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Comic Blog


Dienstag, 05. Juni 2007

Astro City – Der gefallene Engel

Filed under: Superhelden — Michael um 17:07

Astro City - Der gefallene EngelSteeljack ist wieder aus dem Knast. Es ist da draußen schwer für einen Ex-Knacki. Noch schwieriger ist es für einen Ex-Verbrecher, der sich mit Superhelden angelegt hat.
Steeljack erinnert sich an die Zeit, als er ein kleiner Junge war und die Engel fliegen sah. Was hätte er nicht alles dafür gegeben, so wie sie zu sein? Ein Superheld? Er wollte auch ein Held sein und war bereit alles dafür zu tun – und alles dafür zu bezahlen. Doch irgendwie kam alles ganz anders. Schneller, als ihm in der Gegenwart lieb ist, geriet er auf die schiefe Bahn. Irgendwann lernte er wirklich die Engel kennen. Zu diesem Zeitpunkt stand er längst auf der falschen Seite.

Wieder draußen, nach so vielen Jahren, in dem das Leben an ihm vorbeizog, ist es nicht leichter geworden. Für jemanden, dessen Haut aus Metall besteht, sind selbst Aushilfsjobs schwer zu finden. Als Tellerwäscher kann er auch nicht lange bestehen, denn seifiges Wasser und Metall lassen die Teller aus seinen Händen rutschen. Steeljack zieht sich frustriert immer weiter in sich zurück.
Da wird ihm ein Auftrag angetragen, mit er niemals gerechnet hätte. Irgendjemand lässt Menschen aus seinem Viertel verschwinden. Kleine Gauner, die sich mittels Technik und bescheidener Fähigkeiten, zu Super-Verbrechern aufgespielt hatten. Niemand von außerhalb interessiert sich für das Verschwinden dieser Menschen. Jeder glaubt, dass die Polizei sich um diese Fälle nicht kümmern wird – im Gegenteil, die vorherrschende Meinung lautet, man werde ehemaligen Verbrechern nicht helfen. Ein verschwundener Gauner ist eine Akte, die endgültig geschlossen werden kann.

Hier kommt Steeljack ins Spiel. Er ist nicht der Beste, den sie finden können. Er ist auch kein intelligenter Detektiv, aber – und das ist sein besonderer Vorteil – er kann sehr viel einstecken. Zuerst weiß er nicht, wo er überhaupt anfangen soll. Er fragt herum und klappert die Verwandten der Verschwundenen ab. Wie es sich bald zeigt, taugt selbst das schlimme Schicksal der Gauner nicht zur Abschreckung. Ein junges Mädchen will sich auf den gleichen Pfad wie ihr Vater begeben. Steeljacks versucht sie zu überzeugen, dass sie einen Fehler macht. Ihre Reaktion erinnert ihn zwangsläufig an sich selbst, als er in ihrem Alter war.
Seine Arbeit bringt nichts. Im Gegenteil, denn die Menschen sterben weiter. Und es begegnen ihm hoffnungslose Menschen wie El Hombre, der Held, der sich seine Bedrohungen selber schuf und kläglich damit scheiterte. Eigentlich sollte Steeljack dadurch endgültig abgeschreckt werden, aber ab einem bestimmten Moment erwacht sein Ehrgeiz. Schwach ist er zu Beginn und wird endlich von dem tiefen Wunsch zu helfen abgelöst. Die Spur wird heißer. Leider will niemand auf Steeljacks Vermutung hören, obwohl er sie mit Indizien untermauern kann.

Steeljack steht allein. Aufgabe kommt jedoch nicht mehr in Frage.

Astro City – Der gefallene Engel zeigt die (oder eine) Welt der Superhelden, in es lebensechter zugeht. Die Menschen haben hier eine Menge Probleme und Sehnsüchte, die durch die Superhelden noch genährt werden – ja, man könnte sagen, gäbe es das Vorbild der Helden nicht, gäbe es auch viel weniger Verbrecher.
Kurt Busiek, der Fans von seiner sehr guten Arbeit an den Rächern her bekannt sein dürfte, hat mit Astro City eine Plattform bearbeitet, in der die Sicht von unten viel bedeutsamer bei der Erzählung ist.

Busieks Held in dieser Geschichte, der gescheiterte Superverbrecher Steeljack, dürfte wohl zu den traurigsten Exemplaren seiner Gattung gehören. Das liegt nicht zuletzt an den Zeichnern Alex Ross (Cover) und Brent Eric Anderson. Steeljack sieht aus wie ein metallener Robert Mitchum. Groß und schwer kann seine Erscheinung zwar noch beeindrucken, aber die Kraft ist aus der Haltung verschwunden. Die Schultern haben zuviel Belastung ertragen. Steeljack ist ein riesiges Kind. Alle Illusionen sind verloren gegangen. Misstrauen und Selbstzweifel beherrschen ihn. Aus Steeljack ist der typische Antiheld geworden, der im Selbstmitleid ertrinkt, bis er erkennt, dass er der einzige Mensch ist, der das Unheil aufhalten kann. Er entscheidet sich, über den eigenen Schatten zu springen und den Weg zu Ende zu gehen – egal, was geschehen mag. Insgeheim hat er seinen wahrscheinlichen Tod auch in die Gleichung aufgenommen. Mittlerweile ist er davon überzeugt, dass es das wert ist.

Außer der vorzüglich beschriebenen Figur Steeljack steht sein altes Viertel im Mittelpunkt der Handlung. Zwar bildet es auch die Plattform, auf der erzählt wird, aber es ist ebenso ein vielschichtiger Protagonist.
Gemäß alter Krimi- und Thrillervorlagen ist dieses Viertel auf Einzelschicksalen gebaut. Der Friedhof, der für Steeljack ein wichtiger Anlaufpunkt ist, zeugt davon. Hier findet er sich nicht nur er ein, um sich stets bei seiner Mutter zu entschuldigen, dass er es nicht besser gemacht hat. Hierher kommt auch die nächste Generation, bereit, die gleichen Fehler zu machen wie, bereit dafür, so großspurig zu sein und zu behaupten, man würde es als Superverbrecher zu mehr bringen als die alten Herrschaften.
Superverbrecher wie auch Superhelden sind jenseits der allseits bekannten Figuren aus dem DC- und Marvel-Universum angesiedelt. Manche Figur macht einen etwas lächerlichen Eindruck, wird aber im Rahmen der Geschichte außergewöhnlich gut hergeleitet (wie im Falle von El Hombre und der Schildkröte).

Was die realistischen Eindrücke im ersten Ansatz festigt, sind die tollen Cover der einzelnen Episoden von Alex Ross. Dank ihm wirken Steeljack, El Hombre und Schildkröte ziemlich realistisch, beinahe wie Entwürfe zu einer Verfilmung. Gerade das Auftauchen der Schildkröte aus dem Wasser ist dergestalt angelegt.
Die Hauptarbeit der Bilder erledigt Brent Eric Anderson versiert und ohne Experimente. Aber jegliches grafisches Abweichen von den üblichen Darstellungen hätte vielleicht auch zu sehr abgelenkt.

Auch so können Superhelden sein: Realistischer, mit sehr viel Gemüt und Stil erzählt. Steeljack ist eine hervorragende Figur geworden, die sich in einem spannenden Thriller behaupten muss. 😀

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