Im Jahre 480 vor Christus marschieren 300 spartanische Krieger zu den Thermophylen. An diesem Engpass gedenkt König Leonidas das persische Vielvölkerheer abzufangen. Keiner der Männer glaubt daran, dass er jemals zurückkehren wird.
Der König ist eine Legende unter den Spartanern. Wenn es ein Ideal eines Soldaten gibt, dann erfüllt Leonidas dieses Ideal bis ins Mark. Entsprechend fallen die Ehrbezeugungen und die Bewunderung seiner Männer aus. Und doch führt Leonidas seine Männer wider besseres Wissen in den Kampf. Er forderte den persischen Gottkönig Xerxes heraus, indem er dessen Gesandte in einen Brunnenschacht stürzen ließ. Das Orakel sprach sich gegen einen Kampf gegen die Perser aus. Leonidas, stolz und intelligent wie er ist, gibt nichts auf die Weissagung des Orakels. All die verantwortlichen Priester hält er für korrupt und krank.
Die Spartaner marschieren. Und sie geben ein Vorbild. Bald schließen sich ihnen andere Griechen an, doch sie sind keine wahren Soldaten, wie es die Spartaner ihr Leben lang sind. Leonidas traut ihnen keinen Platz in vorderster Linie zu.
Die Spartaner beziehen ihre Stellung, vorzüglich ausgewählt können sie mit ihrer Zahl an einem Gebirgsengpass das massive Heer der Perser aufhalten, denn hier zählt ihre schier unglaubliche Zahl nichts. Der erste Ansturm wird zurückgeschlagen. Xerxes sieht sich genötigt, persönlich mit Leonidas zu verhandeln. Natürlich schlägt der Grieche das Angebot des Persers aus. Als die gefürchteten Unsterblichen des persischen Gottkönigs angreifen, eine Truppe von Elitekriegern, scheint das Ende gekommen zu sein.
Es existieren einige wenige Schlachten in der Weltgeschichte, die niemals vergessen werden. Diese Schlachten zeichnen sich häufig durch enorme strategische Verdienste der Gewinner aus – oder durch die ungeheure Tapferkeit der Verlierer. Die Schlacht bei den Thermophylen ist ein solch geschichtsträchtiges Ereignis.
Frank Miller, der Meister des Comic-Thrillers, hat sich dieses herausragenden Themas angenommen und den Männern, die den Ansturm jener Übermacht aufhielten, ein szenisches Denkmal gesetzt. Spannungsgeladen bis zum äußersten wendet Miller sein erzählerisches Handwerkzeug auf dieses geschichtliche Ereignis an und schafft so ein Comic-Epos, das seiner Arbeit, die er mit Sin City ablieferte, die endgültige Krone aufsetzt.
Wenngleich die 300 Spartaner auch wie ein Mann handeln, wenn der Kampf ruft (eine wichtige Eigenschaft einiger ihrer Kampftaktiken, wie sich im Verlaufe der Schlacht zeigt), erzählt Miller ihre Geschichte anhand einiger weniger Charaktere, die er sorgfältig ausgewählt hat.
Allen voran steht natürlich König Leonidas. Er ist einer jener Charaktere, die in einer Geschichte für ein einziges vorbezeichnetes Ziel in ihrem Leben existieren. Leonidas ist bereits Zeit seines Lebens eine Legende. Dilios, ein getreuer Soldat, berichtet den anderen Gefährten über den König wie über eine althergebrachte Sage.
Leonidas lebt so seine eigene Legende. Durch seine Stärke ist er der Archetyp des Spartaners.
Ihm gegenüber steht Xerxes, der persische Gottkönig, für den Menschen nur Material bedeuten. Würde der Begriff Kanonenfutter zu dieser Zeit schon Sinn machen, wären sie für ihn nichts anderes. Sein Ehrbegriff ist zu dem der Spartaner vollkommen gegenteilig, nur der Sieg und die Macht zählen. Der Zweck heiligt die Mittel, weshalb schließlich auch Verrat zum Untergang der Spartaner führt.
Das mag sich sehr analysiert lesen, ist allerdings von Miller in ganz einfache strenge Formen gepresst. Die Geschichte ist eine Tragödie. Ein jeder weiß, wie es enden wird, ja, enden muss, aber einen Ausweg gibt es nicht, weil jeder gemäß seines Charakters handeln muss.
Aber Miller lässt den Leser nicht außen vor. Er holt den Leser herein in diese Tragödie, als junger Soldat im Heer des Leonidas, hier in Gestalt von Stelios. Für Stelios’ zeitweilige Schwäche wird das ganze Heer gestraft. Der junge Mann reißt sich schließlich zusammen und trägt zur Legende der Spartaner heldenhaft bei. Und Miller geht noch weiter. Er lässt den Leser auch zum Verräter werden. Einer, der unmöglich mit den Spartanern mithalten kann, offenbart den Persern einen Weg, um den Spartanern in den Rücken zu fallen, nur damit er am Ende umso deutlicher das ruhmreiche Verhalten der Spartaner erkennt. Schließlich stellt Miller dem Leser noch Dilios, den Erzähler, zur Seite, jenen Charakter, der auserwählt ist, diese Geschichte weiter zu erzählen.
Der vorliegende Band erscheint in einem rechteckigen Format, was mitsamt seiner bildgewaltigen Darstellungen, die der Leser von Miller kennt, unwillkürlich an das Cinemascope-Format erinnert. Natürlich bleibt es nicht aus, angesichts des spartanischen Heeres, das auf den Betrachter zumarschiert, an das Breitwand-Kinoformat erinnert zu werden. Martialische Kämpfe finden teilweise in einer gnädigen Scherenschnittdarstellung statt – und erinnern so ein wenig an die Darstellungen aus der Einleitung von Bram Stoker’s Dracula.
Die Leistung der Spartaner ist schier übermenschlich. Entsprechend gleitet Millers bildliche Darstellung manchmal ins Abstrakte ab. So überlässt er der Phantasie des Lesers das Grauen, das sich in dieser Schlacht abgespielt haben muss. – Wie groß der Kern dieser Legende ist, muss jeder Leser für sich selbst herauslesen, selbst wenn er sich nur an die Fakten hält, die überliefert sind.
“Einhundert Völker werden über euch kommen. Unsere Pfeile werden die Sonne verdunkeln.“
“Dann kämpfen wir im Schatten.“
Markige Dialoge und Sprüche sind auch ein Markenzeichen von Miller. Hier gelingt es ihm tatsächlich einen Teil der Atmosphäre eines Thrillers oder auch eines Spaghetti-Westerns in einen Sandalen-Film zu übertragen. Derlei Texte geben der Tragödie ein wenig Humor und nehmen der Geschichte ein bißchen von der hochmütigen Schärfe, mit der die Spartaner auftreten. Trotzdem verliert der Leser dadurch nicht den Respekt vor den Spartanern, die sich einem der größten Despoten ihrer Zeit entgegenstellten.
Kehr zurück mit deinem Schild – oder auf ihm. Selbst die Frauen wissen, was es bedeutet, ein Spartaner zu sein. Ehrverlust wiegt schwerer als der Tod. So wird der Galgenhumor der Spartaner für jeden Leser erkennbar.
Am Ende bleibt zwar nur Tod und Vernichtung, aber es bleibt auch die Erkenntnis für den Leser, mal wieder einen richtigen Monumentalfilm gelesen zu haben. Beide Daumen rauf für eine Geschichte, für die der Begriff Graphic Novel hätte erfunden werden müssen. 😀
Mehr Informationen: 300 (Film-Info bei IMDB)