Dienstag, 12. April 2022
Ein ganz normaler Tag. Die Menschen flanieren über die Straßen. Plötzlich ändert sich alles. Zwei Männer halten mit ihrem Wagen und steigen, ihre Kalaschnikows im Anschlag, aus. DER KILLER weiß, was als nächstes geschehen wird. Er kennt das System, er seziert es im Geiste. Er ist ein Problemlöser. Lange Zeit im Auftrag, später für die eigenen Interessen und inzwischen für ein geheimes Aufräumkommando. DER KILLER hatte lange agiert, als könne er nicht erwischt werden, dabei hatten offizielle französische Stellen ihn längst im Visier. Aber dort wusste man seine Talente zu schätzen. Man stellte ihn vor die Wahl: Einfahren oder ausführen. DER KILLER entschied sich für Letzteres.
Bislang verlief seine Arbeit in der französischen Hafenstadt auf Befehl. Das Verbrechen beherrscht die Stadt. Dealer, Mörder, Korruption. Von oberster Stelle gedeckt. Von noch höherer Stelle aus ist man nicht mehr bereit, bloß noch zuzusehen. Durch eine falsche Identität geschützt, beobachtet DER KILLER und tüftelt im kleinen Team an Lösungen, die nicht erkennen lassen, ob es sich um Bandenkriege handelt oder ein ordentliches Ausputzen der Straßen …
MATZ (Autor) und LUC JACAMON (Zeichner) haben ihren KILLER in ein Szenario geschickt, das dem (französischen) Leser in manchen Belangen bekannt vorkommen muss. Politik in Frankreich gibt ein leicht unterschiedliches Bild von dem in Deutschland ab. Von außen betrachtet ist es lauter, etwas greller, teils pikanter, glorioser. Die politische Parteienlandschaft ist eine andere. Das ist der Historie geschuldet. Revolution und kopflose Könige sind noch in guter Erinnerung. Wer den dritten Band von SECRET AGENDA, PRÄZISIONSARBEIT, liest, wird dem zustimmen.
Und der Titel des zugleich dritten Zyklus ist Programm. Grundsätzlich faszinierend an der kompletten Serie ist die Ruhe und Beherrschung der Hauptfigur. Gönnte sich DER KILLER zu Beginn noch Ausrutscher wie das Gründen einer Familie, ist er nun auf dem Höhepunkt von Coolness und philosophisch sezierender Finesse. Das macht selbst seinen (ihm zugewiesenen) Partner während der einzelnen Aufträge zumindest unruhig. Töten ist Geschäft, lautet die klare Ansage. Töten ist nicht Spaß. Töten kann höchstens noch Selbstschutz sein, wenn die Gefahr besteht, wiedererkannt zu werden. Das lässt einzelne Situationen nach einem Kinderspiel aussehen. In Wahrheit behält DER KILLER selbst unter Druck noch den Überblick. Während um ihn herum andere sogenannte Profis, sei es von der Polizei oder aus der Gangsterriege, die Nerven verlieren und, kurz gesagt, sterben.
Wenn es ein Spiel in dieser Geschichte gibt, dann ist es jenes Leben, das DER KILLER zur Tarnung aufrecht erhält. Es sind diese kleinen Momente, die ihm ein Lächeln entlocken. Und es ist nicht leicht zu verstehen, ob es tatsächlich jene Momente sind oder die Bekundungen von Kollegen, die ihm unterstellen, ein Glückspilz zu sein. Es ist erstaunlich, wie bereitwillig (obwohl gegen seinen Willen) und wie hervorragend DER KILLER diese Alltagsrolle spielt. Seine Anpassungsfähigkeit sowie seine Intelligenz sind stark ausgeprägt. Es wird in SECRET AGENDA bereits deutlich. Kennt man seine bisherige Vorgeschichte, werden diese Eindrücke noch besser untermauert.
Seine Weisheiten aus dem Off, Erkenntnisse aus einem Leben voller Gewalt rund um den Globus, belegen einerseits, wie weit er sich bereits aus dem normalen Leben verabschiedet hat. Andererseits legt ihm Autor MATZ Gedanken in den Mund, die auch jenen Lesern kommen können, die lediglich einen Tag lang durch sämtliche Nachrichtenkanäle springen, um einen Gesamteindruck der Menschheit zu erstellen. Es würde in der Öffentlichkeit nur einen leicht pychotischen Eindruck hinterlassen, ähnliche Schlüsse zum Besten zu geben. Oder man ist Kabarettist. Doch davon ist DER KILLER weit entfernt.
LUC JACAMON trägt mit seinen auf Realismus ausgelegten Zeichnungen die Serie. Verabschieden müssen sich die Leser von exotischen, internationalen Kulissen. Dafür taucht der Leser in das Alltägliche ein, was den Realismus noch wichtiger werden lässt. Denn hier lauert hinter dem Alltag das Verbrechen und ungezügelte Brutalität. MATZ hat seinen Kollegen LUC JACAMON hier zwei Polizisten gestalten lassen, die als das postive Gegenelement des KILLERS gewertet werden können. Die aber gleichzeitig erkennen, dass eine Zeitenwende durch die Ereignisse in diesem Band stattfindet. Die beiden Buddys sind (als Nebendarsteller) fein illustriert und in der Geschichte aufgebaut (fast könnte man an die Vorbereitung eines Spin-offs glauben). LUC JACAMONS Illustrationen sind darüber hinaus gewohnt souverän. Stellenweise tragen sie die Atmosphäre hervorragend. Besonders die Tristesse von des KILLERS vorgestäuschtem Leben wird schnell fassbar.
DER KILLER ist ein Garant für einen Top-Thriller, gerade im dritten Zyklus, der dem europäischen Leser deutlich näher ist als die vorangegangenen Geschichten. Top illustriert von LUC JACAMON, top erzählt MATZ, der den Leser (könnte man sagen) zum Mitwisser macht. Die Kenntnis um die Ereignisse in den vorherigen beiden Bänden von SECRET AGENDA ist allerdings Pflicht. 🙂
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Montag, 31. Januar 2022
DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER werden von der Polizei gesucht. Ihre Fahndungsfotos werden im Fernsehen gezeigt. Die Polizei wird angefeindet, denn anscheinend macht sie ihren Job nicht vernünftig und fasst die beiden Frauen einfach nicht. Immerhin gehen zwei Cops einer Meldung nach und befragen eine Kellnerin in einem Diner. Routine. Aber sie werden beobachtet. Und erwartet. Als sie das Lokal verlassen, stellen sie fest, dass sie nicht die einzigen Personen sind, die DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER finden wollen. Ein Wort gibt das andere, dann gibt einer der Cops eine falsche Antwort. Das kurze Treffen endet in einem Blutbad …
Mehr als nur ein Comic. Eine Satire wie auch eine Verbeugung vor den 1980er Jahren. SHOOTING RAMIREZ erzählt nicht nur eine Geschichte, einen Thriller, in dem sich diverse Action-Abenteuer des TVs und des Kintopps jener Ära mischen, es nimmt gleichzeitig die Werbung aufs Korn, die Popkultur. Es spielt mit jenen Tagen, als Frauen zu Action-Heldinnen wurden, ganz im Stile von FRAUEN MIT EINER 45er MAGNUM, und der DEATH WISH zum Vorreiter einer ganzen Generation von Action-Baller-Filmen wurde. Das aufmerksame Auge findet hier den PINK CADILLAC genauso wie einen roten Sportwagen, der einem FERRARI TESTAROSSA wie aus dem Gesicht geschnitten ist (wolle man, wie es manche später taten, einem Auto eine vermenschlichte Persönlichkeit unterstellen), aber anders heißt und echte JAMES-BOND-AUTO-QUALITÄTEN entwickelt.
