Trolle lassen sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Ist der Gegner auch so gigantisch und überragt sie um viele Haupteslänge, lassen vereinte Kräfte dem feindlichen Ungetüm keine Chance. Ohne Hirn überlebt auch ein Monster nicht lange. Apropos Hirn! Das müssen die Trolle alsbald ziemlich anstrengen, denn ihr Dorf ist winzig klein geworden, der Rest der Welt ist plötzlich riesengroß geworden … Eins von beiden muss passiert sein. Nun haben die behaarten Kerle (und Frauen) zwar nicht den überragenden Intellekt, den ihr Grinsen vermuten lässt, dafür allerdings verfügen sie über Beharrlichkeit und einen gewissen detektivischen Spürsinn. Dann kann das Abenteuer auch schon beginnen.
Das Schöne an den Trollen ist, na, benennen wir es ruhig … dass sie ziemlich blöd sind. Und es ist ihnen total egal! Christophe Arleston stellt die stoffeligen, über alle Maßen verfressenen, aber findigen (das muss man ihnen lassen) Fellkugeln vor eine sehr, sehr schwere Aufgabe. Aus den Jägern werden zwar nicht Gejagte, doch wenn ein Jäger auf die Größe eines Däumlings geschrumpft wird, erleichtert diese Umstellung sein Leben nicht besonders. Außer der Größe ändert sich nichts. Das bedeutet: vielleicht sind sie nicht klein, sondern die Welt ist groß?! Ein Troll hat nun einmal seine ganz eigene Logik. Sie wurden nicht geschrumpft, die Welt wurde vielmehr vergrößert. Das Rätsel wurde also erkannt. Müssen nur noch die Verursacher her, damit sie dieses Malheur rückgängig machen.
Christophe Arleston kann mit diesem Plot nicht mehr falsch machen. Er stellt den Trollen (samt der kleinen Menschin Waha, die sich für einen Troll hält) ein schurkisches Pärchen gegenüber, abgebrüht und voller Bauernschläue, egoistisch durch und durch. Da begegnen sich die richtigen Gegenspieler, könnte man sagen, denn die beiden Seiten überraschen einander (den Leser allerdings auch) stets aufs Neue. Wenn Trolle, die in einer Truhe eingesperrt sind, versuchen, mittels Fürzen den Druck zu erhöhen, damit der Truhendeckel aufgesprengt wird, dann bleibt im wahrsten Sinne des Wortes kein Auge trocken.
Schon Jack Arnold, Jonathan Swift und Pierre Serron wussten, dass verkleinerte Menschen Potential für eine Geschichte haben. In einer fremden, sehr fantasievoll geratenen Welt ist für Arleston alles möglich. Er muss nicht einmal eine Hommage einfügen, er lässt seine Trolle agieren, als gäbe es kein Morgen. Da werden die riesigen Gegebenheiten gnadenlos zur Zwerchfellreizung benutzt, über und unter der Gürtellinie, auch im wahrsten Sinne des Wortes. Arleston ist ein Freund der Anspielungen und dieses Spiel beherrscht er perfekt.
Dafür hat er mit Jean-Louis Mourier weiterhin einen sagenhaft guten Troll-Zeichner an seiner Seite, der den Aberwitz, den Schalk im Nacken der kleinen Fellkugeln perfekt einzufangen versteht. Waha, die Menschin, die von einem Troll zur Tochter erkoren wurde, gehört mit ihrem Papa zu den Hauptfiguren. Pröfy, der um ihre Aufmerksamkeit buhlt, bleibt eher blass, dafür reißt der tollpatschige Roken alles heraus. Selber ziemlich auf Waha fixiert, will er unbedingt beweisen, war für ein Held er ist, Verzeihung, sein kann. Ein wilder Ritt auf einem Wagenrad, eine Verfolgungsjagd und ein Kampf gegen eine Ratte sind die Vorläufer zur Wiedervereinigung der vier Helden, die sich war als Puppen zeitweilig tarnen, aber dennoch an ihrem Miniaturgeruch erkannt werden.
Mouriers feiner Strich ist immer einen zweiten Blick wert. Dünnste Tuschestriche, sorgfältig, sehr organisch gesetzt, zeigen den Irrsinn in einem kleinen Mädchengesicht, die ein neues Spielzeug entdeckt, die Frivolität in einem Antlitz einer Gaunerin, den grimmigen Mut in einem Trollgesicht, hinter dem ein Gedanke schon ein wenig langsamer unterwegs ist. Die Kugräth, deren Kopf sehr an die Moai, die Statuen auf den Osterinseln, erinnert, sind gegen Ende des ersten Teils dieser Handlung nur die Einleitung zur Verbeugung vor einem der B-Movie-Klassiker der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Mourier folgt einmal mehr mit starkem humoristischem Ausdruck den Vorgaben seines Autors Arleston.
Tolle Trolle: Arleston und Mourier kreieren hier so etwas wie ein Paradebeispiel einer tollen Fantasy-Komödie, in der alles stimmt. Viele humoristische Register werden gezogen, von feiner Komödie über alberner Klamotte bis zu hammerhartem Irrsinn. Mit den Trollen lässt sich alles machen. Ein Höhepunkt aus der Feder dieses Comic-Duos. 🙂
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