Samstag, 14. März 2015
Peter hat zu Ehren des Pan einen neuen Nachnamen angenommen. Peter hat nicht helfen können und macht sich die größten Vorwürfe. An anderer Stelle will er Versprechen einlösen. Von der fernen Insel zurück im gruseligen London trifft er die Kinder wieder, die sich voller Hoffnung seine Abenteuer anhören und denen er ein ungeheures, einmaliges Angebot macht. Käpt’n Hook und seine Piraten haben weitaus weniger Gewissensbisse. Eigentlich gar keine. Der Kapitän sieht seinen Schatz als verloren an und verlangt Rache. Natürlich sollen ihm seine Mannen auf seinem Feldzug folgen, der nur ein Ziel hat: Peter Pan. Der Junge hat die Balance des Lebens auf und um die Insel herum zerstört. Schmach und Schande brachte er persönlich über den Kapitän. Käpt’n Hook kennt dafür nur eine Strafe: den Tod.
Loisels Werk, frei nach den Charakteren von Sir James Matthew Barrie, ist hiermit in neuer Auflage einmal mehr vollendet. Der Junge Peter Pan, auf seine Art ein Inbegriff von Freiheit, Rebellion, hat seine Heimat gefunden. Und er verteidigt diese mit all den Freunden, die er nun dort hat. Doch Gewalt lehrt Gewalt und so hat Peter Pan, nach einigen Schicksalsschlägen, gelernt, wie er nicht nur überleben, sondern auch noch zurückschlagen kann.
Besonders in der 2. Gesamtausgabe ist Kapitän Hook ein bemerkenswerter Charakter. Vollkommen egozentrisch, in höchstem Maße selbstverliebt, äußerlich gar nicht einmal der klassische Schlächter, aber immerhin ein vollkommener Psychopath, Allerdings besitzt er dank Loisel auch eine kindliche Note, die einen Matrosen und Lakaien wie Brummer väterlich (und ihn fürchtend) an ihn bindet. Wer auch nur einmal vage in die Welt der Kinderbücher hineingeschnuppert hat, wird von Kapitän Hook gehört haben, dem Mann, der wie ein großes gemeines Kind den fürchterlichen Haken schwang und allen Bewohnern der kleinen Insel das Fürchten lehrte.
Die Sache mit dem Haken und dem Wecker. Die Sache mit dem Haken ist durchaus brutal zu nennen. Für den Kapitän, dem in der Geschichte große Aufmerksamkeit zufällt, ist sie kaum überraschend. Loisels Inszenierung des Verlusts dieses Körperteils entbehrt nicht einer gewissen grauenhaften Komik, aber so sehr die Feinde des Kapitäns auch lachen, furchtbar ist es allemal. Und so folgt die Hand dem Wecker, den das Krokodil schon zuvor schluckte, weil es schlichtweg alles schluckt. Dank Brummer. Welche Ironie! Loisel gelingt das Kunststück, die Rachegedanken des Kapitäns glaubhaft zu machen, mit Tiefe zu versehen. Als Erwachsener mit kindlichem Gemüt fällt ihm die Beherrschung sehr viel schwerer als seinen kindlichen Widersachern.
Und Loisel lässt auch diese nicht ungeschoren davonkommen. Denn das Miteinander der verschiedenen Kreaturen auf der Insel ist nicht grundsätzlich paradiesisch. Glöckchen, dank der Interpretation durch das Hause Disney als putziges geflügeltes Dingelchen bekannt, entwickelt in der Version von Loisel noch ganz andere Seiten: Eifersucht. Von Loisel als properes Mädel mit Libellenflügeln und knapper Bekleidung gezeichnet, ist sein Glöckchen außerdem mit einer Boshaftigkeit und Heimtücke ausgestattet, die der Leser so nicht vermuten konnte.
Die Eifersucht war kein Geheimnis, ihre Leidenschaft für den Jungen Peter nicht zu übersehen, die Auswüchse hingegen sind ebenso grauenhaft, wie Peters Rache an dem Kapitän. Eigentlich sind sie noch furchtbarer. Loisel gelingt eine erbarmungslose Zuspitzung innerhalb einer Sequenz, eine Tragödie, die man als Leser gerne vorher abgewendet sehen möchte, aber der Szenenablauf treibt ungebrochen auf einen furchtbaren Tod zu, fast schon einen Mord, mit dem Krokodil als Waffe.
Loisel ist ein Meister darin, mit seinen Figuren Emotionen zu wecken und auch zu lenken. Zuneigung und Mitleid sind die Grundlagen, die er benötigt, um auch das Grauen wie eine Bombe platzen zu lassen. Das funktioniert über die Optik hervorragend, mittels eines geschickten erzählerischen Aufbaus packt es einen über die Maßen. In dieser geballten Form ist der Effekt aufs Gemüt noch stärker. Loisel hat aus den Figuren von Barrie noch ein paar wichtige Schichten herausgeschält und einige tolle Vergleiche zur Realität gezaubert. Denkanstöße könnte man sie nennen. Comic mit Tiefgang. Klassiker, jetzt schon! 🙂
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Montag, 12. Januar 2015
Väter und Söhne. Selten war ein Verhältnis zwischen Vater und Sohn so von Zerreißproben bedroht, wie jenes des Roten Korsaren und seines Ziehsohnes Rick. Obwohl beide unterschiedliche Wege beschreiten, der eine Pirat bleiben, der andere ehrlich sein will, stehen sie in Zeiten der Gefahr zueinander, wie es enger kaum sein kann. Nach einer langen Karriere auf See hat der Rote Korsar nicht nur große Reichtümer angehäuft, seine Feinde sind ebenfalls kaum mehr zählbar. So lässt die nächste Falle nicht lange auf sich warten. Die Spanier, denen der Rote Korsar auf See ganz besonders zugesetzt hat, locken mit einem Gerücht. Angeblich befindet sich Rick in ihrer Gewalt. Der Rote Korsar lässt sich nicht lange bitten und macht sich zur Rettung seines Sohnes auf den Weg.
