Bert und Alain könnten ihren Freund Roland verlieren. Seit seiner furchtbaren Berührung des tentakelbewehrten Auges, das aus den Splittern von Maerlyns Pampelmuse entstanden ist, hat er eine grauenhafte Verwandlung durchgemacht. Sein Geist wandert zwischen den Welten, kurz vor dem Abgrund, kurz vor der Begegnung mit dem scharlachroten König. Plötzlich sind da Bilder einer anderen Realität, vielleicht auch einer anderen Welt. Alain kann sehen, was Roland in seinen Bann zieht. Aber den beiden Freunden bleibt nicht viel Zeit, um sich um Roland zu sorgen. Die Bürgerwehr aus Hambry ist ihnen auf den Fersen, um den Willen John Farsons auszuführen: Tod den drei Fremden.
Die erschwerte Flucht durch den besessenen Körper Rolands ist nur der Beginn eines langen Heimwegs, der noch viel grauenhaftere Geschehnisse für sie bereithält. Unterdessen hat der junge Sheemie eine Begegnung, die auch sein Leben verändern wird. Niemand hat sich je richtig um den geistig verwirrten Sheemie gekümmert, noch ihn erzogen, denn so hätte Sheemie vielleicht die Gefahr erkannt, die von dem schauderhaften Ort ausgeht, dem er sich nun nähert. Sein Mitgefühl bringt ihn vom Regen in die Traufe. Als er die Hand ausstreckt, um dem vermeintlich Gefangenen zu helfen, aktiviert er etwas, das besser weitergeschlafen hätte …
Das wird kein guter Tod, Roland. Er wird sinnlos und nutzlos sein … und äußerst schmerzhaft.
Gut, Roland, der junge Revolvermann ist von diesem Teufel, dem scharlachroten König nicht beeindruckt. Nicht einmal, nachdem ihm der Satan eröffnet hat, dass er, Roland, sterben wird. Stephen King lässt den jungen Mann sogar über die uneindrucksvolle Gestalt spotten, muss sich aber belehren lassen, dass die wahre Gestalt des Teufels nicht für menschliche Augen, noch weniger für den menschlichen Verstand geeignet ist.
Dieses satanische Wesen besitzt menschliche Züge, auch Gliedmaßen, aber alles andere ist zerklüftet, wellenförmig, aufgebläht, unförmig muskulös. Er ist haarig, mitunter treten auch insektenartige Glieder hervor und irgendwie umgibt ihn der Anschein einer pechschwarzen Pestbeule auf (zumeist) zwei Beinen. Ein krummes Horn schmückt den Schädel, ein rötlich leuchtender Edelstein prangt mitten in der Stirn. Mehr oder minder bedeckt ein sehr weiter roter Umhang die ekelige Gestalt. Jae Lee und Richard Isanove haben alles im vorliegenden zweiten Teil um die Jugendabenteuer des Revolvermanns Roland mit großer Sorgfalt gezeichnet und koloriert. Doch dieser Teufel ist sozusagen ihr Paradestück. Man könnte auch sagen: In all seiner Grausamkeit sieht der scharlachrote König einfach toll aus.
Stephen King wäre nicht Stephen King, käme er nicht mit ungewöhnlichen, manchmal auch wahnwitzigen Einfällen einher. Derlei können Szenen sein, es kann sich aber auch um Figuren oder Charaktere handeln. Hochgradig spannend ist die Überquerung einer Hängebrücke mit einem Pferd. Die Szene ist kurz, tragisch und traurig und durch die Inszenierung der beiden Künstler mit großem Realismus umgesetzt. Dieser Realismus, ein fotografisches Auge für die Phantastik, schafft aus der bildlichen Umsetzung eine ungeheure Atmosphäre. Der eingangs erwähnte Sheemie ist eine weitere tragische Figur. Der Kleine wird zum Helden, eigentlich aus Zufall, vielleicht aber auch, weil er in der Geschichte derjenige ist, der das größte Herz hat.
Allein seine Verwandlung ist beeindruckend, sein Kampf gegen den scharlachroten König ist es noch mehr. Es ist ein kurzer Kampf, mehr ein Ausbruch, ein Überfall, aber der hat es auf einer Doppelseite in sich. Hier wird ein weiterer Effekt der Bilder von Lee und Isanove deutlich: Theatralik. Die Szenerie ist stets wie auf einer Bühne angelegt. Wer vielleicht schon einmal Fotos einer Theaterproduktion gesehen hat, kennt den Effekt. Alle haben sich in Pose gestellt, ahmen eine Aufführung nach, haben den Mund geöffnet, als wollten sie sprechen. Man könnte es auch mit einer übertriebenen Stummfilmszene vergleichen. Zusammen mit so mancher Grafik, die vor Aktion nur so strotzt, ergibt sich eine unwiderstehliche Szenerie.
Ein toller Abschluss, der auch für die Fans der Romanreihe einige Neuerungen bereithält. Dank der wahnsinnig überbordenden Gestaltung wird der Vorgabe von Stephen King auf das beste Rechnung getragen. 🙂
Stephen King, Der dunkle Turm 2, Der lange Heimweg: Bei Amazon bestellen




