Kurzum, hier geht es nicht nur um eine Comic-Geschichte, hier geht es NICOLAS PETRIMAUX um die Beschreibung eines Zeitalters und dem damit einhergehenden FEELING jener Tage. Doch nicht zu vergessen: SHOOTING RAMIREZ ist ein Thriller! All das FEELING schafft nur den Unterboden für eine Geschichte, die eigentlich um einen Anti-Helden herum gestrickt ist. Hinzu kommt, dass dieser Anti-Held außerdem kein Wort sagt (weil er stumm ist) und nur über seine Mimik und seine Haltung mit dem Leser kommuniziert. Und natürlich mit allen anderen Charakteren im Comic, sofern sich diese darauf einlassen. Am Beispiel seines Vaters gibt es noch die Variante, in einem eigentlich nicht existenten Gespräch die fehlenden Antworten gleich mitzuliefern.
Staubsaugerbestandteile werden hier als Waffen zweckentfremdet in arg brutalen Auseinandersetzungen. Was wieder zu den toughen Frauen führt. Toughe Frauen sind ein heißes Thema in der medialen Welt. Toughe Detektivinnen in Romanen, toughe Monsterkillerinnen in Horrorserien, toughe Rächerinnen in Filmthrillern, was den Kreis wiederum schließt. DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER sind keine THELMA und LOUISE, sind eher die BRAUT im Quadrat (aus KILL BILL). Hier sind zwei Damen unterwegs, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie teilen aus, stecken ein, geben alles, bis zum letzten Quäntchen Power.
Und damit geht es auch sogleich zur grafischen Umsetzung. Nicht nur, dass NICOLAS PETRIMAUX klassische 1980er Film- und Fernsehszenarien mit neuzeitlichen Erzählstrukturen mixt, er wählt für die Optik seiner Seiten auch einen geradezu filmischen Ablauf. Und darüber hinaus, zelebriert er so manche Szene richtig und gibt sich nicht mit einer Seite zufrieden, sondern streckt und intensiviert charakterliche Tiefgänge. Die Figuren werden gut aufgebaut, das Menschliche wird herausgearbeitet.
Im besten Sinne spektakulär sind die Inszenierungen der Action-Szenen. NICOLAS PETRIMAUX will mit seinen gezeichneten Dialogseiten stets einer Statik durch Perspektiv- und Ansichtswechsel entgegenwirken. Filmsprachlich wären das Kamerafahrten. Aber Dialog braucht auch eine gewisse Ruhe. Hier soll die Information rüberkommen, sich festigen. In den Action-Szenen lässt NICOLAS PETRIMAUX die Pferde laufen. Stichwort: Toughe Frauen. DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER sind zu diesem Thema in gleich drei hammerstarken Szenen vertreten, jeweils stets auf sich allein gestellt. CHELSEA schießt hierbei den Vogel ab.
Herausragend ist die Sequenz eines Live-Konzerts. Rock’n Roll und Pyrotechnik auf der Bühne, abertausende von Zuschauern, maskierte Musiker, sozusagen die DAFT PUNK des Rocks und alles mündet, unerwartet, in eine alptraumhafte Erinnerung, die ausgerechnet unserem Helden auf dem Gewissen lastet. NICOLAS PETRIMAUX zeichnet mit leichten Strichen, leichten Outlines. Volumen wird über eine pralle, plastische Farbgebung erreicht. NICOLAS PETRIMAUX ist ein meisterhafter Seitenarrangeur. Zu seinen Skills zählt er laut ARTSTATION STORYBOARDING, und das merkt man auf jeder Seite. Darüber hinaus weiß er eine Sequenz mitreißend aufzubauen. Es gibt welche, die sind von Dialogen geprägt und entsprechend gemächlich. Andere nehmen regelrecht Tempo auf und rasen schließlich mit ihrer Action fast wortlos dahin. Beispielhaft ist das erwähnte Live-Konzert. Es gibt einen Songtext, den man beinahe überfliegt, weil die Szenerie in einem fantastischen Realismus vor dem Auge abläuft.
Ein starker Thriller, weiterhin im gelungenen 1980er-Jahre-Design. Hier werden keine Gefangenen gemacht, szenisch an ein erwachsenes Publikum gerichtet, das mit Quentin Tarantino und/oder Michael Mann aufgewachsen ist. Hier finden unterschiedliche Thrillertypen zueinander, hart, geradlinig, hochgradig spannend von Anfang bis Ende. Der erste Teil sollte bekannt sein. 🙂
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Wer einen Eindruck über die Arbeiten von NICOLAS PETRIMAUX bekommen möchte, findet einen schönen Überblick auf seiner ARTSTATION-Seite: https://www.artstation.com/nicolab (Link)
Mittwoch, 22. Dezember 2021
SHANIA RIVKAS kann es endlich, nach den bestandenen Abenteuern, ruhiger angehen lassen. Ihr neues Ziel ist rein persönlicher Natur. Sie will mit ihrem Vater in den Vereinigten Staaten zusammenleben. Leider hat die Bürokratie hier vorerst einen Riegel vorgeschoben, denn es ist ihr verboten, in die USA einzureisen. Eine Möglichkeit gibt es aber noch. Sie könnte politisches Asyl beantragen und ihrem Vater folgen, dem eine solche staatliche Hilfe bewilligt worden ist. Das Problem: SHANIA muss zu diesem Zweck beweisen, dass ABEL RIVKAS ihr Vater ist.
LADY S hat in ihren jungen Jahren so manches Abenteuer bestanden. Mehr als einmal hätte sie dabei sterben können. In ihrer Gefühlslage schleicht sich eine Art Wunsch nach Ruhestand ein, zumindest in ihrer Tätigkeit im Umfeld von Geheimdiensten und Kriminellen. Ein letzter Trick soll helfen. PHILIPPE AYMOND, Autor und Zeichner in Personalunion, zerstreut die Hoffnungen seiner Hauptfigur LADY S sehr langsam. Der Leser, der mehr weiß als LADY S, kann nur mit einer gewissen Atemlosigkeit verfolgen, wie das Leben von SHANIA RIVKAS wieder den Bach runter geht. PHILIPPE AYMOND geizt nicht mit Überraschungen und Wendungen.
LADY S gehört zu den besten Thrillerreihen, die im Medium COMIC zu finden sind. Ein Rezept, das langlebige Serien dieser Art beherzigen, ist ein dicht gewobenes Netz origineller Schauplätze. So besucht der Leser nicht nur die gewöhnlicheren Schauplätze wie Genf oder Berlin. Man reist mit nach GUANTANAMO oder auch nach PARIS zur kleinen REPLIK der FREIHEITSSTATUE. In MEXIKO und den VEREINIGTEN STAATEN wird vor Kulissen agiert, die jedem WESTERN schmeicheln würden. Weniger plakativ, eher klassisch, fallen Bildfolgen aus, die typische Agentenszenarien beschreiben.