Das Ende des Schwarzen Falken. Das Schiff, der Schwarze Falke, ist in der Karibik beinahe ebenso bekannt wie das Aussehen des Roten Korsaren. Die Spanier, die eine eindrucksvolle Flotte aufgeboten haben, um des gefürchteten Piraten habhaft zu werden, werden von Jean-Michel Charlier zu recht sehr siegessicher gezeigt. Automatisch fragt man sich als Leser, wie die beiden Helden und ihre Freunde, wie Dreifuss und Baba, hier wieder mit heiler Haut davonkommen sollen. Erzähler Jean-Michel Charlier macht mit dieser Episode noch etwas anderes deutlich. So kann es für den Roten Korsaren auf Dauer nicht weitergehen. Denn viele Jäger sind des Hasen Tod.
Elektrisierend sind die drei in diesem Sammelband vorliegenden Abenteuer, denn der Rote Korsar und sein Sohn Rick müssen wirklich alle Register ziehen, um die Gefahren letztlich zu meistern. Aus damaliger Sicht hätte ein Leser durchaus denken können, Jean-Michel Charlier und Victor Hubinon planten das Ende dieses meisterlichen Piraten, der zwar ein Halsabschneider ist, aber auf seine Art auch konsequent daher kommt. So heißt denn die zweite Episode folgerichtig: Auf Leben und Tod.
Nach den spektakulären Ereignissen des ersten Abenteuers schlagen Charlier und Hubinon eine neue Richtung ein. Die europäischen Seemächte haben die Jagd auf den Roten Korsaren noch nicht aufgegeben. Auf seinem ureigenen Gebiet, seinem Versteck, versuchen sie ihn auszuheben, aber das Versteck hat es in sich. Wie in den großen frankobelgischen Comic-Serien üblich konzentrieren sich die Charlier und Hubinon auf die Figuren und verknüpfen das Umfeld geschickt, unaufdringlich zu einer grandiosen Kulisse, die perfekt recherchiert und wiedergegeben wird. Hierzu gehören das Uniformspektakel der englischen Truppen, Quereleien und den Piraten selbst, ein weiterer hervorragender Aufmarsch von Segelschiffen sowie ein Ereignis, das es in dieser Serie auch noch nicht zu bestaunen gab.
Piraten: ein buntes Allerlei. Und nicht nur das. Der Rote Korsar hat einen Widersacher im Schwarzen Piraten, dem es aber über den Farbtupfer gestreifter Unterwäsche hinaus eindeutig an Format fehlt. Abseits der Demütigung durch Rick, der dieses Detail mittels eines geschickten Messerschnitts zutage fördert, fallen ein paar Nebencharaktere auf, bei den sich Hubinon besondere Mühe gegeben hat. Auffallend ist der englische Commodore, eine adelig verschrobene Witzfigur mit Hang zum Alkohol, der an der Spitze seiner Truppen mehr Unheil stiftet, als wirklich taktisches Geschick an den Tag zu legen.
Der Piratenschatz lautet der Titel der dritten Episode, die auf gelungene Weise einen feinen Reigen abschließt, denn durchaus kann der Inhalt der gesamten vierten Gesamtausgabe als eine durchgehende Handlung begriffen werden. Jean-Michel Charlier flechtet neben einem harten Überlebenskampf eine Begegnung mit Indianern (Seminolen) ein, die so gut gelungen ist, dass ihr ruhig mehr Raum eingeräumt hätte werden können. Der Auftritt der Ureinwohner lässt die Atmosphäre in der dritten Episode viel exotischer, ungewöhnlicher und geheimnisvoller als zuvor werden.
Einer der besten Handlungsbögen des Roten Korsaren in der vierten Gesamtausgabe: Jean-Michel Charlier erzählt hier mit höchster technischer Perfektion ein über drei Alben reichendes Abenteuer. Vorbildlich nicht nur für Piratengeschichten. Ein grandioser Hubinon macht aus diesem großen Abenteuer ein zeitloses Vergnügen. 🙂
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Sonntag, 07. Dezember 2014
1946. Der Zweite Weltkrieg ist vorüber, doch die Geister des Krieges treiben sich immer noch in den Straßen von Brüssel herum. Jeder hat seine ganz eigenen Erinnerungen. Spirou, den das schlechte Gewissen plagt, sucht immer öfter Trost im Alkohol. Eines Tages reißt sein Glücksfaden endgültig. Als er Colonel van Praag eine Flasche Whisky auf das Zimmer bringen soll, bedient sich Spirou erst einmal selbst großzügig. Der Colonel reagiert zunächst nicht auf Spirous Klopfen. Kein Wunder, kämpft der alte Haudegen doch soeben mit einer Angreiferin auf Leben und Tod. Die Leopardenfrau ist zu Besuch gekommen.
Yann und Olivier Schwartz haben bereits einmal mit einem Album zu SPIROU + FANTASIO von sich reden gemacht. OPERATION FLEDERMAUS hieß seinerzeit das Abenteuer, das den Leser in die letzten Kriegstage ins von Deutschland besetzte Belgien entführte. Bereits hier wie dort mischten Yann und Olivier Schwartz Humor mit Tragik, überspitzten und schockierten gleichzeitig mit Realismus. Dieser Spirou fühlte sich echter als seine Alter Egos an. Bezeichnend ist die Trunksucht, die für eine Comicfigur, die sich ansonsten eher mit heiteren Themen befasst, ein seltenes Beiwerk ist.
