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Comic Blog


Dienstag, 30. Juni 2009

The Life Eaters

Filed under: SciFi — Michael um 10:52

The Life EatersIn diesem Krieg verwundert einen Soldaten nichts mehr. So ist es zwar ungewöhnlich neben einem Gott im Schlauchboot zu sitzen, doch es ist nicht zu ungewöhnlich. In diesem Krieg, der ein Weltkrieg war, nun ein Krieg gegen Götter ist, geht es inzwischen um das Schicksal der Menschheit, denn diesen Göttern, von den Nazis heraufbeschworen, ist nur eines wichtig: Leben. Leben, das sie stärker und mächtiger werden lässt. Sonst nichts.

David Brin ist bereits seit Jahrzehnten als Science Fiction Autor tätig. Der Doktor der Astrophysik und ehemalige Berater der NASA hat durch diverse Veröffentlichungen und Preise innerhalb der Literatur auf sich aufmerksam gemacht. Seine Kurzgeschichte über den Postman wurde mit Kevin Kostner verfilmt. Brin bedient sich im aktuellen Szenario aus The Life Eaters den Mythen und Legenden nordischer Völker. Die Nazis des Dritten Reichs sind schon häufiger Gedankenspielzeug für diverse Autoren gewesen. In zwei Indiana Jones Filmen spielten sie eine nicht unwesentliche (Indy erhielt von Hitler sogar ein Autogramm). Die Danger Girls setzten sich mit einem Nazi-Ableger auseinander, Hellboy machte noch weit skurrilere Erfahrungen.

Brin hingegen geht noch einen Schritt weiter. Er stellt sich die Frage, welchen Sinn und Zweck der Holocaust abseits des bekannten Wissensstandes gehabt haben könnte. Der Sinn Himmlers für merkwürdige Pseudorythen ist ebenfalls gemeinhin bekannt. Brin bringt beides zusammen. In seinem Szenario ist der Holocaust nicht nur Massenmord, sondern gleichzeitig ein gigantisches Opferritual zur Beschwörung nordischer Gottheiten, die den Nazis zum Sieg verhelfen sollen. Ob die Verwendung des Holocausts hier als geschmacklos, leichtfertig, respektlos oder gar dumm gewertet werden kann, mag jeder Leser selbst für sich bewerten. Ich für meinen Teil hätte von einem so genannten Intellektuellen, einem verdienten Wissenschaftler, Science Fiction Autor hin oder her, etwas mehr Feingefühl erwartet.

Fakt ist, dass der Ausgangspunkt der Geschichte viel zu schnell unerheblich wird. Die Herleitung spielt binnen kurzem keine Rolle mehr für die weitere Handlung, weshalb es hier durchaus auch einen anderen Hintergrund hätte geben können. Vielleicht, der Verdacht liegt nahe, ging es hier nur um Provokation im Hinblick auf die viel gerühmte und berüchtigte Publicity. Weitaus gelungener wird die Konstellation, wenn die weltweite Situation in Augenschein genommen wird. Plötzlich sind die Götter nicht mehr nur Hilfsarbeiter mit einem außerordentlichen Appetit auf menschliches Leben oder menschliche Energie, sondern sie werden auch unterschiedlichen Seiten zu Befehlshabern von Machtblöcken. Der afrikanische Kontinent wird zum Kriegschauplatz. Die dort lebenden Menschen haben ihre ganz eigenen Gottheiten zum Leben erweckt. Im asiatischen Raum sind shintoistische Götter in Kämpfe verstrickt. Bezeichnenderweise ist es wieder zu einer Achse Berlin-Tokio gekommen, nordische und japanische Götter sind Alliierte.

Gott hin oder her, Brin zeigt, dass diese Götter zwar mächtig sind, aber nicht unsterblich. Sie sind schlagbar, wenn auch unter unsäglichen Mühen und mit immer größeren Waffen, denn mit immer mehr Toten steigt auch ihre Macht. Brin kratzt eigentlich mit seiner Geschichte nur an der Oberfläche. Denn hinter den Beschreibungen, kleinen Andeutungen und Rückblicken (und dem Blick auf eine ganz besondere Weltkarte) steht eine regelrechte Apokalypse, ein Weltuntergang, wie ihn das Genre Comic nur selten erlebt hat.

Hey, Leute! Hier geht’s nur um Comics.

So drückt es Scott Hampton sehr treffend im Anhang der Geschichte aus. Grafisch gestaltet der Comic-Veteran die vorliegende Geschichte. Hampton, der noch die Gelegenheit hatte, einem Will Eisner über die Schulter zu schauen, arbeitet noch auf herkömmliche Weise, wie ein Beispiel im Anhang sehr schön zeigt. Endlich sagt ein Zeichner mal, dass die Arbeit eines Comic-Künstlers auch schwierig sein kann, dass nicht alles gelingt und nicht alles am Ende gut aussieht. Dann wird ein wenig kaschiert. In den meisten Fällen lässt sich aber kaum sagen, ob Hampton ein wenig gemogelt hat oder nicht.

Durch die organische Arbeitsweise wird ein leichtes Verwackeln viel eher verziehen, entsteht viel eher der Eindruck, dass diese oder jene Linie, dieser vielleicht etwas merkwürdige Farbauftrag dazu gehört. Hampton gestattet sich nicht immer den gleichen Aufwand. Mal abstrahiert er ein wenig mehr, mal werden Licht und Schatten verstärkt durch Tuschestriche und Schwarzflächen erzeugt. In Portraitaufnahmen arbeitet er gerne stark mit Farben und erzeugt feine und sehr individuelle Ansichten der Akteure. Man gewinnt außerdem den Eindruck, dass er auf Schauspieler als Vorbilder zurückgegriffen hat. Ein Meteorologe, ein ziemlich wichtige Person im weiteren Verlauf, könnte einen Dustin Hoffman als Vorlage gehabt haben, wie er in Papillon aufgetreten ist.

Ein besonderes Augenmerk liegt natürlich auf den Göttern. Allein ein einziges Bild zeigt, welches Potential noch in dieser Geschichte steckt: Ein nordischer Gott stellt sich dem Zweikampf mit einem afrikanischen Blutgott.

Eine sehr theatralische Geschichte, die sehr ausgewogen mit Text und Bildern arbeitet und darüber hinaus eine ungewöhnliche Atmosphäre schafft. Über die inhaltliche Grundlage lässt sich streiten, sicherlich aber ist es aber eines der ungewöhnlichsten Comic-Experiment der letzten Zeit. In der zweiten Hälfte des Bandes zieht die Spannungsschraube stark an, es wird mysteriöser, mythologischer und dramatischer und entschädigt für den unüberlegten Beginn. 🙂

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Links:
davidbrin.blogspot.com (Weblog von David Brin)
www.aspiritedlife.com/blog/2006/07/scott-hampton-bo-hampton-interview.html (Interview mit den Brüdern Scott und Bo Hampton über ihre Ausbildung und Erfahrungen bei Will Eisner)

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