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Comic Blog


Freitag, 16. Oktober 2009

Monika Morell 5 – Waffenstillstand

Filed under: Cartoon — Michael um 18:11

Monika Morell 5 - WaffenstillstandAllein auf einer fremden Insel: Monika Morell fürchtet sich nicht. Das Wetter ist furchtbar, die Landung selbst ist schon ein Abenteuer, trotzdem schlägt sich die junge Frau ins Inselinnere durch. Stechmücken und Krokodile machen Monika Morell das Leben schwer. Kurz darauf setzt tagelanger Regen ein. Leider hat sie nicht die beste Ausrüstung für dieses Unterfangen dabei. Aber sie gibt nicht auf. Bis sie von der Schlange gebissen wird …

Marc Wasterlain gehört zur alten Garde der Comic-Schaffenden. Sein Weg führte ihn klassisch in Branche über eine Arbeit im Zeichenstudio von Peyo, zeichnete für Tintin und kreierte 1982 im Magazin Spirou die Figur der Journalistin Jeanette Pointu oder, wie sie hier genannt wird: Monika Morell. 20 Jahre musste deutsche Leser seit Band 4 auf einer Fortführung der Serie warten. Inzwischen umfasst die Originalserie 20 Ausgaben.

Marc Wasterlain, der auch mit Walthery (Natascha, Rubine u.a.) zusammenarbeitete, begnügt sich hier nicht mit einer klassischen Abenteuergeschichte, wie der Leser sie von manch anderen frankobelgischen Comics her kennt. Der Auftakt ist in dieser Hinsicht irreführend. Das ist ein wenig wie Franka oder Tim ohne Struppi. Spätestens auf dem Flug, der dem Inselabenteuer folgt, kommt erhöhter Realismus auf durch den Begleitschutz eines Luftwaffendüsenjägers. Willkommen in Südamerika.

Parador: Als der Band 1989 zum ersten Mal erschien, hatte die Welt noch andere Probleme als die Deutsche Wiedervereinigung. Immer noch sind Diktatoren, Militärjuntas, Revolution und Rebellion ein Thema in Südamerika. Kaum ist Monika Morell am Flughafen angekommen, befindet sie sich nicht nur in einem Land, das im Bürgerkrieg ist, sondern auch sofort in Schwierigkeiten. Eine simple Frage, Journalistin hin oder her, bringt die Ordnungshüter dazu, sich ihr Gesicht zu merken.

Vom Hotel geht es in die Slums. Die Journalistin erfährt auf sehr lebensnahe Weise, was im Land los ist. Bittere Armut und Unterversorgung stehen neben Lebensfreude und Herzlichkeit. Wilde und nie zähmbare Natur umgibt den Versuch einer Zivilisation, die mit sich selber im Krieg liegt. Mittendrin steckt Monika Morell und muss am eigenen Leib erfahren, wie es ist, unter Beschuss genommen zu werden.

Marc Wasterlain spielt mit Zivilisationskritik, er lässt Informationen über die Tätigkeit von WHO und UNICEF einfließen und zeichnet ein äußerst düsteres Blöd von er Welt, im wahrsten Sinne des Wortes. In einem improvisiert leichten Strich, zerbrechlich wirkend ergeht sich Wasterlain aber nicht nur in Ernsthaftigkeit. Monika wirkt manchmal wie ein weiblicher Pierre Richard, der gemäß seiner humoristischen Rollen ein ums andere Mal zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Oder manchmal ist Monika auch gar nicht am richtigen Ort, sondern kommt wieder einmal zu spät. Wasterlain liebt Situationskomik. Manches ist geplant, anderes erfolgt kurzfristig. So wird Monika Morell auch schlicht von wilden Wasserschweinen über den Haufen gerannt. Wasterlain versieht seine Zeichnungen mit vielen Details. Es geht vom Dschungel in die Stadt, wieder in den Dschungel. Neben Rebellen und Soldaten erwarten den Leser Fußballspiele, Slumkinder, südamerikanische Indianer und Kampfhubschrauber. Alles ist etwas verwackelt, aber auch ein wenig Herge. Das mag einfach wirken, ist es jedoch in dieser Ansammlung nicht. In der Gesamtheit einer Seite funktioniert es bestens.

Wasterlain entwirft ein prall gefülltes und nach alter Schule gezeichnetes Abenteuer. Wer Abenteuer mit einem Schuss Kritik mag, dem es aber auch am notwendigen Humor nicht fehlt, sollte einen Blick riskieren. 🙂

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Mittwoch, 14. Oktober 2009

The Walking Dead 9 – Im finsteren Tal

Filed under: Horror — Michael um 14:27

The Walking Dead 9 - Im finsteren TalWas macht ein kleiner Junge, wenn er in Schwierigkeiten steckt? Normalerweise wird er bei seinen Eltern Hilfe oder Rat suchen. Oder wengistens bei einem von beiden. Wenn die Mutter hingegen getötet wurde, der Vater bewusstlos ist vor Krankheit und Schmerz, dem Tode näher als dem Leben, dann hat der kleine Junge ein großes Problem. Carl, so sein Name, hockt in diesem heruntergekommenen Haus, nicht wissend, ob sein Vater lebend wieder aufstehen wird.

Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
(Aus: Psalm 23)

Rick Grimes, der ehemalige Polizist, und sein kleiner Sohn brauchen allen Trost, den sie finden können, denn die beiden sind seit dem Überfall auf ihre letzte Zufluchtsstätte auf sich gestellt. Das bedeutet ständige Flucht und nur wenige Verschnaufpausen. Grimes, der nach einer Auseinandersetzung mit der Gruppe eines wahnsinnigen Gouverneurs nur noch eine Hand besitzt, ist sehr auf die Hilfe des jungen Carl angewiesen.