Die Erscheinungen von Audrey, der jungen Frau, deren Deportation Spirou nicht verhindern konnte, sind ein weiteres Merkmal für die Ernsthaftigkeit, die mal unterschwellig, mal greifbarer ist. Deutlich fantastischer ist nicht nur der Auftritt der Leopardenfrau selbst, sondern auch der gorillaartigen Roboter, die der Leser schon auf dem Titelbild begutachten darf. Nimmt man noch einen feinen Fantasio hinzu, in einer Mixtur aus Journalist und zerstreutem Erfinder. Denn sein aus der Not geborenes Kriegsauto, eine Abwandlung eines Citroen Traction Avant in mutiger Lackierung und auf Ersatztreibstoff ausgelegt, brauchte schon einen erfinderischen Geist, um zu entstehen.
Natürlich gibt es auch Anleihen am klassischen Spirou, der sich optisch in Fahrzeugen wie dem Wal, einem Automobil wie aus dem Design-Handbuch, ausdrückt und der im Jahre 1946 ganz besonders futuristisch ausschaut, aber aus heutiger Sicht technisch machbar scheint. Vor der Optik, für die der Wal ein prägnantes Beispiel ist, rückt die eigentliche Geschichte, satt angereichert mit Mysteriösem und Geheimdienstatmosphäre, fast in den Hintergrund. Aber so lohnt es sich auf jeden Fall, Die Leopardenfrau gleich nach der ersten Lektüre wieder zur Hand zu nehmen.
Ein grafisches Zuckerstückchen. Das Brüsseler Nachtleben und das Innenleben des Hotels, in dem Spirou arbeitet, haben optisch schon einiges zu bieten. Noch schöner, auch humorvoller, wird es mit der Verlagerung der Handlung nach Paris. Denn hier kommt zum Tragen, was auch Fantasio bereits früh beschäftigt: In einem Bistro findet eine wunderbare Begegnung mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir statt. In deren Folge hat Simone de Beauvoir eine Erleuchtung, zu einem klassischen Titel hinführend, der sicherlich auch durch die aberwitzigen Szenen von Yann und Olivier Schwartz angestachelt wird. Natürlich nur in dieser Comic-Realität. Der tatsächliche Weg zur Idee wird ganz anders gewesen sein.
Neben der Grafik weiß gerade diese Sequenz auch durch ihren Wortwitz zu begeistern. Wenn afrikanische Traditionen und Lebensweisheiten auf europäische, sehr weibliche Interessen treffen, sich die Philosophie des Existenzialismus ganz nebenbei Gehör zu schaffen versucht, selbstverständlich an echter Lebensweisheit und weiblicher Intuition scheitern muss, dann bleibt aus Spaß kein Auge trocken.
Mit einem Wort: Genial. Die beiden Comic-Künstler Yann und Olivier Schwartz entwickeln sich zu einem Duo, das es auch verdient gehabt hätte, die Hauptserie in Angriff zu nehmen. Hier geben sich Einfallsreichtum, Detailverleibtheit und (ganz wichtig!) Originalität die Hand. Man darf auf die abschließende Fortsetzung zu DIE LEOPARDENFRAU sehr gespannt sein. 🙂
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Dienstag, 02. Dezember 2014
Die Statue ist gigantisch. Hekate, die Tochter eines Titanen, wurde von den Bildhauern mit ihren Insignien versehen: Fackel, Dolch und, als wichtigstes Instrument, dem Spiegel der Wahrheit, den sie dem Todesgott Thanatos einst stahl. Aerena, die Schwester von Golias, beobachtet bei ihrer Einfahrt in den Hafen die drei Gesichter der Hekate voller Besorgnis. Sie kann den Eindruck nicht verwehren, dass das riesige Frauenbildnis, ob aus Stein oder nicht, ihren Blick erwidert. Und besonders freundlich sieht dabei nicht aus. Sarhans Erklärungen über Hekate können das mulmige Gefühl auch nicht vertreiben.
Für die Unsterblichkeit, für das Abbild ewiger Jugend waren in vielen Erzählungen unterschiedlichste Kreaturen bereit, alles zu geben. GOLIAS, selbst ein jugendlicher Held, mit großem Mut gesegnet, aber ebenso mit Leichtsinn, trifft hier auf eine neue Inkarnation des Bösen, die nicht bei allen seinen Freunden gänzlich unbekannt ist. Dabei befindet er sich bereits auf dem Heimweg und wähnt die hauptsächlichen Aufgaben erledigt, als das Anlanden auf einer Insel, dessen Bewohner die Göttin Hekate anbeten, höchste Gefahr verspricht. Obwohl Sarhan, ein zauberkundiger Mann, warnt, laufen sie in den kleinen Hafen ein. Das kleine Dorf an der Küste liegt verlassen da. Nur eine alte Frau und Kinder finden sich binnen kurzem und mit ihnen erfahren die vier Reisenden ein schauerliches Geheimnis.
Das alte Griechenland ist ein Hort der Götter, der Monster, der Helden und Halbgötter. Eine reiche Mythologie bildet den unerschöpflichen Quell, an dem sich Autor Serge Le Tendre und Zeichner Jerome Lereculey bedienen können. Die gewaltige dreiköpfige Statue der Hekate an der Hafeneinfahrt erinnert jedoch an zweierlei. Einerseits werden natürlich Vergleiche zur klassischen Statue des Helios wach, der die Zufahrt zum Hafen von Rhodos bewachte. Andererseits kann auch, im Hinblick auf die gesamte Handlung, ein Vergleich zur Göttin Kali, die zwar nicht über drei Köpfe, allerdings über ebenfalls sechs Arme verfügt, herangezogen werden. Ihre Ausrichtung, als Gebieterin über die Teufel und Ungeheuer der Hölle, bringt sie stark in die Nähe der indischen Todesgöttin.
