Mittwoch, 28. April 2010
Martha und ihr Mann Abe versorgen den fremden Mann, obwohl die Schusswunden, die der Fremde davongetragen hat, ihnen mehr als nur Unbehagen bereiten. Abe, ein ehemaliger Marine, ist sich mehr als sicher, dass mit dem Fremden etwas nicht stimmt, vor allem, nachdem er gesehen hat, wie schnell der abgestürzte Mann die Verwundungen wegsteckt. Aber Martha will davon nichts wissen. Der Fremde erinnert sie an ihren Sohn, der in die Fußstapfen seines Vaters trat, aber nicht lebend aus einem Kampfeinsatz zurückkehrte. Langsam kehrt der Mann, der die römischen Ziffern XIII auf der Brust tätowiert hat, ins Leben zurück. Er weiß viel, nur wer er ist, das entzieht sich seiner Kenntnis. Das Einsatzkommando, das ihm kurze Zeit später nach dem Leben trachtet, kann er leider nicht fragen.
Wie komprimiert man sage und schreibe 19 Comic-Bände auf knappe drei Stunden Film? Gar nicht. Das ist auch nicht nötig. Sicherlich muss eine Comic-Verfilmung einen Geschichte oder eine Reihe nachempfinden. In den meisten Fällen kann sie nicht mehr leisten. Über viele Jahre hinweg schrieb Autor Jean Van Hamme an der Thriller-Reihe. Van Hamme, der auch für ähnlich starke Thriller-Serien wie Largo Winch (ebenfalls verfilmt) und Wayne Shelton verantwortlich ist, verfolgt mit der vorliegenden Geschichte ein düsteres Verschwörungsszenario.
Die erste amtierende Präsidentin der USA wurde erschossen. Eine Geheimorganisation, deren Mitglieder mit römischen Ziffern durchnummeriert sind, hat die Vereinigten Staaten bis in die höchsten Ebenen infiltriert. Der Mann mit der Nummer XIII, der sich augenscheinlich für die Ermordung verantworten muss, wird nicht nur vom Staat USA gejagt. Seine eigenen Mitverschwörer sind hinter ihm her. Und zuerst weiß XIII nicht mehr über sich als eben diese Zahl. Ein Streifschuss am Kopf hat seine Erinnerung ausgelöscht.
Stephen Dorff, den Comic-Fans vielleicht aus der ersten Blade-Verfilmung kennen, spielt hier einen ganz normalen Mann im Sinne eines Jason Bourne. Allerdings wird er nicht aus dem Wasser gefischt, sondern an einem Fallschirm hängend aus einem Baum geangelt. Dorff spielt seine Figur sehr zurückhaltend, fast ängstlich. Aus Furcht wird Sorge, als er feststellt, dass so gut wie jeder, mit dem er in Kontakt kommt, jederzeit sterben kann. Dafür sorgt Val Kilmer, der immerhin auch einen Auftritt als Batman hatte, seither aber etwas zugelegt hat und nicht mehr ganz in der oberen Riege der Hollywood-Schauspieler vertreten ist wie noch vor einigen Jahren.
Kilmer, wie auch Stephen McHattie als General Carrington (zuletzt als Kapitän in 2012), sind Vertreter eines etwas kantigeren Männergesichts und kommen so den von William Vance in der Originalserie gezeichneten Charakteren näher. Dorff, zwar durchtrainiert, aber kleiner und schmächtiger, fällt etwas aus der Rolle. Wie im Comic hampelt die Handlung nicht herum. Wer der Wahrheitsfindung seitens der Verschwörer aber auch der Regierung im Weg steht, hat entweder sehr schlechte oder fast schon gar keine Karten. Die ersten Menschen, die XIII helfen, sterben auf brutale Weise.
Prinzipiell gibt es nichts, was an dieser Verfilmung stören könnte. Für eine Fernsehproduktion, die immerhin mit beinahe drei Stunden Laufzeit aufwarten kann, lässt sich die Handlung Zeit und baut die Spannung Schritt für Schritt auf. Sie verfügt nicht über die visuellen Mittel (sprich den finanziellen Rückhalt) einer Bourne-Trilogie, aber das muss sie auch nicht, denn Film und Handlung sind sehr solide und gehen über das gewohnte Fernsehmaß hinaus. Es wird geschossen, immer nur, um zu töten. Es wird auch gefoltert oder wenigstens angedroht. Will man einen qualitativen Vergleich, könnte der Filmfan eine Neuverfilmung des Schakals heranziehen.
Ein paar Überraschungen, sorgfältig zusammengeführte Handlungsbögen und eine immer schneller angedrehte Spannungsschraube verhelfen zu einem netten TV-Abend. Stephen Dorff weiß in der Hauptrolle zu überzeugen und ist ein guter Sympathieträger, der sich immer mehr in den Machenschaften von I verstrickt. Wer als Comic-Fan nicht den haarklein umgesetzten Comic erwartet, sondern eine adäquate Verkürzung, findet einen gelungenen Thriller vor.
