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Comic Blog


Sonntag, 07. Oktober 2012

Der Selbstmörderclub

Filed under: Mystery — Michael um 16:12

Der SelbstmörderclubDes Lebens überdrüssig? Sterben? Dafür gibt es den Selbstmörderclub. Nur ist diese Form des Selbstmordes nicht ganz so einfach, auch vor das Ableben kann eine Aufgabe gestellt sein. Eine, die vielleicht schlimmer als der eigene Selbstmord ist. Prinz Florizel, der mit seinem treuen Oberst Geraldine von einem Unbekannten in diesen Club eingeladen wird, findet diese Versammlung, die sich wie die übliche Männerinstitution ausnimmt, zunächst nur befremdlich. Doch dann beginnt das Spiel. In der Runde werden zwei Karten gezogen. Das Kreuz As bestimmt den Mörder. Das Pik As bestimmt das Opfer. Niemand verlangt von Mitgliedern, selbst Hand an sich zu legen. Aber die Regeln wollen befolgt werden. Wer zum Tode bestimmt ist, der hat sich daran zu halten.

Robert Louis Stevenson, der mit seiner Schatzinsel Berühmtheit erlangte, mit seiner Erfindung von Dr. Jekyll und Mr. Hyde nachhaltig beeindruckte, wusste auch mit dieser Geschichte den Nerv des Lesers zu treffen, indem er einen teuflischen Club erfand. Sterben wollen sie alle, jene, die dem Club angehören. Sie machen sich sogar einen Spaß daraus. Nur die Sache mit dem Töten steht auf einem ganz anderen Blatt. Bevor der Tod selbst empfangen wird, kann es sein, es muss nicht, dass man selbst zum Mörder wird. Die Figur des ehrenhaften Prinzen Florizel erkennt sehr bald die Boshaftigkeit des Clubpräsidenten und beschließt, den menschenverachtenden Machtspielchen ein Ende zu setzen.

Clement Baloup hat eine Erzählung des Autors, erschienen 1882, für das Medium Comic adaptiert. Die Art und Weise, wie der Präsident mit den Clubmitgliedern im wahrsten Sinne des Wortes spielt, ein erweitertes, mit höheren Chancen durchsetztes russisches Roulette, lässt an Begegnungen mit dem Teufel denken, wenig faustisch hier, dafür mit weitaus mehr Satan angereichert. Der Prinz nimmt den Kampf auf, der anfangs ungleich scheint. Daraus wird eine Jagd, die schnell zeigt, wer hier der Herr der Ränkeschmiede ist. Am Ende muss es zum Kampf kommen und wer diesen gewinnt, kann aus Sicht des Lesers nicht vorher gesagt werden.

Eddy Vaccaro, verantwortlich für Zeichnungen und Farben, wählt eine luftig leichte Grafik, dünne Striche, weiche Farben mit dem Spektrum alter Fotografien, auch bereits verblasst vom Zahn der Zeit. Mitten hinein setzt Vaccaro treffen einfach gestaltete Figuren, in Richtung klarer Linie tendierend, aber wie auf halbem Wege stecken geblieben. Das wirkt intuitiv, künstlerisch freier und gibt viel Raum für Atmosphäre für das Böse, das sich von seinem ersten Rückschlag erholt und zur Gegenwehr ansetzt.

Ein schneller Strich, Aquarellfarben für ein meist unwirkliches, auch geisterhaftes Licht untermalen die immer düster werdende Geschichte, in der Menschen die Dämonen sind. Unter dem Deckmantel pompöser gesellschaftlicher Anlässe, hinter Galanterie und hohem zivilisatorischem Anspruch gärt es und wird das Wort Held bespöttelt. Das Böse glaubt sich unaufhaltsam und wird doch von der Hartnäckigkeit des Guten niedergerungen. So verklären die Bilder die Handlung beinahe in etwas Märchenhaftes, das etwas den Biss aus dieser dunklen Erzählung Stevensons nimmt.

Nicht die übliche Comic-Kost, überaus ernsthaft, mit Anspruch und selbst durch die Ansiedlung in viktorianischer Zeit thematisch zeitlos zu nennen. Hier zeigt sich, dass Stevenson eben nicht nur der Gruselromancier und der Jugendbuchautor war. Die Adaption ist sehr dicht erzählt, stimmig illustriert. Für Freunde von sehr erwachsenen grafischen Novellen einen Blick wert. 🙂

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Samstag, 22. September 2012

D 2 – Lady D’Angeres

Filed under: Mystery — Michael um 18:04

D 2 - Lady D'AngeresLord Faureston ist ein gefährlicher Mann. Schlimmer noch: Es handelt sich bei der ätherisch aussehenden Gestalt, der es beständig gelingt, Frauen zu betören, um einen Vampir. Selbst ein Mann wie Richard Drake, der so viel von der Welt gesehen hat, ist von der Art seines Feindes inzwischen überzeugt. Drake, der Abenteurer, ist ins schwarze Herz Afrikas vorgedrungen, hat sich mit Stammeskriegern verbrüdert, hat mit ihnen gelebt und ist mit ihnen in den Krieg gezogen. Zum Schluss hat er sich gänzlich ihren Riten untergeordnet. Er wurde einer von ihnen. Daheim in England sind ihm diese neu gefundenen Instinkte im Kampf gegen die unheimliche Kreatur nützlich. Doch bei allen Erfahrungen, die Drake gemacht hat, haben sie ihn nicht auf die Begegnung mit Lady D'Angeres vorbereitet. Eine Frau, die tief in seine Seele zu blicken vermag.

