Dienstag, 21. September 2010
Und sie bewegt sich nicht. Vielmehr bewegen sie sich nicht, die Menschen. Sie stehen herum, in der Bewegung erstarrt. Die Minimenschen bemühen sich um Schadensbegrenzung. Sie sammeln die Erstarrten ein. Dadurch retten sie nicht wenige aus einer lebensbedrohlichen Situation. Aber damit ist des Rätsels Lösung noch nicht gefunden, denn was den Großen geschieht, kann auch den Minis passieren. Renaud und seine Freunde suchen den Grund und finden ihn weit, weit entfernt im Weltraum. Strahlen aus dem All sind für das Desaster verantwortlich. Mehr noch: Bei ihrer Rettungsmission stoßen sie auf zwei ungewöhnliche Freunde. Khena und Kosmi sorgen zunächst für Verwirrung, doch bald wird klar, was zu tun ist.
Pierre Seron gestaltete im vorliegenden ein Crossover, wie es heutzutage so gängig genannt wird. Zu Gast sind Khena und der Kosmi. Khena entdeckte den Kosmi, eine Art kleiner Weltraumaffe, und seinen Roboter Tobor vor langer Zeit (nimmt man den realen zeitlichen Verlauf). Ein Amulett wies Khena als Erbe einer uralten Kultur auf. Seither sind die beiden, Mensch und Kosmi, Freunde. Tobor ist hier auch der Schlüssel zum Rätsel, verfügt er doch über die Fähigkeit einen Erstarrungsstrahl zu produzieren, eine Technik, die nun von Planet zu Planet genutzt wird.
Minis treffen Minis. Minis treffen nicht zum ersten Mal Minis. Aber hier macht es besonders viel Spaß. Sicherlich machen die Freunde um den Minimenschen Renaud ihre Gegner erst zu Minis, doch wir wollen nicht kleinlich. Die Verblüffung dieser Feinde, optisch eine Kreuzung aus Gorilla und Teddybär, die Hektik und die Panik, besonders wenn der Roboter Tobor sich auch noch einmischt, münden in ein heilloses und sehr humorvolles Chaos.
Nachdem diese Science Fiction Komödie, die Seron zusammen mit dem Szenaristen Gos, schuf, den Leser zum Lachen gebracht hat, geht es mit Menschenraub heiter weiter, allerdings vor einem ernsteren Hintergrund, wie der Titel bereits verrät. Durchgehend beherrscht Seron den Funny-Strich, wie er so typisch für jene Zeit der 60er, 70er und 80er Jahre war. Die Zeichnungen waren sehr organisch. Der Pinsel und die Zeichenfeder machten nicht immer die saubersten Striche. Insgesamt ergab sich eine größere Nähe zum Bild, das einen nicht so weit auf Distanz hielt, wie es heutzutage manchmal wirkt. Die durchgehend liebevoll gestalteten Figuren in Menschenraub wirken so leicht entstanden, dass diese Kriminalkomödie mit ihren skurrilen Charakteren gleich von Beginn an richtig Spaß macht.
Die 6 Klone, das folgende albenlange Abenteuer, schrieb und zeichnete Seron nach der Zusammenarbeit mit Mittei bei Menschenraub wieder alleine. Hier findet Seron zurück zur Science Fiction Komödie. Renaud, die Hauptfigur der Minis, findet sich hier gleich in sechsfacher Ausführung wieder und ein alter Feind, besser gesagt Schurke, gibt sich die Ehre. Die Männchen sehen gleich viel putziger aus als noch im Album zuvor. Das Szenario ist phantastischer (chinesische Gauner in Schweizer Bergen) und greift in die Vollen. Sobald bei den Minis die Grenzen der Phantasie eingerissen werden, ist alles möglich. Seron ist am besten, wenn er völlig frei erzählt und sich auch noch den ausgefallensten Scherz erlaubt.
Einziger Makel dieser Sammlung von Minigeschichten: Die Parodie im Anhang, sicherlich im Rahmen einer Zusammenstellung von Mini-Geschichten dazu gehörend, verdient den Namen nicht. Sie ist weder lustig, noch parodierend, eher eine Beleidigung. Seltsam, dass Seron die Geschichte des Szenaristen Jean-Yves nicht verweigert hat.
Drei tolle Abenteuer der Minis, unter denen besonders die Science Fiction Komödien herausstechen. Die Einfälle in diesem Bereich sind hervorragend und bezeichnend für die gesamte Reihe. Sehr gut. 🙂
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Donnerstag, 16. September 2010
Es gab eine Zeit, als Fantasio noch nicht der rasende Reporter war. Rasend war er schon, im Sinne von überdreht und jederzeit bereit, sich mit einer neuen Arbeitsstelle um Kopf und Kragen zu bringen. Wieder einmal ist Fantasio auf der Suche nach Arbeit, für die er auch die richtigen Voraussetzungen mitbringt, als er auf eine Anzeige in der Zeitung stößt, in der Verkäufer für Fertighäuser gesucht werden. Nachdem er sich überzeugt hat, dass der Aufbau eines solchen Hauses wirklich einfach vonstatten geht, macht er sich, natürlich mit seinem Freund Spirou, auf den Weg an den Strand.