Die Bedrohung wächst sich langsam aus. Zuerst ist es nur eine Geschichte über ein Monster, berichtet von einer alten Frau, die sich nicht scheut, zum Schutz der Kinder gegen den vermeintlichen Eindringling, Golias, antreten zu wollen. Aber der Leser, der die bisherigen Abenteuer über GOLIAS gelesen hat, weiß, dass eine Erzählung wie diese vom jungen Helden nicht als Warnung, sondern als Aufforderung angesehen wird. Während Konias, sein Freund, auf die Schwester Aerena aufpassen soll, steigen er und der alte Sarhan in die Höhle des Ungeheuers.
Eine kleine Ähnlichkeit. Die Anhänger der Hekate haben sich versammelt, um der neuen Opfergabe beizuwohnen. Cineasten werden sofort einen Aufbau und eine Perspektive aus Indiana Jones und der Tempel des Todes wiedererkennen. Dort spielte die bereits erwähnte Kali eine Rolle. Ende der Ähnlichkeiten und Anspielungen. Höllenhunde greifen ins Geschehen ein, fast so groß wie Bullen. Das Monster, von Atoos, der Dame auf dem Titelbild, beschützt, ist eines jener Wesen, eine Mischkreatur, die auch das Labyrinth des Dädalus bewachte. Nur haben sich Le Tendre und Lereculey keinen Minotaurus einfallen lassen. Ihre Kreatur ist furchterregender.
Abenteuer pur. Über zu wenig Action darf sich kein Leser beschweren. Serge Le Tendre hat sich einige haarsträubende Szenen einfallen lassen, in denen Gefahr an Gefahr gereiht wird. Die Charakterentwicklung der vier Reisenden wird darüber hinaus nicht vernachlässigt, aber schöner noch ist der Blick in die Vergangenheit der Figur Sarhan, denn hierfür verwendet Jerome Lereculey eine andere Bildsprache. Ist der eigentliche Erzählstrang in schönen realistischen Grafiken gehalten, weicht Lereculey für den Rückblick auf eine weitaus einfachere Technik aus. Diese schwankt zwischen ägyptischen Wandmalereien und klassischen Zeichentrickszenarien (etwa wie in Es war einmal der Mensch).
Eine gelungene Fortsetzung, eine Zwischenstation auf der Rückreise, denn Golias‘ eigentliche Aufgabe, die Rache an seinem Onkel für den Tod seiner Familie, ist noch nicht erfüllt. Hier, im dritten Teil, stimmt einmal mehr alles: Erzählung, Zeichnungen und Farben. Für Freunde von schönen Abenteuern vor antikem Hintergrund vorbehaltlos zu empfehlen. 🙂
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Dienstag, 25. November 2014
Peter hat es in seinen jungen Jahren sehr schwer. Für die einfachen Leute in den Straßen Londons fehlt es an Nahrung und Geld. Verzweiflung wird im Alkohol ersäuft. Bezahlt wird oft mit dem eigenen Körper. Viele haben sich aufgegeben. Aber Peter hat sich in dieser Umgebung einen Funken Hoffnung bewahrt. Diese wird eines Tages auf besondere Weise bekohnt. Eine kleine Fee, sprachlos und halb nackt, kaum größer als eine Hand, fliegt nicht nur um Peter herum, er rettet sie auch noch vor der hungrigen Eule Bubu. Zum Dank, und weil sie ihn sympathisch findet, verleiht sie ihm die Gabe zu fliegen. Aus dem Kennenlernen wird ein Ausflug, den Peter niemals mehr vergessen wird.
Wie kam Peter Pan ins Nimmerland? Was hat es mit all den kleinen Besonderheiten auf sich? Dem Krokodil? Der fehlenden Hand von Kapitän Hook? Woher kommt der Hass des Piratenkapitäns auf den Jungen Peter? Autor und Zeichner Regis Loisel, inzwischen ein namhafter Künstler auf dem Gebiet der Comics, der Graphic Novels, begründete mit der Vorgeschichte zum berühmten Kinderabenteuer von James Matthew Barrie seinen Ruhm, den er seither stetig ausgebaut hat.
Eine furchtbare Welt, dieses London im Winter 1887. Für Peter gibt es weitaus mehr als nur einen Grund zur Flucht. Die Mutter verdient diese Bezeichnung nicht. Kaum einer schert sich um Kinder. Peter kennt eigentlich nur einen guten Menschen, der sich um ihn kümmert. Es ist bitterkalt, überall ist es dreckig, die Moral liegt gänzlich am Boden und ein Menschenleben ist austauschbar und von keinerlei Wert. Das Licht von Glöckchen, ein Name, den Peter der kleinen Fee selbst gibt, wird hier wahrhaft zum Hoffnungsschimmer in dunkler Nacht. Regis Loisel gelingt mit der Sequenz um Peters ersten Flug eine kleine Meisterleistung und wunderschönes Stück Erzählung.
Vom Regen in die Traufe? Peter wollte Abenteuer. Er bekommt Fabelwesen, Indianer und Piraten, alle schön drapiert auf einer kleinen Insel im Nirgendwo, samt Krokodil. Leider landet Peter nicht genau da, wo er hin soll. Regis Loisel lässt Peter nicht verzagen (das ist Peters Geheimrezept). Piraten! Hier sind die Starken zu finden, denen anzugehören ist gut, außerdem kennt Peter Gewalt zur Genüge. Warum also nicht einmal am anderen Ende des Knüppels stehen? Loisel meistert die neue Szenerie mit einem Strich, der für das Ungewöhnliche wie geschaffen ist. Er wandelt meisterlich zwischen Karikatur und Realismus, genauem Blick für sehr individuelle Merkmale und einer Zeichentechnik, die leicht auf das Blatt geworfen wirkt und den Figuren ein schönes Volumen gibt.
