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Comic Blog


Sonntag, 25. März 2012

Wer einmal auf dem Friedhof liegt …

Filed under: Thriller — Michael um 14:49

Wer einmal auf dem Friedhof liegt ...Charles Desiris ist tot. Selbstmord. Seine Frau liegt mit einer Schussverletzung in der Brust auf dem Bett, den leeren Blick gen Himmel gerichtet. Bevor Desiris sich das Leben nahm, hat er seine Frau erschossen. Diese Schlüsse kann Nestor Burma in aller Eile ziehen, ohne sich besonders anzustrengen. Ein wenig Enttäuschung macht sich breit. Eigentlich sollte dieser Termin einen Auftrag einbringen. Das offensichtliche Beziehungsdrama langweilt Burma sogar ein wenig. Die wenigen Informationen, die Burma noch erhält, klingen interessant, auf ihre Art ein wenig bedeutsam, aber ohne Auftraggeber wird er dem Fall nicht folgen. Die Monate vergehen. Da macht Burma die Bekanntschaft einer Schauspielerin und aus einem losen Ende wird eine Spur.

Schauspielerinnen waren schon immer ein Anziehungspunkt. Sie haben die Fantasie beflügelt und Geschäfte befördert. Die Figur des Nestor Burma von Leo Malet ist ein Feingeist. Burma genießt. Eine Pfeife, die Gesellschaft einer Frau, ein Glas Wein. Allerdings verstellt es ihm nicht den Blick vor der Realität und den finsteren Machenschaften der Menschen, die von den schlichten Gemütern bis in die besseren Gesellschaften von Paris reicht. Auch James Elroy beschäftigte sich in Stadt der Teufel mit Doppelgängerinnen von Schauspielerinnen und Showgrößen. Doch bevor Burma in diese Niederungen ebenfalls hinabsteigt, beginnt eigentlich alles wunderbar.

Neuer Fall, neues Pech: Auftraggeber sind für einen Privatdetektiven überlebenswichtig, Dumm nur, diese gleich bei der ersten Begegnung ermordet vorzufinden. Kein Auftraggeber, kein Auftrag. Ein Privatdetektiv muss in erster Linie an sich selbst denken, so überlässt er die Klärung des Falles der Polizei. Denn wie gesagt, ohne Auftraggeber auch kein Geld. Aber Paris ist nicht nur die schönste Stadt der Welt, sie ist auch das berühmte Dorf, in dem sich alle Stränge früher oder später doch wieder überkreuzen.

Ein neuer Fall, eben jene Aufgabe um Doppelgängerinnen, die abgelichtet in einem Herrenmagazin für feuchte Augen sorgen, bringt unerwartete Informationen, die Burma neugierig werden lassen. Leo Malet spielt mit den Schicksalslinien. Man begegnet sich immer zweimal im Leben, könnte man sagen. Oder auch: Burma ist nicht nur ein Genießer, er ist auch mit einem hervorragenden Gedächtnis, einem guten Gespür und der Fähigkeit ausgestattet, um die Ecke zu denken.

Auf der Basis von Jaques Tardis Figuren zeichnet und adaptiert Moynot die Geschichten um Nestor Burma von Leo Malet fort. Wir schreiben das Jahr 1959, die 1960er stehen vor der Tür. Die Nachkriegszeit steht vor ihrem endgültigen Umbruch hin zur Moderne. Ein hinter verschlossenen Türen frei(zügig) gelebtes Leben verkehrt sich langsam nach außen. Vor diesen Eindrücken, der Mode insbesondere, den Kleidern und den Frisuren, hinkt Paris alt, ein wenig grau und geheimnisvoll hinterher. Im Zwielicht geht Nestor Burma seinen Spuren nach.

In den atmosphärischen Bildern, ein wenig sogar bühnenreif, theatralisch angelegt, sind die Figuren beinahe klassisch skizziert. Nur wenige Striche genügen zur jeweils individuellen Darstellung und vielerlei Gesichtszügen. Moynot, nach den Figurenvorlagen von Tardi, zeichnet echte Menschen, so wie der Fall echten Menschen Platz zur Entfaltung bietet. So städtisch Paris ist, so provinziell stellt es sich manchmal dar. An Burmas Seite entblättert sich eine alte Dame, doch es ist nicht ungefährlich, ihr zuzuschauen. Die Erfahrung macht auch Nestor Burma.

Ein vorwiegend kühleres Braun, kein komplett eiskaltes, bietet die optische Grundlage der Kriminalgeschichte. Auf klar aufgeteilten Seiten entsteht der langsame Sog der Handlung, der mit seinen immer neuen Enthüllungen ein Mosaiksteinchen dem anderen beifügt, bis die Spürnase Burma am Ziel ist. Moynot lässt sich mit seiner Bildsprache auf keine Experimente ein. Ein klarer Stil folgt einem klar strukturierten Krimi.

Nestor Burma, das Schlitzohr: Ein Mordfall allein ist noch kein Arbeitsmotiv. Es muss etwas verzwickter sein, auch Geld muss bei der Lösung herausspringen. Wenn dann noch ein paar schöne Frauen dabei sind … Eine Kriminalgeschichte, im besten Sinne Französisch, dicht, mit einer fast heiteren Spannung, auf den Punkt illustriert. Für Freunde des französischen Krimis (und solche, die es werden wollen), einer ganz eigenen Nische des Genres, empfehlenswert.

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