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Comic Blog


Dienstag, 08. September 2009

Reisende im Wind 6.1

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:16

Reisende im Wind 6.1 - Das Mädchen vom Bois CaimanDer Nordstaatler schießt auf den Südstaatler. Isabeau und ihr Begleiter, der Fotograf und Reporter Quentin, geraten mitten in diese Schießerei. Isabeau hegt noch den Funken Hoffnung, dass sie als Zivilisten heil aus der Sache herauskommen, aber sie irrt sich. Nur Augenblicke später wird auch auf sie beide das Feuer eröffnet. Quentin will nicht kampflos sterben. Er schießt zurück und schießt und schießt, bis das Magazin leer ist und der Nordstaatler sich nicht mehr rührt.

Es herrscht Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten. Andere nennen es schlichtweg Chaos. Dieser Krieg war bereits häufig Thema von Erzählungen, Romanen und auch Comics. Francois Bourgeon nutzt den Hintergrund dieser amerikanischen Epoche, um das Schicksal von Isabeau Murrait zu beleuchten und eine Frau aus der Vergangenheit zu reißen, die der Leser in der Ursprungserie Reisende im Wind kennenlernte: Isabeau de Marnaye.

Selten nur findet sich eine solche Konstruktion im Comic oder auch in der Erzählung allgemein, in der nach vielen Jahren das Leben einer Figur forterzählt wird. Bourgeon arbeitet auf zwei Zeitebenen. Einerseits begleitet der Leser die Isabeau einer neuen Generation, andererseits begegnet er der alten Isabeau und lässt sich später von ihr durch Erzählungen in die Vergangenheit entführen. An dieser Stelle wird der Bürgerkrieg zur Nebensache. Zwei starke Frauen treffen aufeinander, getrennt durch 80 Lebensjahre. Ihre Welt, die ihnen nun gemeinsam ist, hat nichts von ihrer Faszination, aber auch nichts von ihrer Brutalität verloren. Die Menschenverachtung, der die alte Isabeau in Afrika begegnete, findet sich nun in Amerika und macht auch keinerlei Unterschied zwischen Schwarz und Weiß.

Aufwändig ist das Wort, das die gesamte Produktion überschreibt. Gleich das erste Bild (bzw. die beiden Eingangsbilder) füllt eine Seite aus. Ein kleinerer Zubringer hebt ein Detail aus einer anderen dramatischeren Perspektive hervor. Das Hochherrschaftliche der alten Farm aus dem Süden, wie es von vielen Ansichten wie auch aus Klassikern wie Vom Winde verweht oder auch Fackeln im Sturm her bekannt ist, zeigt deutlich die Bedrohung des Paradieses. Nur diese Seite erzählt bereits eine kleine Geschichte von Flucht und Panik, vom Niedergang und von Schönheit des Landes, die gleich darauf auf den nächsten Seiten vom brutalen Chaos des Krieges überlagert wird. Der Tod macht keinen Unterschied zwischen Jung und Alt und so ist nicht der Angriff eines gepanzerten Kanonenbootes das wirklich Dramatische, sondern die Beerdigung eines fünfjährigen Jungen, der letztlich nur einer von vielen Toten ist.

Sehr bald nach dieser Einführung der allgemeinen Schrecken des Krieges und der persönlichen Schmerzen von Isabeau Murrait, nimmt Bourgeon den Leser auf eine Wanderschaft durch ein zerrissenes Land mit. Er zeigt, dass zwar die Abschaffung der Sklaverei ein Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen Nord und Süd gewesen sein mag, aber letztlich beide Seiten über Rassisten verfügen. Soldaten töten sich wegen ihrer Uniformen, aber sie machen auch vor Zivilisten nicht halt. Isabeau, die eine sehr resolute junge Frau für ihre 18 Jahre ist, nimmt schließlich doch Hilfe an. Nicht dankbar zuerst, doch später wenigstens mit einer gewissen Freude und auch Erleichterung.

Für jemanden, der die alte Isabeau, die erste aus den alten Geschichten kennt, ist der Einstieg merkwürdig (falls er nicht die Kurzbeschreibung auf der Rückseite gelesen hat und vorbereitet ist). Es fehlt gegenüber den alten ersten fünf Ausgaben das Geheimnisvolle, wie es Afrika in manchen Geschichten einfach grundsätzlich mitbringt. Amerika hingegen ist bereits lange entzaubert und so wirkt diese Geschichte anfangs wie eine Art Western. Dieser ist zwar anders erzählt als gewöhnlich, wartet mit einem beinahe tropischen Klima auf (es beginnt in New Orleans) und hält nichts von den legendären Felsen mit einem vorüberreitenden John Wayne bereit.

So lebt die Handlung von den Gegensätzen und wird so zur Besonderheit. In dem Augenblick, als die alte Isabeau ihre Geschichte erzählt, von der Moderne des Bürgerkriegs weg hin zu den alten Sklavenaufständen, älteren Lebensweisen, kehrt auch die Magie zurück. Das ist von Francois Bourgeon auch so gewollt, denn seine junge Isabeau, die den Erzählungen ihrer Urgroßmutter lauscht, kann sich dieser Magie auch nicht entziehen. Ohne Zweifel hat Bourgeon seine grafische Technik weiterentwickelt, perfektioniert sogar. Sein Blick und seine Ausführung ist gnadenloser geworden, sezierender, aber nicht weniger schön als früher. Ob Körper, Gesichter, Häuser, Pferde, Landschaft oder dichtes Gestrüpp, alles wird mit der gleichen Professionalität und Leidenschaft gezeichnet. Es ist schwer zu sagen, wann und wie genau die Geschichte den Leser packt, aber dass es sie bei historisch interessierten Comic-Fans schaffen wird, das sollte außer Frage stehen.

Eine sehr schöne literarische Fortsetzung mit einem künstlerischen Francois Bourgeon, der nach seinen bisherigen Arbeiten sich noch verbessern konnte und einen Zenit erreicht hat, der anderen Künstlern zum Vorbild dienen kann. Wer am tiefen Süden der USA und ihren Anfängen interessiert ist und Abenteuer mag, der findet mit dieser Ausgabe genau das richtige Lesefutter. 🙂

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