Franquin, deutlich beeinflusst von den Zeichentrickfilmen jener Zeit, 1946, bringt hier eine Slapstick-Komödie auf das Papier. Wer den überzogenen Charme von Komödien mit einem Louis DeFunes oder einem Jerry Lewis mag, fühlt sich hier auch gleich wohl. In ihrer Gestaltung erinnern die Figuren allgemein an jene Spielfiguren, deren Gliedmaßen ein Draht innewohnt, so dass sie nach Belieben in alle möglichen Positionen verdreht werden können. Schlaksig ist das richtige Wort, das Anwendung auf Spirou + Fantasio finden kann. Von karikaturhaftem Charme sind alle anderen Charaktere, von denen die meisten eher Statisten sind.
Radar, der Roboter: Nachdem die erste Geschichte im vorliegenden Spezial-Album, stellenweise ohne Text auskommen konnte, nicht nur Slapstick war, sondern auch eine Komik adaptierte, derer sich Chaplin, Keaton und andere bedienten, kommt nun eine Figur ins Spiel, der jede Mimik abgeht. Professor Samovar, Herr und Meister dieses Roboters und eine Art Vorläufer von Zyklotrop, plant nicht anderes als das Ende der Welt. Es finden sich eine Reihe von Ideen, die später bei Spirou und Fantasio noch Spaß machten, die aber auch in anderen Serien für humorige Verwirrung sorgten. Das Auto, das wie von Geisterhand ohne Fahrer unterwegs zu sein scheint, ist nur eine dieser Ideen.
Mehr noch: Die zweite Geschichte um den Roboter, erschienen von 1947 bis 1948, karikiert auch den Roswell-Zwischenfall, der sich nur wenige Monate vor dem Erscheinen der Handlung zutrug und für einigen Wirbel in der damaligen Presse sorgte. Ein Ballon mit einer gefährlichen Fracht geht auf einem einsamen Feld nieder. Sofort rücken Militär und Feuerwehr aus. Anstelle von Außerirdischen steht Radar, der Roboter, bereit, den beiden Freunden Schwierigkeiten zu machen. Und in der Tat erinnert die martialische Vorgehensweise von Spirou gegen den Automaten an die Verteidigung gegen außerirdische Invasoren.
Zum guten Schluss finden sich in der vorliegenden Ausgabe, die eine letzte Lücke in den bisher auf Deutsch erschienenen Werken Franquins schließt, vier Einseiter aus dem Herbst 1947, in denen Franquin zeigt, dass ein Meister kurzer Episoden war. Bei genauer Betrachtung findet sich die dort vorherherrschende Struktur auch in seinen längeren Geschichten wieder. Kaum eine Seite, die nicht einen bestimmten Abschluss oder auch einen Cliffhanger hat.
Für den Fan von Spirou und Fantasio führt an dieser Ausgabe kein Weg vorbei. Die frühen Werke von Franquin sind von seinem späteren Strich noch relativ weit entfernt und für den heutigen Blick sicherlich antiquiert. Für Comic-Interessierte ist es mehr als einen Blick wert, da sich in dieser Ausgabe mit einem gut aufbereiteten Anhang auch einiges über die Entwicklung des Comics ablesen lässt. Insgesamt sehr gut. 🙂
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Freitag, 13. August 2010
Jeff Jordan wähnte sich auf der sicheren Seite, als er die Reise nach Gomen antrat, einem kleinen Emirat am Persischen Golf. Er hatte nicht mit derartigen Problemen gerechnet. Denn kurz nach seiner Ankunft wird er auf unsanfte Weise entführt und eingesperrt. Doch Jordan hat nicht nur den nötigen Schneid, er hat auch einen Unimog, mit dem er sich durch ein verschlossenes Tor selber Auslass verschafft. Leider ist er völlig auf sich allein gestellt, in einem fernen und unbekannten Land. Augenblick! Auf sich allein gestellt? Nicht so ganz, da zwei viel bekanntere Freunde Jordans bereits zur Rettung nahen.
Maurice Tillieux dürfte einer der wenigen Comic-Zeichner weltweit sein, die wegen ihrer Arbeit ins Innenministerium einbestellt wurden. Nun, spezifizieren wir es noch auch die westliche Welt. Dennoch ist dieser Vorfall sicherlich ein Kuriosum in der Karriere von Tillieux, der diesen Besuch sogar zusammen mit seinem Kollegen Morris (Lucky Luke) absolvierte. In der vorliegenden Gesamtausgabe, die im Vorfeld viele interessante Details aus dem Wirken von Maurice Tillieux vorstellt, vereinen sich außerdem die vier Alben Geheimauftrag für Jeff Jordan, Anschlag im Reisfeld, Heiße Jagd nach kalten Pelzen und Eine explosive Erfindung.
Das französische Kino hat nicht wenige Klassiker geschaffen. Ein Film davon ist Lohn der Angst mit Yves Montand, eine Geschichte über einen schier unmöglichen Transport von Nitroglyzerin. Nicht selten haben sich Comic-Autoren filmischer Vorlagen bedient. Maurice Tillieux griff die Grundidee, einen Lastwagen über eine gefährliche Gebirgsstraße zu schicken, in Anschlag im Reisfeld wieder auf.