Alain Ayroles spielt mit dem Mythos der Vampire, wie ihn einst ein Bram Stoker auf den Weg brachte. Darüber hinaus vernachlässigt Ayroles die modernen Ansätze mit den Schmusevampiren völlig und vermischt eher den Klassiker von Stoker mit einer Figur, wie sie sich ein Henry Rider Haggard (Allan Quatermain) ausgedacht hat. Die Geschichte setzt sich im viktorianisch anmutenden England fort, doch die Rückblenden, die sich mit den Geschehnissen selbst, den Berichten über den Grafen kreuzen, sind allesamt barbarischer als jene Ereignisse, denen sich Richard Drake und sein Komplize Mister Jones stellen müssen. Denn bei allem Raubtier, das in den Vampiren steckt, bewahren sie sich doch eine Spur von zivilisierter Vornehmheit.

Ein finsterer Höhepunkt: Die Begegnung zwischen Jäger und Vampir. Ayroles und der Zeichner Bruno Maiorana (bekannt von der Serie Garulfo) gestalten in der Form und der Erzählung etwas Ausgefallenes. Richard Drake tritt gegen den schweigsamen Lord Faureston an, eine Auseinandersetzung, die nicht die einzige in diesem Band ist, aber besonders beeindruckt. Mensch gegen Vampir wurde schon häufiger thematisiert. Hier ist es der Kampf des Jägers gegen eine Bestie, kühl, ohne Emotion, professionell auf beiden Seiten geführt. Letztlich mag sich der Cineast an eine Stimmung erinnert fühlen, wie sie Der Geist und die Dunkelheit auf die Leinwand brachte. Michael Douglas in der Rolle des Großwildjägers besitzt viele Anteile, die auch die Figur des Richard Drake auf das Papier transportiert.

Bruno Maiorana ist stilistisch eigen, unverwechselbar und bringt die nötige Information mit strengem Strich auf die Seiten. Das ist puppenhaft, marionettenartig, künstlerisch in jedem Fall, eine Mischung aus moderner und altmodischer Optik, die gerade in Szenen, in denen der Leser in die Epoche eintauchen darf, besonders deutlich wird. Die aufgesetzte Vornehmheit kontrastiert optisch mit den Erinnerungen an Afrika. Wildheit gegen Borniertheit, Natur und Kriegstanz gegen die Oberen Zehntausend mit Frack, Zylinder und Rüschenkleidern. Die zwei Gesichter des Richard Drake, dessen dunkle Seite das Interesse von Lady D'Angeres weckt, geraten immer mehr in den Vordergrund.

Thierry Leprevost koloriert die in unterschiedlichen Stärken gezeichneten Figuren und Kulissen mit einer markerähnlichen Farbgebung, Arbeit am Zeichenbrett imitierend. Je exotischer es wird (Afrika, Nachtszenen, Rückblicke in das Leben des Grafen), desto intensiver ist das Seherlebnis.

Der zweite Band der Trilogie D weiß rundum zu überzeugen und spielt sämtliche Stärken aus, die ein zweiter Akt besitzen kann (nicht muss). Die Spannungssteigerung ist enorm, auch der Trick, Richard Drake an den sprichwörtlichen dunklen Abgrund zu manövrieren, ist gelungen und lässt für die Auflösung viel erwarten. Wer dem Genre eine neue Seite abgewinnen will, sollte einen Blick riskieren. 🙂

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Mittwoch, 05. September 2012

CHEW 4 – Bulle mit Biss – Flambiert

Filed under: Mystery — Michael um 10:26

CHEW 4 - Bulle mit Biss - FlambiertSondereinsatz. Die beiden Agenten der FDA, Chu und Colby, sollen dem US-Landwirtschaftsministerium zur Seite stehen. In einem Einsatz der nach Selbstmordkommando riecht, nein, stinkt! Für den Notfall wird den beiden Agenten sogar eine Waffe bereitgestellt. Für den absoluten Notfall, Für den Fall des möglichen Scheiterns. Leider wurden die beiden Agenten von ihrem Chef im Unklaren darüber gelassen, welche Waffe überhaupt im Gepäck ist. Bei den Damen vom Landwirtschaftsministerium ernten die offensichtlich inkompetenten Agenten nur lautes Gelächter. Als die Waffe schließlich zum Einsatz kommt, stockt allen nur noch der Atem.

Vierte Runde: Einmal mehr geheimnisvoller, einmal mehr mit verblüffenden Fähigkeiten seiner Helden und Nebenfiguren. Ungewöhnliche Ereignisse und Wendungen sorgen für Abwechslung und werfen viele Fragen auf. Autor John Layman hat keine Lust auf 08/15. Hier wird erzählt, dass sich die Balken biegen, mit Spaß an Geschichten, an ironischen Spitzen, phantastischen Begebenheiten mit viel Witz und einem Ideenreichtum, der es sich traut, im nicht mehr ganz so neuen Jahrtausend neue Wege zu beschreiten.

Die Grundlage der Reihe, die weltweite Katastrophe durch millionenfache Todesfälle durch Hühnchenfleisch, wird wieder an den Anfang gesetzt. Gleichzeitig wird der Wandel gezeigt, den eine Hähnchenbude über Jahrzehnte vollzogen hat. Tony Chu, Agent der FDA und gleichzeitig ein Mensch, der allein über seine Geschmackssinne, allem Essbaren Informationen über vergangene Ereignisse entziehen kann, führt kein einfaches Leben. Da sein Vorgesetzter ihm außerdem ganz bewusst das Leben zur Hölle machen will (seinem Kollegen Colby, einem Menschen mit Cyborg-Implataten ebenso), wird es auch nicht leichter.

John Layman, der die Situationen, mit denen er seine Helden traktiert (ab und zu auch belohnt), sehr genüsslich ausbreitet, garantiert so dem Leser auf alle Fälle zwei Dinge auf einmal: Spaß und Spannung. Denn im Hintergrund hat Chus Erzfeind seinen ganz eigenen Handlungsstrang. Dieser wirkt zunächst weniger komisch als geheimnisvoll und birgt auch seine Überraschungen, die sicherlich noch zur Grundlage künftiger Ereignisse werden. Stilistisch schließt sich Rob Guillory, Zeichner und Kolorist, mit einem ausgefallenen Cartoon-Strich an, vollkommen modern, aber auch so wirkend als folge er einer Welle, die ohne MTV erst einmal nicht oder erst viel später möglich gewesen.

