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Comic Blog


Mittwoch, 24. Februar 2016

HOLMES – Dritter Band – Die Dame von Scutari

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:23

HOLMES - Dritter Band - Die Dame von Scutari2. Februar 1854. Am Bosporus herrscht das Grauen. Im strömenden Regen kehren die verletzten Soldaten von der Front zurück und werden in die überfüllten Lazarette geschafft. Doktor Parks kann sich die Freude nicht verkneifen, einmal einen Soldaten auf dem Behandlungstisch zu haben, bei dem sehr gute Heilungschancen bestehen. Aber das Schicksal will es anders. Völlig überraschend verschlechtert sich der Zustand des verletzten jungen Mannes während der folgenden Operation. Parks kämpft. Er sucht nach einer Blutung, die es nicht geben dürfte. Vergebens. Was ist hier geschehen? Eines Tages wird der Doktor es wissen.

Die geheimnisvolle Familie Holmes. Wer hätte gedacht, dass jene Familie selbst ein Geheimnis besitzt? Dass nicht alles geradlinig in jenem Hause verlief, in dem der spätere Meisterdetektiv zur Welt kam? Autor Luc Brunschwig gelingt mit diesem dritten Band der Reihe HOLMES ein feiner Spagat zwischen dramatischer Biographie und einem Gesellschaftsbild einer vergangenen Epoche, in der so bedeutende Menschen wie Florence Nightingale von sich Reden machten. Nicht umsonst heißt diese Folge: Die Dame von Scutari.

Mit jener Dame geht der Begriff Engel von Scutari einher, ein Beiname, den sich die Mutter von Sherlock Holmes an den Krankenbetten der verletzten und sterbenden Soldaten an der Front des Krimkrieges verdient. Obwohl Dr. Watson in der Sache HOLMES ermittelt, stehen die Frauen hier im Mittelpunkt der Handlung. Die Mutter von Sherlock Holmes ist nur ein Aspekt dieser Geschichte. Daneben finden sich Florence Nightingale, die unglückliche Judy Brown und das langjährige Kindermädchen der Familie Holmes, Miss Bannister. Die Geschichten, die diese drei Frauen zu erzählen haben oder auch selbst in der Handlungsgegenwart mitmachen, besitzen diese unterschwellig kochende Dramatik, die Sherlock-Holmes-Fällen zueigen ist. Der Schrecken erwächst in einigen Ausbrüchen und Wendungen, die vor allem durch ihre Tragik mitreißen.

Doktor Parks ist ein Mittelsmann über zwei Epochen. Der Leser darf diese Figur in zwei exzellenten Sequenzen erleben, die eng miteinander verzahnt sind. Mehr soll nicht verraten werden. Doch sei auf die Erzählweise von Luc Brunschwig eingegangen, dem es elegant gelingt, erzählerische Tricks, wie sie gerne in modernen Fernsehserien angewendet werden, auf die Handlung im dritten Band von HOLMES zu übertragen. Der aufmerksame Leser wird dazu aufgefordert den Atem anzuhalten, wenn die Handlung unaufhaltsam nach vorne drängt und zwei Stränge sich überschneiden. Häufig teilen sich zwei solche einen Gegenwartsstrang. Hier wird gezeigt, wie die Vergangenheit auf die Gegenwart Einfluss nimmt. Eine Handlungslinie erhält textliche Unterstützung. Die andere wirkt rein durch die grafische Darstellung von Cecil.

Kaltes Grau für die Gegenwart, helles Braun und Ocker für die Vergangenheit. Cecile entzieht sich mit seiner Farbgebung weiterhin der gängigen Kolorierung und entscheidet sich hier für die Atmosphäre eines Blicks in die Vergangenheit. Für den Leser ist eine Zeitreise in die Tage monochromer fotografischer Abbildungen entstanden, die durch ihre Farbigkeit Abstand hält und doch, wie es bei alten Fotografien oft der Fall ist, seltsam berührt und fesselt. Zwei Schienen entstehen. Einerseits schaut der Leser in die Vergangenheit, andererseits schaut er dabei Dr. Watson und Mary über die Schulter, wie diese ihrerseits ferne Tage auferstehen lassen (und nicht nur sie).

Cecil beeindruckt mit seiner Genauigkeit und seiner gefühlvollen Darstellung. Wer den historischen Roman zu schätzen weiß, aktuelle Serien, die mit dem 19. Jahrhundert spielen und der Jahrhundertwende in die das 20. hinein, wird die Atmosphäre mögen, die gleich zu Beginn in den Krimikrieg springt. Das eigentliche Gemetzel bleibt dem Leser erspart. Er muss sich mit den Auswirkungen, den Verletzten arrangieren und dem Kampf des Pflegepersonals, Leben zu retten und Leiden zu lindern. Wer den ausführlichen redaktionellen Teil im Anhang hinzuzieht, wird darüber staunen, wie sich Cecil an den jeweiligen Bildausdruck und die komplette Seite herantastet. Meisterlich wird es hier verstanden, mit dem Großen das Kleine zu umrahmen. Aus einer detailreichen werden die Blicke weniger Personen in den Fokus geholt, eine großartige Imitation einer Kamerafahrt.

Charaktere mit enormem Tiefgang etablieren sich binnen kurzem. Zusammenkünfte, Lebensgeschichten geben mit ihren Dramen einen gesellschaftlichen Eindruck wieder. Hier werden grafisch eindrucksvoll familiäre Geheimnisse der Familie Holmes gelüftet. Für Fans der Originalvorlagen von Arthur Conan Doyle ein Muss. 🙂

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Dienstag, 09. Februar 2016

BUDDY LONGWAY Gesamtausgabe 2

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:03

BUDDY LONGWAY Gesamtausgabe 2 - Kathleen und JeremiahBlackfeet sollten friedlich sein. Die zwei Krieger hingegen greifen ohne Vorwarnung an. Buddy Longway bleibt keine Wahl. Will er das Leben seines Sohnes Jeremiah retten, muss er schießen. Der Trapper zielt auf das Pferd des zuvorderst reitenden Indianers. Der Schuss fällt das Tier. Die feindlichen Krieger fliehen auf dem verbliebenen Pferd. Ratlos bleiben Buddy Longway und sein Sohn zurück. Ein Zusammentreffen mit weiteren Trappern gibt keinen Aufschluss über diesen sinnlosen Angriff. Einen vagen Hinweis überhört Buddy Longway. Wäre er nur hellhörig geworden …