Das ist die Ausgangsituation: Ein verletzter Mann mit einer Hand, psychisch und physisch angeschlagen. Ein kleiner Junge, der eigentlich im besten Alter für die Junior School ist. Umgeben von Ödnis und Zombies, was bedeutet: Nahrung finden oder selbst zur Nahrung werden.

Robert Kirkman, Erfinder und Erzähler von The Walking Dead, darf sich freuen, wie in diesen Tagen zu lesen war. Seine Serie soll für das Fernsehen adaptiert werden. Das ist, obwohl das Thema Zombie gewisse Verbreitung in Buch, Comic und Film erfahren hat im Medium TV eher ungewöhnlich. Man darf gespannt sein, wie der Sender AMC und Regisseur und Drehbuchautor Frank Darabont (u.a. The Green Mile, Der Nebel) die Umsetzung angehen werden.

In der vorliegenden Episode beschreitet Kirkman selbst wieder den Weg zurück zu den Wurzeln. Alles ist wieder offen. Konnte der Leser zum Schluss des letzten Bandes noch glauben, es könne nicht mehr schlimmer kommen, sieht er sich getäuscht. Eigentlich darf man aber genau das erwarten, denn Kirkman ist ein Autor vom Typ Es kann immer schlimmer kommen! Da er die Szenerie auf eine sehr begrenzte Anzahl von Menschen reduziert, kann er diese nun auch weiter herausarbeiten. Dies gelingt mit einigen sehr aussagekräftigen Szenen. Carl steht vor der Wahl, ob er noch ein Kind sein will oder schon erwachsen. Kirkman quält seine Charaktere durch die Umstände und treibt sie bis zu völligen Erschöpfung.

Nachdem die trügerische Sicherheit des ehemaligen Gefängnisses hinter Rick und Carl liegt, gilt es nun die Trümmer aufzusammeln und neue Ziele zu stecken. Kirkman führt zusammen, was noch vorhanden ist. Viel ist das nicht mehr. Aus einer hoffnungsvollen Gruppe ist ein Häufchen Elend geworden. Neben den Zombies wollen auch Attacken der eigenen Psyche abgewehrt werden. Rick und sein Sohn bestehen ihre ganz eigenen Prüfungen, die mit Bravour von Kirkman aufgebaut und vollendet werden.

Sie leiten zu einem weiteren Wendepunkt hin. Nach der Katastrophe muss eine Neuorientierung erfolgen. Bisher haben sich die Überlebenden mit den Umständen arrangiert, sie waren Spielball oder sie haben sich eingeigelt. Das neue Ziel lautet: Löse das Problem.
Das Problem sind die Zombies. Wie konnten sie entstehen? Wer ist der Initiator dieses Wahnsinns? Sicherlich ist diese Frage nicht mit der guten alten Prophezeiung zu beantworten: Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist … Ähnlich wie ein David Wellington (Stadt der Untoten, Nation der Untoten) einer Auflösung des Desasters nur langsam folgt, bietet sich hier ein Ziel auch nur in weiter Ferne an. Und das ist, gemessen an all den Gefahren, die Kirkman noch einbauen kann, sehr weit weg.

Kirkman ist in seinem Element: The Walking Dead ist ganz einfach seine Serie. Charlie Adlard liefert tolle Schwarzweißbilder ab, die das Grauen optimal einfangen. Hier wird keine Farbe benötigt. Ein Wendepunkt der Reihe. Es ist wieder alles offen. Sehr gut. 🙂

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Montag, 12. Oktober 2009

Der kleine Spirou 14

Filed under: Cartoon — Michael um 18:36

Der kleine Spirou 14 - Geschieht dir ganz recht!Will jemand einen Spirou? Nein, keine Junggesellenversteigerung? Nein, einen kleinen unartigen Jungen, der hier in einem Vogelkäfig sitzend angeboten wird. Und niemand geringerer als seine eigene Mutter bietet ihn an. Gnadenlos, vehement, voller Begeisterung. Die Gebote sind zuerst verhalten, auch noch zu niedrig, bis sich schließlich eine Dame meldet und alle anderen mit ihrem Gebot (und ihrer Begründung) überrascht. Armer Spirou? Nein! Geschieht dir ganz recht!

Jean-Richard Geurts, oder besser Janry, führt die Erlebnisse rund um den kleinen Spirou fort. Die Betonung liegt auf rund um den, denn ohne seine Zuspieler, die allesamt sehr gut vorgestellt werden, wäre Spirou selbst sicher nur halb so lustig:

Strulli, der Hund. Fräulein Chiffre, die Mathematiklehrerin. Oma (väterlicherseits). Mama (nicht selten am Rand des Nervenzusammenbruchs). Turnlehrer Jahn (völlig aus der Form geraten, in jeder Hinsicht). Pfarrer Steiner (mit einer ganz besonderen Methode des Geschichtsunterrichts). Melchior Knieweich (der heimliche Geliebte von Fräulei Chiffre, sehr zum Leidwesen von Spirou, na, eigentlich sehr zum Leidwesen von allen Schülern in Spirous Alter). Opa (mag Spirou von allen Erwachsenen am liebsten, abgesehen von seiner Mama).

Bevor Spirou in dieser Ausgabe zu Werke geht, mit einseitigen Geschichten sein Leben zu beleuchten, in dem er mal Täter, mal Opfer ist, wird eine wahre Liebesgeschichte erzählt, wie sie nur ein kleiner Stepke erleben kann. Mathematik kann eine ziemlich langweilige Angelegenheit sein für einen kleinen Jungen. Spirou beschließt, der beste Schüler zu werden, den Fräulein Chiffre jemals gehabt hat: Aus Liebe. Dies wird von Janry mit so viel unangestrengter Herzlichkeit und Komik erzählt, dass eine Gegenwehr gegen das aufkeimende Schmunzeln nicht möglich. Tome erledigt durch seinen Strich, der nah an Franquin ist, den Rest.