PHILIPPE AYMOND baut über die hier versammelten Abenteuer oder auch Thriller eine schöne Entwicklung von SHANIA RIVKAS auf. DNA, DER BRUCH, KRÄFTEVERHÄLTNIS, KRIEGSVERBRECHEN sind die hier in der dritten GESAMTAUSGABE erzählten Geschichten. Darüber hinweg entsteht ein weiter Spannungsbogen, der von PHILIPPE AYMOND gerne von der zweiten bis zur vierten Episode mit einem Cliffhanger beendet wird. Hiernach muss es noch weitergehen. Entweder gibt es einen Kracher oder jemand steht als neuer Erzfeind auf und nimmt LADY S als Zielobjekt ins Visier. Die erste Episode, DNA, bildet eher einen Abschluss zu den Geschichten, die in der zweiten GESAMTAUSGABE ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.
Keine Liebe? Ein Geheimagent ohne erotische Ausflüge kann doch nicht angehen!
Im Prinzip hat auch SHANIA RIVKAS einen Drang zu Affären oder sogar Beziehungen, aber das Leben ist gefährlich. Es bleibt wenig Zeit für Normalität und ein Leben, das quer über den Globus führt, hat für Normalität auch nicht viel übrig. Doch etwas fällt auf. SHANIA RIVKAS ist eben genau das. Eine ganz normale Frau. Vielleicht ein wenig begabter als andere. Aber sie ist nicht auf einem Selbstmordkommando unterwegs. Sie ist kein moderner weiblicher BOND (obwohl ihr Auftreten eine schöne Alternative zur männlichen Variante wäre). Ebensowenig ist sie ein DOM TORETTO. Die ACTION hier ist fast immer realistisch. Fast. In DNA taucht eine Sequenz auf, die kurz über das Ziel hinausschießt (und fast wie eine Hommage an eine verwandte Idee aus dem ALIENS-Comic-Universum erinnert).
Der Thriller KRÄFTEVERHÄLTNIS ist meiner Meinung nach die beste Geschichte der vorliegenden GESAMTAUSGABE. Hier findet sich alles, was LADY S zu einer sehr guten Serie macht. Eine verletzliche, über sich selbst hinauswachsende Hauptfigur. Ein optimales Erzähltempo, flott in der Action, überraschend, durchsetzt von gefühlvollen Ruhephasen. Und als echte Heldin muss sie (nicht zum ersten Mal) erkennen, dass Selbstlosigkeit nicht belohnt wird (zumindest nicht grundsätzlich und schon gar, wenn die Heldin eine Prägung für das weitere Geschehen erleben soll).
PHILIPPE AYMOND steht der Reihe nicht nur als Autor vor, sondern ebenso als Zeichner. LADY S ist eine Wohlfühlfigur. Bedeutet: Gut aussehend konstruiert, aber dennoch durchschnittlich. Sportlich. Anpassbar. Eine, rein optisch, Identifikationsfigur. Darüber hinaus, das ist sehr wohltuend, bricht PHILIPPE AYMOND seine Figuren nicht übers Knie, verpasst ihnen Individualität. Die Entwürfe wirken wie gecastet, besonders bei Schlüsselfiguren, auch solche, die nur in einer einzigen Geschichte ihren Auftritt als Nebenfigur haben. Hierzu gefallen mir die Figuren im vierten Thriller des vorliegenden Bandes, KRIEGSVERBRECHEN, einfach am besten.
LADY S bleibt ein THRILLER-KNALLER. Einzelgeschichten mit einem roten Faden, nämlich der kontinuierlichen Entwicklung der Hautpfigur. Eine Hauptfigur, die sich durchbeißt, von Schicksalsschlägen erschüttert, von Intrigen umgeben, aber auch mit immer neuen Verbündeten. Grafisch und erzählerisch liefert PHILIPPE AYMOND perfekte Comic-Unterhaltung ab. Stark! 🙂
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Sonntag, 07. November 2021
WLASI ist wie der PROTOTYP eines Angestellten im russischen Geheimdienst. Kühl, berechnend, maßlos neugierig. Ein Mädchen namens ZOE, im nordamerikanischen Raum sozialisiert, gerät in seine Fänge. Sie ist überhaupt nicht von ihm beeindruckt. Er hat gesehen, wie sie einen Mann in einer Kirche umgebracht hat. Er ist fasziniert. Offenbar existieren abseits seienr über die Jahre gesammelten Erfahrungen Dinge, die sich bislang seiner Kenntnis entzogen. Und WLASI scheint nicht im Geringsten zu ahnen, in welcher Lebensgefahr er sich wirklich befindet …
Man stelle sich vor, in fünf Jahren gehe nicht nur die Welt zum Teufel (oder sonstwo hin), nein, einfach alles würde verschwinden, verbrennen, zerbröseln. Chancen auf einen Neubeginn, einen neuen Urknall: Null. Bei TERRY MOORE ist eine ganz besondere Bombe für dieses riesige Fiasko verantwortlich. Und ausgerechnet seine Schöpfungen aus den Publikationen wie RACHEL RISING, STRANGERS IN PARADISE, ECHO und MOTOR GIRL wissen, dass der große Knall kommen wird. Also lässt er alle zur Rettung der Welt zusammenkommen.
Wer ein Fan von TERRY MOORES Werken ist, hat vielleicht den einen oder anderen Lieblingscharakter. Meine enstammen der siebenbändigen Serie RACHEL RISING. Allen voran geht RACHEL vorneweg, die junge Frau, die nicht mehr sterben kann. Eigentlich. Löscht hingegen besagte Bombe alles aus, komplett alles, bringt auch dieses Dasein nichts mehr. Auf dem zweiten Platz, ebenfalls aus RACHEL RISING, steht ZOE, ein mörderisches Mädchen, die das SLASHER-GENRE erfunden haben könnte (siehe auch Titelbild, erste Reihe, das Mädchen mit dem Beil). Die beiden werden in Mütterchen Russland eingesetzt, um die so genannte PHI-BOMBE zu stoppen.
An TERRY MOORES Arbeiten, der eben nicht nur zeichnet, sondern seine Geschichten auch schreibt, mag ich den zuweilen sehr schwarzen Humor. RACHEL und ZOE nehmen auch hier einen Großteil dieses düsteren Elementes mit. Andere Figuren stehen mehr für echtes Drama. Wenn eine Familie eine vorübergehende Trennung in Kauf nehmen muss und nicht sicher sein kann, ob die andere von ihrem Einsatz zurückkehren wird. JULIE und IVY, einst Feindinnen (in ECHO), arbeiten nun zusammen, trotzdem ist Vorsicht geboten, denn JULIES Kräfte können bei Menschen, die ihr zu nah kommen, Krebs auslösen. TERRY MOORES Figuren haben, so könnte man es umschreiben, haben ein gewisses Handicap, eine Eigenschaft, die sie daran hindert, ein für das gesellschaftliche Umfeld normales Leben zu führen.
Die Aufgabe der Frauen ist schon groß, wird jedoch noch durch die unterschiedlichen Eigenschaften erschwert. Aber es hält auch die Spannung durchweg hoch. Leser, die TERRY MOORE und seine Werke bislang nicht kannten, werden es ebenfalls schwer haben. Das hauseigene Crossover, das TERRY MOORE seinen Figuren beschert, erfordert Vorkenntnisse. Ich hatte Vorfreude auf das Erscheinen mancher Charaktere. Wenn MOTOR GIRL und ihr Kumpel auftauchen, macht das Spaß für Stammleser, Unkundige werden vielleicht etwas ratlos zurückbleiben.
