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Comic Blog


Freitag, 18. Januar 2013

Die Frau ist frei geboren

Filed under: Biographie — Michael um 12:58

Die Frau ist frei geboren - Olympe de GougesHeirat? Allein das Wort könnte Begeisterung in Marie auslösen, wenn es denn der richtige Mann wäre. Aber dieser Metzger, obwohl zum gräflichen Mundschenk aufgestiegen, passt nicht in Maries Konzept. Doch es ist nicht die Zeit, in der unverheiratete junge Frauen sich ihren Gatten immer selbst aussuchen dürfen. Wir schreiben das Jahr 1764. Marie gibt dem Drängen des Mannes nach. Monsieur Aubry ist ein Mann seiner Zeit, seines Standes vielleicht auch. Er hat gelernt, wie Ehefrauen zu sein haben. Gefolgsam. Verstehen sie sich dann noch auf Nützliches, Schreiben und Rechnen, können somit im Geschäft aushelfen, ist es gut. Sind sie fruchtbar, verstehen sich auf Fertigkeiten, die eine Frau lieber im Verborgenen ausübt, ist es besser. Monsieur Aubrys Worte. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Marie wird in Schwierigkeiten geraten.

Manchmal gibt es Geschichten und Biographien, die einem erst einmal wieder aufzeigen müssen, wie hart erkämpft das Selbstverständliche in unserer Zeit zuweilen ist. Oder noch nicht selbstverständlich ist. Oder nicht überall. Die beiden Comic-Macher Jose-Louis Bocquet (Autor) und Catel Muller (Zeichnerin) haben sich in diesem sehr ambitionierten Projekt einmal mehr zusammengefunden, um die Geschichte einer Frau zu erzählen, die teilweise eine Lebensart vormachte, um die es heute in der westlich dominierten Welt kaum noch oder immer weniger Diskussionen gibt.

Die Frau ist frei geboren heißt es in der Überschrift. Gleichberechtigung würde es noch mehr auf den Punkt bringen. Doch in jenen Tagen, als Olympe de Gouges noch unter anderem Namen geboren wurde und aufwuchs, nämlich, war selbst die Freiheit einer Frau, die Selbstbestimmung, ein selten anzutreffendes Gut. Auf über 460 Seiten, inklusive vieler Zusatzinformationen zur Historie und historischen Figuren, breitet sich ein Land im Umbruch aus. Im Jahre 1748 wird die kleine Marie Gouze geboren, ein uneheliches Kind der Liebe, wächst heran in unterschiedlichen Umgebungen und erhält so sehr verschiedene Blickwinkel auf das Leben, die ihr sehr bald verdeutlichen, was sie nicht vom Leben will.

Marie kommt in dieser sehr leicht erzählten Biographie früh mit dem Adel in Form des Vaters in Berührung, der naiv in den Tag hinein lebt. Das bürgerliche Leben bleibt ihr infolge der Verheiratung ihrer Mutter wie auch ihres eigenen späteren Lebens ebenfalls nicht fremd. Erst als sie ihre Gegenwart selbst in die Hand nimmt, sich aus der männlichen Verantwortung heraus zieht, kommt Bewegung in ihr Leben. Die Probleme werden aber nicht geringer. Denn Olympe de Gouges, wie sie sich im Laufe ihrer schriftstellerischen Karriere nennt, legt sich mit Mut mit vielerlei Menschen etablierter Kreise an. Sie stellt ihre eigene Meinung über das leibliche Wohl und gerät zusehends in Gefahr. Dieses selbstbestimmte Leben, vor niemandem zu Kreuze kriechen zu wollen, endet 1793 auf dem Schafott.

Jose-Louis Bocquet und Catel Muller beschreiben in scheinbar unzähligen Begebenheiten die Entwicklung einer Frau, heraus aus dem Bürgertum, allgemein hin zu einem Menschen, der mit Nachdruck nicht nur eine eigene Meinung vertritt, sondern auch Thesen entwickelt, damit an die Öffentlichkeit tritt und bittere Niederlagen einstecken muss. Das Theater wird Olympes Sprachrohr, ein hart erkämpftes Feld, auf dem das Publikum gnadenlos jubelt oder verreißt. In schwarzweißen Bildern, in leicht naiver künstlerischer Anmut, entsteht ein Ausschnitt auf eine Zeit, die geradewegs auf den Sturz einer Gesellschaftsordnung zustrebt. Mit der Hinrichtung des König geschieht das Unfassbare. Von da an ist alles möglich und niemand mehr sicher.

Obwohl Olympe de Gouges dies vor Augen gehabt haben muss, schweigt sie nicht, bricht das freche und sympathische Mundwerk immer durch. Doch am Ende hilft auch ein halbwegs juristischer Winkelzug nicht mehr. Der Prozess ist im wahrsten Sinne des Wortes kurz. Die Biographie, so harmlos sie beginnt, reißt bald mit, nicht zuletzt der Dichte der Erzählung wegen und ist auch sicherlich der Wahrhaftigkeit der Charaktere geschuldet.

Ein Leben in einer bewegenden Zeit, ein aufrechte Frau, für ihre eigene Meinung eintrat und auch wusste, was sie riskierte. Liebe, Humor, Drama, originell nacherzählt von Joes-Louis Bocquet und Catel Muller. Nicht nur für Freunde von Gesellschaftsgeschichte. 🙂

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