Dienstag, 07. Mai 2024
Die letzten Überlebenden der Menschheit haben die Erde verlassen und haben sich auf einen weit entfernten Planeten zurückgezogen. Die ehemalige Heimat der Menschheit wurde von Untoten überrannt, die der Anti-Lebensformel zum Opfer gefallen sind. Wenige Helden haben den Exodus geschafft, aber tatsächlich sind auch Helden (und Schurken) auf der Erde zurückgeblieben und haben sich verschanzt. CYBORG ist nicht nur Opfer der ZOMBIE-APOKALYPSE, er ist gleichzeitig auch ein (ungewollter) Initiator der Katastrophe. Sein Kopf wurde vom Körper getrennt und inmitten des Chaos vergessen. Abgeschaltet. Bis sich etwas in CYBORG regt. Eine Idee. Denn, wo der Ursprung der Apokalypse zu finden ist, ist vielleicht auch die Heilung versteckt und all jene, die zu ZOMBIES wurden, könnten vollends genesen.
TOM TAYLOR hat mit seiner Autorenarbeit an DCEASED (bei uns DC-HORROR), einer ZOMBIE-APOKALYPSE im DC-UNIVERSE ein starkes Stück abseits der offiziellen Storyline um SUPERMAN und Konsorten abgeliefert. Nach DER ZOMBIE-VIRUS und DIE ZOMBIE-APOKALYPSE hätte es eigentlich zu Ende sein können. Ein Rest der Menschheit hat sich auf einen anderen Planeten gerettet, etwas weniger haben sich auf der verseuchten Erde verschanzt. Nun schickt TOM TAYLOR diverse HELDEN zur Erde zurück. Darunter den SOHN SUPERMANS, JON, und BATMANS SOHN, DAMIAN, die beide in die Fußstapfen ihrer Väter getreten sind. Darüber hinaus ist BLACK CANARY nun auch eine GREEN LANTERN und WONDER WOMAN hat eine (zwangsweise) Nachfolgerin bekommen. Hier ist also bereits ein frisches Team am Start. Zwar eifern die SUPERSÖHNE ihren Vätern nach, aber sie viele eigene Charaktermerkmale, die für Überraschungen sorgen.
Man werfe noch Figuren wie JOHN CONSTANTINE, SWAMP THING, HARLEY QUINN, DR FATE, BIG BARDA, MR MIRACLE, ETRIGAN, ZATANNA und weitere in den Ring, so entsteht eine Mixtur, die eher selten zusammen auftritt und weit über die üblichen Spielereien mit einer JUSTICE LEAGUE hinausreicht. Ja, hier gibt es ACTION satt, damit die Story aber funktionieren kann, benötigen die Charaktere Tiefe und müssen gut vernetzt sein. Entsprechend geht TOM TAYLOR mit reichlich Drama zu Werke. Große Gefühle, Freundschaften und Lieben werden auf die Probe gestellt. Und das neben der sonstigen Achterbahnfahrt, die mit den Helden von einer Katastrophe zur nächsten jagt.
TREVOR HAIRSINE (Zeichner) ist es zu verdanken, dass auch diese Episode von DCEASED (DC-HORROR) stark aussieht. BRYAN HITCH, ein Kollege, illustriert die Cover (im Anhang des Abenteuers abgedruckt). Die beiden Künstler liegen technisch nah beieinander. Aber während BRYAN HITCH auch ein penibler Techniker ist, der enorme Leistungen allein in Schwarzweiß erbringen kann, legt TREVOR HAIRSINE Bilder vor, denen es zwar an Realismus keine Sekunde mangelt, die einen geringeren Tuscheeinsatz erfordern und viel leichter, skizzenhafter wirken.
TREVOR HAIRSINE hat ein paar starke Aufgaben bewältigt. Ein zombiefizierter PLASTIC MAN ist ein echt monströser Hingucker. Das ballert und liefert völlig neue Action ab, die man bis dato im Comic wohl noch nicht gesehen hat. Das will allein hier schon was heißen, denn DER ZOMBIE-PLANET ist nicht arm an ACTION. DARKSEID und TRIGON komplettieren schließlich noch die BOSSGEGNER-ACTION.
GIGI BALDASSINI, STEFANO GAUDIANO und TOM DERENICK erledigen die Tuschearbeit. Da sind alle auf dem gleichen Level, so dass keine Brüche in der Optik entstehen. Die Farben erledigt nur einer: RAIN (Rainier) BEREDO. Seine Kolorierung trägt sehr viel zur Wertigkeit des Gesamtergebnisses bei. Plastisch, Kino auf Papier, knallig, aber satt, geerdet. Manchmal düster. Und fängt stets die Stimmung perfekt ein. So dürfte, doppelt unterstrichen, Kolorierung immer sein!
Hammerharte Fortsetzung. Das ZOMBIE-Epos von TOM TAYLOR macht keine Gefangenen. Hier kann jeder über die Klinge springen und HELDEN sind nicht automatisch HELDEN in einer Welt, in der zum Überleben Kompromisse nötig werden. Das Spannungslevel ist weit oben, die grafische Gestaltung sehenswert und vorbildlich. Wer die Verbindung von SUPERHELDEN und HORROR mag, liegt hier goldrichtig! 🙂
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Sonntag, 14. April 2024
Wo Gold auftaucht, verwirrt es den Verstand der Menschen nicht selten. Und viel Gold lässt ihn zuweilen wahnsinnig vor Gier werden. Das kleine Städtchen BARRO CITY wird nicht nur seit Wochen von schweren Regenfällen heimgesucht, in der örtlichen Bank wird auch ein riesiger Goldschatz aufbewahrt. Das lockt in dieser apokalyptischen Atmosphäre bald schon menschliche Asgeier an. Während der Regen den Friedhof auswäscht und die Särge aus dem lehmigen Boden spült und die Hauptstraße entlangtreibt, reitet eine Gruppe Uniformierter völlig durchnässt in den Ort. Was zunächst nach einer Hilfsmannschaft aussieht, entpuppt sich bald als eine Horde Ganoven. Der BOUNCER und seine Freunde geraten, kaum dass der Regen aufhört und die Hitze wieder Einzug hält, kurz darauf in höchste Gefahr.
Der Titel des 12. Bandes der Western-Reihe BOUNCER lautet: HEKATOMBEN. Ein Begriff, den ich auch erst einmal nachschlagen musste. Zitat (Wikipedia):
Im übertragenen Sinn spricht man in der Moderne auch bei einer erschütternd großen Zahl von Menschen, die einem Unglück, einem Massaker oder ähnlichem zum Opfer gefallen sind, von einer Hekatombe.
In der Antike entsprach die HEKATOMBE einem Opfer für die Götter. Anscheinend wurde die Anzahl und die Verschiedenheit der Opfer über die Jahrhunderte immer größer. Im übertragenen Sinne, wie oben angesprochen, jagt ALEJANDRO JODOROWSKY, Autor von BOUNCER, die Opferzahl im gleichen Städtchen BARRO CITY auch ziemlich in die Höhe. Hier von einem (oder mehreren) Massaker zu sprechen, ist ganz und gar nicht verkehrt. Der Blutzoll ist enorm. ALEJANDRO JODOROWSKY ist bekannt dafür, dass er sich in seinen Geschichten gerne kurios mythologisch anlehnt, um dem Ganzen so eine noch dramatischere Not zu verleihen. Die schwimmenden Särge gleich zu Beginn, wenn der Tod seinen angestammten Platz verlässt, sind ein gutes Beispiel.