Manchmal wird der Ball auch von der anderen Seite gespielt. Dann erledigt Tome die Vorlage und Janry macht die Pointe. Ein sehr schönes Beispiel hierfür sind natürlich Sketche, die mit wenig oder gar keinem Text auskommen. Als Spirou doch von seiner Schwärmerei für Fräulein Chiffre ablässt und mit seiner Schulkameradin (und Freundin?) Susi einen Ausflug macht und ein sich selbst aufblasendes Zelt testet, geht selbiges fliegen und Janry fängt es mit einer absolut perfekten Schlussszene wieder ein.

Ein geradezu technisches Vorzeigestückchen ist der Sketch über einen Tag am Strand. Spirous Freund zählt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine überflüssige Mathematikübung. Vielmehr erlebt der Leser einen verlängerten Countdown, bis sie kommt: Die perfekte Welle. Womit Janry beweist, dass kleine Jungs auch nur Männer sind. Während die Damen, Schülerinnen wie Mathelehrerin, in der 75. Welle ihrer Wasserbekleidung verlustig gehen, da kein Gummizug der Saugkraft dieser Woge widerstehen kann, stürzen sich die beiden Jungs mit großen Augen und die Hosen festhaltend in die Fluten.

Obwohl hier ein kleiner Junge am Werk ist und sein Unwesen treibt, es auch sehr viele Momente gibt, wie sie nur ein kleines Kind erlebt, weil es sich noch einfallsreicher und genügsamer zu vergnügen weiß, gibt es auch eine Reihe von Sketchen, die sich um das Thema Nummer 1 drehen: Liebe. Damit das auch realistischer (na, sagen wir für Erwachsene komödiantischer) erfolgen kann, müssen Zeitgenossen wie Turnlehrer Jahn an die Front. Letzterer wirkt wie eine Kreuzung aus Lino Ventura und Heinz Hönig (passenderweise in seiner Rolle als muffeliger Sportlehrer Werner Rösler in Unser Lehrer Doktor Specht).

Der gute Jahn muss in dieser Ausgabe gewaltig einstecken. Er ist zwar nicht so aufgebaut, dass Mitleid entstehen soll, aber ab einem gewissen Punkt, als auch noch das letzte Quentchen Hoffnung Jahns erstickt wird, darf man für Jahn doch ein Tränchen verdrücken. Jahn ist jene Figur, die stets aufs Neue versucht einen Vertrag zu unterschreiben, aber leider kommt dank eines gemeinen Zwischenfalls (oder einer gemeinen Planung) immer etwas dazwischen (erinnert an gewisse Passagen aus der Redaktion von Gaston).

Leise Komik, fein serviert, abgeschmeckt mit purer Slapstick, etwas Albernheit und einem Schuss Hintergründigkeit. Angerichtet auf einem Bett von guter Menschenkenntnis, beträufelt mit Verständnis und Herzlichkeit. So muss Humor sein. Klasse. 🙂

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Sonntag, 11. Oktober 2009

Prophet 1 – Ante Genesem

Filed under: Mystery — Michael um 19:02

Prophet 1 - Ante GenesemProfessor Jack Stanton und sein Mentor Professor Alexander Kandel stehen endlich am Ziel all ihrer Forschungsbemühungen. In 6000 Metern Höhe, inmitten schroffer Felsen und umgeben vom ewigen Eis entdecken sie ein in den Fels gemeißelten mindestens 400 Meter hohen Tempel. Aber die langjährig erwartete Entdeckung führt zu einem Sinneswandel von Professor Alexander. Angesichts der Monströsität des Bauwerks bricht sein Enthusiasmus zusammen. Niemand darf jemals von dieser Kathedrale des Unheiligen erfahren. Jack Stanton jedoch will nach all den Bemühungen nicht auf den verdienten Ruhm verzichten.

Ein Buch entsteht. Stanton genießt die Aufmerksamkeit. Über das Fernsehen hat er die Möglichkeit, seine Theorien zu verbreiten, die natürlich etwas marktschreierisch sind, aber im Sinne einer verkaufsfördernden Maßnahme zu erwarten waren. Leider geben die verbreiteten Thesen den meisten Menschen keinerlei Grund an all das, was Stanton erzählt, zu glauben. Doch die wenigen, die Stanton beeindruckt hat, sehen das anders. Einer von ihnen versucht den Professor sogar zu töten. Und das ist erst der Anfang.

Xavier Dorison, Comic-Fans phantastischer Stoffe bekannt von aktuellen Serien wie W.E.S.T. oder Long John Silver, erzählt die Geschichte eines Propheten. Ein Blick in die Bibel zeigt, dass die Visionen, oder jene Dinge, die sie sahen, nicht immer leicht verständlich waren. Es ist keine leichte Vision, die hier von einem Jack Stanton empfangen wird, aber sie ist umso spannender für den Leser. Angeblich gehören Autoren wie Stephen King oder Michael Crichton zu seinen Vorbildern. Nach der Lektüre des vorliegenden Bandes dürften Fans der beiden letztgenannten Autoren dies ausdrücklich unterstreichen.

Mathieu Laffray ist ein klassischer Illustrator, der bei einigen Projekten sein Können unter Beweis stellen konnte. Für Dark Horse schuf er die Titelbilder zu den Comic-Umsetzungen der Thrawn-Trilogie und gab dem Admiral das Aussehen von Clint Eastwood. Für den Film Der Pakt der Wölfe arbeitete er als Konzept-Designer. (Seine Homepage zeigt viele schöne Arbeiten von ihm.