Grandioses Zusammentreffen zwischen Fabelwesen und Indianern. Letztlich ist diese Szene nur ein Beispiel von vielen für den stimmigen Ausdruck von Loisel Zeichnungen. Allerdings ist es hier noch wenig zentrierter als an anderer Stelle. Loisel ist am besten, wenn er sich grafisch so richtig austoben kann und seine Fantasie regelrechte Kapriolen schlägt, es ihm aber trotzdem gelingt, dass es zu keiner Zeit überfrachtet oder bemüht aussieht.
Das Licht folgt Peter zum vorläufig bösen Schluss. Die ersten drei Bände, London, Die Insel und Sturm bilden zusammen einen stark gewobenen Handlungsbogen, der die Figur des Peter Pan zu der Erkenntnis kommen lässt, in der Realität nichts mehr verloren zu haben. (Was er in Wahrheit alles verloren hat, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal.) Nach einem Höhenflug erfolgt so der Absturz und der Ausblick auf ein neues Leben. Die einzelnen Schritte über die drei Folgen hinweg sind von Loisel minutiös geplant und entsprechend packend über die gesamte Länge erzählt.
Ein Meilenstein des Comic-Genres. Phantastik trifft Realität und Literatur. Eigenwillig und gekonnt illustriert. Regis Loisel hat Vorbildcharakter erlangt. Toll! 🙂
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Freitag, 21. November 2014
Eine Kreatur aus den Tiefen des Meeres gibt Rätsel auf. Augenscheinlich trägt das Wesen mit den Tentakeln einen Anzug, muss also, zieht man die Beschaffenheit der Bekleidung heran, intelligent sein. Die Obduktion findet leider nicht unter Ausschluss anderer Organismen statt. Eine Ratte hat sich in den Raum geschlichen. Rein zufällig wurde die Kreatur am Strand von Coney Island angeschwemmt. Spaziergänger fanden sie. Das seltsame Wesen weckt Begehrlichkeiten. Tot nützt sie der Forschung, den Ärzten vielleicht. Aber lebend kann ein Abkömmling dieses fremden Volkes noch viel wertvoller sein.
Es ist ein kleines, aber keineswegs unwichtiges Detail am Rande in dieser 9. Folge der Reihe HAUTEVILLE HOUSE. Weiterhin geht es für die Akteure darum, das große Ganze im Blick zu behalten. Und dieses große Ganze beinhaltet nichts anderes als eine Neuordnung der Welt. Autor Fred Duval hat, rückschauend, ziemlich viel Bewegung in die dem Leser bekannte Welt gebracht. Die historische Epoche ist noch erkennbar, aber verschiedenste Einflüsse von Jules Verne, H.G. Wells, Steampunk allgemein machen aus der Handlung eine wendungsreiche und immer auf Neue überraschende Geschichte.
Die Drahtzieher im Hintergrund agieren aus den unterschiedlichsten Beweggründen und nicht selten kokettieren sie mit ihren Taten. Das Phantom, der Mann, der von sich behauptet, nicht zu altern und Vertreter des Klerus kreisen um den Stein der Weisen. Dieses besondere Stück hat schon häufiger die Literatur bewegt. Hier erscheint es als Miniaturmonolith, der unscheinbar wirkt, dafür jedoch ungewöhnliche Eigenschaften besitzt. Die Menschen erhalten von ihm Antworten. Der Triumph über den Fund des Objekts währt nur ganz kurz.
Gavroche, ein Held einer vergangenen Zeit. Der Agent Gabriel Valentin la Rochelle, kurz Gavroche, ist eine sehr eigenständige Figur und entzieht sich gerne Vergleichen. Seine Ernsthaftigkeit, sein mustergültiges Auftreten lassen einen allenfalls an einen sehr erwachsenen D’Artagnan denken, ohne Degen. Er ist ein Abenteurer, der nicht aufgibt. Nach dem Triumph folgt die Falle, der Falle folgt die halsbrecherische Flucht. Gavroche bewahrt die Ruhe, denn das zeichnet ihn aus. Die Figur ist erfrischend, weil sie zu keiner Zeit in Frage gestellt werden kann. Als Leser bleibt man gerne an ihrer Seite. Auf das weibliche Gegenstück der Handlung, Eglantine, trifft dies ebenso zu.
Die Welt von HAUTEVILLE HOUSE dürfte innerhalb der vielfältigen Comic-Universen eine der außergewöhnlichsten sein. Sobald die gigantischen Luftschiffe ihre Bahnen über die alten Städte ziehen und von den technischen Fähigkeiten dieser Erde einen Vorgeschmack geben, kann man sich dank der Bilder von Thierry Gioux nicht mehr entziehen. Das Eingangsbild, eine Luftaufnahme des New Yorks im Jahre 1865, nimmt sofort gefangen, bevor das Szenario den Atlantik überquert und ins düstere Paris mit seinen unterirdischen Gewölben führt. Geheimnisvolle Orte gibt es reichlich, ausgeklügelte Gefahren tun ihr Übriges, um Thierry Gioux und das weitere Grafikteam viele Gelegenheiten zu geben, um diese Atmosphäre sehr schön bildhaft zu beschreiben.