Es sieht funny aus, ist aber auf jeder Seite spannungsgeladen. Zwar gibt es die Trottel, die immer wieder versuchen, die allseits beliebten Helden Jeff Jordan, Teddy und Inspektor Stiesel aufzuhalten (auch mit dem nötigen Ernst) und trotzdem scheitern. Die Schwierigkeiten, die sie dem Trio bescheren, sind allerdings immens. Nicht weniger spannend, dafür weitaus lustiger (oder besser: gewohnt lustig) sind die anderen Geschichten in diesem Band. Als Comic-Fan meint man sogar eine kleine Hommage zu entdecken. Die Abenteuer um eine gigantische Forschungsanlage wie auch um geheimnisvolle Explosionen in einem Garten könnten auch einem Roger Leloup (Yoko Tsuno) eingefallen sein.
Während ein Geheimauftrag für Jeff Jordan den arabischen Diktator tölpelhaft aussehen lässt, sind es die französischen Gangster nicht minder, dafür lassen sie sich bei ihrem Mordgeschäft aber viel ausgeklügeltere Methoden einfallen. Nun ist ein Teddy, der Kamerad von Jeff Jordan manchmal nicht weniger tölpelhaft (das liegt auch in seiner Funktion begründet, wenn ihm Stiesel diesen Part nicht abnimmt), dafür ist er jedoch ausaußerdentlich sympathisch. Hier darf er mit einer Idee brillieren, die ihresgleichen sucht. Maurice Tillieux nimmt in seiner Geschichte Der heiße Wind so ganz nebenbei Fahrzeugtuner auf die Schippe.
Teddy ersteht einen Oldtimer und lässt diesen mit einer Unmenge von PS ausstatten, die selbst den stärksten Asphaltboliden alt aussehen lassen. Der Gipfel ist jedoch sein Tandem-Auto, wenn man es so nennen mag, eine herrliche Konstruktion. Die Idee zur Handlung mit einem Auto holte Tillieux vermutlich aus Jupp Heister und Herr Jemine. In dieser Humorreihe trat Tillieux als Texter in Erscheinung, ließ es sich aber nicht nehmen, beinahe jede Seite auch vorzuzeichnen. Alte Comic-Hasen werden die Spaßattacken um einen alten Ford T auch unter dem Namen Marcus und Herr Müller kennen.
Geschichten auf Albenlänge, Kurzgeschichten, sogar illustrierte Erzählungen, die Bandbreite von Maurice Tillieux war groß. Dieser dritte Sammelband der Reihe Jeff Jordan zeugt von seinem erzählerischen Talent, in das er sich nicht hineinreden lassen wollte und immer wieder unter Beweis stellte, dass er damit richtig lag. Ein vorbildlicher Klassiker! 🙂
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Samstag, 24. Juli 2010
Die weiße Tigerin lebt! Alix Yin Fu ist eine wenigen Überlebenden eines Massakers. Doch noch immer gibt es viele aus den Reihen der unterschiedlichen Parteien des Krieges hinter den Kulissen, die Alix töten wollen. Vorab ist Alix eine Zeit des Friedens und des Abschlusses gegönnt. Zurück aus den fernen Ländern der Imperialisten bettet Alix ihre ehemalige Meisterin Zizhu zusammen mit ihren Freunden auf dem Friedhof von Kowloon zur ewigen Ruhe.
Während sie noch ihre nächsten Schritte überlegen, zieht sich die Schlinge bereits enger um sie zu. Chinesen, Briten und Amerikaner, sie alle verfolgen ihre eigenen Interessen und ganz gleich, welches Ziel sie haben, immer stehen Alix und ihre Freunde dabei im Weg. Ganz besonders Alix.
Der muntere Cartoon-Stil der Reihe täuscht. In Die weiße Tigerin geht es oftmals nicht nur knallhart zur Sache, auch ernste Themen werden nicht ausgespart. Eigentlich ist das Agentengeschäft bereits eine ernste Angelegenheit. Aber die Welt rüstet zum Dritten Weltkrieg. Vor der Kulisse eines zerstörten Hiroshima (6.8.1945, erster Atombombenabwurf der USA über einer japanischen Stadt) unterhalten sich zwei amerikanische Agenten über das Ausmaß der Vernichtung.
Wenn wir weiter Atombomben abwerfen, sind wir bald die Herren einer Welt aus Ruinen.
Didier Conrad bleibt seinem lockeren Strich treu. Fans der Reihe dürfen sich neben Alix auch auf ein Wiedersehen mit dem Dreifarbigen Drachen Rousseau freuen, einem französischen Agenten, der immer noch ein Faible für den Kommunismus hat. Conrad hat hier eindeutig weniger Kulisse zu zeichnen als sonst. Die Szenen konzentrieren sich verstärkt auf die handelnden Personen und spielen in Zimmern oder Zellen. In vereinzelten Szenen zeigt Conrad sein atmosphärisches Können, wenn der Leser einen japanischen Garten, das zerstörte Hiroshima oder ein nächtliches Shanghai zu sehen bekommt.
Wilbur, der die Geschichte gemeinsam mit Conrad verfasst hat, macht den Umschwung in der Richtung, in der die Weiße Tigerin bisher lief, mit dieser Ausgabe noch deutlicher. (Wilbur stieg erst mit Band 4 in die Serie ein. Zuvor schrieb Yann am Manuskript von 1 und 2. Den dritten Band bewältigte Conrad allein.) Viele ernsthafte Szenen, manchmal mit einer gewissen Brutalität, stellen sich neben einen schwarzen Humor. Letzterer zeigt sich besonders, als ein Amerikaner nach dem Verbleib der Leiche eines Japaners sucht. Durch die Typisierung der einzelnen Figuren entsteht eine Mixtur aus Vernunft und Irrsinn. Alix und ihre Freunde tun ihr Übriges, damit die Waage nicht unkontrolliert zum Wahnsinn absinken kann.