In einem streng begrenzten Szenario tobt sich das Böse aus. In einem Städtchen, in dem jeder jeden und jede kennt, da ist es für Einheimische schwer, ein Querulant zu sein. Wenn also etwas geschieht, etwas Schlimmes, dann muss es von außerhalb hereingetragen worden sein. Der Leser weiß gleich zu Beginn, woher das Böse kommt, wann es angekommen ist. Und das ist gleichermaßen eine Fährte, die den Leser ein wenig aufs Glatteis führt. Denn er weiß eben doch nicht alles. Neue Personen auf dem Spielfeld versprechen neue Wendungen. Es wird gewalttätig, aber ebenso lässt ALEJANDRO JODOROWSKY Kriminalelemente einfließen, denn in der kurzen Zeit häufen sich die Verbrechen unterschiedlichster Art. Und so gibt es sogar eine Spurensuche und Ermittlung, wie sie im guten alten Krimi gang und gäbe ist. Ein gutes Gegengewicht zu ziemlich stark choreographierten Schießereien, wie sie in keinem Western fehlen dürfen.
Häufig ließ sich in Geschichten von ALEJANDRO JODOROWSKY beobachten, wie sehr er seine Hauptfiguren leiden lassen kann. Mit BOUNCER verhält es sich hier ähnlich. Wer gerne mit Sympathieträgern mitleidet, kann hier gar nicht anders. BOUNCER, ein Charakter, der immer bemüht ist, das Richtige zu tun, ereilt hier nicht nur ein trauriges Schicksal, er muss gleichzeitig mit großer Trauer umgehen. Das nichst daran ändert, dass ALEJANDRO JODOROWSKY die Geschichte wendungsreich angelegt hat, nicht übertrieben und nicht aus dem Hut gezaubert. Freunde der neuen realistischen Sorte von WESTERN ebenso wie jene, die der ITALO-VARIANTE anhängen, werden hier absolut fündig, auch ohne Vorkenntnisse der bisherigen Handlungen.
FRANCOIS BOUCQ ist nicht nur ein langjähriger Wegbegleiter von ALEJANDRO JODOROWSKY, er gehört mittlerweile auch zu den Comic-Künstler-Veteranen. Er gehört nicht ganz zu den alten Jahrgängen wie ein JEAN GIRAUD oder ein HERMANN HUPPEN, beides großartige Western-Zeichner, aber er zeichnet in ihrer Tradition weiter. Das sind handgemacht aus, mit deutlichem Tuschestrich und organischem Farbauftrag. Das ist ein Comic-Künstler, der auf tragisch-epische Szenarien angesetzt werden kann und aus den geschriebenen Vorlagen starke, echte Charaktere kreiert, die einem Leser ans Herz wachsen können.
Seine grafisch gestalteten Figuren passen sehr gut zum Western-Genre. Wer einmal Vergleiche anstellen möchte, sucht sich tatsächlich alte Fotografien jener Tage und wird schnell sehen, wie gut sich die Charaktere aus BOUNCER in diese schwarzweißen Rückblicke einreihen würden, ohne aufzufallen. Das zeigt nämlich gleichzeitig einen weiteren schönen Aspekt der Reihe: Authentizität. Keine Glorifizierung. Einfach ein genau gestalteter Blick auf eine Gegend im Nirgendwo, die versucht, sich einen zivilisierten Anstrich zu geben. Nebst Bank und Sheriff, nebst Bordell und Saloon, auch eine Feuerwehr und sogar hier in dieser kleinen Stadt ein Chinatown. Und ganz nebenbei rennen immer noch die Rinder durch die Straßen. Kurz: Eine stark eingefangene Western-Atmosphäre, absolut dicht, auf der ALEJANDRO JODOROWSKY seine Drama-Tragödie vorantreiben kann.
BOUNCER ist jetzt schon eine seit Jahrzehnten wachsende Western-Serie, die zu den Top-Reihen ihres Genres zählt. FRANCOIS BOUCQ hat als Comic-Zeichner auch andere Genres bedient (z.B. Thriller wie JANITOR), aber im WESTERN hat er als Künstler ein Zuhause gefunden. ALEJANDRO JODOROWSKY, ein Experte für tragische Figuren, gönnt seinem BOUNCER nur wenige gute Momente, lässt ihn leiden und sich wieder aufrappeln. Kein strahlender HELD, aber ein KÄMPFER und STEHAUFMÄNNCHEN. Und mit Fug und Recht behauptet: Spannend und dramatisch von der allerersten bis zur letzten Seite. Vorbildlich. TOP! 🙂
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Dienstag, 02. April 2024
Es war einmal ein Superheld namens SUPERMAN, dessen Trikot-Farben vornehmlich aus ROT UND BLAU bestanden (sieht man von den gelben Farbtupfern im Logo und im Gürtel ab). Seit Jahrzehnten, einer gefühlten Ewigkeit ist der Held vom anderen Stern auf der Erde unterwegs, sehr oft im erfundenen METROPOLIS und tritt gegen unterschiedlichste Gegner an, allen voran natürlich LEX LUTHOR, das neidische Verbrechergenie. Aber das Universum von SUPERMAN ist freilich viel reichhaltiger, wie das Titelbild des vorliegenden Sonderbandes mit dem Titel ROT UND BLAU beweist. Allein die engste Heldenfamilie mit diversen SUPERTIEREN (KATZE, PFERD, besonders KRYPTO, der Hund vom anderen Stern), STEEL, nicht nur einem SUPERBOY, einem SUPERGIRL einem POWER GIRL. Selbstverständlich darf LOIS LANE nicht fehlen, die Varianten SUPERMAN ROT und SUPERMAN BLAU oder BIZARRO. Um nur ein paar zu nennen, die das Cover zieren.
Um was geht es hier eigentlich? GESCHICHTEN. Eine ziemliche Bandbreite von EPISODEN, die einen SUPERMAN teils so grundverschieden von seinen großen Abenteuern zeigen, wie es nur selten geschieht. Und das alles in einer Mixtur aus BLAUtönen, ROTtönen und Schwarzanteilen. Das ist ein farbliches EXPERIMENT, aus dem ein eindrückliches Bilderlebnis entsteht, so manchen Moment unterstützt, unterstreicht und in vielen Fällen die menschliche Seite des Kryptoniers, als SUPERMAN oder CLARK KENT, näherbringt.
Da setzt sich ein SUPERMAN mit seinen eigenen FOLTERERFAHRUNGEN auseinander oder löst einen RAUBÜBERFALL als CLARK KENT einfach, indem er mit dem Räuber spricht, von Mensch zu Mensch. Die Geschichten lassen kaum eine Altersstufe des STÄHLERNEN aus, noch beschränken sie sich rein auf die ERDE. Manchmal ist der Anlass einer Episode ziemlich schlicht. Bezeichnend hierfür ist ein Umzug. SUPERMAN und SUPERGIRL suchen ein neues Zuhause. Doch leider hat SUPERGIRLS KATZE keine Lust, sich zu diesem Zweck in eine Transportbox packen zu lassen. Kurz darauf fliegt eine Katze mit rotem Cape AMOK. Die Geschichte ist äußerst nostalgisch zu bewerten, ist doch kurz das merkwürdige SUPERMAN SPACESHIP (samt seiner Hände) zu sehen (damals auch als kurioses SPIELZEUG erhältlich).