Sein Strich ist ausdrucksstark und auf dem Punkt. Bei Laffray findet sich ein beherrschter, aber auch natürlicher zufälliger Strich wieder, wie er auch einer Illustratorlegende wie John Buscema zueigen war. Die Gesichter besitzen Charakter, Kantigkeit und Individualität. Die Gestaltung der Umgebung fällt aufwändiger aus. Xavier Dorison gibt die nötigen Vorgaben dazu. Seien es der erwähnte Turm, den die beiden Professoren auf ihrer Expedition finden, ein wahrhaft apokalyptisches Szenario im Herzen von New York oder im weiteren Verlauf die Geschehnisse, die dem Comic erst ihren Namen geben: Laffray setzt immer das Nötige ein. Die nötigen Striche, die nötige Tusche (bzw. Schatten) und die nötige Farbe. Die Bilder wirken in absoluter Balance.

Nachdem er sich mit der Realität zu Beginn arrangieren muss, kann sich Laffray in der zweiten Hälfte auf das Gebiet des Phantastischen geben. Es ist ein Ausflug in Bilder, die das Gefühl von Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, Der dunkle Turm, ein wenig Dantes Inferno, aber auch von mancher Conan-Geschichte aufkommen lassen. Riesige versteinerte tote Körper sehen aus, als verharrten sie im Moment ihres Todes mitten in der Bewegung. Manche Details zeugen noch davon, was ihnen vorher geschah. Stanton selbst bleibt unerwartet cool. Zigarette rauchend sitzt er auf einem überdimensionalen Totenschädel am Sandstrand eines unwirklichen Meeres. Laffray zeigt viel, doch noch bleibt für die Vorstellungskraft übrig. Wie in sorgsam servierten Appetithäppchen lüftet diese fremde Welt Bild für Bild ihre Geheimnisse.

Das geschieht natürlich nicht zur Gänze. Dorison verfährt ähnlich wie Stephen King, der einst seinen Revolvermann auf die Reise schickte. Aus dem anfänglich dünnbandigen Geschichtchen wucherte regelrecht ein ganzes Universum. Hier gewinnt man als Leser sehr schnell den Eindruck, dass genau das auch hier passieren kann. Das Potential ist mehr als vorhanden. Dorison ergeht sich in Rätseln und erinnert mit dieser Technik auch an den Comic-Autor Regis Loisel. Zum Auftakt werden Puzzleteile ausgebreitet. Als Leser erkennt man, wo etwas zusammenpassen könnte, doch man kann sich erst sicher sein, wenn der Autor die Lösung tatsächlich preisgibt.

Nahe an der Perfektion: Rätselhaft, düster, verschachtelt, aber mit Verstand erzählt. Erstklassig illustriert. Lange war endzeitliche Stimmung nicht mehr so gut. 🙂

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Links:
www.lauffray.com (Homepage von Mathieu Lauffray)
www.youtube.com/watch?v=bo4d8oTU2tk (Drawing Superheroes 2/3, John Buscema ist der erste Zeichner)

Freitag, 09. Oktober 2009

Das goldene Jahrhundert 2 – Bernard

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:34

Das goldene Jahrhundert 2 - BernardMoplai, der Mann mit der Narbe, hat wider Erwarten seine neuen Schützlinge in Sicherheit gebracht. An Bord eines Schiffes sollen sie weit weg auf die Antillen, ins Herz der Karibik gebracht werden. Doch die Sicherheit ist trügerisch. Der Mann mit der Narbe überlässt die Obhut seiner Schutzbefohlenen Kapitän Libert, den er ausreichend eingeschüchtert glaubt. Das ist ein Fehler, wie es sich für Alphonse und den Jungen Bernard bald erweisen wird.

Simon Andriveau hat seine Hausaufgabe gemacht. Mit der zweiten Folge von Das goldene Jahrhundert wird gleichzeitig eine Epoche längst vergangener Piratengeschichten wiedererweckt. Sofort fühlt man sich an jenen Urklassiker Unter Piratenflagge erinnert. Sklavenhandel und Sklavenarbeit auf den Inseln, irgendwo in der Karibik, wo viele Piratengeschichten angesiedelt sind.

Natürlich hinkt der Vergleich auch ein wenig, da es hier nicht um Piraten geht. Aber die Kulisse ist ähnlich der, die sich in einigen Filmen von Errol Flynn wiederfindet: Gegen alle Flaggen oder Der Freibeuter. Das goldene Jahrhundert atmet diese goldenen Jahre der Hollywood-Abenteuer. Andriveau spielt mit der Exotik des fernen Eilands, mit den Gefahren durch skrupellose Sklaventreiber und er zeigt das Leben der Sklaven in all seiner Härte. Der Ausweg, so scheint es, ist das Leben als Freibeuter. Wer es vermag, der läuft weg und schließt sich den Gesetzlosen an.

Vor dem Hintergrund von Intrigen und schauerlichen Gemetzeln entspinnt Andriveau eine ebenso abenteuerliche wie auch spannende Fortsetzung, verpflichtet sich aber auch dem Realismus. Leid entsteht hier durch Unglauben. Weder Alphonse, der auf den Jungen Bernard aufpassen will, noch Bernard selbst, der hier im Mittelpunkt der Geschichte steht, kann sich vorstellen, dass ihr Schicksal diese grausame Wendung nehmen soll, nachdem doch alles so arrangiert war, um sie in Sicherheit zu bringen.

Das Leben an Bord des Schiffes zu Beginn der Geschichte verläuft eher ruhig. Andriveau nutzt die Zeit, um ein paar Geheimnisse zu lüften und (ein absolut beliebtes und stets wiederkehrendes Stilmittel) neue einzustreuen. Damit die dramatische Enthüllung nicht ganz ohne Aktion verläuft, erfährt Bernard von einem der Mitreisenden etwas aus der Vergangenheit des Mannes mit der Narbe. Man fühlt sich angesichts des Verhaltens des Mannes an einen Rächer wie Wolverine erinnert, denn nicht selten hat der kleine Mutant ähnliche Vorgehensweisen ohne Rücksicht auf die eigene Person gezeigt. Der Mann mit der Narbe jedoch verfügt über keinerlei Selbstheilungskräfte, umso erstaunlicher ist es, wie er seine Schmerzen in bester Rächermanier wegsteckt.