Alix zwischen den Fronten. Jede Seite versucht sie inzwischen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Nachdem ein wichtiges Kapitel im Leben von Alix beendet wurde, leitet diese Episode den nächsten Abschnitt ein. Durchweg spannend und mit guten Einfällen inszeniert, nur nicht mehr ganz so humorvoll wie zu Beginn der Reihe. 🙂
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Oder bei Schreiber und Leser.
Freitag, 16. Juli 2010
Cubitus, ein Gallier? Nun, die Schlüsselszenen der Historie sind Geschichten voller Missverständnisse. Warum schob Napoleon eigentlich immer eine Hand unter seine Weste? Und wie war das mit dem berühmten Schuss, den Wilhelm Tell auf den Apfel abgab? Cubitus und sein Herrchen Herr Bojenberg sind bekanntlich noch nie um Antworten verlegen gewesen. So ist ihre Interpretation besonderer Momente in der Geschichte der Menschheit (und der Hunde natürlich auch) eine ganz eigene, eine sehr humorvolle und natürlich immer mit einem Augenzwinkern versehen.
Nicht alles so ernst nehmen! Es wurde erfunden, belagert, gekämpft, gefahren, gefeiert, musiziert und marschiert, revolutioniert, gesungen, erobert und entdeckt. Und Cubitus war immer dabei. Oder anders: Was wäre gewesen, hätte Cubitus tatsächlich ein Wörtchen dabei mitzusprechen gehabt?
Dupa (oder mit bürgerlichem Namen Luc Dupanloup), Autor und Zeichner in Personalunion, hat sich vieler Szenen oder Begebenheiten aus der Geschichte der Menschheit und auch der Literatur angenommen. So erfahren wir auf fröhliche Weise, dass noch lange nicht jede Erfindung Leonardo da Vincis gleich auf Anhieb funktioniert hat (eigentlich keine so richtig, wie die vorliegende Lektüre zeigt). Auch den Weg zu finden, war gar nicht so einfach. Was wäre gewesen, hätte Christoph Kolumbus nach dem Weg fragen müssen?
In Einseitern widmet sich Dupa im Verlauf sehr stark der französischen Geschichte. Nachdem die Steinzeit überwunden ist, das Altertum hinter der Menschheit liegt, besticht Cubitus durch feine Auftritte in verschiedensten Rollen. Ob als Mönch, Minnesänger oder Musketier und vielen anderen Rollen, in zumeist acht, vier oder drei Bildern werden die Mächtigen zur Lachnummer, die Helden zu komischen Gestalten und die kleinen Leute zu einem wichtigen Rad im historischen Getriebe.
Bereits in diesem zweiten Band hat Dupa seine Cartoon-Kunst perfektioniert. Gesichtsausdrücke und Haltungen, häufig dem Leser zugewandt, wie auf einer Bühne positioniert. Die direkte Ansprache des Lesers mittels einer verdutzten Mimik funktioniert immer. Der fragende Blick, die leichte Erschütterung, das Erstaunen in den nun kreisrunden weißen Augen. Ein Staunen, das auch der Leser manchmal empfindet, wenn Dupa eine große Idee hat. Wenn etwas unter den Teppich gekehrt wird (im weitesten Sinne) oder der erste Weltraumzusammenstoß geschieht.
In herrlichen Blödeleien und Bildern, die denen seiner Cartoon-Kollegen in nichts nachstehen, darf mit und über Cubitus gelacht werden. Es kann nicht bewiesen werden, ob Michelangelo tatsächlich lieber Comics gezeichnet hätte, statt die Sixtinische Kapelle auszuschmücken, Dupa jedenfalls beweist hier einmal mehr seine hervorragende Qualität als Cartoonist. 🙂
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Samstag, 12. Juni 2010
Ein Schmierfink terrorisiert London: Der Schänder. Kein Portrait der Königin ist vor ihm sicher. Zielgenau hat er jedes Gesicht ihrer Majestät mit einem Bart versehen. Scotland Yard ist bis auf die Knochen blamiert, wenn es nicht sehr bald den Übeltäter aufspüren kann. Seltsamerweise hat ausgerechnet Sherlock Holmes noch nichts von diesem Jack The Bearder gehört, wie der Unhold von der Presse liebevoll genannt wird. Als Holmes und sein Kollege Dr. Watson von Inspektor Lestrade zu einem Treffen mit einem Informanten geführt werden, eskaliert die Situation plötzlich vollkommen unerwartet. Wenn auch nicht unbedingt zum Schaden aller. Immerhin geht ein Wunsch von Dr. Watson in Erfüllung.
Dieser Anschlag, mit dem niemand vorher rechnen konnte (an dem der Leser aber einen ziemlichen Spaß haben darf), ist der Auftakt zu einem Fall, der Sherlock Holmes alles abverlangt. Autor Pierre Veys präsentiert dem Leser einen Detektiven, Verzeihung, einen Meisterdetektiven in der Krise. Ein wenig kindisches Verhalten (ein Siegertyp, der nicht verlieren kann und einen Sieg stets bestätigt und bewundert sehen möchte) und der Drang, Recherchen bis zum Exzess zu treiben fördern noch lange nicht die nötige Intuition zur Lösung eines Kriminalfalles. Diese Erfahrung muss Sherlock bitterlich weinend machen. Wenn die ihn Umstehenden fragend anblicken und die Lösung aus seinem Mund binnen Augenblicken erwarten, ihm aber die Antwort nicht gelingt, muss auch der Leser schmunzelnd schlucken.
