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Comic Blog


Sonntag, 09. Dezember 2012

Das Nest 7 – Charleston

Filed under: Abenteuer — Michael um 12:17

Das Nest 7 - CharlestonWas könnte einen Mann dazu veranlassen, sich den Bart abzurasieren? Sicherlich kann es nur eine hygienische Ursache dafür geben. Jedenfalls wird bestimmt keine Frau dahinter stecken. Und am allerwenigsten Marie. Nein, Marie, die fängt doch nichts Männern an. Und schon gar nicht mal eben so. So spricht es die versammelte und tratschende Männerschaft des Dorfes einhellig, lacht eifrig bereits beim bloßen Gedanken daran und ahnt gar nicht, wie sehr sie sich täuschen. Es ist eine neue Zeit angebrochen. Ganz langsam und schleichend, bringt sie laute und leise Veränderungen mit sich. Kleine Verwicklungen führen manchmal zu Späßen, auch deftiger Natur und die Freude breitet sich wieder aus. Nicht zuletzt Marie ist maßgeblich an diesem Umstand beteiligt, ist sie doch ins Dorf zurückgekehrt, ein fehlendes Rädchen, das endlich wieder an seinem Platz ist.

Man kann nicht direkt behaupten, dass Marie mit ihrer Rückkehr aus Montreal auch den Charleston mitgebracht hat. Niemand kann zum Tanzen gezwungen werden. Aber etwas hat sich verändert. Bei den Einwohnern des kleinen Dorfes. Und natürlich bei Marie. Sie hat ein Stück Freiheit aus Montreal mitgebracht. Marie lässt sich weniger einschränken, sie experimentiert, animiert. Der Charleston, ein Tanz, in jenen Tagen hoch beliebt, erreicht das Dorf und verwandelt kurzzeitig die Menschen und lässt sie den Alltag vergessen. So wie das Dorf den Neuankömmlingen aus der weiten Welt etwas geschenkt hat, so zeigt die Welt den Dörflern für einen Augenblick, wie das Leben auch aussehen kann.

Regis Loisel und Jean-Louis Tripp sind zurück im Nest. Einmal mehr gewinnen sie diesem doch sehr kleinen Flecken Erde neue Seiten ab. So abgelegen das Nest auch in Kanada versteckt liegt, so sehr finden Neuerungen doch den Weg dorthin. Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind jene Menschen, die Männer des Dorfes, die viele Monate im Jahr einsam in der Wildnis verbringen, Bäume fällen und im Winter für den Sommer ranklotzen. Mit dem Einfall dieser zeitweise Fremden ändert sich ebenfalls vieles im Alltag des Dorfes. Kommt beides zusammen, ist das beinahe eine gesellschaftliche Revolution. Die allerdings nur sehr kurz währt.

In der 7. Folge der Reihe warten so Überraschungen auf den Leser, Verhaltensänderungen der bekannten Figuren, neue Geheimnisse, Wünsche deuten sich an. Es ist ein kleines Kunststück wie Loisel und Tripp ihre Dörfler doch noch immer ein weiteres Stück entblättern. In gemeinschaftlicher Arbeit haben sie nicht nur das Manuskript zur gesamten Serie verfasst, auch die Gestaltung geht einmal mehr beiden von der Hand. Die vier Tiere, die sich im Laufe der Zeit zusammengefunden haben, schaffen es hier in trauter Viersamkeit auf das Titelbild.

Stilistisch bewegen sich die beiden Künstler zwischen karikierend, niedlich, beinahe im Bereich naiver Kunst, aber auch intuitiv gezeichnet wirkend, obwohl ein starker kreativer Prozess der fertigen Seite vorausgegangen ist. Nahezu jede Figur drückt sich inzwischen durch ihre charakterlichen Eigenheiten aus, die ihr ins Gesicht, in die Haltung gelegt werden. Von heiter, freundlich, über verschroben, eigenbrödlerisch bis zu giftig, keifend ist scheinbar alles zu finden. Der Charleston wie auch die Bürgermeisterwahl des Dorfes bringt die Menschen auf ungewöhnliche Weise zusammen und lässt Szenen entstehen, die keiner Worte bedürfen und schlicht durch Haltung und Mimik erklären.

Eines der besten Beispiele ist die Anpassung eines Tanzschuhs, die in einigen Bildern eine kleine, feine Episode aus Menschlichkeit, Vertraulichkeit, auch Zärtlichkeit bereit hält. Es sind solche Szenen, die die Dörfler ein ums andere Mal einander näher bringen und auch neue Konstellationen schaffen.

Heiterer, sehr menschlich, mit Figuren, die sich entwickeln und wachsen und viele neue Facetten hervorbringen. Über den Tanz erreichen die Dörfler eine neue Dimension des Miteinander. Immer noch ein wenig nachdenklich, grundsätzlich vorbildhaft erzählt und illustriert. 🙂

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