Simon Andriveau skizziert mit großem Geschick. Er setzt sich selbst keinerlei Stilgrenzen. Es wird gestrichelt, schraffiert und gepunktet, falls nötig. Es gibt keine bestimmte Richtung, keinen Winkel, der dabei eingehalten wird. Das Ergebnis zählt, wie auch gleich das vorliegende Titelbild zeigt. Am Beispiel des Segelschiffes lässt sich sehr schön ein Teil der Technik von Andriveau erkennen. Seine Bilder sind sehr ausdrucksstark. Sie lassen auch sehen, dass es einen Entstehungsweg gab. Nicht selten scheinen noch Bleistiftstriche durch. Andriveau lässt keinen Interpretationsspielraum, obwohl seine Bilder in bestem Sinne künstlerisch und leinwandtauglich sind.

Der Künstler lässt seine Figuren gerne mit der Umgebung verschmelzen. Besonders deutlich wird das unter Deck, in Abendstimmungen, eben in Situationen mit diffusem Licht. Andriveau setzt auf Hintergründe auf, lässt sie auch durchscheinen. Die Reduzierung führt zu einer sehr guten Räumlichkeit einerseits, aber führt auch zu einem Theatereffekt. Die Figuren werden wie Schauspieler durch Scheinwerfer unterschiedlicher Größe in das Blickfeld gezerrt. Ein lasierender, also durchscheinender Farbauftrag, erhöht nicht nur die Plastizität, sondern imitiert auch echte, auf Karton oder Leinwand aufgetragene Farben.

Eine großartige Fortsetzung, besonders für Freunde von Piratengeschichten. Der alte Geist von Hollywood-Klassikern, in den Mäntel und Degen geschwungen wurden, wird hier auf das Beste lebendig. Wer Spaß hat einer tollen Abenteuergeschichte, in starken Bildern umgesetzt, wird genau hier fündig. Eine Kenntnis des ersten Bandes ist kein Muss, aber empfehlenswert. 🙂

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Donnerstag, 08. Oktober 2009

Orbital 2.1 – Nomaden

Filed under: SciFi — Michael um 17:54

Orbital 2.1 - NomadenKaleb Swany und Mezoke Izzua sind auf der Erde eingetroffen. Die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten der Versöhnung zwischen Menschen und Sandjaren sind im vollen Gange. Da ereignet sich ein Zwischenfall auf dem Meer. Schon sind Kaleb und Mezoke wieder im Einsatz. Mag sich das Verhältnis zwischen den ehemaligen Kriegsparteien, Mensch und Sandjar, auch gebessert haben, in einem mit mannigfaltigen Völkern besiedelten Universum wartet der ärger, und sei es durch Missverständnisse, schon an der nächsten Ecke. Oder wie hier an den Küsten Malaysias.

Längst sind die Verwicklungen nicht mehr international, sondern interstellar. Autor Sylvain Runberg hat das All für diese Geschichte dennoch verlassen. Die Fremden sind bereits auf der Erde angekommen. Neben den Feierlichkeiten einer interplanetaren Versöhnung hat sich ein neues Volk auf dem Planeten eingefunden. Und schon fangen die Schwierigkeiten an. Runberg hantiert mit Größe. Auf der Erde ist nichts mehr klein, alles ist irgendwie bombastisch und unüberschaubar geworden. Für die einfachen Menschen, hier die Fischer vor der Küste von Malaysia, ist es schwer genug, ihr Leben auf die wirklich wichtigen Punkte zu reduzieren. Technik hat es ermöglicht, ein besseres Leben zu führen, aber sie sind nach langem Darben noch sehr weit davon entfernt, diesen Zustand ohne Misstrauen zu genießen.

So beginnt alles mit einer vermeintlichen Idylle. Alles läuft wie geplant für die Fischer, doch der Fischfang gerät zu einem Desaster. Aus einer gewöhnlichen Situation (sieht man einmal von den schwebenden Schiffen ab) wird eine sehr phantasievolle Begebenheit, die in den Kontakt mit einer außerirdischen Spezies mündet, die mehr als nur außergewöhnlich ist.

Das Schöne an Comics ist unter anderem die Tatsache, dass sie in Sachen Ausstattung und Umsetzung, Kulisse und Maskenbildnerei keine Kosten scheuen müssen. So erhält Serge Pelle die Gelegenheit einige der außergewöhnlichsten Außerirdischen seit langem gestalten zu dürfen. Die Rapakhuns sind ein nomadisch lebendes Volk, wandernd von Planet zu Planet und in gewissem Sinne darauf bedacht mit der Natur zu leben. Einen Umzug bezahlt einer der ihren mit dem Leben, gewissermaßen als Opfergabe, was den Rapakhuns einen Ruf als Kannibalen eingebracht hat.

Zuerst wirken diese Außerirdischen relativ einfach gestaltet. Anatomisch mögen sie das auch sein, doch Pelle arbeitet viel mit Oberflächengestaltung: Färbungen der Haut, Strukturen von Kleidung, Ketten und Anhängsel. So wird aus einem im Ursprung einfachen Objekt eine sehr individuelle Kreatur. Diese Art der Vorgehensweise setzt sich auch im Design von Gebäuden und Fahrzeugen fort. Es ist, so wie sich zeigt, eine Welt, die unter der Oberaufsicht eines Luc Besson und eines Jean-Paul Gaultier entstanden sein könnte. Andererseits sind die Bilder aber auch im besten Sinne verwandt mit einem Klassiker wie Valerian und Veronique von Jean-Claude Mezieres.