Die Handlung schwankt zwischen Thriller und Mystery. Teilweise ist es eine Agentengeschichte. Andererseits kommen übernatürliche Elemente ins Spiel. TERRY MOORE durchbricht spielerisch sattsam bekannte Muster mit seinen Figuren. So wird Unvorhersehbarkeit zum Programm. Man kann sich als Leser nicht darauf verlassen, dass das Team die eigens gestellte Aufgabe, die Abwendung des Weltuntergangs schaffen wird. Gleich zu Beginn erfährt der Leser, wie die Apokalypse aussehen könnte. Hier werden also bereits Vorstellungen geschürt. Kurz: Der Weltuntergang ist grauenvoll und sehr schmerzhaft. (Man erinnere sich an SARAH CONNORS VISIONEN des JÜNGSTEN GERICHTS. TERRY MOORES VERSION ist fast eine Hommage an diese legendäre Filmszene.)
Ich mag die Kleinigkeiten in TERRY MOORES Szenen. Es sind nicht unbedingt Ereignisse, die die Handlung voranbringen. Es sind eher solche Szenen, Details, die den Geschehnissen einen kleinen Schubs geben. Wenn nach einem Mord ein TODESENGEL erscheint, um sich die SEELE DES TOTEN einzuverleiben, bleibt das im Gedächtnis. Wenn eine muskulöse Blondine höfliches Verhalten gegenüber Männern übt, sind das heitere Elemente, die einen zum Schmunzeln bringen.
Eine geballte Ladung gewöhnlicher und ungewöhnlicher Charaktere mit einer gemeinsamen Mission. Das zündet besonders aus FAN-Sicht. Bei genauer Betrachtung meint man sogar zu erkennen, wo TERRY MOORES Vorlieben bei den eigenen Figuren liegen (ZOE ist zweifellos eine davon). Fast rückt die gestellte Aufgabe etwas in den Hintergrund, steht doch tatsächlich mehr das WIE als das OB im Vordergrund. Gewohnt schön und sicher von TERRY MOORE illustriert, treffen hier THRILLER und MYSTERY fein abgestimmt aufeinander. Klasse! 🙂
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Freitag, 15. Oktober 2021
30. Oktober 1938. Ein korpulenter Junge, eine Gasmaske auf dem Gesicht, mit einer Pistole in der Hand und einer Schussverletzung in der Brust wird nachts auf der Straße von einem Auto angefahren. Sichtlich verwirrt stammelt der Junge etwas von Marsmenschen. Niemand weiß zunächst mit diesen Worten etwas anzufangen. Wenig später liegt der Junge im Krankenhaus. Sein komatöser Zustand macht jede Vernehmung unmöglich. Auch eine Operation scheint in weiter Ferne, denn die Kugel in seiner Brust steckt zu nahe am Herzen …
Das wohl bekannteste Hörspiel der Welt bildet die Grundlage der Comic-Adation von DOUGLAS BURROUGHS‘ Roman FAKE STORY. Der Roman hingegen ist ebenfalls ein FAKE. Gut inszeniert von LAURENT GALADON und JEAN-DENIS PENDANX. Nicht alle mögen das Hörspiel KRIEG DER WELTEN von ORSON WELLES gehört haben. Das Stück Radiogeschichte ist an den gleichnamigen Roman von H.G. WELLS angelehnt. Das ist kein FAKE.
Noch nie vom KRIEG DER WELTEN gehört? In Kurzform: Marsianer greifen die Erde an. Sie wollen die Erde erobern. Die Menschen sind dabei im Weg und werden gnadenlos vernichtet. Am Ende sind es nicht die Menschen, die den Krieg gewinnen, sondern Mikroben, Bakterien, Viren machen dem extraterrestrischen Gegner den Garaus. So jedenfalls im Original von H.G. WELLS. ORSON WELLES machte daraus eine Hörspielversion in Form einer Radioreportage im Jahre 1938. Die Welt lag damals in den Wehen eines heraufziehenden Zweiten Weltkriegs, die Nerven lagen blank und plötzlich berichtete das RADIO live von einer außerirdischen INVASION. Das war blanker Horror, denn so mancher begriff die Übertragung NICHT als Hörspiel.
FAKE STORY nimmt sich eines Ereignisses an, das sich im Laufe und der Folge der Hörspielsendung zugetragen haben soll. Nun, eigentlich beginnt die Handlung sogar noch vor der Sendung, aber das wird erst während der Ermittlung zum Geschehen deutlich. Der Journalist und Autor DOUGLAS BURROUGHS soll im Auftrag des Senders CBS herausfinden, ob sich tatsächlich wegen des Hörspiels eine Familientragödie abgespielt hat, in deren Verlauf der Vater und die Mutter des Jugendlichen TED OATES zu Tode kamen. Der Junge selbst liegt schwer verletzt im Krankenhaus.
DOUGLAS BURROUGHS trifft aus der Großstadt NEW YORK im kleinstädtischen GROVERS MILL ein, wo, dem Hörspiel zufolge, die INVASION der MARSIANER stattgefunden haben soll. Zuerst entdeckt der JOURNALIST nur das übliche Gemisch aus Wissen, Nichtwissen, Hörensagen und Gerüchten. Die Wahrheit liegt natürlich viel tiefer vergraben und hat rein gar nichts mit Außerirdischen zu tun. Doch das wird dem Leser allzu schnell klar. Und wenn die Wahrheit ans Licht drängt, ist die Geschichte noch lange nicht vorbei.
LAURENT GALADON, Szenarist, und Illustrator JEAN-DENIS PENDANX nehmen den Leser mit ins Jahr 1938. In NEW YORK lebt man massenorientiert der Zukunft entgegen. In GROVERS MILL, dem späteren Handlungsort, hält die Zeit noch den Atem an. Man begnügt sich mit zwei Polizisten. Nachbarn haben ein Auge auf ihre Umgegend. Im Lokaljournalismus ist das Handwerk etwas schludderig ausgeprägt. Die Sensation liegt im Blick, nicht unbedingt die nervenaufreibendere Wahrheit. Doch DOUGLAS BURROUGHS vergräbt sich in diese Welt, die mit dem CHARME ALTER FOTOGRAFIEN jener Ära daherkommt.
JEAN-DENIS PENDANX‘ Grafiken vermitteln einen handgemachten, uncomputerisierten Eindruck. Gouache, vielleicht Aquarellfarben mögen hier Verwendung gefunden haben. Mit leichtem Strich lässt JEAN-DENIS PENDANX Charakterköpfe und -gestalten entstehen. DOUGLAS BURROUGHS, der ermittelnde Großstädter, hager und abgeklärt, agiert mit detektivischer Sicherheit und optisch nüchternem Auftreten. Er ist der Mann, der Eventualitäten abwägt, sorgsam Beweise sammelt, die richtigen Schlüsse zieht. Ganz anders sein Pendant, die junge REPORTERIN der HEATHCOTE NEWS, ARETHA MILLER. Wenn sie auf ihrem Motorrad zum Tatort düst, mit Beteiligten wie der jungen ORNELLA YATES spricht, hält die starke zur Schau getragene Neugier so manchen auf Abstand und zwingt teilweise sogar zum Widerstand. All das transportieren die Bilder von JEAN-DENIS PENDANX, ohne dass es einer weiteren Erklärung bedarf.