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Dienstag, 27. April 2010
Bruenor Heldenhammer hat sein Ziel erreicht. Endlich hat wieder ein Zwerg die Herrschaft über Mithril-Halle, den Hort der Vorfahren. Außerdem kündet sich ein schönes Ereignis an. Bruenors Adoptivkinder, der Barbar Wulfgar und die ebenfalls menschliche Tochter Catti-Brie wollen heiraten. Trotzdem sind manche Vorkommnisse und Verhaltensweisen merkwürdig. Wulfgar steigert sich mehr in mehr in seine Eifersucht hinein. Sicher sind Männer seines Volkes stets darauf bedacht, das Sagen in einer Beziehung zu haben. Doch bisher hatte Wulfgar Catti-Brie immer eine gleichberechtigte Stellung eingeräumt, obwohl er sich natürlich Sorgen machte, wenn sie im Kampf an seiner Seite stritt. Die Begrüßung und die Herzlichkeit, mit der Catti-Brie den Dunkelelfen Drizzt Do’Urden empfängt, bringt scheinbar das Fass zum Überlaufen. Wulfgar wendet sich sogar gegen Drizzt, den er seit langem seinen Freund nennt.
In Mithril-Halle selbst könnte Frieden herrschen. Nach der Entdeckung eines neuen Stollenabschnittes jedoch und ihrer Bewohner, Goblins, bricht Freude unter den Männern aus. Endlich lockt wieder ein Kampf. Catti-Brie kann diese Freude nicht begreifen, denn noch ist es zu keiner Bedrohung gekommen. Außerdem sind die Zwerge Eindringlinge in das angestammte Gebiet der Goblins. Bruenor stört das nicht. Es sind Goblins. Sie sind Zwerge. Da ist die Konfrontation unvermeidbar.
In gewissem Sinne stimmt das auch. Allerdings zieht im Hintergrund jemand seine Fäden, um Chaos zu säen und um letztlich eine ganz bestimmte Person in die Fänge zu bekommen: Drizzt Do’Urden.
Es gibt keinen Frieden, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Leider hat der heldenmütige und abenteuerlustige Drizzt auf seinen Reisen allzu viele Feinde hinterlassen, auch eben solche, die noch unter den Lebenden weilen. Eine davon, Vierna Do’Urden, längst in den Wahnsinn abgeglitten, gemein und brutal, will ihre Rache und wird sich durch nichts davon abhalten lassen. Selbst wohlmeinende Einwürfe ihrer Untergebenen zeigen keine Wirkung. Bea Kopyto spricht und verkörpert jene Vierna mit Kraft und Hysterie in der Stimme. Die aufkeimende Gewalt, die auch vereinzelt ausbricht, Stichwort Drider, wird durch sie maßgeblich stilisiert. Schlachtenszenen wie im Kampf der Zwerge gegen Goblins hören sich gewaltig an, aber die Atmosphäre durch Vierna ist unheimlicher.
Unheimlich ist auch die Wandlung von Wulfgar. Dieser, gesprochen von Bernd Hölscher, rückt in der Handlung mehr nach vorne. Der etwas trägere, aber sehr sympathische Charakter erlebt plötzlich (und für seine umstehenden Freunde nicht erklärbar) eine sehr starke Veränderung. Selbstbeherrschung ist schon schwierig für einen Barbaren. Ein Barbaren, der von Eifersucht geplagt wird, gerät an den Rand des Irrsinns, wie Bernd Hölscher es besonders in einer Szene zeigen kann, als Wulfgar seinem Zorn mit dem Schmiedehammer freien Lauf lässt.
Geheimnisse: Regis, dem Halbling, hätte es gut gehen können im Calimhafen. Hätte! Hätte er nicht wieder alles vermasselt. Auch mit ihm ist eine Veränderung vorgegangen. Regis, gesprochen von Philipp Otto, schwankt zwischen der gewohnten Angst und halsbrecherischem Mut. Tobias Meistter, Sprecher von Drizzt Do’Urden und gleichzeitig Erzähler, leitet gekonnt durch das Abenteuer. Seine Stimme bewahrt stets die Ruhe, eine Stimme der Vernunft im stetig steigenden Chaos um ihn herum.
Eine dunkle Schlinge zieht sich langsam um den allseits bekannten Dunkelelfen zusammen. Eine unmerkliche Bedrohung zuerst, die hier und da schon einmal hervorzischt, bevor die ersten Ausbrüche erfolgen. Das ist Fantasy-Spannung pur, die sich Schritt für Schritt aufbaut. 
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Montag, 26. April 2010
Ein kleines Männlein kommt aus der Hölle (nein, nicht Isnogud) und muss voller Verwunderung feststellen, dass der Großwesir immer noch Unterwürfigkeit heuchelt. Zwar strengt sich Isnogud immer noch hartnäckig an, sein Ziel zu erreichen (Kalif werden anstelle des Kalifen), aber irgendwie mangelt es an der dazu nötigen Portion Glück. Glück sollte der Großwesir denn auch wenigstens an seinem Geburtstag haben: Aber auch hier Fehlanzeige. Er stürmt wieder munter voran, lässt seinem Ungestüm freien Lauf, seinem Jähzorn sowieso und so kommt es, dass die wirklich perfekte Gelegenheit wieder an ihm vorbeizieht.
Der Teufel soll ihn holen! So ungefähr könnten es all jene gedacht haben, die Isnogud, der Großwesir, in den ganzen Jahren bei der Jagd auf die Position des Kalifen immer wieder gepiesackt hat. Aber: Der Teufel will Isnogud noch nicht holen, denn Isnoguds Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Noch einmal aber: Der Teufel ist nicht amüsiert, denn die Aufgabe sollte längst zur Zufriedenheit aller, vor allem der des Teufels, erledigt sein. Also wird Isnogud einbestellt.
Interessanterweise erhält der Leser hier einen Einblick in einen kleinen Abschnitt Comic-Geschichte. Jean Tabary verwendete ursprünglich Adolf Hitler für einen kleinen Höllenauftritt. Für die deutsche Ausgabe setzte sich Tabary noch einmal an den Zeichentisch und setzte an die Stelle des Diktators Rodrigo Borgia ein, der für seine Praktiken einen berüchtigten Platz in der Historie einnimmt. In der vorliegenden Ausgabe können nun beide Seitenversionen, jeweils gegenüberliegend miteinander verglichen werden.