Der Club der tödlichen Sportarten kann nur in einem Land entstehen, das stets Entdecker und Abenteurer hervorbrachte. Der Club der tödlichen Sportarten ist nichts für weichgespülte Jackass-Fans. Ein Fehler kann hier das Leben kosten. All die Albernheiten und die nicht weniger interessanten Todesarten werden von Pierre Veys genüsslich und für den Leser höchst vergnüglich verarbeitet. Ein besonderer Leidtragender in dieser Angelegenheit ist wieder einmal Inspektor Lestrade, der mit einer hochtrabenden Vorwitzigkeit zu Werke geht, die dem Original gar nicht so fern ist.
Eine Lupe?! Was soll ich denn damit machen? Halten Sie mich für einen Clown?
Dank Nicolas Barral, dem Zeichner, funktioniert ein guter Teil des hier ausgesäten Humors optisch, ohne Worte. Wenn ein Sherlock Holmes bei seinen Ermittlungen wie ein Irrer am Tatort herumkraxelt, entlockt das bei aller Akrobatik bereits ein Schmunzeln. Gelungener sind noch die Holmeschen Gesichtausdrücke. Hier findet sich von Verzweiflung, Traurigkeit, Hochmut oder Arroganz bis hin zu überschwänglicher Freude und Entschlossenheit alles. Andere Charaktere, auch Watson, werden etwas zurückhaltender gezeichnet.
Nicolas Barral zeichnet mit ähnliche leichtem Strich wie ein Morris und beherrscht auch die Karikatur ausgezeichnet. In einigen Charakteren meint man Anleihen von bekannten Gesichtern auszumachen. Auch Nicolas Barral zeichnet jene zerbrechlich wirkenden Figuren wie einst Morris. Ausdrucksstarke Köpfe, dünne Gliedmaßen, schmale Füße, mitunter voluminöse Oberkörper. Das ist nicht mit den Werken des Altmeisters identisch, aber stilistisch in der selben Tradition.
Eine treffliche Krimiparodie, der sich auch Leser in Unkenntnis eines Sherlock Holmes nicht verschließen können. Allein, wer erleben möchte, wie allgemein bekannte englische Lebensart liebenswert spöttelnd beschrieben wird und Kriminalfälle von einem selbsternannten Genie gelöst werden, sollte einen Blick riskieren. 🙂
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Dienstag, 08. Juni 2010
In einer Zeit als in Belgien das Essen noch in Zeitung eingewickelt verkauft wurde, war Belgien ein besetztes, aber kein mutloses Land. Widerstand erfolgte bewaffnet, aber auch in kleinen Dingen. So wird einigen deutschen Soldaten einfach der Erwerb von einigen Portionen Schnecken verweigert. Aus gutem Grund. Spirou entgeht durch diesen Akt der Hilfe noch einmal der Entdeckung. Der Krieg geht unterdessen mit aller Härte weiter. Ständig überqueren deutsche Bomberstaffeln das Land. Entsprechende Antworten der Alliierten folgen. Unten am Boden versuchen sich die Belgier so es eben geht mit der Lage zu arrangieren. Einige tapfer, andere auf dem leichten Weg der Kollaboration.
Spirou und Fantasio, natürlich auch Pips, kämpfen mit Leib und Leben für die Sache der Freiheit. Eine Geheimwaffe könnte ein Wende im Krieg herbeiführen, würde sie nur auf der richtigen Seite eingesetzt. Operation Fledermaus wird zur schwierigsten Aufgabe, derer sich die beiden Freunde jemals gegenüber sahen.
Blick zurück: 1942 ist ganz Belgien von der deutschen Wehrmacht besetzt. Ein kleiner Page und ein Journalist (und Erfinder) versuchen auf ihre Art Widerstand zu leisten. Humor ist Trumpf in diesem Kriegsszenario, aber selbst Spirou + Fantasio kommen hier nicht ohne jegliches Blutvergießen aus. Unter dem Strich jedoch dürfte dieses Abenteuer zu den besten Sonderausgaben gehören. Auf satten 62 Seiten, die dieses Abenteuer umfasst, gibt es unglaublich viel mitzufiebern, gibt es eine sehr dichte Geschichte und sehr viel zu entdecken.
Yann Lepennetier in Hochform: In einem ausführlichen Anhang wird geschildert, dass die vorliegende Episode ursprünglich eine Unvollendete war, begonnen mit dem verstorbenen Zeichner Yves Chaland, landete sie nach dessen Tod 1990 erst einmal für lange Zeit in der Schublade. Yann scheint die nachträgliche Bearbeitungsmöglichkeit dieser Geschichte ein zusätzlicher Ansporn gewesen zu sein. Denn es gibt nicht nur viel für Comic-Fans zu entdecken, sondern eine große Anzahl von Details mag Anreiz sein, sich mit der wirklichen Geschichte zu beschäftigen, deren Grausamkeit hier wenigstens gestreift und nicht unter den Teppich gekehrt wird.