Ein warmer, märchenhafter Vintage-Retro-Look verbirgt das Bitterböse im Kern und das vordergründig Offensichtliche der Handlung. FAKE STORY ist in diesen Zeiten sicherlich kein zufällig ausgewählter Titel. Zu jeglicher Zeit existierte die Bereitschaft das Unglaubhafte zu glauben, wenn Unwissenheit das Fundament bildet. Und sogar ein innerer Zwang jeder Korrektur des Unwissens entgegensteht. Das hier so eingefangene Bitterböse andererseits besitzt ähnlich aktuelle Bezüge und genügend historische Beispiele, leider.
Vordergründig leichtfüßig, hintergründig abgründig. Die schönen, stimmungsvollen Illustrationen von JEAN-DENIS PENDANX tragen eine düster-tragische Handlung, die Krimi und Drama zugleich ist. Das Szenario von LAURENT GALADON schärft durch die Verwendung einer vergangenen Zeit für die Geschichte den Blick auf aktuelles Geschehen. So ganz nebenbei. 🙂
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Dienstag, 17. August 2021
AUGUST 1944. Das von den Deutschen besetzte Frankreich. SAINT-MALO. Der Zweite Weltkrieg tritt in seine Endphase ein. Der deutsche Siegszug ist zu Ende. Rückzug und Verteidigung stehen im Vordergrund. In SAINT-MALO wollen die Besatzer die Zeichen noch nicht erkennen, weigern sich, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Amerikanische Angriffe setzen der Stadt zu. Bomben machen kaum einen Unterschied zwischen Deutschen und Franzosen, die endlich auf ihre Befreiung hoffen. Inmitten dieser unsicheren und chaotischen Zustände versuchen vier Jugendliche ihren Lebensweg zu finden. Überleben. Im Widerstand aktiv sein. Lieben. Jung sein. Doch je mehr sich die Lage für die Deutschen zuspitzt, desto stärker fallen die Repressalien für die Stadtbewohner aus. Hoffnungslosigkeit greift um sich …
Kriege bestimmen die menschliche Geschichte. Aus ihnen erwächst der Wunsch nach Frieden. Meistens. NICOLAS MALFIN greift in seiner Geschichte auf eine Epoche zurück, in der Europa eines der Zentren eines weltweiten Krieges, der historisch für eine unglaubliche Vernichtung an Menschenleben steht. Exemplarisch hat er sich eine Sequenz jener Tage in seinem Heimatland Frankreich herausgesucht. Nicht allzu weit von seinem Geburtsort entfernt dient die Küstenstadt SAINT-MALO, am Ärmelkanal in der Bretagne gelegen, als Kulisse des vorliegenden ersten Bandes von CÉZEMBRE. Namensgebend für die Geschichte ist eine kleine Insel in Küstennähe zu SAINT-MALO.
Vier Jahre vor dem Einsetzen der eigentlichen Handlung, also 1940, muss der junge EWAN beobachten, wie sein Vater ein Fischerboot absichtlich gegen einen Felsen steuert, um die ebenfalls an Bord befindlichen deutschen Soldaten zu töten, nachdem diese bereits einen seiner Männer erschossen haben und nicht zu glauben ist, dass sie ihn nach dieser Tat am Leben lassen werden. Ist die Tat schon schlimm genug, so müssen EWAN und seine Freunde weiterhin tagtäglich mit diesen Besatzern aufwachsen, umgehen, mit ihnen leben lernen und sich Kniffe einfallen lassen, um am Leben zu bleiben. Ohne jemals zu vergessen, was sie mit diesen Mördern anstellen werden, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Die Stimmung in SAINT-MALO wird von NICOLAS MALFIN perfekt eingefangen.
Aber dieser Teil der Handlung ist nur eine Seite der Medaille. Es gibt eben auch solche Menschen, die sich mit den Gegebenheiten arrangieren und sich sogar auf die Seite der Besatzer schlagen. Oder kurz gesagt: Sie werden Kollaborateure. Letztlich eine gesellschaftliche Stellung in einem Krieg, in der einem niemand mehr vertraut. Die eigenen Leute nicht. Die Fremden ebenso wenig, denn Menschen, die das eigene Volk verraten, werden niemals wieder irgendwie vertrauenswürdig sein. Irrglaube, Zerrissenheit, Egoismus treiben einen jungen Mann wie FENEC an. Sicherlich spielt Hass auch noch gehörige Rolle.
Zwei Beispiele für sehr differenzierte Charaktere in einer Reihe von gut umrissenen Figuren. NICOLAS MALFIN tritt hier als Autor UND Illustrator in Erscheinung. Bislang war er hierzulande als Zeichner der überaus erfolgreichen und langlebigen Science-Fiction-Serie GOLDEN CITY bekannt. Seine Arbeit dort wie hier ist absolut exakt zu nennen, stets auf den Punkt. Jeder Strich sitzt. Menschen sind mit klaren, einfachen Linien dargestellt. Optische Unterschiede bei gleichaltrigen Figuren funktionieren bei ähnlichen Staturen meist über Haarfarben oder zum Beispiel Kleidung. Je origineller ein Charakter, umso leichter fällt seine Abgrenzung zu anderen Figuren. Aber das sind die klassischen (zu vernachlässigenden) Schwächen einer ligne claire.
Womit NCOLAS MALFIN stets punktet, ist seine Seiteneinteilung. Stimmungswechsel, Perspektivwechsel. Nahe an Figuren heran, sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Entfernungen verfolgen. In die Totale schwenken, weit herausgehen und den Krieg ins Zentrum rücken, die Machtlosigkeit der Menschen gegen die Maschinen verdeutlichen. Wenn draußen vor der Küste amerikanische Flugzeuge die deutsche Marine angreift. Wenn in der Stadt sich der Widerstand aufbäumt, gar religiöse Verkleidungen wählt, um sich bis zuletzt so getarnt ans Ziel anzuschleichen.
Ein dunkles Kapitel menschlicher Historie, ein spannendes zudem, mit reichlich Thrillerfaktoren versehen. Sehr gut gezeichnet, sehr gut inszeniert, sehr gut ge- und beschrieben. Ein wendungsreicher, kurzweiliger erster Teil, der den zweiten und abschließenden Teil mit Spannung erwarten lässt. Stark! 🙂
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Donnerstag, 22. April 2021
In seinem Herzen ist PARKER ein Einzelgänger. Von einer Frau betrogen worden zu sein, kratzt kaum an seinem Ego, mehr an seinem Selbstverständnis als Profi. Er ist ein Profiverbrecher. Er lebt davon. Er raubt, stiehlt, hin und wieder tötet er. Um sein Leben zu bestreiten. Mehr nicht. Keine überflüssigen Gewissensbisse. Nur die oder ich. Dazwischen gibt es nichts anderes. Mit ein paar Leuten kann er gut zusammenarbeiten. Mit anderen überhaupt nicht. Wer ihn als Einzelgänger für einen unbedeutenden, leicht zu beseitigenden Typ hält, kann sehr leicht einen gefährlichen Irrtum aufsitzen. PARKER agiert wie eine Maschine, geduldig, unaufhaltsam, diszipliniert und gelangt über kurz oder lang an sein Ziel …
Da ist sie also sie also, die 1. Ausgabe der PARKER MARTINI EDITION. Das bedeutet für echte Thrillerfans großformatige satte 364 Seiten Spannung, nach den Romanvorlagen von Bestsellerautor RICHARD STARK (Pseudonym von DONALD WESTLAKE), für den Comic konzipiert und inszeniert von Comic-Star DARWYN COOKE. Der leider zu früh verstorbene Künstler erlangte durch seine Storyboard-Arbeiten zu den Animationsserien BATMAN, SUPERMAN und BATMAN OF THE FUTURE (in den 1990ern) viel Know-how für seine späteren Arbeiten im Medium Comic. Entsprechend fällt sein Stil aus. Angelehnt an den Strich jener Animationsserien und von höchstem Wiedererkennungswert gestaltete er seine Comicumsetzungen, so auch von der berühmten Romanfigur des Gangsters PARKER.