Sieht man von dieser Unregelmäßigkeit ab, hat Tabary in der ersten Geschichte über den Großwesir namens Isnoguds Komplize ein Verwirrspiel in bester französischer Komödientradition geschaffen. Beliebtes Mittel für den Spaß ist die Verwechslung ebenso wie der Running Gag (obwohl die ganze Reihe ein solcher ist, schließlich wird das glorreiche Ziel des Großwesirs nie erreicht). Die Fee Ole, ein begnadeter Fassadenmaler und Bildhauer sowie ein blinzelnder Arzt tragen zum verschachtelten und stets schneller vorangetriebenen Handlungsverlauf bei.
Wie kann es anders sein: Isnogud ist natürlich wieder nicht Kalif geworden. Trotz teuflischer Hilfe. An Isnoguds Geburtstag soll eine Zauberschachtel Abhilfe schaffen. Isnoguds ungestümer Charakter stellt dem ehrgeizigen Großwesir ein Bein, so dass nach einer neuen Lösung gesucht werden muss. Geduld lautet das Zauberwort. Diese besitzt Isnogud zwar, zieht man seinen endlosen Ehrgeiz und die unzähligen Anläufe auf die Kalifenstelle in Betracht. Darüber hinaus fehlt es aber weitgehend daran. Eine Zauberschachtel entpuppt sich so als Endlosvariante einer russischen Matroschka, nur mit Geschenken. Daraus wird ein einziges Chaos.
Überhaupt nicht chaotisch sind Tabarys Bilder, meist vierreihig pro Seite angelegt. Hier geht es Schlag auf Schlag. Neben Gags, die Reihe auf Reihe folgen, manchmal Bild für Bild, werden ganz nebenbei noch längerfristige Pointen vorbereitet. In schmissigen Strichen, ungeheuer versiert nach derart vielen Abenteuern und Einseitern entsteht in den hier vorliegenden drei Alben. Die Nervenkrisen von Isnogud, die Sammlung der Einseiter mit den Texten von Buhler. schwächelt hier und da gegenüber den beiden Vorgängergeschichten, ein paar Glanzlichter sind aber auch hier zu finden.
Ein Spaß, ein Dauerbrenner, der nicht umsonst derart lange im Comic-Universum überleben konnte. Die Mixtur stimmt weiterhin, da Goscinnys Texternachfolger Jean Tabary die Ideen über die Jahre nicht ausgegangen sind und er das Konzept konsequent fortführte. War gut, bleibt gut. 
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Samstag, 24. April 2010
Phileon ist ein kleiner … Nun, sicherlich ist er einem Mann nicht unähnlich. Sein Körperbau entspricht einem Menschen, wenn auch weitaus kleiner, aber sein Kopf … ist der eines Nashorns. Seltsamerweise scheint sich daran niemand zu stören. Denn auf dem riesigen Kreuzfahrtschiff, der Mekaton, wimmelt es nur so von seltsamen Gestalten. Jeden Tag findet eine neue Feier statt, alle verkleiden sich. Da fallen ein paar Menschen mit Tierköpfen gar nicht weiter auf. Phileon jedoch ist noch etwas anders. Er hat die Nase voll von der Feierei, der begrenzten Welt des Schiffes. Er will hinaus in die weite Welt, obwohl genau das bei Strafe verboten ist. Dennoch will er es riskieren, aber so ganz ohne Hilfe geht es nicht.
Nach einer Bruchlandung, verfolgt von den Sicherheitskräften des Schiffes, landet Phileon in der Obhut von Bruno und seiner Mutter. Während der kleine Bruno, der insgeheim die ganze Verkleiderei zu all den Festen auch satt hat, sich gerne um Phileon kümmert, begreift seine Mutter schnell die Konsequenzen, die daraus erwachsen können. Und tatsächlich scheint mit dieser Zusammenkunft ein Stein ins Rollen gekommen zu sein, der das Schicksal der gesamten Bevölkerung auf der Mekaton in neue Bahnen lenkt.
Ein futuristisches Abenteuermärchen. Autor und Zeichner Jean-Baptiste Andreae erzählt einfach. Das ist mutiger, als es sich vielleicht anhört. Eine in sich geschlossene Gesellschaft verdammt jeden, der sich von der Truppe entfernen will, jeden, der das Paradies verlassen möchte. Andreae zeigt dem Leser zuerst eine sehr verrückte Welt. Es entsteht der Eindruck einer Gemeinschaft, die munter auf ihren eigenen Untergang zuschippert. Kurz darauf wird dieser Eindruck durch eine Mischung aus Disney und Star Wars durchbrochen. Mit einer ähnlichen Phantasie, wie sie auch in den Zeichentrickabenteuern Titan A.E. und Der Schatzplanet zu finden ist, üppig in Form, Farbe und Erzählung baut Jean-Baptiste Andreae in drei Kapiteln eine Welt auf, die eigentlich schon untergegangen ist, ohne dass die wenigsten überhaupt davon wussten.
Eine Feier der Verlorenen, einer, der fliehen will. Das sind keine unbekannten Themen. Der disneyeske Umgang damit, vielleicht auch eine kleine erzählerische Nähe zum Schiff der Überlebenden aus WALL E, angereichert vielen eigenen Details macht etwas Neues daraus. Vom Schiff geht es ins ewige Eis, bevor die riesige fremde Stadt gefunden wird, in der die …
Das soll nicht verraten werden.