Schließlich lautet der Kern der Geschichte: Widerstand. Spirou arbeitet im Hauptquartier der Gestapo, während Fantasio in den Diensten einer Zeitung steht, der Kollaboration nachgesagt wird. So sind beide etwas zweifelhaft angesehen, obwohl sie nach Kräften bemüht sind, Informationen zu sammeln und an die Alliierten weiterzugeben. Sicherlich herrscht hier eine starke Schwarzweiß-Malerei. Die Deutschen sind durchweg schlecht oder verkommen oder schlimmer. Bei den Belgiern finden sich Grautöne, so bei den Widerständlern, den normalen Bürgern, den Kollaboratören und den Opfern.
Einiges wird der Geschichte entlehnt, so Spirous Gegenspieler der Gestapo, aber auch ein jüdisches Mädchen, das Spirou kurz versteckt und später, nach dem Rückzug der Deutschen verschwunden ist. Spirou muss erfahren, dass sie deportiert wurde. Neben tragischen Begebenheiten, auch fantastischer Action, humoristischen Einfällen finden sich auch Anspielungen und Gedenkbilder an die Großen des Humors und des Comics. Franquin erhält ein Denkmal. De Funes, Gabin und Bourvil haben einen Gastauftritt. Fast schon in Suchbildern entdeckt man Figuren von Willy Vandersteen. Wastl, im Original Jerom, ist hierzulande ziemlich in Vergessenheit geraten.
Olivier Schwartz liefert einen Comic-Band ab, dessen Zeichnungen wie Retro aussehen, aber besser sind. Im Gegensatz zu manch anderen Retro-Zeichnungen, die manchmal zu einfach oder zu bemüht aussehen, wirken die Bilder von Schwartz stilistisch sehr sicher und handwerklich routiniert. Seine Bilder hätten ebenso gut die Vorlage dieses ganz besonderen Stils sein können, wären sie nicht Jahrzehnte später entstanden. Ein Merkmal dieser schönen Arbeit ist auch die Detailfreude. Immer wieder gibt es etwas zu entdecken, so z.B. ein Zyklotrop, der im Tross der Nazi-Wissenschaftler mit seiner Erfindung eines Zyklomobils nicht zum Zuge kommt, während eine Mondrakete von Tim und Struppi den Geschmack der skrupellosen Erfinder schon eher zu treffen scheint.
Beste Cartoon-Comic-Erzählkunst: Yann hat bereits oft bewiesen, dass er zu den Besten gehört. Im Zusammenspiel mit Olivier Schwartz kann er dies untermauern. Dank der hervorragenden Umsetzung durch Schwartz wird der vorliegende Band zu einem echten Erlebnis der gesamten Reihe. Ungewöhnlich, aber auch sehr gut. 🙂
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Dienstag, 18. Mai 2010
In einer anderen Welt, in der noch Affenmenschen ihr zu Hause sind, wirkt zunächst alles friedlich. Die Eindringlinge unter Renauds Führung gehen vorsichtig zu Werke … Ach, Unsinn! Dank Cedille, der einzigen Frau, des Teams, sind die Schwierigkeiten vorprogrammiert. Welcher Forscher würde auf die Idee kommen und ein Abendkleid mit in den Dschungel nehmen? Doch es bleiben nicht einzigen Schwierigkeiten. Ein alter Bekannter ist wieder da. Der Herzog hat nicht vergessen, welche Schmach ihm durch die Minis zuteil wurde. Dank der Affenmenschen hat er nun sogar eine Armee. Eine, die nicht leicht zu kontrollieren ist, aber immerhin eine Armee.
Unendliche Weiten. Die Welt ist nicht mehr groß genug für die Minimenschen. So geht es hinaus, in den Kampf mit Affenmenschen. Ins All und in ein Querformat. Und schließlich zurück zur Erde, die so ganz anders ausschaut, als es die Minis gewöhnt sind. Doch zuerst die normale Erde: Renaud und seine Freunde verschlägt es zu einem Ort, in dem bereits ein Abenteuer in bester Comic-Science-Fiction-Tradition stattgefunden hat. Bereits damals bereiteten die dort lebenden Affenmenschen gehörige Schwierigkeiten. Die Minimenschen wären nicht die Minimenschen würde es nicht immer noch eine Möglichkeit geben, ein vorheriges Abenteuer zu toppen. Eslapion, die Zuflucht der Minis wird angegriffen.
In diesem Abenteuer, Von Minimenschen und Menschenaffen, etablieren sich zwei Charaktere, Cedille und Sonntag. Erstere ist eine ähnliche Nervensäge wie die unter Comic-Fans allseits bekannte Steffani aus Spirou + Fantasio. Sonntag hingegen ist schwarz (weshalb die Namensgebung etwas anders hätte ausfallen können), was ihm aber in Der Planet Ranxerox sehr schnell zum Vorteil gegenüber den Weißen gereicht. Denn er muss nicht unter den Bräuner, eine Vorsichtsmaßnahme, notwendig, um die Auswirkungen des nächsten Planetenbesuchs in gewohnter Färbung zu überstehen. Na, fast wenigstens.
So ungewöhnlich dieses zweite albenlange Abenteuer auch ist, so einfallsreich die Ideen sind, sie sind vergleichsweise normal gegen Das weiße Loch. In dieser nachfolgenden Geschichte färbt sich die Welt nicht nur komplett weiß (mit hellblauen Schattierungen), ein unbekannter Feind greift auch die verbliebenen Menschen (ebenfalls käseweiß) an und pflastert die Landschaft mit Lego-Steinen zu.