Das Besondere an BUDDY LONGWAY wird spätestens in der zweiten Gesamtausgabe mit weiteren vier Abenteuern deutlich. Es ist ein Western, der keine Showdowns benötigt. In dieser wilden Welt wartet das Abenteuer bei der nächsten Jagd, dem Schritt vor die Tür im tief verschneiten Winter. Indianer werden zu Freunden und zu Feinden. Liebe und Hass zwingen zu Taten. Scheitern können beide Motive. Die Zivilisation hält langsam Einzug und schickt ihre schlechtesten Sendboten voraus: das Feuerwasser. Kurzum, wer in Leinwandwestern die Bodenständigkeit vermisst, die andauernde Spannung, geboren durch eine Umgebung, die den Menschen nicht grundsätzlich willkommen heißt, wird in DERIBS Serie BUDDY LONGWAY ebenfalls ein Meisterwerk sehen.

Die Abenteuer Das Geheimnis, Der Elch, Pferde im Winter und Feuerwasser bündeln intensive Erfahrungen von Buddy Longway und seiner kleinen Familie, die hier Zuwachs erhält. DERIB, Autor und Zeichner der Reihe, setzt in Das Geheimnis und Der Elch den Fokus auf den kleinen Jeremiah, Buddy Longways Sohn. Zwei Entwicklungsstufen werden hier beleuchtet. Erfahrungen sehr menschlicher Natur bilden den Mittelpunkt. Und es werden zwei Seiten beleuchtet. Mit Jeremiah wächst auch Buddy Longway in seiner Funktion als Vater. Immer darauf bedacht, Jeremiah das Rüstzeug für die Wildnis, in der sie leben, mitzugeben, versucht er Gefahren vom Sohn fernzuhalten und erkennt schnell, dass der Junge das Herz am rechten Fleck hat und deshalb bereit ist, Risiken einzugehen.

Der Elch, das zweite Abenteuer in dieser Gesamtausgabe, ist für mich das Beste der vier Dramen, ohne DERIBs Leistung bei den anderen drei Geschichten schmälern zu wollen, die allesamt gut, spannend und sehr gelungen sind. Der Elch zeigt nicht nur auf höchst eindrucksvolle Weise die Macht der Natur, es vermittelt auch den Respekt vor ihr, wenn der Mensch, hier in Form von Buddy Longway und seinem Sohn, trotz höchster Gefahr darauf verzichtet, ein Tier einfach zu töten, um das eigene Leben zu retten. Mehr noch: Plötzlich wird das gegen die zivilisierten Schusswaffen scheinbar hilflose Tier zum tödlichen Gegner.

Die Macht der Natur und der Wildnis, jene Kräfte, die in einem REVENANT als dramaturgischer Faktor derzeit das Kinopublikum begeistern, werden von DERIB auch in der nächsten Folge zu weiteren Blüten geführt. Ein Pferd, so alt es sein mag, ist in der Abgeschiedenheit fern der nächsten Siedlung überlebenswichtig. Im dritten Abenteuer, Pferde im Winter, nimmt sich DERIB jenes Phänomens an, das einen Beobachter nicht selten erschauern lässt. Mustangs, amerikanische Wildpferde, von enormem Freiheitsdrang beseelt, angeführt von einem Hengst, der alles unternehmen würde, um seine Herde zu schützen, sind ein stetig ziehendes Element der Geschichte.

Buddy und seine Tochter Kathleen, noch sehr klein, bleibt nichts anderes übrig, als der Herde zu folgen, denn diese hat im wahrsten Sinne des Wortes ihr gutes Pferd Fellow entführt. DERIB zeigt, wie sehr auch Comics, Graphic Novels, berühren können. Erneut gelingt ihm hier das Kunststück Spannung mit Tiefgang und einfühlsam geschilderten Charakteren zu verbinden. Die weitere Entwicklung der Figuren im vierten Abenteuer, wenn Anklänge einer veränderten Lebensweise ins Spiel kommen, beweist den weiten Bogen, den DERIB bereit ist, für seine Charaktere zu spannen. Und es ist Kathleen, die in ihrer kindlichen Unschuld zum Stein des Anstoßes wird. Trapper zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, auch auf immer und ewig Trapper zu bleiben.

Mehr Familie im Leben von Buddy Longway führt zu weitaus intensiveren Leseerlebnissen als bisher. Eine wunderbare Westernreihe abseits der üblichen Cowboys und Pistoleros. Hier ist der Wilde Westen noch viel ursprünglicher. DERIB hat die Messlatte solcher Geschichten sehr, sehr hoch gehängt, herangekommen ist seither niemand mehr. 🙂

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Donnerstag, 04. Februar 2016

VASCO 26 – Die verschüttete Stadt

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:20

VASCO 26 - Die verschüttete StadtDie Dörfler und die Bauern haben ihre Herren verloren. Diese zahlten nie viel, aber wenigstens zahlten sie etwas. Die besorgten Bürger halten den Tross von Niccolo auf und bitten um Antworten. Für Forderungen sind sie zu verlegen. Die Angreifer, die kurz darauf über Niccolos Gefolge und ihn selber herfallen, sind es nicht. Vasco weiß von alldem nichts. Er hätte mit dem Zug mitgehen sollen, stattdessen wollte er eigene Nachforschungen anstellen und trifft sich mit Loretta, einer Freundin aus Kindertagen. Das Treffen verläuft nicht allzu freundlich. Schreie aus dem nahegelegenen Dorf unterbrechen das Beisammensein … Niccolo ist auf der Flucht.

Im Schatten des Vesuvs gären die Intrigen, erfüllen sich furchtbare Schicksale und Vasco steckt einmal mehr mitten drin und versucht hinter Geheimnisse zu kommen und die Unschuldigen zu retten. Aber für die Lösung einer solchen Aufgabe hatte er in der Vergangenheit schon bessere Ausgangspositionen. Welches Schicksal sich für alle Bewohner in der Nähe des berühmten Vulkans an der Bucht von Neapel ankündigt, verrät leider das Titelbild. Andererseits war das zu erwarten. Kein Autor, und Dominique Rousseau eben auch nicht, mag auf das Inferno verzichten, das von einem solchen Naturspektakel ausgeht.