Dünnste Striche, mitunter langgestreckte, deformiert wirkende Figuren, kantig, falsch proportioniert und trotzdem gibt alles zusammen ein in sich stimmiges, passendes Ganzes. Wer sich manchen Aufbau der Figuren anschaut, wird aber auch eine Fortentwicklung von Comic-Gestalten frühester Stunde erkennen. Guillory, fast eine Art Picasso des Comics, kreiert mit Chu und Colby ganz nebenbei ein Komikerduo der besonderen Art, eine kleine Verbeugung vor den allgegenwärtigen Action-Helden des Kinos und stellt ihnen Figuren zur Seite, deren Verhalten realistischer ist (pubertierende Töchter, mobbende Chefs).

Ein humoristischer Blick auf die Gegenwart, voller Seitenhiebe, Ironie, auch Hohn und manchmal einer Spur Mitleid. Der findet sich gleich zu Beginn mit der Historie eines amerikanischen Unternehmens. Gleichzeitig ist die Geschichte auch ein Angriff auf die Völlerei Amerikas, ihre Fastfood-Kultur und sogar ihr Geschick, aus jedem noch so absonderlichen Thema eine Religion zu kreieren. Die Kirche der Heiligkeit der ungerührten Dotter in diesem Band mit dem Untertitel Flambiert ist das beste Beispiel hierfür. Respektlos, aber nicht lieblos, haben sich hier mit Layman und Guillory Autor und Zeichner getroffen, die wie die berühmte Faust aufs Auge passen.

So funktioniert Humor im neuen Jahrtausend auch. Albern, aber intelligent, Bissig, aber nicht zu gemein. Mit überspitztem Stift gezeichnet, ungewöhnlichem und neuem Thema, rasant und spannend. Allerdings sollten Leser am Ball bleiben und nicht quer einsteigen. 🙂

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Dienstag, 17. Juli 2012

Der Staub der Ahnen

Filed under: Mystery — Michael um 21:38

Der Staub der AhnenDer Tag der Toten dient der Rückschau an jene, die gegangen sind. Wann sie gestorben sind, spielt keine Rolle. So lange ihrer gedacht wird, sind sie noch da, auf ihre Art. Aber so lange ihrer gedacht wird, sind auch noch all jene Tragödien lebendig, die sich zu ihren Lebzeiten oder im Tode zutrugen. Im Gedenken an die Toten, hier nachgefühlt durch Eusebio Ramirez, eröffnen sich die Gefühle von einst, niemals vergessen und nach so langer Zeit noch so stark wie damals. Eusebio gedenkt der Verstorbenen der Familie Rojas. Zunächst ist es nur eine Zeitreise, ein liebevolles Erinnern. Doch hinter den Erinnerungen erhebt sich die Wahrheit, die nicht einmal Eusebio immer kennt.

Doch der Leser kennt sie. Er erfährt, was hinter den Kulissen geschah, wie sich die Ereignisse zuspitzten, die zum Tode einzelner Familienmitglieder führten. Autor und Zeichner Felix Pestemer in Eusebios Erinnerungen eine Familie vor, die mexikanische Kultur, zeigt Gemeinsamkeiten und deutliche Unterschiede. Außerdem führt er dem Betrachter die Sicht der Toten selbst vor Augen, in einer Welt, in der das Leben ein Spiel ist und Sorgen nicht mehr existieren. Jedenfalls nicht wirklich.

Die Alten und die Jungen sind nicht gegen den Tod gefeit. Jeden kann es treffen, zu allen Zeiten, am Tag und in der Nacht. Benito ist der erste, den es trifft, durch eine Unachtsamkeit, einen Zufall. Manchmal ist es auch fehlende Anteilnahme. Zuweilen ist es Zorn. Beim nächsten Mal ist es sogar Hass, der die Ursache für den Tod eines Menschen ist. Nach und nach tun sich in dem liebevollen Gedenken Eusebios wahre Abgründe hinter den Kulissen auf. Und die Toten? Die haben, in der Anderswelt zum Gerippe geworden, all die Ursachen ihres Todes und all die Mühsal ihres Lebens hinter sich gelassen. Diesen Blick beschert Felix Pestemer dem Leser und lässt seinen Erzähler Eusebio im Ungewissen über diese andere Existenz, in der endlich Frieden herrscht.

Der Blick auf die Toten durch die Lebenden ist heiter und bunt. Die Erinnerungen und wahren Ereignisse glänzen braunweiß, wie alte verblichene Fotografien. Die Gesichter sind vage gehalten, maskenhaft, auch sind die Haltungen manchmal puppenhaft und ist eine Inszenierung deutlich zu erkennen. Die Lebensausschnitte, eben jene, die zum Tode führten, werden dem Leser stumm präsentiert, theatralisch, während Eusebio seine Kommentare beisteuert. Felix Pestemer zeichnet mit sehr weichem Bleistiftstrich und koloriert sanft, mit traumhaften Farben.

Ist die Vergangenheit unbunt, ist die Gegenwart der Lebenden am Tag der Toten von einer prallen Buntheit, bonbonfarben. Pestemer greift die leuchtenden Farben der Blumen, der Süßigkeiten, der vielen Verzierungen an Gräbern und Altären auf. Als Betrachter ist man geneigt den Ursprung des Festes zu vergessen, würden die Toten nicht zugleich auf ihre Weise feiern, nicht ganz so bunt, aber nicht weniger fröhlich. Es gelingt Pestemer, in die Züge der kleinen Skelette eine außerordentliche Fröhlichkeit zu legen, die dem Leser sicherlich auch ein Lächeln ins Gesicht zaubert, obwohl die Szenerie einen morbiden Hauch besitzt. Aber durch das Puppenhafte, auch die Imitation des wirklichen Lebens ist der Eindruck ein sehr glücklicher, wenn im Tode (so wird es hier präsentiert) sämtliche Querelen beigelegt sind.

