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Comic Blog


Mittwoch, 31. Mai 2006

Die Offenbarung

Filed under: Mystery,Thriller — Michael um 20:44

Die OffenbarungEin Detective von Scotland Yard verbringt seine Nacht gewohnt alleine in seinem Apartment. Nach eigener Aussage mag Charlie Northern hübsche Mädchen, aber es ist keines in seiner Nähe. Dafür stehen seine Regale voller Bücher, die Verschwörungstheorien zum Inhalt haben. Northern ist 45 Jahre alt, 30 Jahre davon hat er als Raucher hinter sich gebracht. Northern ist ein vollkommen desillusionierter Mensch, denn vor langer Zeit verlor er seinen Glauben.

Unerwartet erhält Northern Besuch von einem alten Freund. Die Begegnung ist auch von Spott geprägt, denn Northerns alter Freund Marcel ist als Priester inzwischen im Vatikan angekommen. Marcel übersieht Northerns beißenden Humor und hat eine große Bitte. Im Vatikan wurde ein Kardinal ermordet. Nun sehen sich einige Kirchenobere genötigt, Hilfe von außen heranzuziehen, da es einige zu geben scheint, die den Fall längst aufgeklärt sehen. Northern ist für sie die beste Wahl. Ein Polizist, der seinen Glauben verloren hat, wird den Fall in der Schaltzentrale kirchlicher Macht ohne Druck zum Abschluss bringen können.
Northern nimmt den Fall widerstrebend an und wird an den Vatikan ausgeliehen.
In Rom angekommen realisiert Northern schnell, dass die Widerstände größer sind, als er ursprünglich angenommen hat. Spuren wurden verwischt, die Zeugen verhalten sich widersprüchlich oder verweigern sich. Mysteriösen Hinweisen auf schwarze Messen und Teufelsanbeter begegnet Northern mit seinem ihm ureigenen Zynismus.

Northern konnte nicht ahnen, dass der Fall für ihn persönlich werden würde. Kardinal Toscianni, einer derjenigen, die den verstorbenen Kardinal Richleau zuletzt lebend sahen, entwickelt sich zu einem wahrhaftigen Feind. Der Polizist von Scotland Yard lässt sich zusehends von seinem Zorn leiten, während hinter den Kulissen die Wahrheit offen gelegt wird. Am Ende wird Northern gezwungen, sich endgültig mit seinem Glauben auseinanderzusetzen.

Die Offenbarung bringt den Autoren Paul Jenkins und den Zeichner Humberto Ramos wieder zusammen. Beide sind sie Spider-Man-Veteranen und wie sie in ihren Arbeiten gezeigt haben, dem phantastischen Genre nicht abgeneigt.
Ramos zeigte sein Talent zu gruseligen Szenarien mit dem Spider-Man-Mehrteiler Der Hunger, der von Paul Jenkins geschrieben wurde. Besonders drastisch zeichnete Ramos die Welt der Vampire in dem Mehrteiler Crimson.
Der Mehrteiler Revelations, hier zusammengefasst zu Die Offenbarung setzt weniger auf drastische Szenen, sondern setzt mehr auf die zynische Hauptfigur, Detective Northern, einerseits und die atmosphärischen Zeichnungen andererseits.

Ramos ist ein Zeichner, der seine Charaktere stets sehr überzeichnet darstellt – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Grenze zum Cartoon ist nicht weit entfernt, umso erstaunlicher ist es, wie gut sich seine Bilder mit phantastischen, ja auch ernsthaft gruseligen Themen vertragen. Bösewichter, skurrile Charaktere sind seine absolute Spezialität. Sei es der Kardinal Toscianni, seltsame Verwandlungen oder der kleine Priester mit der riesigen Brille, sie alle (und noch vieles mehr) zeigen ein gerüttelt Maß an handwerklicher Fähigkeit, die durch die feinen Szenenideen und Perspektiven noch einmal mehr unterstrichen wird.
Bisher konnten Ramos’ Bilder im typischen Comicstil bewundert werden: Getuschte Outlines, per Computer koloriert.
Durch die Hilfe der Koloristen Leonardo Olea, Edgar Delgado und Edgar Clement ergibt sich etwas völlig Neues. Schwache, braun skizzierte Outlines, leicht bräunlich schraffierte Schattierungen und cremig ausgeführte Farbflächen ergeben einen Zeichentrickeffekt. Die Bilder schaffen den schönen Spagat zwischen der Düsternis im Vatikan, Regenszenarios wie in Sieben und der Heiterkeit eines sonnigen römischen Nachmittags in der Innenstadt. Letztere Bilder sind allerdings Ausnahmen, weshalb die Farbzusammenstellung eigentlich die miesmutige Stimmung von Northern abbildet.

Jenkins hat eine Geschichte geschrieben, die erfreulich diffus bleibt und nicht jedes Detail bis ins Letzte aufklärt. Angerissen werden die Geheimnisse von Fatima, derer es bislang drei gab. Jenkins setzt diesen Geheimnissen eines hinzu, das wohl schrecklichste. Der Vatikan, oder besser religiöse Institutionen, sind seit langem Zielscheibe von Autoren und stets für eine Geschichte gut. Erfreulicherweise malt Jenkins seine Ansichten der Kirche nicht vollkommen schwarz, wie es derzeit häufiger vorkommt. Deshalb ergibt sich ein vielschichtiges Szenario, es wandeln sich die Sichtwinkel der einzelnen Charaktere und zum Schluss muss der Leser sich völlig neu orientieren.

Die Figur des Charlie Northern, des ungläubigen Thomas, gefällt mir ausgesprochen gut. Ein Anlass in seinem Leben hat ihn zum Raucher gemacht und brachte ihn dazu, seinem Glauben abzuschwören. Northern raucht seit 30 Jahren, stirbt aber nicht. Jede Zigarette wird während des Anzündens beschimpft, oder lässt Northern seine Wut in Wahrheit an jemand anderem aus? Der zerrissene Charakter von Northern ist jedenfalls ungeheuer gut getroffen und er ist der eigentliche Kern der Geschichte, die sich nur um ihn dreht, ob er will oder nicht.

Mein Fazit: Verdammt düster, gruselig, rätselhaft, eine dieser Geschichten, die es mehrmals zu lesen lohnt. 😀