Grafisch ergeht sich Jean-Baptiste Andreae in großartiger Vielfalt. Da er sich selber keine Grenzen setzt ist alles möglich. Andreae zeichnet an der Grenze von Realismus und Karikatur. Einerseits verfährt er streng nach Vorbild, während auf der anderen Seite plötzlich Kreaturen erscheinen, die auch einem Wunderland entflohen sein können. Die Geschichte und auch die Bilder erfordern Aufmerksamkeit. Andreae liebt diese von ihm geschaffene Welt ganz offensichtlich, andernfalls wäre er nicht in der Lage, ihr eine solche Tiefe mit einer solchen Selbstverständlichkeit zu gestalten. Er zeichnet mit sehr feinen Außenlinien, die mehr Markierungslinien von Flächen sind. Der Farbauftrag erfolgt in schöner organischer Gouachefärbung, sehr vielschichtig, lasierend und insgesamt mit hohem Aufwand.
Eine sehr lebendige und bunte Welt, ein rasantes lustiges, wie auch spannendes Abenteuer mit einer Reihe von sehr unterschiedlichen Schauplätzen und ausgefallenen Charakteren. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist Die mechanische Welt tolle Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite. 
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Dienstag, 20. April 2010
Drustan wollte nichts als seine Virginia. Selbst inmitten des Krieges hatte er die Hoffnung auf eine schöne Zukunft mit ihr. Da ahnte er auch nicht, dass die Südstaaten ihn als Soldaten brauchen würden. Gegen eine Zwangsverpflichtung gibt es keine Hilfe, besonders dann nicht, wenn der eigene Vater den Sohn mit großem Enthusiasmus in den Krieg schicken will. Drustan sieht das freilich vollkommen anders. Er hält nichts vom Sterben. Leider gibt auch der schwarze Butler Matt seine Meinung dazu ab und besiegelt damit in den Augen des anwesenden Offiziers der Konföderierten ihr Schicksal. Wenig später bleibt beiden nichts als die Flucht, nur um alsbald in die Fänge von Unionssoldaten zu geraten.
Ein sehr ungewöhnlicher Titel für einen Western, aber mit einem nicht minder ungewöhnlichen Duo inmitten des Bürgerkriegs im nordamerikanischen Wilden Westen. Autor und Zeichner Christian Rossi überraschte in der ersten Hälfte der 80er Jahre mit diesem Western, der zwei sehr gegensätzliche Männer zusammenbringt. Während der eine sich der Illusion hingibt ein besonders vom Theater inspirierter Künstler zu sein, ist der andere schlichtweg auf der Flucht. Obwohl alles dagegen spricht, dass die beiden mit heiler Haut davonkommen, hält Thespis, der Erfinder des Dramas im antiken Griechenland, wohl die schützende Hand über sie.
Christian Rossi, hierzulande auch mit der Serie W.E.S.T. bekannt, zeigt hier eine frühe Arbeit, die er auch selbst geschrieben hat. Klassisch im Stile eines Blueberry steigt der Leser drei Jahre nach Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs in die Handlung ein. Rossi, der auch die von Charlier und Giraud ins Leben gerufene Serie Jim Cutlass nach Girauds Ausstieg weiter zeichnete, steuert hier gegen bekannte Beispiele an, indem er die seine Helden eher untypisch wählt. Das ist nicht Charlier, mehr ein Twain, vielleicht eine Spur Jack London.
Wir leben in einem großen Theaterstück, unter einem riesigen Zelt und das Firmament ist die Leinwand!
Die Figur des Hermes, des Theaterdirektors, der nichts sein eigen nennt außer einem Planwagen, von einem Ensemble ganz zu schweigen, umgibt auf den ersten Blick ein Spur Wahnsinn. Doch vor den Ereignissen eines Bruderkrieges, Menschen, die tagtäglich fallen und marodierenden Banden, die unkontrolliert rauben und brandschatzen, ist der Wahnsinn von Hermes vielmehr willkommener Optimismus und auch Lebensfreude. Dieser milde, man könnte auch sagen, Größenwahn hält Hermes nicht davon ab, berechnend zu agieren und seine Chancen zu suchen. Allerdings spielt er auch mit dem Leben, mit seinem und denen, die in seiner Nähe sind.
Christian Rossi hat bereits in dieser frühen Phase seines Lebens seine Hausaufgaben gemacht und weiß mit einer spannenden Geschichte aufzuwarten. Zwar gibt es Ruhephasen, doch diese habe stets eine innerliche Dramatik, eine unterschwellige Bedrohung bei der Hand, so dass immer ein wenig Aufregung vorhanden ist. Für Rossi ist der Moment der Ruhe auch gleichzeitig ein Anlauf auf das nächste gefährliche Ereignis hin.
Grafisch wirkt er hier noch deutlich von einem Giraud inspiriert. Später, in den Ausgaben der Reihe W.E.S.T. hat er viel stärker zu seinem eigenen Stil gefunden, der optisch weitaus ruhiger, lässiger, aber auch genauer geworden ist. Manche Bilder sind hier schon perfekt, andere wirken ein wenig hingeworfen, ähnlich wie die Arbeiten eines Gerichtszeichners, dem nicht viel Zeit bleibt, um den Moment auf dem Papier zu erfassen.
Der amerikanische Bürgerkrieg aus einer anderen Sicht: Helden wider Willen, auch widerwillig beieinander stellen sich den Widrigkeiten des Krieges auf sehr ungewöhnliche Art. Mit Hermes ist Christian Rossi ein seltsamer, aber nicht unsympathischer Held gelungen. Ein Western-Abenteuer so ungewöhnlich wie sein Titel, aber auch sehr gut. 
