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Comic Blog


Sonntag, 24. Januar 2010

Vinci

Filed under: Mystery — Michael um 18:31

VinciEin Gesicht für Judas: Es ist nicht leicht zu finden, dieses Gesicht, das dem Mann gehört, der Jesus verraten hat. Leonardo da Vinci, ein Universalgenie und ein begnadeter Maler, hat seine Probleme mit diesem Gesicht, das eben eines nicht sein darf: Verräterisch. Die Güte im Gesicht des Herrn zu malen, sei leicht, behauptet Leonardo. Das Böse im Herzen von Judas sei von außen nicht zu sehen. In der Tat ist bereits jede Figur auf dem neun Meter breiten Gemälde personalisiert, nur Judas nicht. Manchmal arbeitet Leonardo an seinem Bild, manchmal starrt er es nur stundenlang an. Obwohl dies seine vordringlichste Aufgabe ist, lässt er andere Auftragsarbeiten wie auch die eigenen Studien nicht außer Acht.

Für den Herzog von Mailand soll er ein Reiterstandbild entwerfen. Doch gerade in Kriegstagen und in Zeiten nur mager gefüllter Kassen ist es selbst für einen Fürsten eine unlösbare Aufgabe, derart viel Bronze für ein Standbild aufzutreiben. Viel näher läge es, einmal auszurechnen, wie viel Kanonen daraus gegossen werden könnten. Aber das sind Leonardos Probleme. In Mailand selbst geht ein Mörder um. Im Winter des Jahres 1494/95 findet sich in den frühen Morgenstunden eine Leiche auf dem zugefrorenen Fluss. Ihre Gesichtshaut wurde entfernt. Dennoch ist die Identität des Toten schnell ermittelt. Das Rätsel um das Mordmotiv ist bei weitem nicht so schnell gelöst.

Eine Verschwörung: Aber zu welchem Zweck? Didier Convard, der Autor, dürfte Comic-Fans, die an mysteriösen Thrillern interessiert sind, bereits durch die beiden Zyklen um Das geheime Dreieck bekannt sein. Darüber hinaus ist er ein über die Jahre sehr aktiver Comic-Autor. Mit Vinci widmet er sich jener Schaffensphase von Leonardo da Vinci, die der Meister von 1494 bis 1499 in Mailand verbrachte. Im zweiten Teil des vorliegenden Bandes kann der Leser das Leben Leonardos in Venedig verfolgen.

Convard greift die wahre Historie um die Entstehung des Letzten Abendmahls auf. Er verzichtet aber darauf, das Bild selbst in den Mittelpunkt unheimlicher Geschehnisse zu rücken, wie es beispielsweise ein Javier Sierra mit seinem Buch Das geheime Abendmahl macht. Es bleibt auch zuerst ungewiss, ob Leonardo tatsächlich im Mittelpunkt des Geschehens steckt, oder ob er eher eine Nebenfigur ist. Diese Ungewissheit erschwert den Zugang ein wenig, falls man mit einer Erwartungshaltung an die Lektüre geht. Wirft man sämtliche Vorkenntnisse über Bord, auch solche, die von Konzepten eines Dan Brown herrühren, dann lässt man sich auf eine sehr interessante und mit zunehmendem Maße spannende Geschichte ein.

Die Lebensgeschichte und die Werke eines Leonardo da Vinci sind ohnehin aufregend und faszinierend. Ein Künstler und Genie, der seiner Zeit durch seine Gedankenspiele immer voraus gewesen zu sein scheint, kann in der hier beschriebenen Gesellschaft, die real existierte, nur eine Art Außenseiter sein. Ein Außenseiter, dem Bewunderung entgegengebracht wird, aber immer noch ein Außenseiter. Seine Verhaltensweisen sind ebenfalls nicht dazu angetan, ihn in ein bürgerliches Leben zu integrieren. Historische Begebenheiten und Ermittlungen in Mordfällen wechseln einander ab: Zuerst in Mailand, später in Venedig. Didier Convard lässt keine Fragen am Schluss der Handlung offen. Wirklich keine und so werden nicht nur die Mordfälle gelöst. sondern auch die Zurückhaltung eines Leonardo begründet.

Gilles Chaillet zeichnet die klare Linie, die ein Grund für die Berühmtheit der frankobelgischen Schule ist. Chaillet konnte mit seinen Zeichnungen in Vasco bereits zeigen, wie sehr im historische Szenarien liegen. Seine penible Arbeit ist geniales Anschauungsmaterial, wie er auch mit seiner Arbeit an Das Rom der Kaiserzeit bewiesen hat. Diese Anschaulichkeit findet sich in den Kulissen des alten Mailand und Venedigs wieder. Schnörkellos ordnet sich Chaillet mit seinen Bildern der Handlung unter. Das gibt dem lesenden Auge viel Ruhe. Andererseits verlangen es die sehr schönen Bilder auch, nach Lektüre des Textes, ausgiebig betrachtet und auch genossen zu werden.

Eine packende Geschichte in einem spannenden historischen Zeitabschnitt: Die faszinierende Figur des Leonardo da Vinci steht im Kern einer unheimlichen Mordserie. Geschickt vermischt Thrillerexperte Didier Convard Wahres mit Erfundenem. Die Bilder von Gilles Chaillet transportieren die Handlung unaufdringlich, aber in perfekter Illustration. 🙂

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