Pierre Seron löst sich von jeglichen erzählerischen Fesseln. Science Fiction Fantasy ist Trumpf. Hatte Seron eine zeitlang seiner Faszination am Fliegen freien Lauf gelassen und diese Begeisterung häufig eingeflochten (Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Szenarien waren stets sehr gut, eigenständgi und innovativ.), wird es nun derart phantastisch, dass ein Vergleich zu anderen Großen im SciFi-Comedy-Bereich angebracht ist. Es ist nicht ganz der Humor eines Douglas Adams, aber sicherlich in seiner Mischung aus julesvernschem Klamauk nicht weit davon entfernt.
Grafisch bleibt sich Seron treu. Seine Figuren, den bewundernswerten Strich hat er vollkommen perfektioniert, so dass auch neue Charaktere einem sehr schnell wie alte Bekannte erscheinen. Bei der Gestaltung der Affenmenschen, der Börks, ist stets ein Augenzwinkern mit dabei. Da die Börks auf dem Kriegspfad sind, darf eine entsprechende Aufmachung nicht fehlen. Den Spaß muss jeder selbst gesehen haben. Die Gestaltung der Raumschiffe und anderer phantastischer Elemente erinnert ein wenig an Yoko Tsuno. Die erwähnte weiße Welt ist ein genialer Husarenstreich und sicherlich einer der Höhepunkte der Reihe.
Toll: Pierre Seron beweist hier ein besonderes Händchen für besonders einfallsreiche phantastische Komödien. Schöne Gags, Spaß und Spannung, beste Cartoon-Technik. So soll das sein. 🙂
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Sonntag, 09. Mai 2010
Da stinkt doch was! Der kleine Yesod, von Beruf Engel, der die Stufen zum Keller der Kirche hinabsteigt, ahnt schon etwas. Was dort unten, knallrot und mit einem langen Schwanz ausgestattet, gleich in einer ganzen Horde sein Unwesen treibt, sind Dämonen. Leider will ihm diese Entdeckung niemand glauben. Auch Engel haben es nicht leicht. Ganz und gar nicht. Wenn man, wie diese beiden Engel hier, sein Dasein auf einem Außenposten fristet, ist es hin und wieder sogar langweilig. Und da die Beobachtung hier nicht so gut funktioniert (denn die Menge der Engel wird andernorts benötigt), finden sich alsbald dunkle Mächte und Verführer, die den Pfarrer auf ihre Seite ziehen wollen. Ob das gut geht?
Was haben Engel nicht schon alles mitgemacht? Sie wurden aus dem Himmel verstoßen, wollten in den Himmel zurück. Sie wollten gar Gott persönlich an den Kragen. Sie fühlten sich ungeliebt, verliebten sich in Menschen, verteidigten sie vor dem Ende der Welt. Sie zogen in den Krieg gegen Dämonen … Genau wie hier! Genau wie hier? Nein, nicht ganz. Während der Leser aus diversen Fantasy-Szenarien wie Romanen oder Filmen, auch Comics große, martialisch aussehende Krieger mit Flügeln gewohnt ist, sehen die Engel von Didier Teste, Künstlername Dieter, und Olivier G. Boiscommun eher wie Putten aus, zumindest jene, die ein wenig mehr Fleisch auf den Rippen haben.
Nicht nur das: Diese Engel sind auch viel, viel kleiner. Die ersten beiden, denen der Leser begegnet, Yesod und Jeliel, tun Dienst (genau das) in einer Kirche, fernab vom Trubel. Es passiert nicht allzu viel in dieser Idylle, in der es im Gottesdienst sogar Besucher gibt. Bis … die Dämonen wieder da sind.
Dieter entwirft mit diesen putzigen Wesen, die Dämonen eingeschlossen, von der Größe eines Unterarms, eine ungewohnte Heerschar, die dem Engel-Genre, wenn man es so nennen will (warum nicht, Vampire haben inzwischen auch ihr eigenes Genre), frischen Wind einhaucht. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck einer Komödie, schließlich aber schlägt die gesamte Handlung der insgesamt hier vorliegenden drei Episoden in ein handfestes Fantasy-Abenteuer um. Das Augenzwinkern bei der Schilderung der beiden Engel, die durch weibliche Verstärkung erst zu dritt, später zu viert sind, findet sich aber durchweg, weshalb die Handlung allseits nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern auch ein Spaß ist.
Aus den anfänglich von Olivier G. Boiscommun nackert gezeichneten Figuren werden nach ihrer Strafversetzung ins belagerte Notre-Dame gewappnete Engel. An Orten mangelt es nicht. Kirchen, ein Mädcheninternat, endlich sogar die Hölle sind die Austragungsorte der Kämpfe von Gut gegen Böse, von denen sich schließlich zeigt, dass sie gar nicht so weit auseinander liegen. Boiscommun beherrscht sein Szenario mit einem ausgesprochenen Sinn für Putzigkeit und findet seinen ganz eigenen Weg dies darzustellen.
Im Vergleich aller drei Episoden wird in der ersten Episode, die passenderweise Psalm 1 heißt, noch viel ausprobiert. Die Bilderzahl pro Seite ist höher, sie sind entsprechend kleiner als in der dritten Episode. Die Farbgebung ist rauer, der Farbauftrag etwas willkürlicher, die Farben fließen besser, es gibt Sprenkel. Im weiteren Verlauf professionalisiert Boiscommun dies. Alles wird milchiger, der Farbauftrag wird deckender, weniger durchscheinend. Die Technik wird sicherer, die Farben kräftiger, leuchtender. Im Gegensatz zu ersten beiden Episoden könnte in Psalm 3 der Computer die Wahl für die Kolorierung gewesen sein.