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Der Mann mit der Narbe im Gesicht ist ein Killer ohne Gewissen. Wer im Weg steht, hat sein Leben schon verwirkt. Es zählt der Auftrag und dieser ist klar definiert: Die Streitkräfte der Konföderierten in den Besitz eines Waffe bringen, die das Kriegsglück der Unionstruppen wenden. Der Erfinder dieser Schnellfeuerwaffe befindet sich bereits in ihrer Gewalt. Leider ist sein Willen, die Konföderierten durch seine Erfindung zu unterstützen, begrenzt. Er arbeitet so langsam, wie er nur kann, nur hat er die Geduld seiner Entführer schon arg strapaziert. Richard Jordan Gatling, so der Name des Mannes, hat die Hoffnung auf Befreiung beinahe aufgegeben. Und es sieht tatsächlich nicht so aus, als würden Blueberry und seine Helfer rechtzeitig kommen.
Francois Corteggiani, inzwischen ein vielfach erprobter Erzähler im Western-Universum von Blueberry, schickt den jugendlichen Helden auf eine gefährliche Rettungsmission. In den im vorliegenden Sammelband Von Cincinnati nach Vera Cruz versammelten beiden Abenteuern Der Schlächter von Cincinnati und Die Sirene von Veracruz muss sich Blueberry nicht nur durch die Wirren des Bürgerkrieges schlagen. Jenseits der Grenze, in Mexiko, sind die Konföderierten bald nur noch eines der vielen Probleme. Die Franzosen, die ein großes Interesse daran haben, weit jenseits von Europa ihre Machtbasis zu vergrößern, nehmen Blueberry völlig unerwartet gefangen.
Auf diese Weise hat Michel Blanc-Dumont eine völlig neue Truppe zu zeichnen, eine Art Fremdenlegion, die mit ihren schicken Uniformen in Mexiko irgendwie fehl am Platz wirkt, wenngleich die Einflussnahme der Franzosen auch historisch verbürgt ist. Im Vorfeld der beiden Geschichten geht ein redaktioneller Teil auf den Künstler Michel Blanc-Dumont ein. Der Autor nennt ihn einen Pedanten aus Passion. Das ist einerseits treffend, andererseits fast schon zu kurz gefasst. Er ist ein Illustrator mit einem einerseits filmischen, andererseits mit einem Blick für Arrangements auf einer Leinwand. Seine Arbeiten, die vor den beiden hier vorliegenden Alben vorgestellt werden, zeigen das. Insbesondere eine Grafik, die den Untergang von General Custer und seiner Männer am Little Big Horn zeigt, belegt dies sehr deutlich.
Glaubt man dem Buch Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses, war der Untergang von General Gelbhaar nicht ganz so heroisch, eindrucksvoll inszeniert ist er allemal. Und so verhält es sich auch mit den beiden hier vorliegenden Geschichten. Blanc-Dumont folgt den Handlungsvorgaben von Corteggiani mit durchgehend sehr feinen Grafiken. Schwächen lassen sich hier keine finden, besondere Stärken schon. Massenszenen, wie eingangs eine Ansicht aus einer Schlacht im Bürgerkrieg oder auch eine simple Saloon-Szene strahlen immer eine starke Atmosphäre bei Blanc-Dumont aus. Leider erhält er für Breitwandszenen nicht allzu viel Gelegenheit, ist das Szenario doch eher auf Bilder im Fernsehformat ausgelegt.
Eine abgeschlossene Geschichte um die Entwicklung und Wiederbeschaffung einer der furchtbarsten Waffen des amerikanischen Bürgerkriegs. Corteggiani und Blanc-Dumont entwerfen eine spannende Geschichte um Entführung und Kommandoaktion. Gewohnt spannend und perfekt gestaltet. 
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Montag, 19. April 2010
Die Bemühungen des Magiers scheinen von Erfolg gekrönt zu sein. Der schwarze Schleier der Krankheit kriecht aus dem Körper der kranken Frau. Fast ist es geschafft. Doch da … ist die Zeit vorüber. Tykko hat nicht mehr Geld für eine längere Behandlung und eine Stundung des Betrages kennen diese kaltblütigen Heiler nicht. Vollkommen verzweifelt rennt Tykko den Männern hinterher. Sie können seine Mutter doch nicht einfach so zurücklassen. Seine Worte verhallen vor der mitleidslosen Art der Magier. Als er einen der Männer am Arm ergreift, begeht er einen folgeschweren Fehler, den er mit einem Schlag auf den Hinterkopf bezahlt.
Ein Junge arbeitet als Knecht, als Mistsammler und träumt davon, Geld zu haben und mit seiner Mutter diesem Leben zu entfliehen. Ein Wettrennen, mit einem hohen Preis ausgestattet, könnte den Ausweg aus diesem Leben bieten. Doch das Rennen ist hart. Es geht auf einem abgesteckten Kurs durch die Wüste. Neben den gefährlichen Überraschungen, die auf der Strecke warten, gibt es Reiter, die alles dafür tun würden, um zu gewinnen.