Zuvor sind die Ereignisse näher am Menschen. Im Mittelalter angesiedelt ist hier Gewalt das geeignete Mittel im Kampf um Macht und Geld, ganz besonders um Geld. Die kleinen Leute, vornehmlich Bauern werden um den kleinsten Betrag gepresst. Wo die Drohung der Vergewaltigung von Ehefrauen und Töchtern nicht ausreicht, werden die Männern und Jungen reihenweise vor den Augen der übrigen Familienmitglieder hingerichtet. Das Szenario ist 26. Band der Reihe VASCO ist düster, düster und noch einmal düster. VASCO selbst, hier geschrieben und gezeichnet von Dominique Rousseau, durchläuft eine Phase tiefster Erschütterung, Mutlosigkeit und sogar Depression.

Die Kinder des Vesuv, so lautete nicht nur der Titel des Vorgängerbandes, Nummer 25. Diese Kinder sind immer noch eine Bedrohung. Sie bilden in dieser Geschichte eine Überraschung, sind es eben einmal nicht nur hartgesottene Soldaten oder Söldner, die hier ihr Unwesen treiben und gefürchtet werden, sondern tatsächlich Kinder, die sich als Waisen zu riesigen Bande zusammengerottet haben und selbst für bewehrte Männer eine Gefahr darstellen. Sehr schön ist die Tatsache, dass niemand hier so recht gut oder schlecht ist. Es sind teils Figuren ihrer Zeit, teils sind sie auf Wege (oder Umwege) gezwungen, die sie gar nicht gehen wollen. VASCO gehört dazu, speziell in Fragen, die seinen Freund Niccolo betreffen.

Grafisch ist Dominique Rousseau sehr nah an der Epoche. Hier findet sich eine Qualität, wie sie der historienverwöhnte Leser von VASCO her kennt, sie sich andererseits auch durchgesetzt hat, weil erst durch eine realitätsnahe Abbildung das Szenario zum Leben erwacht. Die Kulissen und die Ausstattung, so würde es im Film genannt werden, sind überwiegend exquisit. Die Atmosphäre ist derart packend, wie sie in vielleicht in einem Film wie Der Name der Rose erreicht wurde. Die Gesichter blicken traurig. Die Figuren sind oft vor Gram gebeugt oder sie schauen erschöpft. Ein Lächeln hat einen bissigen zweiten Ausdruck. Angst findet sich oft. So lenkt Dominique Rousseau die Emotionen des Lesers sehr nachdrücklich. Es ist schwer, sich der Handlung bereits nach wenigen Seiten noch zu entziehen.

VASCO dürfte zu den eindringlichsten und berührendsten Comic-Serien zählen. In diesem Abenteuer gelingt Dominique Rousseau von Anfang bis Ende eine enorm dramatische Zuspitzung. Ein dunkles Italien, eine starke Hauptfigur. VASCO darf den Leser hoffentlich noch sehr lange in dieses ferne Zeitalter entführen. 🙂

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Mittwoch, 06. Januar 2016

DER ROTE KORSAR Gesamtausgabe 6

Filed under: Abenteuer — Michael um 10:16

DER ROTE KORSAR Gesamtausgabe 6 - Die GefangeneDer rote Korsar ist weithin berüchtigt auf See und zu Land. Seine Gegner fürchten ihn wie der Teufel das Weihwasser. Noch schlimmer ist, dass sie ihm alles zutrauen. Wer Schiffe kapert, der ist bestimmt auch ein Meuchelmörder und macht keinen Unterschied zwischen Mann, Frau und Kind. Aber weit gefehlt. Es gibt auch Grenzen, die dieser berühmte Pirat nicht überschreitet. Ein ganz in schwarzes Tuch gekleideter Mann macht dem roten Korsaren ein Angebot. Er möge auf See ein bestimmtes Schiff einholen und eine ebenso genau bestimmte Frau an Bord dieses Seglers ermorden. Die Reaktion ist unerwartet. Entrüstet schlägt der Pirat die Offerte aus, will sogar dem Auftraggeber an den Kragen. Vergeblich. Was bleibt zu tun? Gemeinsam mit seinem Sohn macht sich der Pirat auf den Weg, um die Frau zu warnen und vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ein Wettrennen gegen die Zeit beginnt.

Ein neuer Zyklus im Leben des roten Korsaren und seines Sohnes Rick beginnt. Eigentlich scheint es zu Beginn eine einfache Angelegenheit zu sein. Eine Frau ist in Gefahr und muss gerettet werden. Dass letztlich das Leben so manches bekannten Piraten am seidenen Faden hängen wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Der Comic-Autor Jean-Michel Charlier schickt den roten Korsaren aus der amerikanischen Hemisphäre in die alte Welt zurück. Damit auch ja keine Pause aufkommt, setzt er seine Helden komplett durch all drei hier vorliegenden Geschichten unter Zeitdruck.

Gefährliche Erbschaft, Die Gefangene und Das Höllenschiff beschreiben eine Jagd auf unterschiedlichen Wegen. Mit dem Ende der dritten Episode ist das Langezeitabenteuer noch nicht am Schluss angelangt, aber immerhin konnte der Leser schon einen sehr ausgiebigen Blick auf das neue Schiff des roten Korsaren werfen. Der neue Schwarze Falke ist frisch von der Werft in Amsterdam gelaufen und spielt im dritten Abenteuer der 6. Gesamtausgabe der Reihe eine zentrale Rolle. Für die Feinde des roten Korsaren (und es sind sehr, sehr viele in dieser Folge) wird der Schwarze Falke wirklich zum Höllenschiff. Meisterzeichner Victor Hubinon gestaltete Seeschlachten, wie sie in diesen Konstellationen sicherlich äußerst selten, dafür aber umso aufregender sind.

Die Karibik lassen die beiden legendären Comic-Künstler in diesem Band komplett hinter sich. Die Jagd geht quer über den Atlantik, hinein ins Mittelmeer. Als neue Feinde treten die Mauren auf, teilweise von Europäern aufgestachelt. Geld und Liebe sind bald auf orientalischer Seite im Spiel, die europäischen Intriganten begnügen sich mit der Schacherei um die Macht. Österreich streckt seine Fühler gen Italien aus. Mittendrin stellt Rick, der Adoptivsohn des roten Korsaren weiterhin eine moralische Instanz dar, aber er wird hier sehr schnell an seine Grenzen geführt. Erkennen will er sie dennoch nicht. Da greifen seine Freunde ein. Zuerst zur Unterstützung herbeigeeilt, stellen sie die Vernunft in den Vordergrund und belehren ihren Freund nach Piratenart.