NOSTALGIE finden nicht nur die Leser, sondern auch die Figuren selbst. Wenn SUPERMAN selber VATER wird und an JONATHAN KENT zurückdenkt, den er bei all seinen Kräften nicht retten konnte. Oder eine Story, in der MARTHA KENT im Mittelpunkt steht und sich gegenüber ihren Freundinnen (offenbar die KLATSCHBASEN von SMALLVILLE) positioniert und klarstellt, dass CLARK nicht adoptiert ist (wie Gerüchte behaupten). An anderer Stelle rettet SUPERMAN noch mal eben die Welt und schafft es dennoch noch rechtzeitig zum Essen mit seinen Freunden BRUCE WAYNE und DIANA PRINCE im Restaurant vor Ort zu sein.
Gleichzeitig schlagen die Stories den weiten Bogen von der Entstehung des kryptonischen Charakters bis in die Neuzeit, da der Mut SUPERMANS, seine Geheimidentität in der Öffentlichkeit zu verraten, einem Jugendlichen dazu inspiriert sich endlich vor der Familie und allen anderen zu outen. Neben solchen echten, ernsten Themen die WELTRAUMABENTEUER, den Kampf gegen feindliche MONSTER oder auch den Schabernackquatsch zwischen SUPIE und MR MXYZPTLK (der hier eine neue, frische FUNNYSEITE erfährt).
Grafisch ist für den Leser alles dabei. Klassisch, sehr fein, penibel oder auch rebellisch, krass, grob. Stilistisch, dass muss man unterschreiben, ist die Umsetzung stets der Geschichte angepasst. Wenn die GRAFIK eher PUNK ist, dann geht auch im Abenteuer der PUNK ab. Entsprechend verhält es sich, wenn es zum Beispiel menschelt. Dann ist auch die Stilistik ruhiger, klarer.
Ein toller Querschnitt über eine COMICFIGUR, die POPKULTURGESCHICHTE geschrieben hat und weiterhein schreibt. Es ist schön zu sehen, dass SUPERMAN nicht immer das EVENT oder ein wahnsinnig großes CROSSOVER braucht, um zu unterhalten. Nach BATMAN SCHWARZ WEISS oder im anderen Comic-Universum einem WOLVERINE SCHWARZ, WEISS UND BLUT erhält auch der STÄHLERNE seine über Farbkompositionen erzählten Geschichten. Sehr unterhaltsam, neu, nostalgisch, experimentell und versiert. Eine starke Nummer! 🙂
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Freitag, 01. März 2024
Der FALKE dachte, er hätte seine Beute sicher. Aber RAUBVÖGEL sind nicht unbedingt die Könige der Lüfte. Diejenigen, die sich vor gar nichts fürchten, sind die RABEN. Und so greifen sie diesen Eindringling in ihren Luftraum gnadenlos an, versuchen ihm sogar die Beute zu stehlen. Der Angriff ist nur halb erfolgreich. PICT, die kleine weiße MÄUSIN, die sich ebenso halb sicher in einem Vogelhaus sicher vor dem Verspeisen durch den FALKEN wähnt, stürzt durch die Attacke in die Tiefe. Doch sie hat Glück im Unglück und findet einen neuen Freund…
Die Reise geht für den Leser an der Seite der beiden Mäuse WIX und PICT. MAC SMITH, Autor und Illustrator, eröffnet eine Welt, aus der sich die Menschen verabschiedet haben. Es ist ruhiger geworden. Kein Auto fährt mehr, kei Mensch lässt sich sehen, die Natur hat die Ruinen der Häuser zurückerobert. Aber darüber hinaus hat sich manches verändert. Die Natur scheint erschöpft, das Wetter agiert gegen das verbliebene Leben. Verschiedenste Tiere versuchen mit der Situation klar zu kommen. MÄUSE, RATTEN, KATZEN, BIBER, WÖLFE, ein ELCH, eine SCHLANGE, RABEN, FÜCHSE, FALKEN, SCHILDKRÖTEN, generell Tiere des Waldes. Tiere, die einst zum Leben der Menschen gehörten, sind verschwunden. Nahrung ist schwer zu finden, sichere Zufluchten sind selten.
MAC SMITH zeichnet eine düstere Welt. Aber das macht er in einer hochrealistischen Optik, die SCURRY zu etwas ganz Besonderem macht. Und im Fortsetzungsband, DER ERTRÄNKTE WALD, mit vielen Wendungen und Überraschungen aufwartet. Zwei MÄUSE, WIX und PICT, haben ihre Kolonie verlassen (mehr oder weniger freiwillig), die Richtung hierbei wurde, kann man sagen, ihnen aufgezwungen. Da die beiden getrennt wurden, entwickeln sich zwei völlig unterschiedliche Erzählstränge. Perfekt für MAC SMITH, um diese (seine) Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, jedoch in jedem Fall die Düsternis und die Verzweiflung, die dem Szenario innewohnt, zu vertiefen.
Und wie! Beiden Hauptcharakteren werden, sprichwörtlich, wahnsinnig viele Steine in den Weg gelegt. Die Welt ist grau, sie ist nass! Und wer klein ist, dessen Leben hängt sowieso dauernd am seidenen Faden. Es regiert der Wahnsinn, die Gier, die Brutalität. Selbst die ganz großen Tiere, jemand wie der ELCH ATLAS, müssen aufpassen, wollen sie in dieser Welt überleben. Denn eine Rotte WÖLFE kann auch für sie Todesgefahr bedeuten. MAC SMITH ist in jeder Sequenz meisterhaft darin, die höchstmögliche Intensität aus der jeweiligen Erzählung herauszuholen. Das geschieht zuallerst über die Bilder, die der in Sachen Illustration autodidaktische Künstler (ja, wirklich!) MAC SMITH so anlegt, als seien diese aus einem Animationsfilm entsprungen. Das Titelbild verrät es schon: Hier ist REALISMUS, sogar leichte Überzeichnung, Trumpf! MAC SMITH holt aus computergestützter Kolorierung so ziemlich alles raus, was geht!
In zweiter Linie muss der Leser natürlich mit den Figuren fiebern können. Das geschieht über eine gewisse Vermenschlichung, aber auch über die Anwendung mancher Fabelregeln, indem den Tieren bestimmte Eigenschaften zugestanden werden. Anleihen hierzu kann sich MAC SMITH außerdem bei klassischen Zeichentrickfilmen geholt haben. Wie zum Beispiel MRS BRISBY UND DAS GEHEIMNIS VON NIMH (1982). Drei Bilder seines ARTSTATION-Accounts verraten, dass er sich mit diesem Film auseinandergesetzt und sich vielleicht Inspirationen von dort geholt hat. Entsprechend dieses Vorbildes sind WIX und PICT absolute Sympathieträger. Mutig, loyal ihrem Partner (oder Partnerin) und ihrer Kolonie gegenüber. Findig, schlau und offensichtlich auch so manchen anderen Figuren in der Geschichte nicht unsympathisch (bis auf jene eigentlich, die sie nur zum Fressen gern haben).