Gastauftritte. In einer Episode, einer besonders bedrückenden dazu, geben sich Frida Kahlo und Leo Trotzki die Ehre als geisterhafte Erscheinungen, obwohl zu jener geschilderten Zeit noch am Leben. Sie geben Zeichen, verhindern aber das Geschehen nicht.

Eine sehr atmosphärische Geschichte mit vielen Episoden und unterschiedlichen Blicken auf eine uns in dieser Form fremde Zeremonie innerhalb einer entfernten Kultur. Felix Pestemer lässt Raum für Gedanken, zur Entschlüsselung und letztlich ist Der Staub der Ahnen auch eine Anregung zur Beschäftigung mit Mexiko. 🙂

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Montag, 25. Juni 2012

Das Einhorn 4 – Der Tag der Taufe

Filed under: Mystery — Michael um 21:52

Das Einhorn 4 - Der Tag der TaufeDer Kampf hat den Untergrund verlassen. Die Gegner treten ans Licht, verschleiert zwar, aber sichtbar für jedermann. Eine Seuche ist ausgebrochen. Die einzige Seite, die ein Heilmittel nicht nur verspricht, sondern auch tatsächlich ein wirkungsvolles Gegenmittel besitzt, ist die Kirche. Die Menschen strömen in Scharen in die Kirche und empfangen das als Heilung gepriesene Mittel. Die Wirkung setzt ein. Noch nie zuvor konnte die Kirche mit Beweisen, ja Wundern in dieser Form aufwarten. Und doch gibt es einige Eingeweihte, die es besser wissen. Ein wichtiger Zeitpunkt zum Gegenschlag ist nicht mehr fern, nur noch Tage und der Kampf wird sich zwischen den beiden Seiten endgültig entscheiden.

Eine sehr dichte Erzählung, ein großer Einfallsreichtum und die Fähigkeit viele lose Enden zusammenzuführen und die Grundlage etwas Bekanntes zu schaffen, ohne dass der Leser vorher ahnen konnte, wie das Ende der Geschichte aussehen würde. Das ist hier in der Optik einerseits großes Kino, Breitwand und mit einer Vielzahl an Special Effects. Anders gesagt, wäre die Handlung ohne Spezialeffekte, Masken und brillante Kamerafahrten gar nicht möglich. Um in der Sprache des Films zu bleiben, muss die Ausleuchtung, die Ausstattung und die Kulisse gelobt werden. Mathieu Gabella beschreibt den Beinaheweltuntergang, Anthony Jean setzt ihn als Zeichner und Kolorist in Szene.

Will man einen Vergleich beim derzeitigen Kenntnisstand, bei Abschluss der Reihe mit dem vierten Band Der Tag der Taufe, wählen, ließe sich ganz vorsichtig eine Parallele zu Resident Evil ziehen. Keine Untoten stehen im Mittelpunkt, dafür jedoch eine groß angelegte Verschwörung, ein gigantisches Experiment, Kreaturen, die Ausgeburten von Legenden, die doch im Kleinsten gestoppt werden können. Das Böse trifft die Renaissance, sogar mit einer Alice als Clou und mehr noch. Aus dem Dunkel tritt eine Gestalt ans Licht, namentlich nicht in bekannter Form benannt und doch bei näherer Betrachtung eindeutig identifizierbar.

Aber bevor der Leser diese alles auflösende Stelle erreicht, ist die Handlung einerseits sehr detektivisch, kriminalistisch angelegt und mündet schließlich in einen formvollendeten (kleinen) Weltuntergang, der es optisch in sich hat. Wer bisher sich noch gar nicht mit der Reihe befasst hat, muss sich Wesenheiten vorstellen, echten Wesen durchaus ähnelnd, aber ohne Haut, eher wie plastinierte Geschöpfe ausschauend, mit den blanken Muskeln über die Knochen gespannt und manchmal mythischen Quellen entstammend. Einen Namen besitzen sie auch: Primordiale.

Menschen und Primordiale sind einen Bund eingegangen, andere wenden sich gerade gegen diese Kreaturen und versuchen sie auszurotten. Primodiale sind dank ihres Aussehens, auch wegen ihrer Fähigkeiten, für vielerlei Legenden verantwortlich, so auch für den Leviathan, jenem Seeungeheuer, das durch den Menschen nicht besiegt werden kann. Ist die atmosphärische Stimmung der Renaissance mit einem bräunlichrötlich farblichen Unterton eingefangen, läutet das Erscheinen des Leviathans optisch etwas ein, das mehr als nur ein Ende beschreibt. Anthony Jean gelingt es ein biblisch, mythologisches Untergangsgefühl (eigentlich mit allen zur Verfügung stehenden Apokalypsenbeschreibungen) auf das Papier zu bringen.

Durch die geschickte Vermischung aus nahen und fernen Einstellungen, Schnelligkeit, und explodierenden Farbeindrücken entsteht eine finale Achterbahnfahrt, die es in sich hat und die bisherige Optik noch einmal toppen kann. Allein dieses war nach der bislang herausragenden Arbeit durch Anthony Jean kaum möglich zu nennen. Sicherlich verwendet er die beliebt gewordene Computerkolorierung, verfremdet sie jedoch durch Unreinheiten und arbeitet andererseits so butterweich, dass gemäldeartige Effekte entstehen. Jeans Bilder belegen auch die Bezeichnung 9. Kunst als besonderes Beispiel.