Von den 24 Romanen, in denen PARKER die Hauptrolle spielt, hat sich DARWYN COOKE ein paar ausgesucht und adaptiert. Darunter natürlich auch den ersten und berühmtesten Auftritt des Gangsters in der Geschichte THE HUNTER. Und wie beginnt PARKERS Geschichte? Er wurde hereingelegt und zu Beginn sieht er so gar nicht nach einem Profi aus, der sich nicht aufs Kreuz legen lässt.
DARWYN COOKE begibt sich mit PARKER in die frühen 1960er Jahre, mitten hinein in die VEREINIGTEN STAATEN. Noch lassen sich Raubdelikte mit kleinen Teams durchziehen. Über allem zieht ein Syndikat landesweit die Fäden. Die Umsetzung der Geschichten THE HUNTER, PARKERS RACHE, DIE GORILLAS und DER AMATEUR atmet Atmosphäre. Das hängt zu weiten Teilen mit der Stilistik zusammen, die DARWYN COOKE für die Adaption der Thriller gewählt hat.
Wer schon einmal einen Blick in jene erwähnten Animationsserien geworfen hat, kennt den etwas puppenhaften Stil der Figuren. Harte Kerle sind kantig (meist mit markantem Kinn), Frauen wirken wie eine verzwergte Comic-Ausgabe von MARYLIN MONROE und andere Figuren wiederum entsprechen meist ihren charakterlichen Merkmalen. Zum Beispiel wird ein wieseliger Halunke ohne Rückgrat leicht erkennbar sein. Der Strich ist skizzenhaft, flüchtig. Zum schwarzen Strich gesellt sich bloß eine Kontrastfarbe, die je nach Story variiert. DARWYN COOKE arbeitet mit Eindrücken, im besten Sinne einer Graphic Novel, versetzt den Betrachter in eine Zeugenfunktion, der eine Szene schnell erfassen muss und präsentiert auch nur das, was er unbedingt sehen soll.
Helles Blaugrau, blasses Ocker, kräftigeres Orange oder kühles, dunkles Blau setzen Akzente. In Rückblicken, sofern vorhanden (nicht oft), wird die verwendete Farbe gerastert. Technisch scheinbar einfach, aber stets mit einem Blick für eine filmische Umsetzung inszeniert (hier kommt zweifellos DARWYN COOKES Erfahrung als Storyboard-Artist zum Einsatz). Darüber hinaus stellt sich die Wirkung eines TV-Movies ein. Die Seitenverhältnisse der Bilder variieren zwar stark, dennoch mag man, ist man als Leser einmal in den Sog der Story geraten, glauben, einem Thriller in klassischem 4:3 gegenüber zu stehen.
PARKERS LEBEN: Ein Leitfaden für Gangster. Allerdings in einem vergangenen Jahrzehnt. Heute agieren Gangster mit digitalen Mitteln, um ihre Aktivitäten zu verschleiern (zumindest in Thrillern), damals ließ sich das System einfacher umgehen (wie PARKER zeigt). Und mehr noch. Einer der nettesten Nebenschauplätze ist der WÖCHENTLICHE KRIMINALANZEIGER, in dem, in wechselnden Techniken, gezeigt und erzählt wird, wie PARKERS KUMPEL das SYNDIKAT leimen. Geschichten in der Geschichte, sehr unterhaltsam, sehr kurzweilig, eine gelungene Überleitung, ehe es wieder knallhart zur Sache geht. Frei nach dem Motto LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG.
DARWYN COOKE, der, das darf nicht vergessen werden, nach der Vorlage von RICHARD STARK arbeitet, muss sich dem Tempo der Romane und Stories anpassen. Dieses Tempo ist exzellent, mit stoischer Präzision wie seine Hauptfigur, obwohl diese nicht immer präsent ist. Manchmal schweift die Handlung von PARKERS Spuren ab und verweilt bei seinen Gegnern (die alles daran setzen, diesen Quälgeist loszuwerden). DARWYN COOKES Bilder sind stilistisch eigen einerseits, aber andererseits auch dazu gemacht, die Düsternis der us-amerikanischen Unterwelt einzufangen, die so gar nichts von den berühmten SWINGING SIXTIES hat. Diese Anspannung einer überaus gewalttätigen Welt unter einer Oberfläche einer sich wandelnden Zeit wächst über die gesamte Länge des vorliegenden Bandes stetig an.
THRILLER-GRAPHIC-NOVELS von zwei Meistern ihres Fachs. DARWYN COOKE hat sich ein paar Geschichten über den Gangster PARKER von Bestseller-Autor RICHARD STARK (Pseudonym von DONALD WESTLAKE) ausgesucht und diese in seinem ganz eigenen Stil ins Medium Comic transportiert. Niemand sollte sich von DARWYN COOKES Werdegang (vom Animationsfilm her zum Comic-Profi gelangt) täuschen lassen. PARKER, hier in der besonderen MARTINI EDITION, ist für Erwachsene geschrieben und ebenfalls gezeichnet. Das Ergebnis ist von großer Intensität, bildhaft und erzählerisch. Ein Wortspiel zum Schluss: STARK! 🙂
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Dienstag, 23. März 2021
Die Zeiten ändern sich. Der Weg des KILLERS führte aus Frankreich heraus in die weite Welt, wo sich der Auftragsmörder in wärmeren Regionen des Erdballs einnistete und die damit einhergehende Exotik genoss. Nun ist er wieder zurück im alten Frankreich. Unfreiwillig. In einer Art legalem Auftrag. Unter einer Tarnidentität lebt er wie ein ganz normaler Bürger und erledigt in einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter kleine Fische des organisierten Verbrechens. DER KILLER ist zu einem Laufburschen geworden. Er hat keine andere Wahl. Die Strategie trägt unerwartete Früchte. Plötzlich geht es nicht mehr nur um Drogenhandel …
Autor MATZ und sein Kollege, der Zeichner LUC JACAMON, treiben den neuen Zyklus SECRET AGENDA aus der Reihe DER KILLER voran. Geradlinig, deutlich düsterer als der letzte Mehrteiler präsentiert sich SECRET AGENDA. Hochfinanz und Antipathien unter Geheimdiensten und Kartellen spielen hier keine Rolle. Die Handlung ist handfest, auf realen Hintergründen aufgebaut und zeichnen ein gruseliges Bild des modernen Frankreich.