Und damit der Leser, wir, so richtig Mitfiebern kann, erspart MAC SMITH den beiden Mäusen nichts. Die menschliche Zivilisation, in dieser Postapokalypse, ist längst untergegangen. Doch die kleineren Welten, die nicht so unabhängig von der großen Menschenwelt waren, wie sie angenommen haben mögen, drohen nun ebenfalls alles zu verlieren. In der MÄUSEKOLONIE wird der Hunger für einen Exodus verantwortlich sein. In einer Kolonie der BIBER ist es eher der Wahnsinn eines Herrschers, der alle am Fleck hält, obwohl die Versorgungslage kaum besser ist. Und wenn der Leser denkt, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, setzt MAC SMITH noch eines drauf. Dann kommen sogar drei FÜCHSINNEN zu Wort, die sich ein WILLIAM SHAKESPEARE hätte einfallen lassen können und dem Ganzen noch einen mystischen Anstrich geben.
MAC SMITH ist in Sachen Comic-Kunst Autodidakt. Das mag man kaum glauben, betrachtet man die teils fotorealistischen Bilder. (Entwicklungsarbeiten zu SCURRY finden sich im Anhang sowie im Netz auf Accounts von MAC SMITH.) Jahrelange Arbeit war für SCURRY insgesamt nötig und wer die Seiten betrachtet, mag jede einzelne Arbeitsminute davon regelrecht spüren. Liebe an der eigenen Geschichte, Detailfreude, all das kommt hier zum Ausdruck. Das mittlere Abenteuer der SCURRY-Trilogie, aufgeteilt in vier Kapitel, DER ERTRÄNKTE WALD, vermag es auf jeder Seite den Leser in seinen Bann zu ziehen. In nervenzerrender ACTION ebenso wie in den ruhigeren Momenten. Einfach nur stark!!! 🙂
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Donnerstag, 22. Februar 2024
Ein Schiff muss her! Doch woher nehmen, wenn man keines stehlen kann? Ein waghalsiger Plan führt die kleine Mannschaft erst auf eine halsbrecherische Diebestour und kurz darauf mit einer Kanone (!) auf einem Floß auf hohe See. JUAN DER LANGE hat seine Leute überredet, ihm zu vertrauen und Beute versprochen. Das verlangt viel von den Halunken (und der einzigen Frau in der Mannschaft, die letztlich auch ein Halunke ist). Am Ende blicken alle auf das Wasser hinaus, warten auf Ebbe und hoffen das Beste. Es wäre gut für JUAN DER LANGE, wenn sein Plan Früchte trüge, denn die PIRATEN werden langsam ungeduldig…
Es waren einmal: PIRATEN! Über die Jahrzehnte hinweg hatten sie ihre unterhaltenden Auftritte in Popkultur. So richtig weg waren sie nie, und sie tauchten auf sämtlichen Weltmeeren auf. Eine zentrale Umgebung, wo sie, hauptsächlich, in Literatur und Film besonders gern gesehen waren, ist die von hier aus betrachtet überseeische Karibik. Dieser Knotenpunkt auf dem Weg von Europa an die Goldküsten Südamerikas mit den Besitzungen der spanischen Krone ist der weitläufige Schauplatz von JUAN DER LANGE. Dieser junge Mann möchte ein Pirat sein. Er hat seiner kleinen Mannschaft einiges versprochen, doch bisher war keine Beute in Sicht. Obendrein fehlt ihnen zum Piratendasein das Wichtigste: Ein Schiff!
ANTONIO SEGURA, der Autor, lässt seine Charaktere sozusagen bei Null beginnen. Und es stellt sich gleich zu Beginn die Frage, wie gelangt man an ein Schiff, wenn man nicht gerade in einem Hafen eines stehlen kann? Man kauft es und das Geld dazu verdient man sich zuvor mit einem Husarenstreich. Und viel Schweiß und Anstrengung. Der Leser verfolgt diesen kuriosen Plan, der auf einen einzigen Treffer setzt. Und darüber hinaus auch keine Versuche zulässt. Das reicht, um Spannung aufzubauen. ANTONIO SEGURA lässt es darauf nicht beruhen, denn die versammelte Mannschaft um JUAN DER LANGE ist punktgenau und perfekt zusammengestellt.
Das Titelbild verrät schon einiges über die Truppe, aber insgesamt ist es in der Geschichte noch um ein Vielfaches differenzierter. Auffallend betagt ist METHUSALEM, ein altgedienter Pirat, einbeinig, einäugig, doch von seiner Erfahrung her für die Truppe absolut unverzichtbar. Es gibt den FRANZOSEN, zwei Haudraufs, von denen einer der Vater der HÜBSCHEN KLEINEN ist. Hier gibt es Konstellationen, die erinnern an einen gallischen Stamm, ebenso finden sich Anleihen (oder Verbeugungen) bei klassischen Kinoabenteuern, in denen sich berühmte Piratendarsteller einen Namen machten. Entsprechend geht es durchaus ernsthaft zu, aber auch humorvoll (öfters) und familienfreundlich (meistens). Den Schurken sieht man ihre Schurkenhaftigkeit sogleich an, erst recht den anderen Piratenkapitänen wie dem HOLLÄNDER, der bei Widerworten kurzen Prozess macht.
Aber die Halunken sehen gut aus dabei! Zu verdanken ist das dem Zeichner JOSÉ ORTIZ, der hier eine Parade von Schurken abliefert und solche Gesichter aufs Papier zaubert, wie es die goldene Ära der Piratenfilme (als die Welt meistens schwarzweiß war) dem Zuschauer darbrachte. Die Comiczeichner aus Spanien brachten einen frischen realistischen Grafikstil in das Medium ein. JOSÉ ORTIZ, hierzulande mindestens noch mit HOMBRE bekannt, könnte technisch mit JORDI BERNET (TORPEDO) verglichen werden. Beiden ist zueigen, dass sie neben dem Realismus auch eine Spur Karikatur einfließen lassen. Die Figur des METHUSALEM ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Nicht zu echt, aber auch nicht zu abgedreht illustriert, um nicht in der Realität existieren zu können.
Kapitelweise, jeweils schön abgeschlossen, ohne den Gesamtfluss der Geschichte stark aufzuhalten, erzählt ANTONIO SEGURA vom Leben der PIRATEN und das beinhaltet natürlich eine gehörige Portion ACTION. Zu WASSER selbstverständlich, aber eben auch zu LANDE. Da gibt es die Kämpfe gegen ihresgleichen, auf dem SCHIFF. Da müssen Stürme bestanden und Wege durch Sumpfgebiet beschritten werden. Da droht eine Begegnung mit vermeintlichen Kannibalen unschön auszugehen. Da gibt es in einer Situation höchster Not noch Zeit für eine Spur ROMANTIK (die braucht ein PIRAT auch). Und ein Kollege von ROBINSON CRUSOE sorgt für Einlagen, die für besondere Abwechslung im PIRATENLLEBEN sorgen. Daneben aber, zum Beispiel in einem Kapitel das den Sklavenhandel thematisiert, wird auch es auch mal bitterernst.