Die Kenntnis des Beginns des zweiten Zyklus‘ ist schon Pflicht, um all den Geheimnissen und Pfaden, die von Fred Duval ausgelegt wurden, zu folgen. Für Steampunk-Fans und solchen Lesern, die alternative Realitäten in Geschichten allgemein mögen, ist dieses Abenteuer wie speziell gemacht. Der feine skizzenhafte Stil von Thierry Gioux prägt die Reihe auf eine starke, wiedererkennbare Weise. 🙂
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Montag, 08. September 2014
Das ändert die Lage! Cixi gerät in Panik. So hatte sie es nicht geplant. Als geheimnisvoller Rächer macht sie die Nächte in Eckmül unsicher, darauf bedacht, die Macht des selbst ernannten Despoten zu schwächen. Leicht macht sie sich ihre Aufgabe nicht. Sie führt nicht nur ein gefährliches Doppelleben, sie ist seit neustem sozusagen ein Doppelleben, ein Umstand, der sie in andere Umstände bringt und damit im übertragenen Sinne in des Teufels Küche. Denn wer die Angelegenheiten des Herrschers, Thanos, stört, könnte sehr schnell Opfer jener Experimente werden, die in den weiten Kellergewölben auf seinen Befehl durchgeführt werden.
Adrien Floch, als Zeichner kein Unbekannter hierzulande, arbeitete er schon bei den Schiffbrüchigen von Ythag mit Autor Christophe Arleston zusammen. Olivier Vatine, bisher Stammzeichner von Cixis Geheimnis, begnügt sich nun mit dem Storyboard und überlässt Adrien Floch den Feinschliff. Was für eine düster dunkle Welt TROY doch geworden ist! Wenn eine Frau wie Cixi, die nicht gerade für ihre Sanftmut oder die Fähigkeit, besonders einfühlsam zu sein, Schwierigkeiten mit einem Mann hat, der die Welt zu verwüsten sucht und sie ihren Eigennutz hintenan stellt, dann muss in TROY einiges im Argen liegen.
Der Strich von Olivier Vatine und Adrien Floch harmoniert sehr gut miteinander. Sehr fein ausgeführte Linien, aus denen fragile Körperlichkeiten gleich welcher Art entstehen. Diese Feinheit macht in den seltener auftretenden Nebenfiguren und einigen besonderen Ideen am meisten Spaß für das Auge und somit den Leser, der in der Fantasy skurrile Einfälle zu schätzen weiß. Aber mehr noch reizen die Übersichten zum Hinschauen, zum Flanieren während des Blätterns, denn die Bilder, die auch einem Reiseführer über Eckmül gut zu Gesicht stehen würden, vermitteln schöne Stimmungen dieser Fantasy-Welt, die sicherlich sehr mittelalterlich ist, aber auch aus unterschiedlichen Stilen zusammengesetzt scheint.
Das mag an den sehr verschiedenen Einflüssen liegen, die von den verschiedensten Bürgern aus Winkeln TROYs in diese Weltstadt der Fantasy getragen werden. Säulen, Ornamente, Rundbögen und Spitzbögen, goldene Kuppeln und abgetakelte Holzbauten, schmale Gassen und weite Palastgänge, die zum Lustwandeln einladen. Es ist ein lebendige Stadt, die weder von Christophe Arlston noch seinen zeichnenden Künstlerkollegen jemals in ein enges Korsett gezwängt und mit einer allzu starken Stilistik erstickt wurde. Da Eckmül auch mit anderen Serien, die auf TROY handeln, wächst, ist es gut, dass die Stadt vor allem durch einige wenige herausragende Punkte einprägsam ist.
Verweigerung des Bekannten: Thanos, der Bösewicht, ist mächtig und gut aussehend. An anderer Stelle, in den sonst üblichen Geschichten mit fantastischem Einschlag wäre er der Gute, der Held, barbarisch vielleicht, aber äußerlich immerhin der Held. Es sterben Kinder, Alte und Tiere und selbst Cixi ist eigentlich nicht zur Heldin geboren. Zu arrogant ist die junge Frau, die selten aus Uneigennützigkeit handelt. Und trotzdem will man ihrer Geschichte folgen, weil Christophe Arleston seine Heldin zum Umdenken, zur Verhaltensänderung zwingt.
Enttarnung: Ja, der Finstere Schatten wird demaskiert. Aber wird Cixi auch enttarnt? Christophe Arleston hat sich ein kleines Kabinettstückchen einfallen lassen und beschreibt wie Cixi ihr Gesicht wahren kann. Es ist einer von zahlreichen gelungenen Einfällen.
Cixis Geheimnis ist nun abgeschlossen, die Reihe um Lanfeust von Troy, der in diesem Abschnitt nicht mitspielt, ist es nicht. Die Trilogie um Cixi zeigt treffend, wie stark selbst jene Charaktere werden können, die bislang nur Nebenrollen hatten. Sehr schön! 🙂
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Montag, 18. August 2014
Ein Überfall soll die gereizten Matrosen wieder besänftigen. Die Piraten unter dem Kommando des Roten Korsaren fassen einen riskanten Plan. Sie wollen die kleine Stadt Vera Cruz angreifen, plündern und zwar von der Landseite her. Mitten in der Nacht schlagen sie sich durch den Dschungel und allen Unkenrufen zum Trotz scheint das ungewöhnliche Unterfangen doch zu gelingen. Allerdings hat der Rote Korsar es nicht als seine erste Aufgabe angesehen, Vera Cruz zu überfallen. Durch einen Zufall, einen sehr mysteriösen noch dazu, war der Schwarze Falke, sein Segelschiff, im bitteren Sturm einem anderen Schiff begegnet.
Viele aus der Mannschaft des Roten Korsaren glauben an ein Geisterschiff, das geradewegs in den hoch gepeitschten Wellen auf sie zusteuert und einen Zusammenprall nicht scheut. Ein Ausweichen ist nicht möglich. Als der Rote Korsar das fremde Deck betritt, schnell und ohne zu zögern, da der alte Kahn, wie es sich nun herausstellt, zu sinken droht. Aber der Piratenkapitän lässt sich von der Unbill nicht beirren und dringt in die Kajüten vor, wo er eine unglaubliche Entdeckung macht.