Die drei Abenteuer sind mit einer tollen Geschwindigkeit erzählt (Stichwort: Wettrennen gegen die Zeit) und jedes Ereignis sorgt für einen nur noch größeren Sprung nach vorn. In der Episode Das Höllenschiff gipfelt dieser Erzählschwung von Jean-Michel Charlier. Von diesem Gipfel geht es in die Schussfahrt, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Schwarze Falke mit den feuerroten Segeln kann gleich mehrfach seine Eignung in der Schlacht beweisen. Wo sich andere Schiffe (auch durch eine weniger findige Besatzung) die Zähne ausbeißen, kann das Piratenschiff sich freikämpfen. Pirat hin oder her, der rote Korsar und seine Mannen waren nicht häufig vom Glück begünstigt (allenfalls im richtigen Moment), so ist es einmal spannend mit anzusehen, wenn der Teufel mit ihnen ist. So betonen es die Halunken beider Seiten oft genug.

Die maltesische Hafenausfahrt, die über einen besonderen Schließmechanismus verfügt, wie auch die maurischen Piraten können ein Lied von der Schläue und der Durchsetzungsfähigkeit ihrer karibischen Kollegen singen. In den abschließenden Kämpfen, während derer nicht allein, aber besonders der technische Vorsprung des Schwarzen Falken eine Niederlage selbst gegen eine Überzahl des Feindes unmöglich macht, herrscht wieder eine Kintoppatmosphäre, wie sie mit Leinwandhelden wie Errol Flynn und auch neuerdings Johnny Depp einhergehen (allerdings ohne Fantasy).

Eine geballte Ladung Roter Korsar lässt sich mit Fug und Recht unter dem Strich für die sechste Gesamtausgabe der Reihe behaupten. Hier kracht es, dass sich die Balken biegen und brechen. Deutlich mehr Action und Rasanz als gewöhnlich. Klasse! 🙂

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Sonntag, 27. Dezember 2015

Die Abenteuer von Blake und Mortimer 20

Filed under: Abenteuer — Michael um 18:47

Die Abenteuer von Blake und Mortimer 20 - Der Stab des PlutarchDer Zweite Weltkrieg. Eine neue Wunderwaffe der deutschen Streitkräfte steigt in die Lüfte und steuert mit einer unglaublichen Geschwindigkeit den Luftraum über dem britischen London an. Die Spitfire-Jagdflugzeuge der Royal Airforce sind dem düsenbetriebenen Nurflügler hoffnungslos unterlegen. Captain Francis Blake wird vom einem Flugzeugträger der englischen Marine mit einem ebenfalls düsenbetriebenen Prototypen auf Verfolgungsjagd geschickt. Er trifft ein, als die deutsche Maschine die ersten Attacken auf die Houses Of Parliament fliegt. Ein erbarmungsloser Kampf über den Dächern Londons beginnt.

Francis Blake und Professor Philip Mortimer sind zurück und steigen in der Hochphase des Zweiten Weltkriegs geradewegs ein in ein Abenteuer aus Spionage und Täuschungsmanövern. Im in Literatur und Unterhaltungsmedien mehrfach behandelten Bletchley Park, dem Herzen der englischen Gegenspionage, werden die beiden Akteure innerhalb streng geheimer Projekte und machen die Bekanntschaft mit einer, aus Sicht des Lesers, sehr vertrauten Figur.

Yves Sente schickt die beiden gestandenen Helden in eine sehr verzwickte Episode, innerhalb der Serie um Die Abenteuer von Blake und Mortimer, gleichzeitig im Zweiten Weltkrieg, denn das Schicksal der Nation steht auf dem Spiel. Wo der deutsche Feind besiegt werden kann, stehen neue Gegner bereits bereit, um gegen die Überlebenden und Sieger dieser weltumspannenden Auseinandersetzung zu Felde zu ziehen. Aus diesen Zutaten heraus entsteht die Ausgangssituation der 20. Folge, Der Stab des Plutarch. Einerseits stolpert der Leser zusammen mit Francis Blake in die Welt der Geheimdienste hinein, andererseits erfährt er auch viel über die Arbeiten an neuen Gerätschaften und Techniken, die einerseits eine Überlegenheit herstellen, andererseits den Feind verwirren und ablenken sollen.

Scaw-Fell und Bletchley Park als Schauplätze dieser Geschichte sind genau die richtigen Orte, an denen Zeichner Andre Juillard eine perfekte Atmosphäre herstellen kann. Ein dritter optischer Höhepunkt ist der Luftkampf über London. Spielen die Schauplätze Scaw-Fell und London mit den technischen Ansichten, geheimen Anlagen und original Kulissen, ergibt sich Bletchley Park ganz einer intellektuellen Atmosphäre mit geselligem Beisammensein und Ereignissen, die sich im Schatten abspielen. Davor gerät der rote Faden der Handlung fast ein wenig in den Hintergrund. In der klaren Linie von Andre Juillard findet sich keinerlei Makel, nur versiertes Handwerk und ein genauer Blick, der jene Vorstellungen einfängt, die man als Leser aus Filmen und Fotografien jener Epoche haben kann.

Abseits der Aktion: Very British. Die Reserviertheit im Miteinander, in jeder Situation die Haltung zu bewahren, ist schön anzuschauen. Denn der Leser trifft diese Haltung nicht nur auf Empfängen an, sondern noch in den kleinsten Szenen bis hin zur Höflichkeit, die ein bewaffneter Wächter an den Tag legt und einen allzu neugierigen Geheimdienstmitarbeiter in seine Schranken weist. Gerade vor der neuen Serientradition, die diesen gesellschaftlichen Umgang zur Spielwiese erklärt hat, ist der 20. Band der Reihe ganz aktuell zu nennen (und gleichzeitig sind seine älteren Vorgänger sozusagen Vorreiter).