Das alles ist von JOSÉ ORTIZ mit außerordentlich leichter Hand gezeichnet. Er führt den Leser nah an die Auseinandersetzungen, auf die Decks der Schiffe, die Strände, die Hafenstädte und die Spelunken sowie in die Dschungel. Das ist sehr lebendig, wie vor Ort skizziert und mit Tusche meisterhaft leicht hingeworfen. Kein Wunder, denn JOSÉ ORTIZ war auch ein Perfektionist darin, wenn es darum reine Schwarzweißzeichnungen abzuliefern. Hier muss er sich zugunsten der Kolorierung nur etwas zurücknehmen. Nicht ein Strich zu viel, keiner zu wenig und obwohl JUAN DER LANGE erstmals vor über 30 Jahren erschien, ist der grafische Stil immer noch modern.
PIRATEN kommen heutzutage viel zu kurz, da kommt die klassisch erzählte Geschichte um JUAN DER LANGE von ANTONIO SEGURA (Autor) und JOSÉ ORTIZ (Zeichner) gerade recht mit einer Neuauflage. Das Vermächtnis der beiden Comic-Künstler kann solche Comic-Leser, die sich für PIRATEN und HISTORISCHE SZENARIEN begeistern, ganz bestimmt einfangen. Jung, frisch und in einer Erzählweise, die gerade der heutigen Zeit sehr angepasst scheint. Klasse! 🙂
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Freitag, 16. Februar 2024
Das Drama hat in MYJOY seinen Lauf genommen. Obwohl es gerade dort kein Drama geben sollte. Denn MYJOY ist der größte Ferienpark aller Zeiten, wo jeder Mensch, der es sich leisten kann, sich zwei Wochen lang seinen Vergnügungen hingeben kann. Aber hinter den Kulissen von MYJOY gärt es. Schon seit längerem entgleisen die Strukturen, gibt es immer mehr Menschen, die über die Stränge geschlagen haben, sich überschuldeten und nun auf den Straßen von MYJOY leben. Jeden Tag sind solche Leute auf der Flucht, weil das computerisierte System es jedem Individuum nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt gestattet, seine Schlafstätte zu nutzen. Wer danach noch vor Ort ist, verliert sein Leben. Darüber hinaus, für alle sichtbar, hat der Kopf von MYJOY, sein Erfinder SPRINGY FOOL, nicht nur die Kontrolle über sich selbst, sondern auch über den Park verloren. Eine unaufhaltbare Abwärtsspirale setzt ein …
LUC BRUNSCHWIG, Autor, und ROBERTO RICCI, (Zeichnungen und Farben) setzen SPRINGY FOOL, der im Gewand des HASEN aus ALICE IM WUNDERLAND auftritt und völlig verantwortungslos ist, einen jungen enthusiastischen Mann, BUZZ, gegenüber, der in MYJOY als Sicherheitsbeamter (oder vielleicht besser als Parkpolizist) arbeitet. Inspiriert von einer alten Zeichentrickserie, in der ein Indianer namens LAUGHING RACOON durch die Zeit reist und unbestrafte Verbrecher richtet, hat sich BUZZ von seinem elterlichen Bauernhof verabschiedet und will ein gänzlich anderes Leben führen. Diese völlig gegensätzlichen Charaktere prallen in URBAN aufeinander. Es entspinnt sich ein, über die gesamte Länge andauerndes, SCIENCE FICTION DRAMA der besten Art.
Im vorliegenden 5. BAND, mit dem Untertitel SCHIZO ROBOT, werden viele über die Reihe URBAN hinweg ausgeworfene Fäden zusammengeführt. Glücklich werden hierbei die wenigsten Charaktere. Tote, Verletzte, seelisch gebrochene Gestalten bleiben in den Fährten von BUZZ und SPRINGY FOOL zurück. Das ist von LUC BRUNSCHWIG meisterhaft geschrieben und mit großer Weitsicht über einen sehr gestreckten Handlungsbogen. So manches klärt sich erst zum Schluss. Den einen oder anderen AHA-Moment gibt es ebenfalls, wenn sich die letzten Knoten entwirren. Bezeichnend ist eine tolle Charaktertiefe, selbst bei solchen, die realtiv kurz eingeführt werden. Bedeutet im Klartext: Selbst wenn der Leser glaubt, eine Figur könnte wichtigere Bedeutung in der Handlung erlangen, kann er ziemlich falsch liegen. Hier kann jeder Charakter über die Klinge springen.
ROBERTO RICCI arbeitet mit einem starken Mix aus organischen Zeichnungen und Computerkolorierung. Neben der bereits bekannten Zeichentechnik darf sich der Leser aber auch noch auf eine Abwandlung freuen. Die von BUZZ so geliebte Zeichentrickserie seiner Kindheit wird in einem Rückblick vorgestellt. Genauer gesagt wird sie gepitcht. Das Serienkonzept, der Handlungsablauf, die Hauptfigur LAUGHING RACOON. Die gezeigten Ereignisse sind anfangs nah an der amerikanischen Historie, bevor die Geschichte in Richtung SCIENCE FICTION schwenkt. Der Zeichenstil ist von ROBERTO RICCI so gewählt, dass er durchaus in einer modernen Zeichentrickserie Verwendung finden könnte (das sieht richtig gut aus!). Es wäre schön, wenn ROBERTO RICCI diesen Stil irgendwann einmal wieder aufgreifen würde (vielleicht für ein SPIN-OFF mit LAUGHING RACOON).
Das ist ein SCIENCE FICTION DRAMA. Natürlich gibt es Übertreibungen, aber nicht hin zur Komik. LUC BRUNSCHWIG und ROBERTO RICCI nehmen die Geschichte und ihre Charaktere sehr ernst. Neben Spannung, Tiefe gibt es auch Platz für Mitleid. Und das nicht zu knapp. Eine toll erdachte Dystopie, stark und durchdacht erzählt, bestens illustriert. Für SCIFI-FANS absolut empfehlenswert! 🙂
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Sonntag, 04. Februar 2024
Wo die Liebe hinfällt. Wo sie hinfällt, kann sie Menschen verändern. Verbessern. Auf neue Wege führen. So ist es auch mit Edwyn. Edwyn war online unterwegs und hat sich in Virginia verliebt, sie im echten Leben kennengelernt und jetzt sind sie auf der Straße unterwegs nach nirgendwo. Aber EDWYN, der ein Serienkiller war, ist friedlich geworden und tötet niemanden mehr. Ja, er ist sogar überaus freundlich zu jedermann und jederfrau. Bis zu dem Tag, als es jemand an einer Tankstelle wagt, VIRGINIA dumm und obszön von der Seite anzuquatschen. Da zeigt es sich, dass Edwyns Geduldsfaden verdammt kurz ist. Er rastet aus …
DOUG WAGNER, Autor von PLASTIK, hat sich mehrmals ein paar merkwürdige Charaktere vorgeknöpft (vorsichtig formuliert). EDWYN ist ein SERIENMÖRDER, der die Köpfe seiner Opfer gerne in Klarsichttüten packt. Das ist sein Tick. Darüber hinaus tötet er einfach und bedient sich der Gegenstände dazu, die gerade in Reichweite sind oder deren Benutzung ihm Spaß bereitet. Wenn die Wut die Oberhand gewinnt, endet die Angelegenheit meist blutig. Neu ist der Umstand, dass er nun selbst auf die Abschussliste gerät und die mit dem Blut eben nicht nur die anderen sind.