Christophe Arleston, hier im Autorenteam mit Melanyn, ist dafür bekannt, dass er gerne und nicht eben selten zitiert. Für Fans von Fantasy und Science Fiction sind seine Zitate auf den ersten Blick erkennbar, doch die Eindeutigkeit der Szene, die sich im Auftakt aus den Legenden von Tryo um den Wüstenjungen Tykko bietet, wird nur umso seltener im bisherigen Schaffen von Arleston übertroffen. Das Wüstenrennen in Star Wars Episode I war eine der zentralen Sequenzen im Film. Das hier zu bestaunende Rennen ist ebenfalls einfallsreich, aber weitaus kürzer und geht nur über eine Runde. Die allerdings hat es in sich. Nicht Maschinen werden hier bedient, die Rennteilnehmer sind wahrhaftige Jockeys. Ohne ihre Chamoos, auf ihren Hinterläufen rennende Reittiere, wären die weder die Rennen noch die Karawanen zu bewerkstelligen.
Sieht man einmal von diesem Rennen ab, zeigen Arleston und Melanyn eine traurige Welt. Magie gibt es nur gegen Geld und wird im Sekundentakt abgerechnet. Magie kann heilen und somit über Leben und Tod entscheiden. Durch den Tod seiner Mutter lernt Tykko einmal mehr, wie wichtig ein prall gefüllter Geldbeutel ist und wie wenig das Leben eines Niemand in der Wüste gilt.
Christophe Arleston erzählt auch mit Humor, aber er wendet ihn behutsam an. Man findet im Auftaktband mit dem Untertitel Die Reiter des Windes Erzähltechniken, wie sie auch in den abendfüllenden Kinofilmen der Disney-Studios oder auch bei Don Bluth immer wieder zu finden waren. Eine davon ist ein kleines knuffiges Wesen. Sprache ist hier nicht erforderlich. Es drückt sich möglicherweise durch ein Quietschen aus und kann zuweilen durch sein Eingreifen Schlimmeres verhindern. So gab es Evinrude, Gurgi und Hen Wen, auch Mushu (obwohl der einfach nicht aufhören wollte, Reden zu schwingen). Hier gibt es Geck, der eine erstaunliche Fähigkeit offenbart.
Da der Zeichner Nicolas Keramidas heißt, ist die Ähnlichkeit der Erzählung wie auch der Zeichnungen zum Disney-Stil kein Wunder. Keramidas arbeitete neun Jahre lang in den französischen Disney-Studios und hat hierzulande mit dem ersten abgeschlossenen Zyklus von Luuna auf sich aufmerksam gemacht. Ihm ist es zueigen, eine Welt gekonnt konstruieren zu können. Gemäß der Maßstäbe, die in einem Disney-Film an Design und Ausstattung gelegt werden, arbeitet Keramidas auch hier. Es ist eine sehr lebendig wirkende Welt, durchaus in Grafiken angelegt, die auch in einem Zeichentrickfilm vorkommen könnten.
Mit Bruno Garcia (im Team mit Cyril Vincent) hat sich außerdem ein Kolorist gefunden, der mit leichten kreideartigen Farbtönen arbeitet. Das ist mitunter sehr plastisch, manchmal durchscheinend angelegt. Es ist bunt, man könnte sagen orientalisch prall, aber niemals grell. Es wirkt, wäre es nicht auf Troy angesiedelt, als wäre es eine Geschichte aus 1001 Nacht.
Das Schicksal eines Jungen erfüllt sich: Wenn Christophe Arleston erzählt, schöpft er aus dem Vollen. Der versierte Autor diverser Comic-Reihen begibt sich mit einem neuen Abenteuer in die Wüste. Mit Nicolas Keramidas hat er genau den richtigen Zeichner für dieses märchenhafte Abenteuer gefunden. 
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Links: Homepage von Nicolas Keramidas, nicokeramidas.blogspot.com
Freitag, 16. April 2010
Ehre! Stolz! Das sind Grundeigenschaften eines Ritters. Roland mag zwar noch keiner sein, doch die Eigenschaften hat er verinnerlicht. Wenigstens diese. Geduld und Respekt, die Fähigkeit, das eigene Temperament im Zaum zu halten, gehören nicht dazu. Ein Junge kann sich dadurch nicht nur sehr unbeliebt machen, sondern auch Hals über Kopf in Schwierigkeiten bringen. Roland bildet da keine Ausnahme. Da man ihn einen Spion und Nichtsnutz schimpfte, glaubt Roland Genugtuung durch einen Zweikampf fordern zu können. Gegen einen erfahrenen Kämpen hat er allerdings nichts auszurichten. Es wird nicht die letzte Lektion sein, die Roland zu lernen hat.
Ritter! Nur wenige Genres strahlen eine derartige Faszination aus und konnten sich über einen sehr langen Zeitraum in der Literatur halten. Nachdem sie ihre großen Zeiten im Film hinter sich haben, blinzelt der gerüstete Held im Comic wieder hervor. Während einige nie ganz weg waren, kehren andere zurück, so auch Roland, der Ritter Ungestüm. 1966 erschien in Tintin das erste Abenteuer des waghalsigen Jungen, dessen überschäumendes Temperament einem D’Artagnan gut zu Gesicht gestanden hätte. Wäre es nach der neuen Redaktionsleitung von Tintin unter Greg gegangen, wäre Roland niemals erschienen. Glücklicherweise lag Greg mit seiner Einschätzung des Stoffes gründlich daneben.
Francois Craenhals entwarf die Figur des jungen Ritters unter dem Einfluss von Sonntagsserien wie Prinz Eisenherz oder Flash Gordon. Francois Craenhals zeichnet eine klare Linie. Er experimentiert nicht. Seine Striche sind sorgfältig gezogen, nicht schnell skizziert. Craenhals arbeitet künstlerisch und gleichzeitig handwerklich versiert. Die Bilder sind teilweise sehr detailfreudig umgesetzt und zeigen schöne Ansichten der mittelalterlichen Ritterwelt mit Landschaften, Burgen, Festsälen, allerlei Kämpfen und Aktionen. Auch das tägliche Leben wird nicht ausgelassen. Dies sind sozusagen die Kinomomente. Manches Gesicht oder Gefühlsaugenblick wird im Fernsehformat festgehalten.