Das Schiff der verlorenen Seelen bildet das Auftaktabenteuer des dritten Bandes der Gesamtausgabe aus der Reihe Der Rote Korsar. Von Jean-Michel Charlier ist Der Rote Korsar als Figur entworfen, der weder sein Leben noch das anderer scheut, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Wenn etwas durch Mut oder Widerstand erlangt werden kann, meist ein Schatz oder ein Sieg, dann kennt der Pirat mit der Augenklappe und dem feuerroten Bart kein Halten mehr. Wer nicht den gleichen Mut aufbringt, bleibt im besten Falle zurück.
Dem Korsaren gegenüber steht Rick, der Sohn des Piraten, eine getreue Seele, aber kein Halunke wie sein Vater. Niemals würde er den Pfad des Gesetzlosen einschlagen. Nur in einem sind sich die beiden Männer einig, der junge wie auch der alte, nämlich in ihrer unverbrüchlichen Treue zueinander. Ist einer von beiden in der Bredouille, wird der andere nicht zögern, ihm zur Hilfe zu eilen. Und es ist dieses Verhalten, warum der Leser den Roten Korsaren nicht in Bausch und Bogen verdammen kann, denn diese Treue, auch Liebe zum Sohn macht den ansonsten unnachgiebigen Kämpfer auf See überaus menschlich.
Aber Jean-Michel Charlier, der Tausendsassa des Comics, der allein von der Masse seiner Veröffentlichungen her nicht viele Nachfolger unter den Comic-Autoren hat, beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Beziehung der kleinen Familie untereinander. Mit dem zweiten Abenteuer Die Totenkopf-Insel, einer direkten Fortsetzung der ersten Geschichte im vorliegenden Sammelband, geht es auch in die nächste Runde um einen geheimnisvollen Schatz von Henry Morgan, einer der bekanntesten Freibeuter, die jemals die Meere befuhren.
Für die Helden ist dieser Pirat der Anstoß zu Spekulationen über die sagenhafte Größe eines versteckten Vermögens. Allerdings ist es auch gemäß des dunklen Ruhms dieses legendären Gauners an einer nicht gerade ungefährlichen Stelle verborgen. Das Meer ist eine finstere Geliebte, die einen Seemann nur zu gern in die Tiefe zieht. Und vor Feuerland ist diese Gefahr ganz besonders groß. Jean-Michel Charlier trumpft mit einem dichten Szenario auf, in dem sich nicht nur Piraten einander feindlich gegenüber stehen, sondern auch die Natur zur Obacht zwingt und das Auftauchen einer dritten Partei das Blatt erneut wendet.
Gerettet von einem Schurken! Welche Schande! Rick will eben das nicht sein, ein Schurke. Eine Nichte des spanischen Vizekönigs sieht das ein wenig anders. Die Falle der Spanier nimmt den Leser mit den Bildern eines großartig zeichnenden Victor Hubinon in die adeligen Kreise Spaniens. Man schickt sich an, sich auf einem Umweg am Roten Korsaren zu rächen. In dieser Episode, die auf ihre Art sehr stark an alte Piratenfilme, bei Hofe spielend, erinnert, kommt Hubinons grandiose Fähigkeit, individuelle Charaktere zu kreieren, voll zum Tragen.
Ein schöner redaktioneller Teil über den Menschen wie auch den Künstler Hubinon gibt feine Informationen zum Leben und Arbeiten des Comic-Künstlers in einer der Hochzeiten des Mediums. Die drei Geschichten liefern eine geballte Ladung Pulverdampf, über die sich Fans des Genres nur freuen können. Wer Piratenabenteuer lieber traditioneller mag, oder moderne Vermischungen neuerer Erzählkultur scheut, kann nicht am Roten Korsaren vorbei. 🙂
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Montag, 11. August 2014
Eine Frau kann niemals eine Weise in Eckmül werden. Allein der Gedanke daran ist ein revolutionärer Akt. Kein Mann würde ein derartiges Anliegen unterstützen. Die junge Marikiri ist dennoch fest entschlossen, alls zu versuchen, um ihren Traum in die Tat umzusetzen. Der Weise Aluny unterdessen will einen neuen Hauptzauber entwickeln. Leider (und hier zeigt sich, dass die Weisen eben so weise doch nicht sind) geht die Versuchsanordnung für diesen Zweck gründlich daneben. Wie sehr das Experiment schief geht, ahnt er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal. Erst nach und nach zeigen sich Missstände und die Schlussfolgerung, ein Teil seines Verstandes sei abhanden gekommen, ist bitter. Eine Lösung muss her und zwar schnell.
Christophe Arleston greift eine weitere Seite seines Lieblings-Universums TROY auf und erzählt zusammen mit Melanyn, wohin allzu großer magischer Eifer führen kann. Mitten hinein in eine andere Odyssee. An der Seite von Lakhäf, dem eigentlichen Schüler Alunys, begleitet der Leser die aufmüpfige Marikiri auf der Reise des Weisen, die gleich mit einer Erpressung startet. Wir erinnern uns, dass Frauen niemals eine Weise in Eckmül werden zu können. Aber Marikiri ist trotzdem fest entschlossen, ein Praktikum bei Aluny zu machen, ob dieser nun will oder nicht. Man könnte sagen: Frauenpower in TROY.
Wenn drei eine Reise tun, ist einer zuviel. Oder so ähnlich. Die Zeichnungen von Cartier ein wenig kurios, fast anarchisch zu nennen und grenzen sich sehr stark von anderen Künstlern des TROY-Universums ab. Cartier hat auch mit seinen sehr weich gearteten Figuren in eine sehr cartoonige Grafik abzudriften. Das ist in keiner Weise knuffig amerikanisch, eher sehr europäisch putzig, wenn es an die Kreaturen herangeht (wie Alunys wunderbare Katze), manchmal auch ein wenig MAD, wenn es an die menschlichen Gestalten geht. Stilistisch passen sich die Bilder auf hervorragende Weise dem Inhalt an. Sobald der Leser die Szene erreicht, in der sich Monströsitäten untereinander Tipps geben, man möge niemals etwas zu sich nehmen, dessen Herkunft unbekannt ist, versteht er diese Feststellung. Eine gefrässig würmelnde Schrecklichkeit gerät hierdurch ins völlig Absurde.