Fantasy-Fans, die eine besondere Vermischung von Einfällen, Anatomie, Mythologie und Renaissance vor grandioser Kulisse und feinster Farbgebung erleben mögen (mit einer gut erzählten wie auch gut konstruierten Geschichte), sollten einen Blick riskieren. Ein ungewöhnliches Abenteuer mit Charakteren, die den Leser überraschen. 🙂

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Touna Mara 2 – Das Gold der Skythen

Filed under: Mystery — Michael um 18:18

Touna Mara 2 - Das Gold der SkythenIn der Vergangenheit sucht Touna nach einem Weg, um sich zu rächen. Ihr Gegner besitzt große Macht, ist brutal, geht wortwörtlich über Leichen und treibt sie an den Rand der Verzweiflung. Fast ist sie bereit, den selben Weg wie ihr Feind einzuschlagen, nur um ein Gleichgewicht der Kräfte zu erreichen. Im letzten Augenblick widersteht sie der Versuchung. Es muss eine andere Möglichkeit geben. Touna erkennt nicht, wie sehr sie aus Rache ihr Schicksal an jenes von Tar-Khan knüpft. Der Wolfsmensch fordert sie stets aufs Neue heraus, überfällt ihr Volk, plündert, entführt und mordet. Es kann nur einen Entscheidungskampf geben. Oder die Flucht. Diese kommt für Touna jedoch nicht in Frage.

Patrick Galliano, der Autor dieses Zweiteilers, der diese Geschichte mit der Fortsetzung Das Gold der Skythen abschließt, sorgt in beiden Zeitschienen, in der die Handlung voran schreitet, für gleich mehrere Zuspitzungen. Nicht nur die Hauptfiguren sind betroffen, auch einige Nebencharaktere müssen unter den Folgen der Entscheidungen im Kampf Gut gegen Böse leiden. Aber es ist nicht so durchsichtig, wie es klingt. Touna, die in der Steinzeit lebt, ist nicht gut im Sinne von uneigennützig, friedfertig oder edelmütig. Ebenso wenig ist Tar-Khan, ihr Gegner, das absolut Böse und Dunkle. In der Durchsetzung ihrer Ziele sind beide unnachgiebig. Galliano lässt seine Helden in diese sorgsam bereitete Falle aus Hochmut tappen.

Mario Milano könnte bei Betrachtung der Bilder aus der gleichen Schule wie ein Michael Blanc-Dumont, Marc Bourgne, Philippe Francq oder Colin Wilson stammen. Klare, deutliche Umrisse, immer goldrichtig platziert. Die Figuren, Landschaften, Ausstattung und jeder andere Gegenstand in den Grafiken sieht schön aus, lässt das Auge ruhen und ermöglicht die Konzentration auf die Geschichte. Haben sich in den letzten Jahren im Comic-Bereich auch Geschwindigkeiten eingeschlichen, versuchte man bisweilen schnelle Schnitte auch in dieses Medium zu übertragen, ist diese Aufbereitung hier nicht zu finden. Die komplexe Geschichte, die auch optische Kämpfe aufzuweisen, zwingt das Auge zur Betrachtung.

Galliano und Milano lassen einen erotischen Aspekt einfließen. Liebe, Fortpflanzung, Begierde, Eifersucht, nackte Frauen (für den männlichen Leser) in asiatisch anmutender Optik lassen im Vergangenheitsszenario wie auch in den gegenwärtigen Abschnitten des Abenteuers die Spannung in anderer Manier weiterknistern, bevor es wieder handfester wird und die Mystery die Oberhand gewinnt. Diese wird in Form der Wolfsmenschen gezeigt, von Milano als äußerst dürre Gestalten skizziert.

Die Wolfsmenschen, deren stärkerer Vorfahr in der Vergangenheitshandlung eine eher unbesiegbar wirkende Variante darstellt, sind junge Ausgestoßene. Sie haben sich in ihrem gemeinsamem Schicksal zusammengefunden, in einem wahren Überlebenskampf, den sie einerseits mit ihrer tierischen Natur führen, andererseits scheuen sie auch den Einsatz von modernen Waffen nicht. Von Galliano beschrieben, von Milano gezeichnet entsteht das Bild von Verlorenen, Mischwesen, die allenfalls unter den strengen und mitleidslosen Blicken von Wissenschaftlern, abgeschirmt im Laboren, eine kurze Zeitspanne überleben werden.

Dunkel, tragisch, dramatisch, spannend und sehr realistisch gestaltet. Für Mystery-Fans, die einen sehr weit gespannten Bogen in Geschichten mögen, eine gelungene Mischung aus Gegenwartsthriller und Steinzeitabenteuer, genau die richtige Comic-Lektüre. Dieser Band schließt das zweiteilige Abenteuer ab. 🙂

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Montag, 11. Juni 2012

Zombies 0 – Tod und Agonie

Filed under: Mystery — Michael um 19:39

Zombies 0 - Tod und AgonieSerge Lapointe war mal wer. Zumindest hatte er sich einen Namen in Horrorfilmen gemacht, doch selbst diese für ihn große Zeit dämmert nun dahin. Das Selbstbewusstsein hat sich verabschiedet, Zigaretten und Alkohol, gekaufter Sex und die letzten russischen Fans halten Serge ein wenig aufrecht. Die Horrorfilm-Convention geht langsam vorüber und als Serge erwacht, aus dem Fenster sieht, dem Alptraum ins Auge blickt, dem er mit auf die Kinoleinwand verhalf, hilft zuerst nur der Griff zum Mobiltelefon. Doch sein Agent ist weit weg in den USA. Das Leben, eben noch kaum etwas mehr wert, erscheint nun doch erhaltenswürdig. Die Vorstellung, lebendig gefressen zu werden, ist nicht verlockend. Selbst für einen Horrorfilmdarsteller, der gerade noch an Lebensverdruss krankte, nicht.

