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Comic Blog


Freitag, 11. Juli 2008

Moebius – Arzach

Filed under: SciFi — Michael um 17:02

Moebius - ArzachDie Nacktheit der Frau hinter dem Fenster sieht verführerisch aus und weckt das Interesse des vorüberfliegenden Kriegers. Aber die Frau ist nicht allein, sondern hat bereits einen Mann, der wenig begeistert ist von dem Kerl, der heimlich durch fremde Fenster starrt. Der Krieger lässt sich davon nicht beeindrucken und hat bereits eine Lösung parat, um den unangenehmen Nebenbuhler loszuwerden. Kurze Zeit darauf ist der Krieger wieder unterwegs. Der Flug über die weite Ebene gestaltet sich zunächst einfach, doch was ist das? Die Ebene ist keine Ebene, wie sein entkräftetes Packtier am eigenen bedauernswerten Leib erfahren muss.

Den folgenden Kampf nimmt der Krieger mit List und Tücke auf. Cool würde man diese Vorgehensweise nennen, jedenfalls da, wo der Leser herkommt. In dieser Welt? Wer weiß das schon? Denn es fällt kein Wort. Worte sind einfach nicht nötig. Allerdings werden auch keine tiefschürfenden Diskussionen zum Besten gegeben. In dieser Welt geht es um das Überleben, egal wie.
Nur manchmal, ja, manchmal benötigt es auch einen kleinen Anstoß von außen. Zum Beispiel dann, wenn das Flugtier mal nicht so will, wie man selbst und wie tot auf dem Rücken liegt. Dann heißt es abzuwarten, bis etwas geschieht.

Klingt wieder mal seltsam? – Das ist es auch, wie so manches unbequeme Experiment. Auch ein Moebius muss es sich gefallen lassen, dass eine Geschichte oder ein Werk überhaupt ohne Erläuterung bestehen kann, sonst taugt es nichts. Die Geschichten Arzach führen weit und auch nirgends hin, sie entziehen sich der Interpretation, man kann hingegen auch darin hineininterpretieren, wonach einem gerade ist.

Es gibt natürlich eine phantastische Komponente, eine gewalttätige, eine sexuelle, eine satirische, eine saukomische, auch eine versaut komische, eine verzweifelte, eine ignorante, eine wahnsinnige, eine sehr schöne, eine technisch versierte und eine, die mal eben so vorbeischaut, weil es gerade passt und schön klingt.
Ja, ist so.
Spaß beiseite, der hier in diesem Band mit der textreichsten Geschichte Die Umleitung beginnt. Eigentlich wollte das Pärchen nur in Urlaub fahren und einmal nehmen sie den falschen Weg und schwupps! Riesen! Surreale Landschaften und Städte und schließlich müssen auch noch Strahlenanzüge angezogen werden – über die dieser Polizist natürlich nicht verfügt. Ausgestattet mit der Macht des Gesetzes, aber dumm wie Brot, naja.
Klingt wieder seltsam?

Ja, ist es, sieht aber toll aus und ist geradezu ein Meisterstück in Sachen Schwarzweißillustration. Moebius leistet hier eine absolute Feinarbeit und baut seine Zeichnungen aus kleinsten Schraffuren, Punktierungen, einer hohen Detaildichte und geschickt eingesetzten Schwarzflächen auf, die ihrerseits nur durch sehr dichte Schraffuren zusammengesetzt sind.
Würde Moebius dies auch noch in einer Handlung zeigen, die eher den üblichen Richtlinien folgt, ohne über die Maßen zu experimentieren, dann wäre dies eine Kurzgeschichte wie aus dem Lehrbuch.

Der Wechsel zur Farbe ist ein irres Bilderspiel. Die Farben knallen rein wie in einem Drogenrausch – jedenfalls stelle ich mir derartige Farben in einem Drogenrausch vor. Intensive, giftig zu nennende Farben bombardieren das Auge, zwei bis drei Bilder pro Seite, selten mehr, werden mit der gleichen Intensität aufgebaut wie zuvor die Schwarzweißzeichnungen.
Der Seitenaufbau wird zuweilen wie ein Gesamtbild betrachtet, verziert mit zusätzlichen Schmuckbögen oder Ornamenten, sogar reliefartigen Zeichnungen. Später noch wird deutlich, wie gut Moebius einfach darin ist, einen Raum zu entwerfen und den Betrachter in diese Weite oder Enge mitzunehmen.

Grafisch ein Riesenhit, der Moebius’ Stellenwert im Bereich des Comics eindrucksvoll unterstreicht. Gegen jede erzählerische Richtlinie entworfen, mit Humor und Selbstironie bricht Moebius mit Arzach aus dem Rhythmus des Comics wie auch jedem anderen Medium aus – allenfalls ließe sich sagen, er habe den späteren Videoclip, der durch Musiksender so populär wurde, auf Papier vorweg genommen.

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