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Comic Blog


Samstag, 26. Oktober 2013

Woman On The River

Filed under: Biographie — Michael um 9:26

Woman On The RiverEin paar Bilder an der Wand. Nackte Frauen, ein Haus, ein Baum, ein Jagdflugzeug. Ein Stuhl ist zum Tisch umfunktioniert. Eine Tasse Kaffee wird in dieser Umgebung zum Höhepunkt des Tages. Ein Stück Zucker versüßt die Bitterkeit. 35 Jahre lang hat Dennis in diesem Loch für zwei Personen verbracht. Während sein Zellengenosse seinen Verstand längst auf eine weite Reise ohne Wiederkehr geschickt hat, denkt Dennis immer noch darüber nach, wie er im Gefängnis gelandet ist. Nun kommt er frei. Nach so vielen Jahren sieht es zuerst so aus, als könnten die verbliebenen Tage noch ein Stück Menschsein und Menschlichkeit bringen. Etwas wie Frieden. Vielleicht auch innere Vergebung.

Ein Comic wie ein Song von Johnny Cash. Es ließe sich auch behaupten, dass dieser Comic den Blues atmet. Ein Mann hat eine schreckliche Tat begangen und kommt nach Jahren aus dem Gefängnis. Vor dem Gesetz und der Gesellschaft hat er gebüßt, doch innerlich ist er noch nicht mit sich im Reinen. Matthias Schultheiss zeigt einen gebrochenen Mann, der sich 35 Jahre lang im Gefängnis an seine Tat erinnert hat. Als er endlich das Gefängnis verlässt, ist diese Welt wie ein Traum. Nur langsam gewöhnt er sich an dieses neue Leben, in dem es sogar Freunde gibt. Aber, ein Aber das nicht fehlen darf im Blues oder in einem Johnny-Cash-Song, holt ihn die Vergangenheit wieder. Das gute Leben war nur vorübergehend, er hatte es nicht wirklich verdient, trotz Buße.

Woman On The River. Auch der Titel des vorliegenden Albums von Matthias Schultheiss klingt nach einem Song. Der Plot wird all jenen, die etwas interessiert sind an Thriller, Krimis, Knastfilmen vielleicht nicht allzu fremd vorkommen, aber es ist auch keine Geschichte, die allzu viele Variationen bietet. Auf den Plot kommt es, so merkwürdig das klingen mag, auch nicht in Gänze an. Matthias Schultheiss ist ein Comic-Zeichner, so bieten die Bilder die zweite Erzählebene und diese bringt viel mehr für den Leser mit.

Der Held der Geschichte erlebt nämlich etwas, das auch schon in Handlungen beschworen, aber noch nie so gezeigt wurde. Mehr soll dazu nicht gesagt werden, sicher jedoch setzt gerade dieser Start des Comics die Geschichte gleich in ein ganz anderes Licht. Und hier ist auch das Stichwort für die Überleitung: Licht. Die Welt von Dennis, dem ehemaligen Auftragskiller erstrahlt in meistens einem grüngelben, südlichen Licht, dort, wo der Sommer brennt, in einer Gegend, die an die Bayous erinnert, wo die Uhren anders ticken und manchmal sogar stehenzubleiben scheinen. In dieses Licht hinein schickt Matthias Schultheiss einen Geist.

Dennis, der ehemalige Auftragskiller, der sowieso von seinen Erinnerungen wie von bösen Geistern gequält wird, reagiert auf diesen Geist allerdings wie auf einen Engel. Matthias Schultheiss pflegt in dieser Geschichte das Spiel mit den Bildern, diesen kleinen Gleichnissen und Miniepisoden am Rande, die es zu entdecken gilt, und die dem Betrachter noch mehr von der Hauptfigur enthüllen. Kolorierung und Strichführung hierzu sind vergleichsweise grob, schaut man auf Werke von ihm wie zum Beispiel Reise mit Bill. Aber auch diese Grobheit, nennen wir sie Momentaufnahme, ist mit der Geschichte begründbar.

Es entspinnt sich eine kurze Liebe, vielleicht auch ein besonders sinnliches Begehren. Zwei Verlorene treffen aufeinander, ebenfalls ein beliebtes Thema in der amerikanischen Literatur oder der Literatur überhaupt. Das Schicksal hat ihre Lebensfäden miteinander versponnen, ohne dass die beiden zunächst davon wissen. Hier lässt sich die literarische Konstruktion sogar bis weit zu den alten Griechen zurückverfolgen. Und dennoch funktioniert diese Konstruktion bis weit in ein Postkriminellendrama hinein immer noch. Fast scheint es, als habe Schultheiss für seine Geschichte, die These aufgegriffen, dass gute Menschen manchmal auch böse Dinge tun. Zum eigenen Beweis reagieren Die neuen Nachbarn von Dennis überaus nett auf den früheren Häftling und dieser ist nur allzu gern bereit, die Sympathie zu erwidern.

Unter dem Strich eine traurige wie auch literarische Geschichte, mit der sich Matthias Schultheiss bei seinen Fans bestimmt wieder bestätigt. Sie mag nicht so bissig sein wie frühere Einfälle, dafür ist sie ruhiger und vielleicht an manchen Stellen auch versöhnlicher. 🙂

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