Tödlicher FREAK will FREUNDIN befreien. So könnte der Plot in einem Satz lauten. Darauf ruht sich DOUG WAGNER aber nicht aus. Denn der Killer trifft hier auf andere Killer. Bisher hatte EDWYN eher mit Leuten zu tun, die ihren Alltag nicht als Gangster bestritten und im Umgang mit Waffen nicht so versiert waren. Diese Erfahrung lässt DOUG WAGNER seinem ungewöhnlichen Helden zuteil werden, indem er den Schwierigkeitsgrad, VIRGINIA zu befreien, deutlich erhöht. Man könnte also den ersten Plotsatz um einen zweiten erweitern: Es wird ein SCHLACHTFEST.
Es gab im Kino mal die Ära des SPASS-SPLATTERS (zum Teil wiederauferstanden). Im COMIC wurde sie bereits mehrfach wiederbelebt (zum Beispiel in HACK/SLASH). PLASTIK ist eine Variante solcher SPASS-SPLATTER-GESCHICHTEN, die aber durch einen KILLER besticht (Wortspiel), der eben nicht durch und durch irre ist, sondern tatsächlich auch (mindestens) eine gute Seite hat und sogar so etwas wie Mitleid oder Freundschaft empfinden kann. Dabei darf, bei aller seitens EDWYN offenbarten Empathie, nie vergessen werden, dass dieser KILLER jemand ist, der mit Leichen spricht (die natürlich nicht antworten, außer in seinem Kopf).
Desweiteren sind noch drei Comic-Künstler am Start. In erster Linie muss selbstverständlich DANIEL HILLYARD genannt werden, der das ARTWORK der einzelnen Seiten abliefert und darüber hinaus diverse VARIANTCOVER der hier gesammelt vorliegenden Einzelausgaben der Miniserie PLASTIK. Da gibt es Morde zu sehen, Gewaltexzesse, auch Leichen, aber häufiger mal hält die KAMERA Abstand, schaut rechtzeitig woanders hin. Aber, liebe SPLATTER-FANS, es bleibt noch genug übrig. DANIEL HILLYARD kann, wenn er darf, wie seine VARIANTCOVER zeigen (starker Tobak!) sowie der eine oder andere Look auf das Geschehen. Das sind allerdings die Spitzen der Fights und Morde. Mehr muss DANIEL HILLYARD Stimmungen aufbauen, Spannung anheizen und die richtigen Blickwinkel, die richtigen Gesichtsausdrücke und Haltungen abbilden. Und EDWYN ist wahrlich kein Charakter, der mit Emotionen geizt. DANIEL HILLYARD inszeniert ihn als offenes Buch. Hier ist alles abzulesen.
LAURA MARTIN koloriert die von DANIEL HILLYARD sehr systematisch und leicht überzeichneten Grafiken (bei den Männern vor allem hart an der Grenze zur Karikatur). Stets wird eine farbliche Grundstimmung gesucht, die je nach Handlungsort relativ nüchtern ist (wie ein Büro bei Tag) oder eher gruselig angelegt wird (wie das Innere eines Autos mitten in der Nacht). Das ist insbesondere im weiteren Verlauf von LAURA MARTIN gut gelöst, wenn die Handlung im Halbdunkel stattfindet, es plötzlich blutig wird und anschließend jemand das Licht einschaltet.
Noch ein Wort zu ANDREW ROBINSON, der das ARTWORK der ORIGINALCOVER gestaltete. Alle Cover sind im Anhang des Bandes ansehbar. Eines ist auch das Titelbild der vorliegenden Gesamtausgabe. Im Gegensatz zu DANIEL HILLYARDS Covern setzt ANDREW ROBINSON auf Atmosphäre. Jedes seiner Bilder könnte auch das Poster zu einem HORRORFILM sein, ohne jeweils zu viel zu verraten und als Coverillustration einen Fokus auf einen bestimmten Aspekt des jeweiligen Akts richten.
KILLER-THRILLER, mit einer Prise HORROR. DOUG WAGNER, DANIEL HILLYARD, LAURA MARTIN und ANDREW ROBINSON kennen ihr GENRE. Ein psychopathischer Serienmörder, abgedrehte Gangster und korrupte Cops (und ein paar Zwischenstufen, die Übergänge sind fließend). Man kann EDWYN, den KILLER, nicht zur Gänze nicht mögen. Er kann ein paar Sympathiepunkte sammeln. Immerhin ist er verliebt. Obwohl auf der Rückseite des Sammelbandes steht, wer VIRGINIA, EDWYNS FREUNDIN in Wirklichkeit ist, soll das hier nicht verraten werden. Das ist irgendwie ein netter Clou. Starke Nummer von einem Künstler-Dreamteam! 🙂
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Montag, 29. Januar 2024
Die Anlage scheint verlassen zu sein. Die amerikanischen Soldaten, die auf der Suche nach Vorräten und Material sind, haben nicht mit diesem Fund gerechnet. Bereits seit drei Jahren harren sie in dieser menschenfeindlichen Umgebung, einer Insel weitab vom Schuss, irgendwo in tropischen Gewässern, aus. Dinosaurier, eigentlich längst ausgestorben im Rest der Welt, trachten ihnen jeden Tag nach dem Leben. Der Fund einer hermetisch abgeriegelten Forschungsstation ist da ein großer Lotteriegewinn. Das Hochgefühl verflüchtigt sich bald, da sie merken, was sie da gefunden haben. Ersten Aufschluss geben einige noch intakte Bruttanks. Kurz darauf müssen sie leidvoll feststellen, dass sie nicht alleine sind …
FRANK CHO hat im Prinzip den FRANKENSTEIN-MYTHOS umgedeutet. SHANNA ist nichts anderes als ein Experiment unter der Prämisse, ob der Mensch Leben erschaffen kann. Okay, FRANK CHO ist Amerikaner und als solcher in der Unterhaltungsindustrie auch leicht dabei, irgendwelche Nazi-Forschungen als Ausgangspunkt zu nehmen. Damit wandelt er auf den Spuren von STEVEN SPIELBERG und seines INDIANA JONES, aber auch in den Fußstapfen von Comic-Charakteren wie DANGER GIRLS oder HELLBOY. Ein wenig kann SHANNA auch als eine Art weißhäutiger SHE-HULK umschrieben werden. Nicht umsonst hat die hier in einem Band zusammengefasste Miniserie den Zusatztitel THE SHE-DEVIL! Es gibt also durchaus Parallelen und eine gewisse Comic- oder Popkultur in die Richtung einer Geschichte um SHANNA.
Die Handlung ist streng umrissen, der Handlungsort eingeschränkt. Für die Charaktere heißt das in erster Linie: Kein Entkommen möglich! Jedenfalls nicht ohne Hilfe von außen. Mit SHANNA kommt die Hilfe von innen. Ähnlich wie ein TARZAN muss sie den Umgang mit Menschen erst lernen. Ein wenig Zivlisation, denn mittels ihrer Kraft und Geschicklichkeit weiß sie sich bereits gegen Monster durchzusetzen. Aber auch gegen übergriffige Männer. Das sind amerikanische Soldaten, die es auf dieses ferne Eiland verschlagen hat. JURASSIC PARK (und später JURASSIC WORLD) haben den Weg für DINOSAURIER neu geebnet. Ein starke Frau wie SHANNA braucht entsprechende Gegner. Deshalb hat sich FRANK CHO gleich zwei Spitzenpredatoren der Urzeit herausgepickt: den TYRANNOSAURUS REX und den VELOCIRAPTOR (und den gleich dutzendweise).
