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Comic Blog


Donnerstag, 06. August 2009

Yiu – Die Apokalypse 2

Filed under: SciFi — Michael um 11:19

Yiu - Die Apokalypse 2 - Das Versprechen, das ich dir gabDer riesige Transjordan-Express rast über die breite Autobahn. Es regnet in Strömen. Die Sicht wird in dieser grauenhaften Nacht durch dicht fallenden Wassermassen noch verschlechtert. Die Menschen an Bord des gigantischen Busses sind friedlich und wollen nichts anderes, als ihr Reiseziel erreichen. Der Mann, der die Brüstung der Aussichtsplattform erklimmt, hat etwas dagegen. Der Sprengstoffgürtel, den er um den Bauch gebunden hat und die Daumen auf den Knöpfen der Zünder machen deutlich, dass er kein einfacher Attentäter ist. Er ist bereit, sein Leben für diese Aufgabe zu geben. Er hat nicht damit gerechnet, dass Nonnen nicht mehr die friedfertigen Frauen sind, die sie einst waren. Früher verteidigte die Kirche sich mit Feuer und Schwert. In der Zeit der Apokalypse werden dazu großkalibrige Waffen verwendet.

Kann ein Auftragsmörder ein Herz für andere haben? Nicht selten haben sich schon Autoren in Romanen und Comics Gedanken über dieses Thema gemacht. Wenn es nicht Geld ist, das einen Killer antreibt, was ist es dann? Rache? Ein Sinn für Gerechtigkeit? Oder einfach eine gewisse Notwendigkeit? Yiu hat einen ganz besonderen Grund: Ihren kleinen Bruder. Tötet sie nicht für Geld, hat sie nicht die Möglichkeit ihren einzigen Verwandten am Leben und gesund zu erhalten, denn der Kleine ist auf medizinische Hilfe angewiesen, obwohl er sich nichts sehnlicher wünscht, als aus diesem kalten Krankenhaus herauszukommen.

Tehy, für das Szenario verantwortlich, hat sich eine neue Aufgabe gestellt: Es gilt nun, die Attentäterin dem Leser auch menschlich näher zu bringen. Wie sehr sie für ihren Beruf befähigt scheint, hat sie bereits in der ersten Episode von Yiu Die Apokalypse eindrucksvoll bewiesen. Das Versprechen, das ich dir gab ist für Yiu die einzig wirklich wichtige Motivation, den Kampf immer aufs Neue zu suchen und neue Aufträge anzunehmen. Das Versprechen ihrem Bruder gegenüber relativiert die Qual. Wenn er durchhält, so sagt sie es sich, dann hält auch sie durch.

Der Auftakt der vorliegenden Geschichte ist eine der typischen Hetzjagden, wie sie der Leser längst aus der Yiu-Reihe kennt. Einmal mehr erfahren wir ein wenig mehr über diese hochtechnisierte und kalte Welt und erleben in kurzen szenischen Abrissen, wie sehr sich das Bild der Religion verändert hat, wie wenig ein Leben wert ist, auf welche technische Art in dieser Zeit kommuniziert wird. Währenddessen jagt Yiu weiter. Ihr Ziel: Das Krankenhaus. Alles in dieser Zeit scheint irgendwie riesig zu sein, die Grenzen der Dimensionen, eine gewisse architektonische Demut ist vollkommen verschwunden. Damit folgt Tehy der Leitlinie so mancher anderer Science Fiction Autoren, die bereits vor Jahrzehnten ein Ausufern von Gebäudekomplexen vorhergesagt haben. (Und wie es aussieht, scheinen sie damit den richtigen Riecher gehabt zu haben.)

Guenet hat diesmal die Aufgaben Action und äußerst liebevolle Szenen zu zeichnen. Die Begegnung von Yiu mit ihrem kleinen Bruder Ji-A ist wunderbar gelungen. Sicherlich finden sich ähnliche Szenen auch in aktuellen Krankenhausserien, aber hier wurde die Grundeinstellung einer solchen Szene durch die Unpersönlichkeit des Krankenhauses noch gesteigert. Allein die Ansammlung von Kindern unter einer gläsernen Glocke, total abgeschirmt und nur von außen von Besuchern durch ein Paar klobige Handschuhe erreichbar zeigt den Wahnsinn dieser Gesellschaft in seinem Kern. Darum herum, auch das zeigen die Macher ausführlich, ist noch sehr viel mehr Platz für all die Auswüchse des Irrsinns.

Ab einem bestimmten Punkt, der Leser hätte es eigentlich kaum mehr erwartet, kippt die Handlung. Yiu bekommt wieder Arbeit. Und dachte man zu diesem Zeitpunkt, die titelgebende Apokalypse sei längst erfolgt, sieht man sich getäuscht: Die Apokalypse ist nicht vorüber, sie findet permanent statt.

Entsprechend kann Guenet wieder die sprichwörtliche Sau herauslassen, denn es wird nicht nur wieder sehr technisch, es wird auch außerordentlich gruselig, fast schon mystisch. Die Bilder, die sich hier ergeben, sind Heavy Metal. Gehören sie auch nicht in diese Reihe, reihen sie sich doch sehr gut in ähnliche Publikationen ein, allerdings könnte man von einer noch größeren Monströsität der bösen Viecher sprechen. Es brennt, trieft, tropft, blutet, es klafft auf. Guenet ist hier in seinem Element. Seine Zeichentechnik, die auch an die Arbeiten der Brüder Tim und Greg Hildebrandt erinnert, ist mit fettem Strich aufgetragen und wirkt in jedem Bild wie ein kleines Ölgemälde.

Yius Charakter steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Ihre Menschlichkeit zeigt sich in ihrer Beziehung zu ihrem Bruder, ihre Erschöpfung ist ein Thema. Ihre Erfinder gönnen ihr insgesamt nur eine kurze Verschnaufpause. Es ist abzusehen, dass sie bald wieder an die Arbeit muss, die noch schwieriger als im ersten Teil zu werden verspricht. 🙂

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Links:
www.yiu.net (Blick hinter die Kulissen der Produktion von Yiu, frz.)
brothershildebrandt.com (Homepage der Gebrüder Hildebrandt)

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