Wie alles begann. Mit Zombiefilmen. Jemand drehte Horrorfilme über menschenfressende Untote. Da sollte es doch nur eine Frage der Zeit sein, bis die Wirklichkeit das Kintopp einholt. Olivier Peru beschreibt hier die Vorgeschichte der Reihe Zombies. Im Gegensatz zu anderen Horrorgestalten waren die Untoten dieser besonderen Art stets mehr im Hier und Jetzt, war der Horror eher blank und ohne Zauber. Seit einiger Zeit findet auch eine kleine Vermischung von Fiktion und Realität statt. In Tagebuchform oder einem dokumentarischen Stil wird von der Apokalypse erzählt. Hier ist es ein Schauspieler, der sich ausgerechnet zu einer Horror-Convention in Sankt Petersburg befindet und dort den Beginn der Seuche erleben muss.

Es ist ein Zusammenbruch, wie ihn der Genre-Fan kennt, aber Olivier Peru hat sich als Autor herausgestellt, der seine Genres nicht nur kennt, sondern auch mit ihnen zu spielen versteht. So ist es nicht nur ein Schauspieler, der sich mit dieser Katastrophe auseinandersetzt. Auch ein junger Filmemacher sinniert im Vorfeld über das Thema und wie er es angehen würde. Radikal sind die Maßnahmen der Behörden und der Armee gegen diesen untoten Feind. Radikal sind auch die Ansichten, die es dank Lucio Alberto Leoni zu sehen gibt.

Vollkommen in ABC-Schutzkleidung verpackt, rücken die Soldaten gegen die Zombies und solche, die kurz davor stehen, welche zu werden, vor. Es ufert zu einer mitleidlosen Vernichtung aus. Gegen Ende steht der Run auf das letzte zur Verfügung stehende Flugzeug für jene Überlebenden, die sich gegen ihre Mitmenschen durchsetzen können. Das ist optisch wie erzählerisch ein Blick in den absoluten Zusammenbruch, wie ihn der Film so noch nicht gezeigt hat (es wäre zu aufwendig für derlei Genreproduktionen) und bislang nur der Roman ähnliches zu Papier brachte.

Die Flucht: Kein Vertrauen auf irgendwen, einzig das eigene Leben zählt noch. Kurzfristige Allianzen werden früh beendet. Untote oder Militärs, manchmal auch schlicht Unglücke setzen einer Flucht ein schnelles Ende. In der einen oder anderen Szene wird der Genre-Fan vielleicht auch eine Ähnlichkeit zu Werken von Romero erkennen (was sicherlich auf die gesamte Geschichte zutrifft, gemeint sind hier jedoch Details). Lucio Alberto Leoni zeichnet mit sehr sauberen Linien. Der notwendige Realismus trifft auf jeder Seite ins Schwarze. Rund zehn, manchmal zwölf Bilder auf einer Seite schaffen ein dichtes Szenario, filmisch arrangiert, zuweilen mit harter Optik und völlig ohne Humor gezeigt und erzählt (nicht einmal schwarzer Humor ist hier zu finden).

Dunkel, dunkler, abgrundtief finster: Das Ende, die Vorgeschichte zur Zombies-Reihe gerät fast noch ausdrucksstärker als die eigentliche Serie. Für Horror-Fans im Medium Comic genau die richtige Lektüre, eindringlich illustriert von Lucio Alberto Leoni. 🙂

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Freitag, 01. Juni 2012

Das Schwert 4 – Luft

Filed under: Mystery — Michael um 21:06

Das Schwert 4 - LuftDara Brighton hat den Kampf gegen den Beherrscher der Erde für sich entschieden. Ein Triumph bleibt ihr trotzdem verwehrt. Denn Malia, die letzte, noch verbliebene Göttin und Beherrscherin der Luft, zieht mit einem Trick ins Feld. Während Malia in Manhattan vor die Weltöffentlichkeit tritt und Spekulationen über die wahnwitzigen Aufnahmen, die in den letzten Tagen über die Kanäle gingen, ein Ende bereitet, müssen Dara und ihre Freunde einen Weg finden, um aus Mexiko in die USA zu kommen. In höchster Not gelingt ihnen die Kaperung eines kleinen Flugzeugs. Aber die amerikanische Luftwaffe ist nicht gewillt, die Frau mit dem Schwert einfach so gewähren zu lassen.

Luft. Eine überaus starke Macht, nicht weniger beeindruckend als die vorherigen Naturgewalten, die von den vier Göttergeschwistern beherrscht wurden. In der Gestalt einer attraktiven jungen Frau schwingt sich der letzte Feind von Dara Brighton in die Lüfte, bereit zum finalen Kampf, nachdem sie sich nun in der Position wähnt, das Duell für sich zu entscheiden.

Finale. Bei der vierten und abschließenden Folge von Das Schwert dürfte es sich um eine der spannendsten Finalfolgen handeln, die ich bislang lesen durfte. Schrieben und zeichneten die Gebrüder Luna mit den bisherigen drei Folgen schon Geschichten, die nur mit den Worten drastisch und dramatisch tituliert werden konnten, ist der letzte Kampf der Hauptfigur Dara Brighton mit der über die Luft gebietenden Malia nicht nur ein Höhepunkt des Fantasy-Comics, vielmehr des gesamten Genres. Man gewinnt den Eindruck, dass die Gebrüder Luna sich selbst keine Grenzen auferlegt haben. Ein Paradebeispiel hierfür ist der wirklich spektakuläre Ritt auf einem Harrier-Jagdflugzeug (den nicht einmal Eliza Dushku in True Lies hinbekommen hat).

Das Schwert ist häufiger eine zentrale Waffe in Mythen, in Comics, Filmen oder Romanen. Abgesehen vom sehr bekannten Excalibur ist das Schwert, eine spezielle Waffe, wie in diesem Fall, aber selten von solcher Bedeutung. Die Gebrüder Luna haben keine Schmuckwaffe entworfen, sondern in der Tat ein Werkzeug, das nur für den Zweck des Tötens geschaffen worden ist. Ein stabiler Griff, ein breiter Klingeneinsatz, eine lange Klinge mit leicht geschwungenem Blatt. Optisch ist es keine Waffe, die man in der Hand einer jungen Frau vermuten würde. Als Nahkampfwaffe und Instrument für grauenhafte Wunden wird es hier auch für Schockeffekte verwendet, die selbst in der sehr klaren, fast kühlen Optik treffen.