Moderne Welt und fantastische Träume. Wie passt das zusammen? Christophe Arleston verzwirbelt gerne ein paar, oder auch mehr Anspielungen mit seinem TROY-Universum. Das macht umso mehr Spaß, wird doch auf diese Art noch deutlicher, wie grotesk die Wirklichkeit um den Leser herum sein kann. Wenn Marikiri ein paar Piraten auf der Couch behandelt (nein, nicht so), handelt es sich nur ein Beispiel von vielen.
Will man einen Vergleich der zeichnenden Comic-Künstler ziehen, auch im selben Genre, führt der Weg ungefähr zu einem Paul Glaudel, dem Zeichner der Meisterkartographen (auch von Christophe Arleston geschrieben). Cartier zeichnet seine Figuren schmaler, nicht ganz so voluminös wie Glaudel, auch mit deutlich weniger Kinn. Aber das Freche, mitunter auch Frivole ist beiden gemeinsam. Wer die eine oder andere Szene betrachtet, wird sogar Anklänge eines knubbelnasigen Mordillo-Stils entdecken.
Flott erzähltes Einzelabenteuer im TROY-Universum, mit neuen Figuren, interessanten Einblicken in die Welt der Weisen. Aluny und Marikiri sind einprägsame Charaktere, mit denen Christophe Arleston durchaus weiter spielen könnte. 🙂
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Montag, 04. August 2014
Das Versteck von Rypläh ist aufgespürt. Allerdings liegt es etwas abseits der üblichen Wege und bewohnten Orte. Besonders für einen Troll ist dieses Versteck nicht leicht zu erreichen. Mitten Wasser ragen die Pfahlbauten des kleinen Dorfes in die Höhe. Besucher sind hier selten. Erwünscht sind sie erst recht nicht. Trolle schon gar nicht. Lanfeust nahm, nachdem Rypläh, sein einziger Entlastungszeuge, gefunden ist, würde sich alles zum Besseren wenden. Bei jedem anderen wäre dies vermutlich auch so gewesen. Doch Lanfeust ist ein Held, der nun einmal seinen Wagemut beständig an gefährlichen und ausweglosen Situationen testen muss. Zu seinem Unglück will es das Schicksal ganz genau wissen und schickt ihn an den außergewöhnlichsten Ort seines Lebens.
Es wird ernst. Nach so manchen humorvollen Passagen, durchweg auch spannend erzählt, wird die ODYSSEE zu gefährlich, um für LANFEUST noch komisch zu sein. Nicht nur wird ihm nach dem Leben getrachtet. Die Magie von ganz TROY steht auf dem Spiel. Über Eckmül ragt ein gigantischer Tempel in die Höhe, ein Bauwerk, das alles andere in dieser nicht gerade kleinen Stadt überschattet. Das Wesen, das sich anschickt, aus Troy alle Magie herauszuziehen, den Planeten geradezu auszusaugen, ist listig, mächtig und brutal.
Christophe Arleston überrascht mit dieser Kreatur, die sich jeder Komik entzieht. Eben noch hat der treue Begleiters Lanfeusts, der Troll Hebus, ein paar Schildkröten aufgeblasen und diese als Luftkissen benutzt, um über die Wasseroberfläche zu laufen, da ereignet sich in Eckmül schaurig Schreckliches. Das betont die Skrupellosigkeit des Feindes und lässt, da Lanfeust Odyssee noch nicht an ihrem Ende angelangt ist, auf ein fulminantes Finale hindeuten, denn Arleston hat sich bereits an dieser Stelle einige Szenen einfallen lassen, in denen Lanfeust nicht nur an Macht gewinnt, sondern auch eine außerordentliche Charakterstärke an den Tag legt.
M’Otha, groß wie eine lebendige Insel, ein Ghomo, ein Lebewesen, das seit Ewigkeiten die Magie von Troy in sich aufnimmt und speichert, steckt, an seiner Leidesfülle gemessen, in gewaltigen Schwierigkeiten. Christophe Arleston schreibt Lanfeusts Stammzeichner Didier Tarquin ein gigantisches Lebewesen ins Skript, das erst einmal mit der nötigen Ausdruckskraft auf Papier gebannt sein will. Die Größenunterschiede zwischen Helden und dem Ghomo verdeutlichen die gigantischen Ausmaße. So erscheinen die Sequenzen mythisch, märchenhaft, für den einen oder anderen auch biblisch, da es durchaus Parallelen zu einem gewissen Jonas zu entdecken gibt.
Didier Tarquin lässt sich optisch nicht lumpen. Etwas ins Abseits gerät da das weitere Schicksal von Hebus, der sich in eine ungewollte Abhängigkeit bringt, die ihm aber immerhin das Leben rettet. Hier werden von Arleston neue Konstellationen geschaffen, lose Fäden, die zwangsläufig zueinander finden werden. Nachdem die Begegnung des Lesers mit M’Otha derart groß ausfiel, ist das Schicksal von Hebus eher eine Sequenz, die erzählt werden muss, mit entsprechendem Humor daherkommt, weil sich die Spannung doch immens bei Lanfeusts Erlebnissen aufgebaut hat.
Eine wahrhaftige Odyssee. Die gehört eben aufs Wasser. Christophe Arleston schickt sein bestes Pferd im Stall in eine der ungewöhnlichsten Freundesbegegnungen des Fantasy-Genres. Ohne Übertreibung kolossal. 🙂
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