Ein gepflegtes Agentenstück, das voll und ganz auf die Gentleman-Auftritte seiner beiden Helden setzt, Action in Maßen einsetzt und zeitlich vor dem Kampf um die Welt einzuordnen ist. Eine feine Vorgeschichte, die Informationen vertieft, ohne von den späteren Ereignissen etwas vorweg zu nehmen. 🙂

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Dienstag, 22. Dezember 2015

GOLIAS 4 – SEELENTOD

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:10

GOLIAS 4 - SEELENTODDas kleine Segelboot hat die Gefährten über eine lange Strecke getragen. Vor den Klippen vor der Küste der Insel müssen die Planken kapitulieren. Das Holz bricht, das Schiff sinkt, die Helden müssen den letzten Rest des Weges schwimmen. Erschöpft durchqueren sie die Brandung und gehen an einem Strand an Land, der ihnen bekannt erscheint. Glück im Unglück also, so dass die Freunde sich zu recht freuen können. Sogar die Göttin Artemis schenkt GOLIAS, dem Heimkehrer und Prinzen, ihre Gunst, obwohl sie ihm auch eine kleine Schlappe beibringt. Zum Schluss verlässt sie die Menschen, insbesondere GOLIAS mit einer Warnung. Hüte dich vor Hekate.

Ist die Tragödie eine griechische Erfindung? Oder ist es einfach menschlich? Am Ende ist es einerlei, wenn die Götter den Menschen das Glück nicht gönnen, dann kann der Mensch nur blindlings in das Unheil hineinlaufen. Dabei schien das Glück abseits aller Dramatik doch noch auf dem Weg zu liegen. Der gute Freund von Prinzen GOLIAS hatte seine Liebe in der Schwester des Thronfolgers gefunden. GOLIAS und sein kleines Gefolge erreicht die Gestade der Heimat, nach langer gefahrvoller Reise. Und es könnte sogar eine Romanze für den Prinzen geben, wenn es das Schicksal wohl meint. Aber zunächst eben meint es das Schicksal ganz und gar nicht gut und hetzt der kleinen Gruppe brutale Zentauren auf den Hals.

Keine Verniedlichung der Zentauren. Bloßer menschlicher Oberkörper, ein Pferdekorpus, Reißzähne, lüstern, brutal und hungrig auf Menschenfleisch. Für die Reisenden um GOLIAS bildet das Zusammentreffen mit diesen für uns Leser mythologischen Gestalten eine der größten Gefahren des nun abgeschlossenen Vierteilers. Das Titelbild zeigt eine Verfolgungsjagd im Stile von griechischen Vasenmalereien, wenn auch comicartig überzogen. Allerdings wird damit das Verhalten der Zentauren auf den Punkt gebracht. Sie sind einzig von ihren Trieben motivierte Ungeheuer, die nur durch die Androhung von Gewalt (einer lange vergangenen Niederlage auf dem Schlachtfeld) in ihrer Region gehalten werden. Ausgerechnet das Erscheinen von GOLIAS macht diesen brüchigen Frieden zunichte.

Noch einmal überschäumende Dramatik. In der ersten Hälfte kündigt sich das Unheil an. In der zweiten Hälfte rast es los. Als Leser wird man misstrauisch, möchte warnend eingreifen, aber wie eben in der Tragödie so ist, sieht der Zuschauer mehr als die Akteure und es bleibt ihm nicht viel mehr als die Hand schockiert vor den Mund zu heben und mit den Figuren zu fühlen, die wirklich alles Mitleid verdient haben. Jerome Lereculey ist es mit seinem exzellenten Strich zu verdanken, dass die Empfindungen der Hauptfiguren so trefflich herüberkommen und Freud wie Leid in der Geschichte so toll funktionieren.

Und nicht nur das. Glaubt man gerade noch, mit den Zentauren ein grauenvolles Monster entdeckt zu haben, weil es intelligent ist und dennoch nicht vor seinen Untaten zurückschreckt, kommt es in nur einem einzigen Bild noch viel ärger. Der Anblick lässt keinen Zweifel darüber, dass sich bald zwei unversöhnliche Feinde gegenüberstehen werden, von denen zwar jeder der beiden überzeugt ist, der andere sei in Wahrheit das Ungeheuer, in Wahrheit schenkt sich keine Seite etwas. Jerome Lereculey zeichnet einen bösartigen König von Ankinoe, der mit nur wenigen Szenen Furcht verbreitet, aber dafür umso stärkere Auftritte hat.

Ein würdiger, wenn auch tragischer Abschluss. Aber hier legen sich Menschen mit Göttern an und wer sich die alten Tragödien ansieht, kann schnell Vergleiche ziehen. Fred Duval will hier nichts glatt ziehen, sondern der klassischen Linie treu. Mit einem feinen Händchen für antike Szenarien illustriert. 🙂

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Dienstag, 24. November 2015

CAP HORN 4 – Der Prinz der Seele

Filed under: Abenteuer — Michael um 16:28

CAP HORN 4 - Der Prinz der SeeleIm Sturm entdecken die Männer auf dem Dampfer ein weitaus kleineres in Seenot geratenes Segelboot. Die Überlebenschancen des Skippers und seines Hundes sind bei diesem Seegang verschwindend gering. Der Kapitän des Dampfschiffes hingegen hält die Chancen für groß genug und will das Boot, dessen Mast gebrochen ist, links liegen lassen. Doch er hat die Rechnung ohne einige seiner Passagiere gemacht. Der Skipper wird gerettet, sogar der Hund, dennoch endet die Episode tragisch. Selbst das Nachspiel, obwohl von einer gewissen Schadenfreude getragen, hat einen bitteren Nachgeschmack.

Christian Perrissin und Enea Riboldi haben sich eines ungewöhnlichen Szenarios angenommen, das in jedwedem Medium, ob nun Roman, Film oder Comic sehr stiefmütterlich behandelt wird. Ja, sogar Dokumentationen zu diesem Thema und Flecken auf der Weltkarte sind nicht sehr breit gefächert, wiegt man sie gegen andere, weitaus populärere, fachlich aufbereitete Informationen auf. In Feuerland entwickelte sich eines jener vielen Dramen, mit denen Ureinwohner auf dem ganzen Globus zu kämpfen hatten, wenn der weiße Mann, meist Europäer, sich anschickte, sich auch noch das letzte Stück Ödnis nutzbar zu machen.

Kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts bietet sich ein merkwürdiger Anblick. Man sucht als Leser nach Vertrautem, aber die Landschaft, vom Ozean einmal abgesehen, wirkt seltsam. Karg einerseits, mit einer Vegetation, die sich irgendwie wehrt andererseits. Für den Helden der Geschichte, Johannes Orth, einem angeblich Schweizer Bürger, birgt sie große Gefahren, in der Vergangenheit ebenso wie in der Gegenwart. Verluste sind vorprogrammiert und es ist nicht abzusehen, ob die Hauptfigur das Ende überhaupt überleben wird. Die Geschichte muss als Drama bezeichnet werden. Sie ist kein rechtes Abenteuer, tendiert oberflächlich in die Richtung jener Geschichten, die ein Jack London schrieb. Ein Held findet sich über die Mühsal des Lebens irgendwann selbst.

Oder er findet überhaupt zu einem Leben, nachdem er sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen hat. So wie hier, denn Johannes Orth ist auf der Flucht vor sich selbst, vor angeblichen Freunden, vor Feinden, die ihn nur zu gern für ihre Zwecke benutzen wollen. Mehr darüber zu sagen, hieße nur allzu viel darüber zu verraten. Christian Perrissin erzählt sehr melancholisch. Er berichtet über viele tragische Augenblicke, von Aussichtslosigkeit, von Aufgabe, von Menschenverachtung und in der Tat ist der eingangs geschilderte Untergang und die Dezimierung der Yamana, einer Ureinwohnerzivilisation, sinnbildlich für den menschlichen Wahnsinn. Aus 3000 wurden binnen weniger Jahre 300, getötet von eingeschleppten Krankheiten und Seuchen.

Enea Riboldi (Zeichner) und Helene Lenoble (Farben) zeigen ein fein realistisch lebendiges Bild dieser vergangenen Epoche. Hier wurde sehr viel Wert auf Authentizität gelegt. Majestätische Landschaften im Hintergrund, Schiffe kämpfen mit der Urgewalt des Meeres, prächtige Schiffe liegen vor Anker und dem entgegen gesetzt werfen bei einen grafischen Blick ins alte Argentinien, einer europäisch anmutenden Bastion in Südamerika. Präzise Striche, charakterstarke Figuren werden von einer kräftigen, verträumten Kolorierung ergänzt. Filmisch gesprochen wurde ein schönes Tageslicht eingesetzt. Nächtens bettet ein Blaugrau ein leuchtendes Orange der Flammen ein. Kurz, in der Nacht geht der freundlich ausgeleuchtete Eindruck des Landes komplett verloren.

Ein sehr gelungener Blick in ein völlig anderes Kapitel der zivilisatorischen Vergangenheit. Fern allen Mainstreams erzählen Christian Perrissin und Enea Riboldi von einem Mann, der alles verloren hat und bereit ist, den letzten Ausweg zu nehmen. Doch irgend etwas hält ihn immer wieder davon ab. Toll illustriert! Band 4 schließt die Geschichte von CAP HORN ab. 🙂

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Donnerstag, 19. November 2015

TYKKO der Wüstensohn – Band 3

Filed under: Abenteuer — Michael um 13:52

Die Legenden von Troy - TYKKO der Wüstensohn - Band 3 - Die Hügel der hundert TempelEine Sandwolke kündigt Verfolger an. Anfänglich glaubt Tykko noch an eine Reiterschar, die da so närrisch auf sich aufmerksam macht. Leider ist es nur ein Verfolger. Leider, denn der Verfolger ist gigantisch, ein Sandegel, der sich durch die Wüste bohrt wie ein riesiger Wal durch die Meeresfluten. Tykko spornt Nigro, sein Reittier an und um Haaresbreite gelingt die Flucht auf ein Felsplateau. Und ausgerechnet dieser Fluchtpunkt erweist sich als das vorläufige Ziel der Reise.

Die Hügel der hundert Tempel sind ein faszinierendes Labyrinth, in dem unterschiedliche Verehrungen aufeinanderprallen. TYKKO, der Wüstensohn, hat hier eine Aufgabe zu erledigen. Magie soll ins Leben, so wie es eben nur auf TROY möglich ist, zurückgerufen werden. Das System, wie es bislang vorherrschend war, soll beendet werden, begünstigte es doch nur einige Wenige und machte die Mehrheit abhängig. TYKKOs Auftrag führt zu einer schwierigen Prüfung, die für ihn eigentlich unmöglich zu absolvieren ist.

Christophe Arleston, hier mit Unterstützung durch Melanyn, hat verschiedenste Strömungen innerhalb der Weltenstruktur von TROY abgehandelt. Jedem menschlichen Einwohner eine magische Fähigkeit mitzugeben, bündelt dieses Universum im Kern, erleichtert dem jeweiligen Subjekt nur nicht unbedingt immer das Leben. Vor dem Hintergrund mittelalterlicher Gesellschaften, mit Trollen und Monstern versehen, sogar ins ferne Weltall hinein, konnte der Leser bisher dieses Universum erkunden. Mit der Abenteuergeschichte um TYKKO verschlägt es den geTROYen Fantasy-Fan in eine Welt, in der sich persisches Märchenambiente ausbreitet, gepaart mit modernen Einflüssen aus der Spielewelt.

Dies ist der dritte Band der Reihe. TYKKO hat sich inzwischen sehr weiterentwickelt, nachdem einige Gefahren erfolgreich bewältigt worden sind. Einfacher machen es ihm Arleston und Melanyn hier kaum. In den Hügeln der hundert Tempel warten Menschenfresser, diverse Kulte und insbesondere einer, der mit Männern wahrhaftig auf dem Kriegsfuß steht und scharf bewacht wird. Hier wurde der Fantasie freien Lauf gelassen, Klischees eingeflochten, Überraschungen eingewoben, so dass etwas wie ein Jahrmarkt der Kulte entstanden ist, immer ordentlich voneinander separiert.