Die Grafiken sind kräftig, stark zu nennen. Die Farben sind aus einer sehr breiten Palette gewählt, aber weit davon entfernt poppig zu sein. Mitunter sind die Farbtöne sehr zart, pastellartig gewählt, häufiger wirken sie fett aufgetragen wie bei einem modernen ölgemälde. Pelle spielt mit abstrakten Formen. So sind seine Menschen auch nicht in höchsten Maße realistisch, sondern eher im Stile des erwähnten Mezieres oder eines Humberto Ramos (Crimson, Spider-Man, Die Offenbarung) zu betrachten.

Vor diesem optischen Hintergrund erzählt Sylvain Runberg seine Geschichte, die immer mysteriöser wird. Den Delegierten des Volkes von Mezoke Izzua soll eine heile Welt präsentiert werden. Man ist um Freundlichkeit bemüht, doch ausgerechnet Mezoke, die es hier mit den eigenen Leuten zu tun hat, lässt den notwendigen Respekt vermissen. Zwischenzeitlich handeln die Fischer. In einer halsbrecherischen und selbst ausgedachten Mission versuchen sie das Schicksal um das Fischsterben aufzuklären.
Geschickt vermischt Runberg durchaus realistisches Verhalten mit utopischen Ideen und bewegt sich so im SciFi-Genre, wie es sich seit längerem eingespielt hat und gewünscht ist. Wer sich mit Serien wie Babylon 5 anfreunden, vielleicht sogar begeistern konnte, wird auch hier fündig.

Ernsthaft erzählte Science Fiction mit immer noch aktuellen und neuen terrestrischen Problemen: Runberg und Pelle machen perfekt und auf hohem Niveau dort weiter, wo sie mit Band 1 aufgehört haben. Eine Vorkenntnis für die vorliegende Lektüre nicht notwendig (aber man würde etwas verpassen). 🙂

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Dienstag, 06. Oktober 2009

Cubitus 21 – Katzenmusik

Filed under: Cartoon — Michael um 19:43

Cubitus 21 - KatzenmusikManchmal kann einer das Gras wachsen hören. Cubitus hingegen kann Bäume wachsen sehen. Schnell wachsende Bäume sind in Comics nicht ungewöhnlich. Wie eine Pflanze durch liebevolle Pflege animiert werden kann, in die Höhe zu schießen, wird hier eindrucksvoll und natürlich mit einem Augenzwinkern von Dupa und seiner Kreation Cubitus präsentiert. Leider kann sich starkes Wachstum und Doping mittels Suppe auch auf die Umwelt auswirken. Ein kleiner Specht gerät so außer Rand und Band. Das trübt die gut gemeinte Aktion von Cubitus, nicht aber das Lachen des Lesers.

Gut gemeint ist ein ebenso gutes Stichwort. Cubitus meint es manches Mal gut, leider ist gut gemeint, nicht immer gut gemacht. Oder es wird nicht hinreichend honoriert. Cubitus ist nicht der Verlierertyp, wie er im Buche steht. Allerdings ist es dank Dupa stets ein Geben und ein Nehmen. Wenn der wuschelige weiße Hund seinem Katzennachbarn Paustian übel mitspielt, bleibt das nicht ungesühnt. Kleine und größere, unverschämte oder gar brutale Attacken auf den Nachbarn, der auch eine gewisse Freundlichkeit erfahren darf, werden über kurz oder lang durch das Gerechtigkeitsempfinden des Autors und Zeichners gerächt.

Der Humor von Cubitus lässt sich schlecht festnageln. Dupa versucht immer wieder andere Wege zu gehen. Nicht immer ist eine Pointe wichtig. Zuweilen ist der Humor der Weg und das Ende eigentlich nur ein Abschluss, aber nicht der Höhepunkt des Ganzen. Der Leser soll sich amüsieren. Mal kann er mit Cubitus schmunzeln, der sich als starker männlicher Charakter auf einen Sprungturm im Schwimmbad. Dann kann der Leser bekräftigend (und auch insgeheim aufatmend) nicken, wenn sich Cubitus entschließt, doch lieber wieder über die Leiter auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren.

Neben ein paar sehr überspitzten Ausflügen in die Welt des intellektuellen Humors, die der Leser auch als Anspielung auf die allseits beliebten Quizsendungen sehen darf, von denen es vor einigen Jahren noch sehr viel mehr gab, ist natürlich der Slapstick-Humor auch wieder Trumpf. Hier lässt es Dupa (man könnte sagen gewohnheitsgemäß und treffsicher) krachen. Ob das gute alte Motorrad an den Rand seiner Spitzengeschwindigkeit getrieben wird oder ob die Fressgier von Cubitus wieder einmal Früchte trägt, Dupa kann nicht nur albern sein, er soll es auch sein, denn das beherrscht er mit Cubitus einfach perfekt.

Es gibt neben den Auseinandersetzungen mit Paustian (dem Kater) und seinem Herrchen (Herrn Bojenberg) noch einige wiederkehrende Themen, die jedoch unerschöpflich zu sein scheinen. Bojes Motorrad, unerlaubtes Angeln, Hausputz und Kauknochen sind nur ein paar dieser gern verwendeten Bereiche. Welche Möglichkeiten Dupa immer wieder findet, um einem Thema eine neue Wendung, einem Witz möglicherweise eine neue Pointe zu geben, sind für einen Komödienautor bemerkenswert (inzwischen kann Dupa bei Durchsicht des Gesamtwerks durchaus so bezeichnet werden).

Grafisch bewegt sich Dupa locker und leicht durch seine Einseiter. Die Figuren sind in Fleisch und Blut übergegangen. Cubitus, in all seinen Ausprägungen von todernst bis zu Tränen lachend, ist ein Knuddeltier, der nicht nur Kultfaktor besitzt. Er hat auch keine Beine! Nun, sicherlich hat er welche (Laufen wäre ansonsten etwas schwierig), nur sind sie dank seiner Körperfülle nicht zu sehen. Die verstärkte Reduzierung erhöht den Knuffelfaktor um ein Vielfaches, ein altbewährtes Rezept, aber immer funktionierend. Dupa spielt sogar damit, indem er den Puschelschwanz und die Knubbelnase von Cubitus als Golfballersatz herhalten lässt.