Der Leser startet zusammen mit Roland in dessen Jugend. Er lernt einen Heißsporn kennen. Roland ist ehrenhaft, aber stolpert häufig über seinen Stolz und über den Umstand, dass er seine Ehre nicht angemessen verteidigen kann, da es ihm noch an Fertigkeiten und Kraft mangelt. Die Handlung der ersten Geschichte Der schwarze Prinz erinnert sehr an die immer noch wunderbare (und unerreichte) Verfilmung Prinz Eisenherz von 1954 mit Robert Wagner in der Titelrolle. Aus dem schwarzen Ritter wurde ein schwarzer Prinz. Ein älterer stattlicher Ritter erhält die Bewunderung des Jungen. Und schließlich gilt es den großen König Artus, von der Wahrheit zu überzeugen. Ob sich Francois Craenhals vom Film inspirieren ließ, lässt sich nicht beweisen, fest steht aber, dass er schon in der nächsten Episode seinen eigenen Weg findet.
Die Wölfe von Rotteck führen Roland weit fort von der königlichen Burg und hin zu einer gefährlichen Aufgabe. In den Ardennen, einem Flecken Erde, der es sich unter seinen wilden Herren zunutze macht und dem König keinen Tribut leistet, soll Roland die Ordnung herstellen und ein vorbildliches Lehen formen. Eine riesige Aufgabe für einen jungen Mann seines Alters. So gilt es sich zuallererst gegen die eigenen Leute durchzusetzen. Hier wandelt sich Roland auch erst so richtig zur Identifikationsfigur mit hohem Sympathiewert. Seine große Klappe beherrscht er mehr, er lernt dazu und gelangt ein ums andere Mal in Situationen, die das Mitleid des Lesers erregen sollen (und können).
Grafisch erinnert die Arbeit von Francois Craenhals etwas an die Technik eines Roger Leloup, wenngleich letzterer mehr architektonisch zeichnet und Craenhals Feder und Pinsel auch mal machen lässt.. Das Ergebnis ist eine mittelalterliche Atmosphäre mit optisch hohem Unterhaltungswert. Die Zeichnungen genügen immer noch den modernen Ansprüchen, mögen sogar manchen neueren Techniken, die wilder sind, etwas voraus haben. Durch die Ruhe, die dem Auge hier gegönnt wird, lässt es sich auch wunderbar in Ruhe lesen (besser kann ich es nicht ausdrücken, trifft es aber auf den Punkt).
Wer klassische Ritter-Unterhaltung mag wie Prinz Eisenherz, wer noch den Filmklassikern wie Die Ritter der Tafelrunde oder Ivanhoe hinterhertrauert oder wer einfach eine tolle (besser gesagt gleich drei) Abenteuergeschichte(n) mag, die ganz klassisch gezeichnet ist und in einer gelungenen Aufmachung neu aufgelegt worden ist, der liegt hier genau richtig. 
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Dienstag, 13. April 2010
Wilhelm von Tyrus und der junge König Balduin leben noch! Die Hintermänner, die den Jungen und seinen bischöflichen Mentor tot sehen wollen, erhöhen den Druck auf ihre Handlanger. Wilhelm und Balduin indes werden durch den Fehlschlag ihrer Feinde in ihren Bemühungen zur Aufklärung der Ereignisse nur angespornt. Im Heiligen Land sind aber nicht nur Christen in die Geschehnisse verwickelt. Auch Saladin, der Anführer der im Lande ansässigen Heerscharen, weiß von dem, um das es im Kern des Ganzen geht: Ein fünftes Evangelium. Nicht auszudenken, was eine solche Schrift unter der Christenheit und, noch viel wichtiger, in den Reihen der Kirche, anrichten könnte. Doch vorerst ist das unbekannte Schriftstück verschwunden, obwohl die Bemühungen allseits immer größer werden, diesem Text auf die Spur zu kommen.
Meister und Schüler auf beiden Seiten. Autor Jean-Luc Istin kennt sein Metier. Das hat er mit Die Druiden, Das Reich Sienn, aber auch in extremer Form mit Der Herr der Finsternis bewiesen. Istin stellt einem guten Duo ein böses Duo gegenüber. Zwei Mentoren, zwei Schüler, letztere beide gezeichnet. Beide betrachten das Zeichen offenbar als Gabe. Rückblicke werden mit gegenwärtigen Ereignissen verglichen. Während der eine sich dem Hass ergibt, versucht der andere seine Fähigkeiten in die Bahnen zu lenken, die seinem Volk und seinem Gott dienen können.
Aber Istin ist als Erzähler kein Schwarzweißmaler. Beispielhaft nimmt er Wilhelm von Tyrus her, der die Folter an einem Gefangenen zur Erlangung von Informationen nicht nur duldet, sondern auch nachdem sie nicht mehr erforderlich ist, sie als Strafmaßnahme begünstigt. Istin zeigt Wilhelm als Mann, der sich nicht gut dabei fühlt, es aber immer noch als notwendig erachtet, da er seinen Gefolgsleuten diese Maßnahme in gewisser Weise auch als Belohnung zugesteht. Kurzum, es wird zwar nur sehr wenig von der Prozedur gezeigt, wie auch von sonstigen Kämpfen und Gewaltausbrüchen, aber diese von Istin gezeigte Welt ist brutal. Legt man entsprechende Quellen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zugrunde, sind die von Istin angeführten Szenen nicht einmal übertrieben.