Eine großes Lob für eine sehr atmosphärische Farbgebung ist dem Koloristen Cyril Vincent zu zollen. Aber es ist noch mehr als das. Die Farbgebung ist hier thematisch wunderbar konzipiert worden und dem 1001 Nacht Szenario fein angepasst. Etwas milchig, pastellig, wie mit Gouache und Kreide zu Papier gebracht, ist es organisch und leuchtend. Hinzu kommt eine tolle Feinarbeit, bis ins kleinste Bild hinein. Grandiose Kulissen aus der Wüstenlandschaft oder später im Inneren der Tempel bringen ein Fantasy-Gefühl auf die Seiten, wie es durch die Sandoptik auch nahe eines Wüstenplaneten ist. Gerne glitzert es hier in der Finsternis oder werden Untote der Dunkelheit entrissen.

Wohin kein Mann gehen darf … da kann ein Eunuch hinein, wenn er sich auch tarnen muss, damit seine männliche Vergangenheit nicht auffällt. Aber nicht jeder will auf diese Weise an den Wachen vorbei schleichen. Tykko findet eine andere Möglichkeit. Keramidas, Zeichner von TYKKO, gestaltet ein spannen eindringliches Finale, vor allem mit einem höchst interessanten Wachhund namens Kurgän, der stellvertretend für die teils putzigen, teils überzogen gefährlichen Lebewesen, Tiere in diesem Teil von TROY. Hier schließt sich ein grafischer Kreis zu den Lebewesen in TROLL VON TROY, als habe sich Keramidas ein wenig an die Arbeit seines Kollegen Jean-Louis Mourier angelehnt.

Ein schönes Märchen, ein wenig persischer Mythos, ein wenig Computerspieltheatralik und Action, ganz viel TROY und schon entsteht eine weitere Nische in dieser wundersamen Welt unter der Regie von Christophe Arlestons nie erlahmender Fantasie. Klasse, aber die Kenntnis der ersten beiden Teile ist zum besseren Verständnis des dritten Teils Pflicht. 🙂

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Donnerstag, 05. November 2015

BUDDY LONGWAY Gesamtausgabe 1 – Chinook

Filed under: Abenteuer — Michael um 19:16

BUDDY LONGWAY Gesamtausgabe 1 - ChinookDie Jagd war gut. Buddy Longway hat eine Menge Felle gesammelt und kann sich getrost auf dem Weg zurück in die Zivilisation machen. Und damit fängt der Ärger auch schon an. Als er das Fort erreicht, wird er Zeuge, wie mehrere Männer eine Frau verprügeln. Buddy Longway schreitet ein und entreißt sie ihren Peinigern. Erst nach einer kurzen Flucht stellt er fest, dass es sich bei der Geretteten um eine Indianerin handelt. Chinook, wie die junge Frau mit Namen heißt, hat nur einen Wunsch. Sie möchte zurück zu ihrem Volk, den Sioux. Buddy Longway ist noch nicht lange genug in der Wildnis, um zu wissen, dass Indianer nicht gleich Indianer ist. So hält er es zunächst für eine gute Idee, sie zu einem Dorf der Crow zu bringen. Wie falsch er damit liegt, soll er allzu schnell merken.

Ein Klassiker ist zurück, im neuen Gewand, mit redaktionellem Teil versehen, entführt die erste Gesamtausgabe von BUDDY LONGWAY zurück in jene Tage, als Publikationen wie YPS einen gehörigen Anteil des Wegs für den Trapper ebneten und ihn einer großen Leserschaft bekannt machten. Der schweizerische Comic-Künstler Claude de Ribaupierre, Künstlername DERIB schuf diesen geradlinigen Trapper 1973. Der Wilde Westen ist eine unberührte Natur, weit und schön. BUDDY LONGWAY ist ein Mann, der diese Welt bestaunt, ihre Ureinwohner genauso wie die Schönheit der Landschaft. Aber er besitzt auch die nötige Ehrfurcht, um sich nicht allzu leichtsinnig in dieser Umgebung zu bewegen. Darüber hinaus hat er das Herz am rechten Fleck, eine echte Sympathiefigur also.

Von Anfang an verfolgt DERIB einen realistischen Strich, der jedoch bei den Augen seiner Figuren endet. Hier wird immer noch mit dem klassischen Augenoval gearbeitet, wie sie sogar ein Asterix besitzt. DERIB verzichtet aber auf das Weiße im Auge. So abstrahiert er sein Westernabenteuer zunächst minimal. Das Kennenlernen von CHINOOK, letztlich der Beginn einer der schönsten und längsten Liebesgeschichten der Comic-Historie (durchaus einer Reihe mit Prinz Eisenherz und Aleta). Nach wie vor ist es selten, dass das Leben einer für eine Comic-Reihe erfundenen Figur derart lang beschrieben und entwickelt wird. Entstanden ist ein Familienleben, das einen Anteil nehmen lässt an den schönen Momenten, den Erlebnissen, den Gefahren.

Und davon gibt es reichlich. Indianer sind in dieser Hinsicht nur ein Beispiel und diese sind für BUDDY LONGWAY wenigstens berechenbar. Wenn weiße Ganoven ins Spiel kommen, packt einen der Nervenkitzel. In typischer 70er-Jahre-Manier, wie sie auch der Thriller jener Zeit kannte, halten mit dem Auftreten der jeweiligen Outlaws Brutalität und nicht selten auch Wahnsinn Einzug. Das dritte Abenteuer in diesem Band, Gefährlicher Besuch beginnt vergleichsweise heiter. Die Familie gedeiht. Buddy geht in seinem Leben mit Chinook und seinem Sohn Jeremiah auf, zu den Sioux bestehen gute Beziehungen. Das Glück ist ihnen hold, bis die Fremden auftauchen und sich eine Situation entspinnt, wie sie bedrohlicher kaum sein könnte und den vorherigen Sequenzen völlig entgegen steht.

Allein. Sind die ersten beiden Abenteuer, Chinook und Der Feind noch im Stile eines Mark Twain sehr gut für jugendliche Leser geeignet, auch vor dem Hintergrund der zeitlichen Einordnung betrachtet, ändert sich mit der dritten Geschichte und ihrer Ernsthaftigkeit in Erzählung und Grafik auch ein Stück weit die Zielgruppe. Sie wird größer, ein All-Ager. Mit der vierten Geschichte, Allein, festigt DERIB diesen Status. Der Beginn ist klassisch zu verstehen. BUDDY LONGWAY wandelt hier auf den Spuren eines Robinson Crusoe und eines Jeremiah Johnson (was er von der Handlung bereits vorher tat).