Eine heitere Episodensammlung, die für Cubitus-Fans keine Wünsche offen lässt. Wer die kleine Komödie mag, Slapstick nicht abgeneigt ist, frankobelgischen Humor überhaupt mag oder abseits amerikanischer Cartoons neue Welten erforschen möchte, der sollte mit Cubitus sein Glück versuchen. 🙂

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Sonntag, 04. Oktober 2009

Isnogud – Buch 5

Filed under: Cartoon — Michael um 15:38

Die gesammelten Abenteuer des Großwesirs Isnogud - Buch 5Ein Besuch im Wachsfigurenkabinett kann anspornend sein. Besonders inspirierend wird es angesichts einer Sammlung von Bösewichtern, die es zu ihrer Zeit verstanden, wie man eine Person aus dem Weg schaffte, die einem im Weg stand. Klar, dass Isnogud bei historischen Größen wie Brutus oder Al Capone auf Ideen kommt. Als sich noch die Gelegenheit ergibt, sich dieser berühmten Mörder in Natura zu bedienen (und auf den Kalifen zu hetzen), gibt es kein Halten mehr. Allerdings ist die Kontrolle über diese insgesamt unberechenbare Bande alles andere als einfach.

In Anlehnung an das berühmte Werbeplakat zum Film Der weiße Hai gestaltet sich das Titelbild mit einem fröhlich schwimmenden Isnogud. Gleichzeitig lässt sich kaum eine bessere Umschreibung für die Schwierigkeiten des Wesirs finden, der doch so gern und so häufig versucht, in die Fußstapfen des Kalifen zu treten. Während er noch versucht, irgendwie den Kalifen loszuwerden, wartet das Unglück (oder auch das verdiente Missgeschick an der nächsten Ecke).

Goscinny, der begnadete Texter von Asterix, Lucky Luke, Umpah-Pah, Pitt Pistol oder auch Isnogud, bricht hier aus gewöhnlichen Erzählstrukturen aus und spricht auch schon mal den Leser direkt an. Derlei Spielereien kennt Komödienfan aus dem einen oder anderen Medium, vielleicht sogar aus einem Woody-Allen-Film. Wenn die Leser dem Autor und dem Zeichner ein Ultimatum stellen, fordern, Isnogud sei innerhalb der nächsten 15 Seiten zum Kalifen zu machen, weil die Geschichte doch langsam etwas unglaubwürdig wird, dann ist eine gewisse Surrealität angesagt.

Isnogud wird kurzerhand zu etwas gemacht, das er nicht ist. Genauer: Diverse Proben sprechen ihm einen Charakter zu, mit dem eine Komödie kaum glaublich scheint. Und am Ende? Ist er dann Kalif? Diese Frage darf (ohne zuviel zu verraten) glasklar mit Nein beantwortet werden.

Wer hat den Fischteich ausgeschleckt?

Ein Geist soll Verwirrung stiften. Dabei ist zuallerst einmal fraglich, ob er überhaupt existiert. Isnogud hingegen hat sich schon auf viel waghalsigere Experimente eingelassen. Wenn ein Geist in der Lage ist, einem Kalifen den Verstand zu rauben, dann ist das einen Versuch wert.

Wer hat den Schlickteich ausgefischt?

Verwirrung liegt aber auch auf den Seite des Lesers. Gnadenlos wird hier nach Pointen gefischt, häufig treffend, nicht immer, aber immer auf gewisse Art auch albern. Diese Albernheit würde einem Deutschen nicht zu Gesicht stehen, frankobelgisch jedoch wird sie nicht nur geduldet, sondern auch verlangt, denn nur dort scheint sie auch immer wieder zu funktionieren.

Wer hat den Schleckfisch ausgeteicht?

Ob Märchenwelt, ob parlamentarische Demokratie oder Skandalblätter, Goscinny ist nichts heilig. Aus allem scheint er eine Komödie machen zu packen. Stets wird alles sehr gut in die Kulissen der prächtigen Stadt eingefügt, stets ist Isnogud ein persisches Balduin das Nachtgespenst, immer cholerisch, immer am Rande des Nervenzusammenbruchs oder schon weit jenseits davon. Da bleibt nicht nur kein Auge trocken, da entsteht ein Dauergrinsen, das einem auch nicht vergeht, wenn Isnogud schlussendlich die Stimme versagt. Und für den, der einfach nicht viel Zeit hat, auf den wartet eine Sammlung von Einseitern für den kleinen Humorhunger zwischendurch.

Er schafft es zwar immer noch nicht, Kalif zu werden, dafür darf aber weiterhin herzhaft gelacht und geschmunzelt werden. Goscinny und Tabary sind (waren) immer noch in Bestform. Vorbildhaft, sehr humorvoll, immer noch aktuell. Klasse! 🙂

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Freitag, 02. Oktober 2009

Hack/Slash 3 – Freitag der 31.

Filed under: Mystery — Michael um 10:18

Hack/Slash 3 - Freitag der 31.Was muss Cassie nicht alles aushalten! Die junge Frau wird geschlagen, geschnitten, auf das Schlimmste verprügelt, verstümmelt, als Jungfrau enttarnt, von Slashern gefangen, in andere Dimensionen verschleppt und dennoch: Cassie gibt nicht auf. Da ist zwar noch ihr Kollege Vlad, der ihr manchmal beisteht, aber bestimmt käme sie auch ohne ihn zurecht … Nein, bei genauer Betrachtung ist Vlad so etwas wie die Feuerwehr. Gäbe es ihn nicht, sähe es für Cassie manchmal ganz schön mies aus.