Aber diese Effekte stehen hinter der sehr abwechslungsreichen und voller Wendungen steckenden Handlung zurück. Allein die Findigkeit der Beteiligten, von A nach B zu kommen, obwohl ihnen die Mittel fehlen, ist für Überraschungen gut. Die Art und Weise, die Vergangenheit aller Hauptfiguren zu beleuchten, schafft die nötige Tiefe, bietet Erklärungen und sorgt in der letzten Folge für einen sehr großen Aha-Effekt. Dieser wird jedoch durch den Abschluss der Handlung übertroffen. Selten gingen Comic-Macher so gnadenlos mit ihrer Hauptfigur um und folgen doch der bisher aufgebauten Logik mit aller Konsequenz.

Ein Spiel mit den Medien. Falls ein Gott (auch ein Superheld oder eben ein Bösewicht, der einen Guten nur mimt) vorhaben sollte, eine wie auch immer geartete Machtergreifung (weltweit natürlich) durchzuführen, muss er vor allem eines hinter sich wissen, nämlich die Medien. Jedem scheint die Macht der verschiedenen Medientypen bewusst zu sein (insbesondere immer noch dem Fernsehen), aber in den seltensten Fällen gibt es eine sympathische Sicht auf die Medien, die in solchen Geschichten meist nur sensationslüsternen Journalismus abliefern. Hier wird diese gängige Darstellung noch durch den Live-Auftritt von Malia übertroffen. Sie bietet sich als rettender Engel an.

Ein wenig wie Schach. Mit Gewalt allein, auch nicht nur mit Mut ist der Gegner diesmal nicht zu besiegen. Aus einem leibhaftigen Duell wird so zeitweise ein Machtspiel, ein Psychoduell, bis die vierte Folge in einen wuchtigen Abschluss übergeht.

Ein im wahrsten Sinne des Wortes gigantisches Finale, ohne Übertreibung furios inszeniert, mit ungeheuer viel Gefühl, Respekt und Mitleid vor der Hauptfigur, aber letztlich auch ohne Gnade. Ein echter Hammer. 🙂

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Sonntag, 20. Mai 2012

Das Schwert 3 – Erde

Filed under: Mystery — Michael um 17:48

Das Schwert 3 - ErdeWie vernichtet man einen Gott? Für Dara Brighton stellt sich diese Frage nicht mehr. Sie hat es bereits einmal geschafft und sich fest vorgenommen, diese anstrengende Prozedur zu wiederholen. Rache ist das Motiv. Diese Götter töteten ihre Familie, doch das Vermächtnis ihres Vaters, ein lange im Verborgenen gehütetes Schwert, gibt ihr die Gelegenheit zur Rache an den Mördern. Die Verfolgung eines Gottes indes, von Land zu Land, ohne einen Cent in der Tasche zu haben, gestaltet sich zunächst viel schwieriger. Als Dara und ihre Freunde die Spur aufnehmen und in eine Szene geraten, von der sie nicht geglaubt hätten, ein Gott werde in ihr abtauchen, gerät nicht nur Dara in Gefahr.

Erde. Beherrschte der erste Gott das Element Feuer, der zweite von Dara getötete das Element Wasser, stellt sich die junge Frau mit dem Schwert nun einer Kreatur entgegen, die nicht nur tausende von Jahren alt ist, sondern die auch noch die Fähigkeit besitzt, durch reine Gedankenkraft jegliche Erdmaterie zu formen und auch als Waffe zu verwenden. War schon Wasser schwer zu besiegen, so wirkt dieser neue Kampf beinahe aussichtslos. Knossos ist ein Meister auf seine Art und könnte Großes vollbringen, würde er nicht seine Macht dazu missbrauchen, reinste Drogen aus der Erde zu gewinnen.

Die Brüder Joshua und Jonathan Luna bringen ihre Heldin Dara Brighton im dritten und vorletzten Teil dieser außergewöhnlichen Reihe, der sich in gewisser Weise an den vier Elementen orientiert, wieder einen Schritt weiter. Außergewöhnlich ist die Leichtigkeit der Erzählung, die Einbindung eines mythologischen Hintergrunds in die Neuzeit und die grandios umgesetzte Action, die man so allenfalls von neuen Kinofilmen oder aufwendig produzierten Fernsehserien her gewöhnt ist. Die Götter oder Abkömmlinge der Götter, allesamt Geschwister, sind nicht nur verrückt, sie sind auch berauscht von ihrer Macht und herrschten am liebsten über die Menschen, gäbe es nicht ein Hindernis.

Das Schwert ist die Waffe, die bereits bewiesen hat, wozu sie in der Lage ist. Sie kann nicht nur den Gott töten, sie kann seinen Träger auch vor den Angriffen des übermächtigen Feindes schützen und Verletzungen in kurzer Zeit heilen. Die Schmerzen jedoch verhindert es nicht. Dara, die durch das Schwert wieder gehen kann, da die Waffe auch andere gesundheitliche Schäden heilt (Dara war querschnittsgelähmt), muss leiden. Die Anblicke und Szenen, die sich dem Leser hierbei bieten, benötigen keine Worte und wirken einzig durch die Inszenierung.

Jonathan Luna, der die Aufgabe der Zeichnungen übernommen hat (eine Aufgabenteilung, die wechselseitig bei Projekten der beiden Brüder erfolgt), bringt die Action ebenso wie die Schockeffekte durch sehr klare Linien zum Ausdruck, Unschärfen sorgen für Tiefe und filmische Eindrücke. Der Blick liegt stets auf dem Vordergrund, die Kulisse ist vorhanden, aber zweitrangig und erhält allenfalls Bedeutung, um die Ausmaße von Zerstörung oder auch Macht zu zeigen. Zerstörung ist das Hauptanliegen dieses Gottes, der diesen Kampf nicht nur unbedingt gewinnen, sondern sich auch präsentieren will.