Grafisch ist DERIB auf der jeweiligen Höhe seiner Zeit. Ob er mit seinem gekonnten Tuschestrich und der leichten Kolorierung nun anfänglich noch GREG näher ist oder im weiteren Verlauf einem JEAN GIRAUD und was einem besser gefällt, muss am Ende jeder Leser selbst entscheiden. Fakt ist, dass DERIB seiner Westernserie mit einem vollkommen realistischen Strich langfristig wohl eine größere Erfolgschance eingeräumt hat. Er hat recht behalten. Allein könnte kaum näher an der Hauptfigur sein und eindringlicher auf die Gefühle von BUDDY LONGWAY eingehen.

Ein wunderbares Westernepos erlebt hier seinen Neubeginn, das lässt sich nicht anders sagen. BUDDY LONGWAY ist ein Comic-Held, der die Leser sehr nahe an sich und seine Familie, sein Leben heran lässt, man könnte sagen, die besondere Welt der Trapper erlebbar macht. DERIB ist mit BUDDY LONGWAY etwas ganz besonderes gelungen. Für Western-Freunde neben anderen großen Namen wie BLUEBERRY oder JERRY SPRING ein absolutes Muss.

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Freitag, 30. Oktober 2015

CORTO MALTESE 2 – Im Zeichen des Steinbocks

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CORTO MALTESE 2 - Im Zeichen des SteinbocksEine geheimnisvolle Erbschaft lockt den jungen Tristan Bantam in die weite Welt hinaus. Der Vater ist gestorben und hat ihm hinterlassen, dass er noch eine brasilianische Familie gehabt habe. Mehr noch, er hat eine Schwester, die ihm bislang nicht begegnet ist: Morgana. Mit Hoffnung im Herzen trifft er auf Corto Maltese und an der Seite dieses Weltenbummlers schlittert er in das größte Abenteuer seines Lebens. In der Welt von CORTO MALTESE geben sich die Menschen mit geheimnisvollen Vergangenheiten die berühmte Klinke in die Hand. So mancher will seine Vergangenheit vergessen, fernab der Heimat in Alkohol ertränken. So jemand ist auch der Professor aus Prag, der sich Corto irgendwie an die Fersen heftet und zu einem Wegbegleiter wird.

Strolch mit Samtaugen. Eine schöne Umschreibung für CORTO MALTESE, eine der treffendsten, die über den Tunichtgut geäußert wurden. Hugor Pratt, Comic-Universalkünstler, hat selbstverständlich, wie kann es anders sein, einer Frau diese Worte in den Mund gelegt. Der Strolch ist Seemann und kann bereits auf einen guten Einstand in karibischer See zurückblicken. Nun lachen brasilianische Ausblicke. In mehreren Einzelgeschichten, die alle von einem roten Faden zusammengehalten werden, jagt CORTO MALTESE wieder dem Glück hinterher. Er ist nie allein und doch dürfte er zu den einsamsten Comic-Figuren gehören, die je das Licht dieses Mediums erblickten.

Mystische Welt in südamerikanischen Gefilden. Hugo Pratt liebt diese Rätsel, die mit seltsamen Symbolen in Verbindung stehen. Er liebt die merkwürdigen Konfrontationen, wenn einige Figuren dem Wahnsinn, der Gier, der Verzweiflung, einem tiefen Gefühl zum Opfer fallen und sich hinreißen lassen, völlig im Extrem aufgehen. Nicht selten gibt es dann Tote. Aber auch das ist die Welt von CORTO MALTESE. Entscheidungen werden mit der Faust gefällt. Nicht selten kommen auch Mordwerkzeuge zum Einsatz. Nachhaltig wird dem Leser eine Auseinandersetzung von CORTO MALTESE in Erinnerung bleiben, die der Held unter dem Geschützfeuer von Kanonen auszuhalten hat. Sie ist neben einigen kleineren Scharmützeln besonders einprägsam, erst recht, da ein alter Bekannter kräftig mitmischt.

Blick zurück in zurückhaltender Verzweiflung. Schaut ein Abenteurer auf sein Leben zurück, auf einzelne Episoden, bedeutende Abschnitte, die ihn maßgeblich geprägt haben, dann kann das Ergebnis nicht immer zur Zufriedenheit ausfallen. CORTO MALTESE, der nicht sesshaft sein will, nicht sein kann, weil es ihn immer weitertreibt, macht dank Hugo Pratt einen kleinen Seelenausflug. Für den Leser sind die Begebenheiten dieses Trips bekannt, in der Kürze vorgetragen, wirken sie besonders eindringlich. Es wird deutlich, wie zerrissen der von Pratt erschaffene Held eigentlich ist, obwohl CORTO MALTESE mit einem losen Mund werk und einer geballten Ladung von Lebensweisheiten über einen tiefen Schmerz hinwegzutäuschen versucht.

Die entwurzelte Figur ist, auch das ist der sensiblen Erzählweise von Hugor Pratt zu verdanken, aber nicht gefühlsduselig. CORTO MALTESE wehrt sich im Gegenteil gegen das Abrutschen in Depressionen. Aus der gedanklichen Grube heraus macht er Schritt auf Schritt, bis er wieder obenauf ist. Hugo Pratt lässt für den Leser viel zwischen den Zeilen übrig, zum eigenen Enträtseln, sollte jemandem danach sein. Andernfalls genügt der nachdenkliche Held, der eben mehr ist als nur ein Haudrauf.

Hugo Pratt, ein Meister der schnellen Skizze. Zwei, drei ganzseitige Farbskizzen in einem auf die Geschichte einstimmenden Teil im Vorfeld des Abenteuers haben Leinwandcharakter und könnten tatsächlich unter tropischem Licht entstanden sein. Es sind nur einfache Arrangements, aber sie besitzen eine leichte, klare Stilistik und strahlen regelrecht.

Abenteurer, Gauner, Schwerenöter, ein klein wenig Philosoph, ein guter Freund und nicht selten erbarmungslos gegenüber seinen Feinden. Hugo Pratt hat mit CORTO MALTESE die Karibik verlassen und folgt neuen Spuren nach Südamerika. Anders im Aufbau als die SÜDSEEBALLADE, probiert Hugo Pratt einen anderen Erzählstil, in kleineren Häppchen, mit mehr Höhepunkten. Sehr schön! 🙂

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