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Comic Blog


Freitag, 06. Oktober 2006

Torpedo

Filed under: Thriller — Michael um 16:52

Torpedo 1Im Jahre 1936 macht ein Killer von sich Reden. Schleichend, aber unaufhaltsam, wird er zu einer Größe in der Unterwelt.
Der Weg ist lang, nicht immer sind die Aufträge von Luca Torelli von Erfolg gekrönt. Jeder muss Lehrgeld bezahlen, egal, was er macht. Torelli, alias Torpedo, arbeitet sich nach oben. Wer sich den Torpedo nicht leisten kann, ist gezwungen, in Naturalien zu bezahlen: Besonders Frauen.

Der Killer kennt nur eine Moral: Gewinnen. Damit verbunden ist Geld. Luca Torelli will reich sein. Vor langer Zeit betrat er als jugendlicher italienischer Einwanderer amerikanischen Boden. Als Schuhputzer schlug er sich durch. Bald stellte er fest, dass harte Arbeit allein ihn nicht voran bringt. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts waren die Ärmsten der Armen die Fußabtreter der Mächtigen.
Luca wird schnell zum Prügelknaben eines Polizisten. Doch wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier hält es Luca irgendwann nicht mehr aus. Als sich die Gelegenheit ergibt, schlägt er zurück. Ohne Erbarmen, nie hat er Wohlwollen erfahren, noch wird er jemals bereit sein, Gnade zu gewähren.

Nachdem er die Polizei schon nicht respektieren kann, lernt er schnell, dass auch Ganovenehre eher eine romantische Vorstellung ist. Und Frauen wollen ohnehin nur benutzt werden. Luca Torelli verfolgt diese wenigen Grundsätze ohne Skrupel. Wer Torelli reinlegt, bekommt all seine Rache zu spüren: Rache ist ein Gericht, dass am besten kalt serviert wird. Nicht immer kann der Zorn in Torpedo diesen Grundsatz in die Tat umsetzen lassen.

Aus dem Einzelgänger wird ein Killer, der sich einen Leibwächter leisten kann (leisten muss) – ein schlecht bezahlter Job, in jeder Hinsicht. Selbst wenn das Geld stimmen würde, so ist Luca Torelli wohl der mieseste Arbeitgeber der Unterwelt. Allerdings kann man Rascal, Torpedos Leibwächter und Fußabtreter, kaum bemitleiden, denn in Sachen Gewalt steht der Gehilfe seinem Herrn in nichts nach.

Der erste Band der Gesamtausgabe von Torpedo schickt den Leser in die amerikanische Unterwelt des Jahres 1936, als Gangster noch echte Gangster waren. Doch mag der Leser beachten, dass Torpedo jegliche Kriminellenromatik fehlt, die er von Darstellern wie Humphrey Bogart, Edward G. Robinson oder James Cagney her kennen mag.
Torpedo ist bitterböse und gemein. Torpedo achtet nur Torpedo. Torpedo verachtet die Menschen, vielleicht, weil sie allzu schnell bereit sind, ihn zu bezahlen, um andere Menschen zu töten. Torpedo tötet alles, nicht nur die, die sich auch wehren können. Da ist auch schon mal ein Priester dabei. Nur das Ergebnis zählt. Wenn ein Opfer in den Rücken geschossen wird, dann ist das beinahe schon ein Gnadenakt.

Torpedo wird jene Leser ansprechen, die schon Sin City mochten. Es geht in die Unterwelt, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Luca Torelli, von Autor Enrique Sanchez Abuli erdacht, durchlebt die verschiedensten Episoden und Lebensabschnitte. Besonders interessant sind seine Jugendtage, die zeigen, wie er auf die falsche Bahn geriet. Abuli zeigt hier sehr schön, warum Torelli plötzlich die Hutschnur platzt. Das mildert sein Verhalten keineswegs, Moral ist hier absolut fehl am Platze. Abuli erzählt eine Gangstergeschichte, den Aufstieg eines bösen Buben.
Als Leser (und Fan solcher Geschichten) kann man sich schwerlich entziehen, denn Abuli platziert viel Humor in diese Episoden, Zynismus, Ironie, kleine Seitenhiebe. Wenn Torelli als Weihnachtsmann verkleidet zu einem Rachefeldzug aufbricht oder einem Poltergeist nachspürt, dann kann man sich das Grinsen nicht verkneifen.
Wenn Torelli seinem Handwerk auf drastische Weise nachgeht, kann dieses Grinsen schlagartig (im wahrsten Sinne des Wortes) vergehen – oder auch nicht. Denn wie zum Beispiel bei Quentin Tarantino, der ein Fan von Torpedo sein soll, ist auch hier überzogene Gewalt ein Mittel des Humors.

Die ersten beiden Episoden wurden noch von Zeichner Alex Toth in Szene gesetzt. Toth zensierte wohl die eine oder andere Vorlage von Abuli während des Zeichnens. Bei seinem Nachfolger Jordi Bernet geschah das nicht mehr. Mit einem großartigen Strich, mit einem sehr dokumentarischen Charakter, der an alte Zeiten erinnert, als Fotografie noch nicht der Normalfall war, bringt Bernet einen Luca Torelli wie einen Gangster-Archetypen zu Papier – (der rein äußerlich von einer jungen Variante des Leonard Nimoy hätte gespielt werden können).

Dank Bernet ist Torpedo eine hervorragende Film Noir-Unterhaltung geworden, spannend, künstlerisch sehr gelungen, aber sicherlich nicht für jedermann geeignet. – Als jemand, der die alten Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie mag, freue ich mich bereits auf die Fortsetzungen. 🙂