Unter einer oberflächlichen Kruste gärt es, stets sinnig vom KILLER kommentiert. Diejenigen in den Schatten beobachten beiden Seiten, weit über und unter der Oberfläche und registrieren, wie sehr sich diese (eigentlich) Gegensätze vor den blinden Augen und der Machtlosigkeit der Öffentlichkeit einander annähern. MATZ beschreibt seine (ANTI-)Helden in einer wankenden Position. Zum Zusehen befohlen, hat zumindest einer von ihnen bereits eine andere Idee, wie einer Lösung des Problems Herr zu werden wäre. Das kommt nur leider nicht in Frage.
DER KILLER verfolgt das Geschehen auf seine philosophierende Art und man kann ebenso behaupten, dass er einigermaßen amüsiert ist. Unterschwellig schwingt der Wunsch mit, nach Ablauf seiner Arbeit schnellstens wieder nach Hause zurückzukehren. Zumindest in exotische Gefilde, die ihm lieber geworden sind, als das düstere Frankreich. MATZ arbeitet mit einem Trick, vergleicht man die bisherigen Ereignisse im Zyklus SECRET AGENDA mit den Rest der Reihe. DER KILLER muss Zuschauen. Verantwortung wird ihm abgenommen, Entscheidungen sowieso. Und zum guten Schluss (wahrscheinlich aus seiner Sicht) sind jene, deren Aktionen er beobachten muss, nicht einmal in seiner Liga. Der Killer bewegte sich international, tötete teils mit chirurgischer Präzision. Hier morden die Leute brachial, gebärdet sich besonders eine Figur (aus Sicht des Lesers) fast komödiantisch (so wie es nachträglich immer ist, wenn dunkle Machenschaften ans Licht kommen).
Weil alles so normal ist, gestaltet Zeichner LUC JACAMON viele normale Alltagsszenen, die sich einem freundlichen Tageslicht abspielen. Szenen bei der Büroarbeit, in einer Fußgängerzone. Bei der After-Work-Party wird das Licht rötlich. Normale Menschen lassen sich gehen, feiern. Demgegenüber steht das mörderische Treiben in der düsterer, blaugrauer Nacht und der Übergang zu einem Massaker in der Dämmerung. Bis beides aufeinandertrifft. Dunkle Welt und lichte Welt. Und die Schießereien und Lügen auch bei Tageslicht zu hören und zu sehen sind. Ob es absichtlich so durchkomponiert ist oder nicht, es wirkt und es hat den Anschein, als ob sich das Unheil langsam einen Weg in Richtung KILLER bahnt und eine Konfrontation in naher Zukunft unausweichlich ist.
LUC JACAMON ist ein Comic-Künstler, der eindeutig identifizierbare Charaktere kreiert (nein, das ist nicht selbstverständlich). Es macht Spaß, diese kennenzulernen und zu sehen, wie sie in Szenen aufeinandertreffen (mehr soll nicht verraten werden). Interessant auch zu sehen, wie sich DER KILLER in seine Doppelrolle einfügt, Auftragskiller und Tarnidentität, und sich in beiden ein Lächeln abringen kann. In einem Gesicht, das sich fortwährend hinter einer getönten Brille versteckt und ernst bleibt, fällt das sofort auf.
Ein französischer Thriller (siehe auch Rezension zu Teil 1), das ist fast schon eine Genre-Bezeichnung. Die Handlung, angesiedelt in ihrem Mutterland, ist mit einer schönen Kühle erzählt, trotzdem ist der Leser nah an den Figuren. Die Zeichnungen von LUC JACAMON sind mit reichlich Realismus versehen und gewohnt versiert zu Papier gebracht. Prima (aber die Kenntnis des ersten Teils ist Pflicht). 🙂
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Dienstag, 02. März 2021
Es sieht anfänglich nach einem Routine-Job aus. Ein Mann verschwindet. CAROLINE BALDWIN, in ihrer Eigenschaft als PRIVATDETEKTIVIN, wird engagiert, den Mann wiederzufinden. Abseits der Routine war der Verschwundene auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung tätig. Das macht es interessanter. Er könnte abgeworben worden sein und Forschungsergebnisse gestohlen haben. CAROLINE BALDWIN macht sehr bald schon mit ihren Fragen die ersten Leute nervös. Eine Spur lässt sie selber nervös werden. Der Verschwundene ist gebürtiger Argentinier und besitzt einen Hang zum TANGO. Die Privatdetektivin taucht in die TANGO-Szene ein und trifft unerwartet auf einen alten Bekannten aus Jugendtagen …
MONTREAL zur besten Jahreszeit. Der städtische Park ist einladend. An einem bestimmten Ort treffen sich die TANGO-Enthusiasten. Einer ihrer Fälle hat CAROLINE BALDWIN auf den Geschmack gebracht. Auf einer Parkbank wechselt sie die Schuhe und wird alsbald zum Tanz aufgefordert. Mit Verbrechern hatte CAROLINE BALDWIN schon häufiger zu tun, immerhin ist NARCO-TANGO der 17. Band der Reihe. Doch das Erlernen eines Standardtanzes gehörte noch nicht zur Aufklärung eines Falles.
Das Schöne am vorliegenden Band: Keine Vorkenntnisse der Serie erforderlich. Junge, moderne Frau. Privatdetektivin. Tough. Intelligent. Gut aussehend. Mutig. Sportlich. Man mag sich diese Eigenschaften sortieren, wie man es gerne hätte. All das lernt der Leser an ihr kennen. Und das genügt auch schon, um in die Geschichte, einen Krimi in der Gegenwart, einzusteigen. MEDIZIN ist neben dem TANGO das zweite große Hintergrundthema. MEDIZIN ist gerade in diesen Tagen in aller Munde. Heilmittel und Produkt gleichermaßen, verantwortlich für gigantische Umsätze. Sehr schnell schwenkt ein vermeintlich einfacher Fall über in überaus gefährliches Fahrwasser.
Wie ANDRÉ TAYMANS selbst im Anhang informiert, war zu CAROLINE BALDWIN eine mehrteilige Kinoreihe angedacht. Der Plot des vorliegenden Abenteuers gehörte zu einem Drehbuch. Er wurde ebenso wie ein paar andere Geschichten zu Comic-Abenteuern umgearbeitet. Als Leser ist der filmische Aufbau der Handlung schnell erkannt. Natürlich eher unbewusst, da Leser und Filmzuschauer sowieso auf viele Feinheiten dieser Erzählweise stoßen, seit Jahrzehnten. Gut eingeteilte Abschnitte nehmen den Leser mit, perfekt servierte Informationen, nah an den Figuren, wenngleich ich sagen muss, dass die Handlung im letzten Drittel ziemlich Fahrt aufnimmt. Der feine TANGO-Prolog bzw. Epilog entschädigt aber dafür. Beide einseitigen Szenen strahlen eine schöne Melancholie aus.
ANDRÉ TAYMANS verfolgt eine grafisch eine klare Linie (aber nicht die berühmte Ligne claire). Realismus, Wiederkennbarkeit, einfache Merkmale bei Figuren. Das lässt sich am besten mit gezeichneten Skulpturen vergleichen. Das Titelbild ist stellvertretend als sehr schönes Beispiel. Die Hauptfigur selbst ist perfekt designt. Klassisches ovales Gesicht, besonders im Profil. Die Kurzhaarfrisur bietet nicht nur ein prägnanteres Aussehen, sie erleichtert die Gestaltung und die Abgrenzung zu anderen Charakteren (Frauen) immens. Außerdem lässt es sie fescher, jugendlicher, adretter wirken. Im Vergleich zu einer anderen jungen Frau (eine Kollegin des Verschwundenen) lässt sich nur feststellen, dass CAROLINES Gegenüber geradezu hausbacken ausschaut.