Hier wird mit ACTION nicht gekleckert, hier wird wirklich geklotzt. FRANK CHO, als Autor und Zeichner hier vertreten, ist nicht nur ein perfekter PIN-UP-KÜNSTLER, er ist auch ein ILLUSTRATOR vom Format eines TERRY DODSON. Man könnte seinen Stil einen idealisierten Realismus nennen. Alles ist noch etwas größer, schöner (sogar die Monster). Letztere werden neben SHANNA stark in Szene gesetzt und nicht gerade mit einem Weichzeichner. Hier werden Raubtiere, Fleischfresser, ins Zentrum der Handlung gerückt und natürlich kommt es auch zu Begegnungen zwischen den Sauriern, die sich hinter Leinwandszenen nicht zu verstecken brauchen. Aber besonders beeindruckend ist es natürlich, wenn sich SHANNA in bester TARZAN-Manier den Sauriern stellt (besonders gegen einen T-REX). Unter dem Strich ist das bestes B-MOVIE-ACTION-COMIC. Bedeutet: Hirn ausschalten, Spaß haben.
Ein COMIC-ACTION-Abenteuer von FRANK CHO, einem Illustrator, der zur ersten Garde seiner Zunft gehört, gleichauf mit Leuten wie JIM LEE, DAVID FINCH oder TERRY DODSON. Ein weiblicher TARZAN trifft auf JURASSIC PARK. Fights der Extraklasse, ultrafiese Saurier zuhauf und eine Handlung wie Achterbahnfahrt von Anfang bis Ende. Spitzenmäßige Grafiken! 🙂
Nur noch Second Hand erhältlich.
Donnerstag, 18. Januar 2024
Ein kleiner Junge hat einen großen Traum. Spät in der Nacht bastelt er an seiner Rakete, die ihm nicht einmal bis zur Brust reicht. Aber sie soll hoch hinauf, so weit wie irgend möglich. Er hat die Maße, das Gewicht, den Treibstoff berechnet und nun scheint der richtige Zeitpunkt gekommen, der Point Of No Return. In seinem Zimmer finden sich viele Hinweise auf seine Interessen und Träume. Modelle aus der Fliegerei, doch viel mehr zeigen die Raumfahrzeuge der NASA. Solche, die es bis zum MOND geschafft haben oder solche, die einen regelmäßigen Flugbetrieb in den Orbit gestatteten, das SPACE SHUTTLE. Der Junge schleicht sich aus dem Haus, immer noch mitten in der Nacht, denn seine Ambitionen (das sind sie für ihn, nicht bloß ein Hobby) werden nicht gern gesehen. Auf einem Hügel angelangt, wird die kleine Rakete in Stellung gebracht, ein Streichholz entzündet die Lunte und dann…
LARGO WINCH bedeutete von Anfang an, als Comic-Leser einen Thriller in den Händen zu halten, der mit internationalem Flair spielt. LARGO-WINCH-Erfinder, der Autor JEAN VAN HAMME legte die Figur zunächst als Romanhelden an, bevor ein Comic-Charakter aus ihm wurde. Inzwischen hat JEAN VAN HAMME den Stift, sprichwörtlich, an seinen Autorennachfolger ÉRIC GIACOMETTI übergeben, der das gesamte LARGO-WINCH-Universum hervorragend verstanden hat und die Mischung aus Agenten- und Actionszenarien, Hochfinanzdramen, Familiengeschichten und amorösen Abenteuern perfekt fortführt. So auch im 24. Band, DAS GOLDENE ZENTIL.
Die Zeiten von Begriffen wie DIE OBEREN ZEHNTAUSEND haben sich längst überlebt. Geld ballt sich noch viel mächtiger, wie es der Leser von den besonders extravaganten Milliardären in den Nachrichten oder den Boulevardmagazinen verfolgen kann. In diesem Bereich ist DAS GOLDENE ZENTIL angesiedelt. JAROD MANSKIND ist im vorliegenden Thriller einer jener Milliardäre, die das Abenteuer der Menschheit ins All vorantreiben wollen, sozusagen die letzte halbwegs unberührte Spielwiese für reiche Menschen. Und ganz so, wie sich in den (echten) Nachrichten für den Leser anhören mag, wenn von Siedlungen auf dem MARS fabuliert wird, so ist die Wirkung auch hier: Könnte, ja. Braucht man’s? Hm. Na, der Mann ist reich, lasst ihn reden und wir klatschen.
Bisher – und dieses Rezept wird hier fortgeführt – hat sich LARGO WINCH immer vor der Kulisse der realen Welt bewegt, Szenarien oder Ideen weiter erzählt. Mancher Leser fragt sich vielleicht, ob einem brisant reichem Menschen etwas Ähnliches widerfahren kann wie zu Beginn von DAS GOLDENE ZENTIL (der Fortsetzung zu Band 23, HINTER DER KARMAN-LINIE). Wer aber einen Blick auf die Schicksale solcher (echter) Charaktere wirft, stellt fest, wie leicht selbst jene in fremdbestimmte oder selbst gewählte Schwierigkeiten kommen, deren Verlauf oft thrillertauglich ist. So viel zum starken INTRO dieses ABENTEUERS, ohne die SPOILER auszupacken. 🙂 Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass ÉRIC GIACOMETTI die verschachtelte Erzählweise eines JEAN VAN HAMME mit unterschiedlichen Handlungssträngen so versiert wie respektvoll aufgreift und umsetzt.
Mit PHILIPPE FRANCQ ist der langjährige LARGO-WINCH-Zeichner am Start, der dafür bekannt ist, feinlinige, äußerst fragil wirkende Bilder zu gestalten, in denen es vor Details manchmal geradezu wimmelt. Manche Zeichner würden eine Gebirgskette, einen Fluss, einen Wald oder auch eine Skyline mit wenigen Strichen hinwerfen, erst recht, wenn sie wirklich nur Kulisse sind und der Fokus der Szene ganz woanders liegt. Bei PHILIPPE FRANCQ verhält es sich nicht so. Hier werden Felsspalten und – absätze herausgearbeitet. Bei Veranstaltungen muss noch der Gast in der hintersten Reihe als Mensch erkennbar sein (und das ist superwinzig). In langjährigen Computerzeiten ist eine Arbeit in solchen Dimensionen natürlich kein Problem mehr. Dass sich jemand die Mühe macht, diese Einzelheiten so herauszuholen, aber schon.
PHILIPPE FRANCQ geht entsprechend in die Technik hinein. Obwohl die Geschichte mit dem Weltraum zu tun hat, sind die grafischen Knaller hier nicht zu finden. Die finden teils mehr in der Luft statt (vor allem im finalen Run gibt es eine starke Sequenz, die ich sonst so noch nirgendwo gesehen habe und verdammt dramatisch ist). Hubschrauber heißt das Zauberwort. Hier kann PHILIPPE FRANCQ vom Leder ziehen, während er ansonsten immer auf der Suche nach der perfekten Kameraeinstellung für eine Szene ist (und diese auch stets findet).