Auf verschiedenen Zeitebenen werden Geheimnisse gelüftet, solche der Götter, aber auch die Vergangenheit von Dara und ihrer Familie. Einige Zeitsprünge erfolgen weit hinein in die Vergangenheit der Menschheitsgeschichte, an exotische Orte, zu fast mystischen Zivilisationen. Es sind kleine, sehr kurze Momente der Ruhe in einer Geschichte, die zu drei Vierteln eine atemlose Achterbahnfahrt ist und von Jonathan Luna mit nahezu kühler Optik eingefangen wird.

Weiterhin vorbildlich, ein Reißer im besten Sinne des Wortes, der den Leser zu keinem Zeitpunkt loslässt. Die Vorgeschichte bis hierher ist ein absolutes Muss. Die Gebrüder Luna etablieren Leinwandsehgewohnheiten im Comic. Weiterhin nichts für Zartbesaitete, aber höllisch spannend. 🙂

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Mittwoch, 02. Mai 2012

Kim Luna 1 – Die Rache des Wiedertäufers

Filed under: Mystery — Michael um 21:07

Kim Luna 1- Der Fluch des WiedertäufersDas Schwert ist nicht mehr für den Kampf gedacht. Einem alten Ritual ist es verdanken, dass es für den Mörder in Griffweite gewesen sein muss. Das Blut an der Klinge ist frisch. Kim Luna, die sich kurz zuvor noch mit ungewöhnlichen Messwerten bei ihrer parapsychologischen Arbeit auseinandersetzen musste, sieht sich wenig später selbst dem Mörder gegenüber. Und dieser ist nicht von dieser Welt. Schon lange nicht mehr. Allerdings hat er auch keine Lust, endlich Ruhe zu geben, denn er hat bereits viel zu lange auf seine Rache gewartet.

Eine neue Heldin und mächtig viel Lokalkolorit: Kim Luna und der Fluch des Wiedertäufers. Münster ist eine ruhige Stadt, fahrradfreundlich, mit vielen Studenten, mit einer großen Portion Historie und einer gelungenen Mischung aus Stadt und Ländlichkeit. Der Fluch des Wiedertäufers, der Untertitel des ersten Bandes um die Parapsychologin Kim Luna von Dietmar Krüger, bezieht sich auf ein besonders düsteres, wie auch aus heutiger Sicht spannendes Kapitel Münsteraner Geschichte. Ob die Täufer tatsächlich einen Fluch ausstießen, bevor sie zu Tode kamen, kann vermutet werden. Die eisernen Körbe in denen ihre Leichen an der Lamerti-Kirche zur Schau gestellt wurden, können heute noch besichtigt werden.

Kim Luna ist eine moderne Heldin. Natürlich sportlich, knackig würden Männer sagen, mit Modelmaßen ausgestattet, intelligent, forsch, sehr weiblich, natürlich hübsch, energisch, freundlich, auch ehrgeizig. Sie reiht sich ein in die Liste von Charakteren wie Buffy, Lara Croft, aber auch sicherlich Franka von Henk Kuijpers. Dietmar Krüger stellt die Ausgangssituation für den Fluch des Wiedertäufers ausführlich und eindringlich vor, bevor er Kim Luna übermütig in die Seiten explodieren lässt. Diese junge Frau wirkt von der ersten Seite an unaufhaltsam.

Ihre Nebencharaktere haben mit genau dieser Energie zu kämpfen. So manchem fällt es da schwer, Schritt zu halten oder wenigstens auf Sichtweite dran zu bleiben. Als der erste Mord entdeckt wird, hat sich bereits eine humorvolle Mystery-Geschichte entwickelt. In der Folge erwacht ein Geist zum Leben, mit einem Schwert bewaffnet und gewillt, dieses auch zu benutzen, bis ihn jemand aufhält. Das hat den Charme der Ghostbusters, aber kommt auch mit der humorigen Inszenierung der Münsteraner Tatorte daher (Gastauftritt inklusive.). Dietmar Krüger, das zeigt sich auf jeder Seite, mag seine Figuren und seine Stadt sehr.

Optisch wird großzügig gearbeitet. Da haben die Bilder mit einem poppigen wie auch exakten Stil viel Raum zur Wirkungsentfaltung. Realismus wird überzeichnet. Die Konstruktionen der Figuren sind konsequent ausgeführt und besitzen einen eigenständigen Stil, der gerade in den Gesichtern einen Wiedererkennungseffekt besitzt. Dietmar Krüger legt sichtlich Wert auf eine genaue Konstruktion jeder Seite. Intuition, der schnelle Strich findet sich hier nicht, sondern feine Struktur nebst Lenkung hin zur filmischen Aufnahme der Handlung.

Dietmar Krüger, der nicht nur ein Graphik-Design-Studium in Münster absolvierte (und demzufolge die Stadt entsprechend gut kennt), arbeitete auch im Bereich Storyboarding. Diese Technik, mit der Kameraeinstellung im Kopf, findet sich auf so gut wie jeder Seite wieder. Kräftige, auch knallige Farben greifen das auf, was Comic eigentlich schon immer ausmachte. Kim Luna ist ein krachendes Abenteuer für das Auge. Je mystischer die Szenen sind (bei Geisteraustritten bleibt das nicht aus), desto stimmungsvoller und intensiver wird die Kolorierung.

Ein schöner Auftakt, der umso mehr Beachtung findet, da er aus Deutschland kommt und neben einer hübschen Heldin eine traditionsreiche Stadt und seine Geschichte in den Mittelpunkt stellt. Hier darf man auf eine Fortsetzung gespannt sein. Das Münsterland hat ja noch einiges mehr zu bieten. 🙂

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