Cassie Hack ist wieder zurück! Und man könnte sagen: Mit einem Paukenschlag. Wider Erwarten kann es nach allerlei Imitaten nun ein echter Kino-Slasher nicht lassen und stattet der jungen Killer-Jägerin einen Besuch ab. Die beiden sind mehr oder weniger dazu gezwungen, sich zusammenzutun. Das unfreiwillige Duo, verstärkt durch einen Vlad, wie ihn kein Fan so kennt, arbeitet zwar effizient zusammen, aber ist auch beständig an der Grenze, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen (oder Schlimmeres).

Fans des Slasher-Horrors dürften Chucky, die Mörderpuppe kennen. Entstanden mittels des Geistes von Charles Lee Ray (gespielt von Profibösewichtschauspieler Brad Dourif), einem Mörder (wie kann es anders sein) und ein wenig Voodoo. Aus einer harmlosen Puppe mit Latzhose, roten Haaren und runden Babykopf wird ein mitleidloser Killer. Was sich nach einem sehr seltsamen Horrorfilmexperiment anhört, ist ein Gruselspaß, nicht immer innovativ, aber immerhin so erfolgreich, dass vier weitere Folgen produziert wurden. So kehrte Chucky nicht nur zurück, sondern erhielt standesgemäß eine Braut und sogar ein Baby.

Spaß macht die Kinderpuppe mit dem großen Mundwerk auf jeden Fall, vergleicht man sie mit den erwachsenen Slashern. Die Figur ist mittlerweile stark genäht worden, ist ramponiert, auch die Darstellung im vorliegenden Hack/Slash mit dem Untertitel Freitag, der 31. macht da keine Ausnahme. Zwischen Chucky und Cassie fliegen die verbalen wie auch die handgreiflichen Fetzen, so dass hier genau die richtigen zusammentreffen. Ein Slasher, der Cassie artikulierend das Wasser reichen kann, fehlte bisher. Die eigentliche Gegnerin, die den Körper von Cassies Begleiter Vlad übernommen hat, wird zu einer ziemlichen Nebenfigur degradiert.

Grafisch ist der dritte Band der Slasher-Jagd-Saga durchgehend sehr gut gezeichnet und schon vorbildhaft zu nennen. Die beiden Künstler, Emily Stone und Matt Merhoff zeichnen geradlinig perfekt realistisch. Hier ist Titelbildqualität gleich Seitenqualität. Die Bilder bedeuten Spaß für Horror-Fans, allerdings verulken sie das Genre nicht nur. Blut ist hier Blut und so gibt es auch Ansichten, die unter die Haut gehen. Nachdem Chucky eine echte Anleihe ist, findet sich mit Dr. Gross jemand, der aus Hollow Man entsprungen sein könnte (mit dem Unterschied, dass seine Haut nicht unsichtbar, sondern nicht mehr vorhanden ist). Neben anderen Zeichnern, die gerne abstrahieren und ihre Darstellungen so verharmlosen, hält sich hier niemand zurück. Jemand, der mit Horrorstreifen, Slasher-Filmen im Besonderen nichts anfangen kann, der wird auch hier keine Spannung empfinden können.

Dr. Gross ist nicht nur ein Hollow Man er ist außerdem eine Art Hannibal Lector. Die Geschichte um seine Person führt den Leser auch in Cassies Vergangenheit, zum Ursprung ihres besonderen Hasses auf Slasher. Sind die Bilder in der Episode um Chucky noch mit sehr feinen bis mäßig dicken Tuschestrichen aufgebaut, scheinen in den nicht weniger eleganten Grafiken um Dr. Gross die Bleistiftstriche noch durch. Das ist eine mittlerweile beliebte Technik. Das ist etwas organischer und erinnert zuweilen an die ultrafein entworfenen Bilder eines Frank Quitely (All Star Superman). Beschauliche Vorstadtatmosphäre im Stile einer Carrie-Geschichte löst sich mit blankem und blutigen Horror ab. Doch so gruselig manche Bilder auch sind, so liegen sie doch im steten Wechsel mit sehr komischen Momenten und natürlich der textlich spitzfindigen Schnute von Cassie.

Das ergibt eine sehr gelungene Mixtur. Die letzte Episode um die schlechte (allerdings teuflische) Rockband Acid Washed wird die vorangegangene Technik noch auf die Spitze getrieben. Wenn ein namentlich ungenannter und deutlich gealterter Rockstar auftaucht (der wie hier trotz seines amtlichen Todes am 16. August 1977 immer wieder gesichtet worden sein soll) und auch mitmischt, dann wird die Geschichte deutlich humorvoller und sogar noch eine Spur trashiger als sonst. Wie in einer Hommage an Hardrock Zombies und ähnliche Produktionen erleben Cassie und ihre neue Freundin ein Abenteuer in einer anderen Dimension, während ein Vlad versucht, seine Jungfräulichkeit zu verlieren, um ihr zur Hilfe eilen zu können. Das klingt vielleicht merkwürdig, macht aber letztlich einen Heidenspaß, da hier selbst an den Parodien von Horrorfilmen und Neuinterpretationen gerüttelt wird.

Bestes Beispiel ist die Gestaltung eines dämonischen Nackthundes, der geradewegs der Gedankenwelt eines Mike Mignola entsprungen sein könnte. Selbst das Finale ist eine Veralberung von so manchem Weltuntergangsszenario mit schlechter Ausstattung, kleinem Budget und miesem Drehbuch. In diesem Szenario sind Cassie und ihre Freunde die Normalos, die sich am Ende gegen eine kleinere Version der Großen Alten behaupten müssen. Nach drei sowieso exzellent gezeichneten Episoden rundet eine formvollendete Titelbildgalerie die Ausgabe ab.

Perfekte Fortsetzung: Der dritte Teil ist definitiv der beste der Reihe. Alle Künstler sind ein eingespieltes Team. Toll gezeichnet und mit dem notwendigen Humor erzählt, wird hier vorgemacht wie gelungene Slasher-Komödien auszusehen haben. 🙂

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