Ein LARGO-WINCH-Abenteuer ist ein verlässlicher Thrillerkracher. ÉRIC GIACOMETTI (anstelle von LARGO-WINCH-Erfinder JEAN VAN HAMME) begleitet als nicht mehr ganz neuer Szenarist Band 24, DAS GOLDENE ZENTIL, und führt LARGO WINCH alles andere als sprichwörtlich in ungeahnte Höhen. Die Charaktere besitzen (wie sich für die Reihe gehört) Tiefe, sind greifbar, gerade so, damit Sympathie oder Antipathie für den Leser funktionieren. PHILIPPE FRANCQ ist als Comic-Illustrator nach jahrzehntelanger Tätigkeit so versiert, dass man als Comic- Thriller-Fan nur noch genießen muss. Empfehlenswert! 🙂
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Donnerstag, 04. Januar 2024
Willkommen in Amerika! Der Erste Weltkrieg ist vorüber. Die Welt wankt erneut, diesmal unter der Weltwirtschaftskrise. In dieser Zeit will eine junge deutsche Rennfahrerin eine großartige Leistung vollbringen, eine WELTUMRUNDUNG mit dem AUTOMOBIL. SIGRID HASSLER hat Glück, sie findet einen Sponsor für ihre kühne Idee und ebenfalls ein Fahrzeug für die lange Reise, einen ADLER STANDARD 6. Die Fahrt beginnt in Deutschland, führt ein vergleichsweise kurzes Stück nach LE HAVRE, wo das Fahrzeug in einen Dampfer nach NEW YORK verfrachtet wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die Reise alles andere als störungsfrei und richtige Schicksalsschläge lassen nicht lange auf sich warten. Und das ist erst der Anfang…
Basierend auf den echten Leben der CLÄRENORE STINNES (1901-1990) und ihrer wahrhaftig stattgefundenen Weltumrundung per Automobil von 1927-1929 haben sich ERIK ARNOUX (Autor, Storyboard) und DAVID MORANCHO (Zeichner, Farben) daran gemacht, ein Szenario zu entwerfen, das den Leser fast 100 Jahre zurückwirft, in eine Zeit, da die Moderne bereits im folgenden düsteren Zweiten Weltkrieg durchzuschimmern beginnt. Aber vorerst ist da nur ein Schimmer. Die einen gehen in einer Aufbruchsstimmung auf, die anderen hängen einer grauenhaften Vergangenheit nach, teils aus Selbstmitleid, teils aus Hass, teils aus beidem. Wieder andere in der deutschen Heimat sehen in einer Frau, die es wagt, in einem Automobil um die Welt zu reisen, ein perfektes politisches Aushängeschild. Das ahnt SIGRID HASSLER aber nicht.
Für sie steht das ABENTEUER im Vordergrund und der Wunsch, am Steuer eines Automobils zu sitzen. Von der POLITIK merkt sie, sobald sie losgefahren ist, erst einmal nichts. ABENTEUER jedoch bekommt sie ziemlich bald, mehr als ihr lieb ist. Denn für SIGI geht es um Leben und Tod. ERIK ARNOUX praktiziert einen kleinen Serientrick zu Beginn der Geschichte. Er springt mitten hinein, in einen besonders gefährlichen Moment, bis zu einem bestimmten Punkt, an dem der Leser (oder vergleichsweise im Stream der Zuschauer) angefixt ist, und hüpft dann an den Anfang, um zu zeigen: Wie konnte es so weit kommen? Das funktioniert hier ebenfalls, denn der Kontrast zwischen der abenteuerlichen Sequenz und der Ausgangssituation ist immens. Spätestens jetzt weiß der Leser, dass für SIGRID HASSLER alias SIGI nicht nur ein Abenteuer startet, sondern dass sie ebenso einen regelrechten Weltensprung hinlegt.
Der Kontrast könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite ein winterliches Berlin, Drama und Action auf der Rennstrecke, ein wenig Nachtclubflair und einiges mehr. Auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten von Amerika, aufgeteilt in den modernen Osten und den Westen, der noch mit einem Bein in der wilden Ecke steht, Lynchjustiz eingeschlossen. Das ist von DAVID MORANCHO großartig in Szene gesetzt. Wer ein Comic-Freund von historischen Szenarien ist, wird sich über die optische Abwechslung freuen. Durch den Lebensweg von SIGRID HASSLER alias SIGI entsteht ein breiter Bilderbogen, der nostalgisch anmutet, aber keineswegs sentimental ist oder etwas glorifiziert.
Der Auftakt der Geschichte, in Deutschland, ist mehr ein Prolog, denn ERIK ARNOUX und DAVID MORANCHO wissen höchstwahrscheinlich, dass Vorweltkriegsszenarien in den letzten Jahren sattsam abgehandelt wurden und ein Blick über den großen Teich (und später die Weltreise) für den Leser weitaus interessanter ist. So fällt die Gewichtung eindeutig zum amerikanischen Abenteuer hin aus. Und hier findet ein weiterer Trick statt (kein neuer, der aber schon häufiger funktioniert hat und so auch jetzt): Eben befand sich SIGI noch in einer zivilisierten Umgebung, (wo eigentlich mehr die Bürokratie das Heft in die Hand genommen hatte) und plötzlich herrscht Willkür vor. Da entsteht sehr rasch Spannung, auch eine, die sich über die gesamte Länge der Geschichte hält.
DAVID MORANCHO pflegt einen grafisch federleichten Realismus, der nichts in falschen Schatten versteckt. Haltungen, Perspektiven, Gesichter, Mimik werden penibel ausgeführt, jedes Bilddetail ist erkennbar und deutlich. Auffallend ist, dass DAVID MORANCHO gerne mit Farbstimmungen zu arbeiten scheint, nicht nur, wenn es eine bestimmte Tages- oder Nachtzeit abzubilden gibt. Desweiteren verwendet er gerne sanfte Farbtöne. Hier knallt einem nichts entgegen. Das Farbenspiel versucht einen historischen Eindruck zu imitieren, wie eine verblassende Fotografie oder ein Film. Teilweise ist die Anspielung sogar klar zu sehen, zum Beispiel wenn in kurzen Abrissen die Folgen der Weltwirtschaftskrise in bräunlich kolorierten Grafiken abgehandelt wird (SIGI hat einen Fotografen dabei, der ihre Reise dokumentieren soll, demzufolge ist die optische Darstellung sehr gut eingefügt).
Für Freunde historischer Abenteuer in der Neuzeit, als die Welt auf einem Kipppunkt stand, in der westlichen Zivilisation noch nicht alles auf der gleichen Höhe rangierte. In dieser Epoche wagt sich eine junge Frau, SIGRID HASSLER alias SIGI, mit Fotografen auf die langwierige und gefährliche Reise rund um die Welt, mit dem Automobil. Abwechslungsreich und feinfühlig von ERIK ARNOUX erzählt, feingliedrig und realistisch von DAVID MORANCHO illustriert. Sehr schöner Serienauftakt! 🙂
SIGI 1, OPERATION BRÜNNHILD: Bei Amazon bestellen.
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