Die Hintergründe sind städtisch ausgewählt, teils sehr modern mit wolkenkratzenden Bürogebäuden, mit Parkoasen und alten Stadtteilen, Stadthäusern, die sich aus früheren kanadischen Bauphasen in die Neuzeit herübergerettet haben. Für das Flair ist also gesorgt und gleichzeitig sorgt das Setting für Überraschungen. Eine grafisch stimmige Inszenierung.
Ein schöner Krimi mit einer charmanten Hauptfigur. Eine bodenständige Geschichte, in dem CAROLINE BALDWIN der Anziehungspunkt ist, weil ANDRÉ TAYMANS sie sehr persönlich in den Fall verstrickt, abseits von Stereotypen. Ein wenig Mitdenken ist gefragt bei diesem von ANDRÉ TAYMANS stilistisch fein, technisch präzise gezeichneten Kriminalfall. Einstiegsmaterial in die Serie. Comic-Krimifans können bedenkenlos zugreifen. 🙂
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Mittwoch, 27. Januar 2021
Kein richtiger Auftrag. Mehr ein Gefallen. Jemanden erledigen, der einem anderen im Weg steht. DER KILLER übernimmt die Angelegenheit. Schon, um nicht aus der Übung zu kommen. Ein neues Ziel und eine neue Umgebung erfordern Recherche. Wie, wo, wann zuschlagen. Je besser ein Ziel beschützt ist, desto aufwändiger ist die Vorbereitung. Die Umsetzung klappt. Natürlich. Ein präzise ausgeführter Schuss. Keiner hat den Täter gesehen. Kein Spuren sind zurückgelassen worden. Und dann läuft doch noch einiges schief …
DER KILLER hat sich verändert. Der über die Welt philosophierende Auftragsmörder würde es wahrscheinlich nicht zugeben, aber er ist nicht mehr der Mensch, der diese brutale Tätigkeit einmal zu zu seinem Beruf erklärt hat. Er ist nicht mehr Single, und er ist Vater. Er ist reich und eigentlich hätte er nicht nur allen Grund, sich aus dem geschäft zurückzuziehen, er müsste auch nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen und könnte das Töten anderen überlassen.
Gäbe es da nicht ein Problem. Töten ist kein einfacher Zeitvertreib für ihn. Es ist auch nicht einfach nur ein Beruf. Es ist seine Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die er nur ungern aufgibt, selbst dann, wenn es wirklich brenzlig für ihn und seine Schutzbefohlenen wird. Zu seinem Glück ist man bei der Familie seiner Frau auch nicht zimperlich und weiß sich zu wehren.
Eine andere Welt, ein anderes Auftreten. Wie war es doch zu Anfang, als DER KILLER in einem Zimmer auf sein Opfer wartete, nichts geschah, Stunde um Stunde verstrich und sich eine verstörende Ungewissheit einstellte. Mittlerweile ist DER KILLER erfolgsverwöhnt. Der Leser konnte verfolgen, wie sich eine Art Triumvirat bildete. Ein ehemaliger Agent, einer aus dem organisierten Verbrechen und DER KILLER, hauptsächlich als der Mann fürs Grobe. Aber die Macht zu erlangen ist eine Sache, sie zu erhalten eine ganz andere.
MATZ, der Szenarist, vertieft die Geschichte in dieses Problem. DER KILLER glaubt sich eine ganze Weile Herr der Lage zu sein. In so manch gefährlichen Situation (sprich: Schießerei) ist er das auch. Aber die Spielregeln der Hochfinanz wie auch der internationalen Politik und ihrer Geheimdienste stößt er an seine Grenzen. LUC JACAMON, Zeichner und ebenso wie MATZ von der ersten Stunde an dabei, gestaltet harte Actionszenen, die der Moderne ihren Tribut zollen. Auffallend hier zwei sehr unterschiedliche Szenen, einmal im Großstadtmilieu, einmal in der Wüste. Letzterer Abschnitt wirkt bei dem KILLER noch lange nach.
Interessant (und sehr gelungen) ist die Technik, mit der LUC JACAMON eine Actionszene darstellt (und weiterhin perfektioniert). Der Comic-Künstler verschmilzt, überschneidet, über eine Seite verteilt, Szenenabschnitte miteinander. Das ist zweifellos einem Filmschnitt abgeschaut und imitiert gekonnt die Geschwindigkeit eines Moments, indem die Bilddichte der Action-Collage erhöht wird und möglichst viele Eindrücke gleichzeitig gezeigt werden. Das hat auch zur Folge näher an das momentane Empfinden des KILLERS heranzukommen, der entsprechend rasch reagieren muss, um mit mehreren Angreifern fertig zu werden.
Die Gegensätzlichkeiten des Hauptcharakters führen zu völlig gegenläufigen Sequenzen. LUC JACAMON gestaltet ein wunderbares Familienleben, traumhafte Ferien in der karibischen See. MATZ begleitet die schönen Bilder mit den düsteren Gedanken des KILLERS. Gleichsam als eine Art Vorausschau auf das weitere Geschehen (das weit entfernt ist von der Traumschiff-Atmosphäre) und Warnung an den Leser, sich keinesfalls in Sicherheit zu wiegen. Unter der Oberfläche des Scheins kocht die Gefahr sehr bald über.
So dauert es nicht lange und DER KILLER und sein Kumpel HAYWOOD (als Freunde würden sie sich nicht bezeichnen) liefern ein Paradebeispiel dafür ab, was sie (wahrscheinlich) unter einer erfolgreich durchgeführten Aktion verstehen. Unter dem Strich bedeutet das: keine Überlebenden, keine Zeugen. Mit allen Mitteln. Folter. Ohne Gnade. Und eben noch gab sich DER KILLER als treusorgender Vater, liebevoller Partner und Familienmensch. Was für ein Gegensatz!
Aber das ist ein wichtiger Teil, der hier für Spannung sorgt und den KILLER unberechenbar erscheinen lässt. Der Leser kann nie sicher sein, welcher Charakterzug des KILLERS als nächstes an der Oberfläche auftaucht. Oder welches Land. DER KILLER bedeutet in der 3. GESAMTAUSGABE der Reihe einen sehr weitläufigen Blick auf die Welt, in unterschiedlichsten Vegetationszonen, verschiedensten Bevölkerungsdichten und -schichten sowie Zivilisationsstufen (rechnet man gedankliche Rückblicke auf die Menschheitsgeschichte mit ein). Das ist abwechslungsreich, überraschend und nicht das, was ein Leser normalerweise in einem Thriller erwarten würde.
MATZ (Szenarist) und LUC JACAMON (Zeichner) schicken in der 3. GESAMTAUSGABE einen KILLER ins Rennen, der (aber das würde er niemals zugeben) auf seine Art ein Teil des Establishments geworden ist. DER KILLER gelangt auf eine neue Ebene, Überraschungen inklusive, spannend, durchdacht, anspruchsvoll. 🙂
DER KILLER, GESAMTAUSGABE 3: Bei Amazon bestellen.
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