Er hat sich mit Serien Bruce J. Hawker, Bruno Brazil, Bob Morane und nicht zuletzt mit XIII einen Namen gemacht. Western-Freunde werden auch seinen Ausflug in die Marshal Blueberry Abenteuer kennen. Das Besondere ist neben dem historischen Szenario die akribische Schilderung des seemännischen Lebens, der Segelmanöver und gleichzeitig des soldatischen Daseins in der Flotte Seiner Majestät.
Präzision und Akribie sind auch die wichtigen Merkmal dieses Serienauftakts der Gesamtausgabe der Reihe, die hier nicht nur drei Alben in einem Band vereint, sondern auch eine Art Ausreißer, In den Tiefen der HMS Thunder, der die dramatische und lebensgefährliche Situation für die Kanoniere während eines Feuergefechtes zwischen Segelschiffen beschreibt. Hier ist auch ein wenig Poesie zu finden über jene Matrosen, die im Dienste ihres Landes, nicht immer freiwillig (wie an einer späteren Geschichte noch deutlich werden wird), ihre Leben aufs Spiel setzten und mit ihren technischen Möglichkeiten, Tod und Verderben über den Feind brachten, auch hier mit einer Präzision, die den groben Kanonen kaum zuzutrauen gewesen wäre.
Aber es ist auch eine Geschichte, die sich mehr mit dem Vorgang beschäftigt und einzelne Charaktere kaum nach vorne kommen lässt. In dem eigentlichen Serienauftakt Kurs auf Gibraltar und den Folgeabenteuern Die Orgie der Verdammten, Press Gang wird erfolgt eine sehr ausgefeilte Darstellung des jungen Helden, der erst als Hoffnung präsentiert wird, jemand, der sogar dem berühmten Admiral Nelson aufgefallen ist, und schließlich fallen wird, muss, denn das Versagen war durch äußere Umstände vorprogrammiert. William Vance begeht nicht den Fehler und lässt seinen Helden Bruce J. Hawker noch aus der Bredouille entkommen. Dazu werden das 2. und 3. Abenteuer benötigt.
Die düsteren Seiten, die wirklich düsteren, jenseits des normalen Dienstes an Bord eines Schiffes, zeichnet William Vance mit seinem gewohnt kantigen Stil (ein wenig an Philippe Francq erinnernd), wenn er sich mit den Zuständen von englischen Seeleuten in spanischer Gefangenschaft befasst. Die Hölle auf Erden gipfelt in einem furchtbaren Drama, die dem Helden aber auch eine neue Freundschaft signalisiert. Doch vorerst geht es noch weiter bergab. Am Ende des vorliegenden Sammelbandes schließt der Kreis wieder im Abenteuer Press Gang, denn hier wird Bezug auf den erwähnten Ausreißer genommen. Die Arbeit der Kanoniere rückt in den Vordergrund. Allerdings findet sich noch etwas anderes.
Sind die Bilder in den ersten drei abgebildeten Episoden, den Ausreißer inklusive, noch sehr grob getuscht, viel künstlerischer und flotter, wird der zur Verfügung stehende Platz im abschließenden Abenteuer Press Gang nicht nur deutlich besser genutzt, die Tuschearbeit ist auch viel exakter, feiner ausgeführt, so dass die Bilder von Vance viel besser zur Geltung kommen.
In Zeiten, in denen historische Themen im Roman blühen, dürfen die Comic-Klassiker auf diesem Gebiet gerne zurück kommen. Auch zeigt sich, wie sehr die Technik, auch ein sehr guter redaktioneller Teil diese Arbeit von William Vance regelrecht feiern kann. Ein toller Künstler, ein sehr reicher Comic in Wort und Bild. 🙂
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