Dämliche Dämonen: Nach einem Ausflug in das stets beliebte Besessenheitszenario landen unsere Helden schließlich in der Hölle. Dämonen sind hier die Bewohner. Allerdings solche, die auch der Pixar-Schmiede entschlüpft sein könnten. Durch die Konzeption entstehen Bilder, die vollkommen ohne Worte wirken und einfach zum Lachen anregen. Wer hier durch die Seiten blättert und nicht grinsen muss, ist selber Schuld.
Eine ungewöhnliche, hier in einer Ausgabe zusammengefasste, Trilogie: Ein heiteres Abenteuer bis hin zum totalen Spaß. Sehr liebevoll gezeichnet, völlig unangestrengt erzählt. Die Engel steigern sich außerdem von Abenteuer zu Abenteuer. Das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, phantastisch (gut). 🙂
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Montag, 26. April 2010
Ein kleines Männlein kommt aus der Hölle (nein, nicht Isnogud) und muss voller Verwunderung feststellen, dass der Großwesir immer noch Unterwürfigkeit heuchelt. Zwar strengt sich Isnogud immer noch hartnäckig an, sein Ziel zu erreichen (Kalif werden anstelle des Kalifen), aber irgendwie mangelt es an der dazu nötigen Portion Glück. Glück sollte der Großwesir denn auch wenigstens an seinem Geburtstag haben: Aber auch hier Fehlanzeige. Er stürmt wieder munter voran, lässt seinem Ungestüm freien Lauf, seinem Jähzorn sowieso und so kommt es, dass die wirklich perfekte Gelegenheit wieder an ihm vorbeizieht.
Der Teufel soll ihn holen! So ungefähr könnten es all jene gedacht haben, die Isnogud, der Großwesir, in den ganzen Jahren bei der Jagd auf die Position des Kalifen immer wieder gepiesackt hat. Aber: Der Teufel will Isnogud noch nicht holen, denn Isnoguds Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Noch einmal aber: Der Teufel ist nicht amüsiert, denn die Aufgabe sollte längst zur Zufriedenheit aller, vor allem der des Teufels, erledigt sein. Also wird Isnogud einbestellt.
Interessanterweise erhält der Leser hier einen Einblick in einen kleinen Abschnitt Comic-Geschichte. Jean Tabary verwendete ursprünglich Adolf Hitler für einen kleinen Höllenauftritt. Für die deutsche Ausgabe setzte sich Tabary noch einmal an den Zeichentisch und setzte an die Stelle des Diktators Rodrigo Borgia ein, der für seine Praktiken einen berüchtigten Platz in der Historie einnimmt. In der vorliegenden Ausgabe können nun beide Seitenversionen, jeweils gegenüberliegend miteinander verglichen werden.
Sieht man von dieser Unregelmäßigkeit ab, hat Tabary in der ersten Geschichte über den Großwesir namens Isnoguds Komplize ein Verwirrspiel in bester französischer Komödientradition geschaffen. Beliebtes Mittel für den Spaß ist die Verwechslung ebenso wie der Running Gag (obwohl die ganze Reihe ein solcher ist, schließlich wird das glorreiche Ziel des Großwesirs nie erreicht). Die Fee Ole, ein begnadeter Fassadenmaler und Bildhauer sowie ein blinzelnder Arzt tragen zum verschachtelten und stets schneller vorangetriebenen Handlungsverlauf bei.
Wie kann es anders sein: Isnogud ist natürlich wieder nicht Kalif geworden. Trotz teuflischer Hilfe. An Isnoguds Geburtstag soll eine Zauberschachtel Abhilfe schaffen. Isnoguds ungestümer Charakter stellt dem ehrgeizigen Großwesir ein Bein, so dass nach einer neuen Lösung gesucht werden muss. Geduld lautet das Zauberwort. Diese besitzt Isnogud zwar, zieht man seinen endlosen Ehrgeiz und die unzähligen Anläufe auf die Kalifenstelle in Betracht. Darüber hinaus fehlt es aber weitgehend daran. Eine Zauberschachtel entpuppt sich so als Endlosvariante einer russischen Matroschka, nur mit Geschenken. Daraus wird ein einziges Chaos.
Überhaupt nicht chaotisch sind Tabarys Bilder, meist vierreihig pro Seite angelegt. Hier geht es Schlag auf Schlag. Neben Gags, die Reihe auf Reihe folgen, manchmal Bild für Bild, werden ganz nebenbei noch längerfristige Pointen vorbereitet. In schmissigen Strichen, ungeheuer versiert nach derart vielen Abenteuern und Einseitern entsteht in den hier vorliegenden drei Alben. Die Nervenkrisen von Isnogud, die Sammlung der Einseiter mit den Texten von Buhler. schwächelt hier und da gegenüber den beiden Vorgängergeschichten, ein paar Glanzlichter sind aber auch hier zu finden.
Ein Spaß, ein Dauerbrenner, der nicht umsonst derart lange im Comic-Universum überleben konnte. Die Mixtur stimmt weiterhin, da Goscinnys Texternachfolger Jean Tabary die Ideen über die Jahre nicht ausgegangen sind und er das Konzept konsequent fortführte. War gut, bleibt gut. 🙂
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