Thimothee Montaigne, ein junger Künstler, beherrscht eine eher klassische Technik. Seine Bilder ähneln den Werken eines Mathieu Lauffray (Prophet), ein wenig einem John Buscema und einem Alan Davis. Es finden sich Anleihen von Mangas, sehr eindrücklich zu sehen in einer Rückblende gleich zu Beginn. Mittels sehr betonter Schwarzflächen, starker Umrisse nimmt Montaigne das Auge des Lesers gefangen. Stetig wechselnde und sehr gut ausgeführte Perspektiven zeugen von einem cineastisch geprägten Auge des Zeichners. Montaigne erhält neben ruhigen Momenten und Szenen der Aktion auch Gelegenheit die Gruselelemente in der Geschichte herauszuarbeiten. Gerade diese Bilder sind atmosphärisch sehr dicht und einprägsam.
Ein sehr dichter und interessanter zweiter Teil, der eine Reihe von Fragen klärt und nun den Abschluss einläutet. Thimothee Montaigne ist ein Zeichner, von dem angesichts seines Stils noch einiges zu erwarten sein dürfte. 
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Die Hexen haben wieder zugeschlagen. Die Leiche, die an einen Pfahl gefesselt im Wasser hängt, schaut aus toten Augen gequält zu den Rittern, die sie gefunden haben, auf. Aber die Männer rühren sich noch nicht, um den Leichnam zu bergen, denn sie sind alles andere als überzeugt, dass die Missetäterin schon das Weite gesucht hat. Mit einem bewährten Trick wollen sie ein dafür verantwortliches Untier anlocken. Alle verhalten sich ruhig und warten. Plötzlich geschieht ein Missgeschick. Einem der Männer fällt ein Dolch ins Wasser. Das sich unter der Wasseroberfläche zum Köder hin schlängelnde Monster ändert sogleich die Richtung und greift an.
Hexen hexen nicht nur. Wenn es nach Philippe Delaby und Jean Dufaux geht, sind Hexen gewalttätige, mordlustige, hinterhältige und menschenfressende Monster, die sich mit einer großen Disziplin verstellen können. Autor Jean Dufaux beginnt mit Ritter des verlorenen Landes den zweiten Zyklus um Das verlorene Land. Dieser Umstand fällt allerdings nicht auf. Die Geschichte zieht einen Neueinsteiger sogleich mit hinein. Wer die eine oder andere Ritter-Saga gelesen hat, mag sich vielleicht schneller mitreißen lassen, bei anderen, die sich Mystery in einer handfesten Ritterwelt vorstellen können, sollte sich der Punkt, an dem sie von der Geschichte eingefangen werden, nach wenigen Seiten einstellen.
Hexenjäger! Tapfere Männer sind den dämonischen Frauen auf der Spur, bei denen es sich um alles andere als kräuterkundige Alte handelt. In einer Szene darf der Leser die Helden an einen tiefen Schacht begleiten, der an das unterirdische Gefängnis aus Armee der Finsternis erinnert. Doch: Hier gibt es nichts zu lachen! Gäbe es nicht den sehr starken phantastischen Aspekt in der Geschichte, würden die Bilder einen hervorragenden Ausblick auf das Mittelalter bilden. In einem Land, optisch dem welligen Land Schottlands angenähert, ist das Leben karg. Die Himmel sind häufig verhangen und das Land selbst eher braun als grün.
Die Bilder von Philippe Delaby strahlen eine ähnlich realistische Atmosphäre aus wie die Bilder von Jacques Lamontagne (Die Druiden). Die Qualität des Titelbildes ist hier stellvertretend für den Rest des Albums. (Wenngleich das Titelbild wie in den meisten Fällen noch eine Spur aufwendiger gemalt ist.) Die Gestaltung ist mit einem immensen Aufwand betrieben worden. Körper wie Menschen, Gebäude, Landschaften, Tiere und vieles mehr werden mit extrem feine Außenlinien gezeichnet und mit lasierenden Farbaufträgen mit Volumen gefüllt. Als Ergebnis entstehen sehr leicht anmutende Bilder. Ein jeder Körper ist optimal im Raum platziert und ausgeleuchtet.
Obwohl die Farben so leicht sind, ist der Gesamteindruck der Szenen kräftig. Männer und Frauen sind überaus realistisch gezeichnet und mit ausreichenden Variationen, so dass die einzelnen Charaktere unverwechselbar sind. Hier wurde von Philippe Delaby, Zeichner und Kolorist in einer Person, viel Wert auf Eindeutigkeit der Personen gelegt. Die Männer sind kernig, aber nicht übertrieben im Sinne eines Barbaren-Epos, die Frauen sind hübsch, aber mit Fehlern. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn schließlich handelt es sich hier um Hexen. Gewalttätige und gut aussehende Frauen sind zwar keine Erfindung dieser Geschichte, dafür haben die Ritter des verlorenen Landes mit einigen Überraschungen aufzuwarten, die dieses erzählerische Werkzeug ganz besonders optisch neu einsetzen.
Eine tolle Mischung aus Historiengeschichte und Fantasy-Handlung: Hexenjäger im Mittelalter. Fernab der wahren Begebenheiten um dieses Thema breiten Jean Dufaux und Philippe Delaby ein filmtaugliches Comic-Album vor dem Leser aus. Mysteriös und überaus spannend: Sehr gut. 
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