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Comic Blog


Mittwoch, 02. August 2017

MOTOR CITY

Filed under: Thriller — Michael um 16:20

MOTORCITYLaut, schnell, dreckig, gefährlich, röhrende Motoren, konzentrierte Biker. Speedway-Rennen machen LISA FORSBERG seit ihrer Kindheit Spaß. Ihr Vater nimmt sie nach ihrer Rückkehr in die Heimatstadt zu diesem harmlosen Vergnügen mit. Dabei ist sie mit den Gedanken längst woanders. Erst seit kurzer Zeit im Dienst, hat sie der Alltag bei der Polizei komplett eingefangen. Es dauert nicht lange und schon klingelt das Mobiltelefon. Die Arbeit ruft, das Familientreffen ist vorbei. Ein Großeinsatz wartet …

Die guten alten Zeiten, die 1950er Jahre, fangen gleich hinter Linköping, in Schweden, an. SYLVAIN RUNBERG begibt sich auf skandinavische Krimispuren und bringt das Mordsland Schweden hinein ins Medium Comic. Schwedische Rocker haben Spaß am Lifestyle der 1950er mit Hillbilly und Rockabilly. Sie fahren alte amerikanische Straßenkreuzer, kopieren Südstaatenflair, trinken Bier, prügeln sich und mögen an ihren Frauen Jeans und Petticoats. SYLVAIN RUNBERG stellt sich mit dieser Nischenatmosphäre bewusst gegen das schwedische Saubermannimage und lässt in der Provinz regelrecht Welten aufeinanderprallen.

Das allein wäre schon reichlich Stoff für ein starkes Drama, aber der Leser hat es hier mit einem handfesten Krimi zu tun und so lässt sich SYLVAIN RUNBERG auch noch einen perfiden Mord einfallen, ganz im Sinne der skandinavischen Erfolgstradition der letzten Jahre. Im Mittelpunkt steht eine starke junge Frau, LISA FORSBERG, in Linköping aufgewachsen, die nun aus Stockholm zurückkehrt, um ihren Dienst bei der örtlichen Polizei anzutreten. LISA FORSBERG kann ihre Vergangenheit nicht so einfach abstreifen, deshalb ist der Kampf um Anerkennung in einem von Männern dominierten Umfeld doppelt schwer.

Es ist schön, wie SYLVAIN RUNBERG die Vorstellungen des Lesers von einem gleichgeschalteten Europa oder Skandinavien kippt, von denen man als Leser annahm, die Verhältnisse seien einander doch irgendwie recht ähnlich. Plötzlich tauchen Gestalten auf, die ebenso in einen modernen Südstaatenkrimi passen würden, Gewalt und Auftreten inklusive. Und schließlich der Mord: Hier braucht SYLVAIN RUNBERG sich nicht hinter reinen Autorenkollegen wie JOE NESBØ, JUSSI ADLER-OLSEN und anderen echten Skandinaviern zu verstecken. Wie der Mörder zu Werke geht, das kribbelt in Mark und Bein.

PHILIPPE BERTHET begeistert mich mit seiner sehr klaren Linie jedes Mal. Der Stil ist vielseitig einsetzbar, wie er hierzulande mit POISON IVY, PERICO und DEIN VERBRECHEN fabelhaft gezeigt hat. Die sehr exakte Stilistik erzeugt kühl aussehende Bilder, die das Grauen des Mordes, wie hier in diesem Fall, erträglicher macht. LISA FORSBERG wird von PHILIPPE BERTHET als Prototyp der neuen starken, modernen jungen Frau gestaltet. Groß, sportlich, schwarze Haare, praktikabel und frech kurz geschnitten. Tätowierungen aus der Jugendzeit sind bei einer späteren Karriere, nachdem genügend über die Stränge geschlagen wurde, kein Problem mehr.

Schweden ist atmosphärisch hier provinziell, sehr sauber, sogar bei den Halunken gibt es einige sehr aufgeräumte Ecken. Profit geht mit Professionalität einher. PHILIPPE BERTHET bleibt sich treu, denn die sehr feinen Linien, der klare Bildaufbau, benötigen keine tiefer führende Farbgebung. DOMINIQUE DAVID kann bei der Kolorierung weitestgehend auf Schattierungen verzichten.

Der gestandene Polizist ROBERT WETTER und LISAS Kollege ERIK sind Gegengewichte zur weiblichen Hauptfigur. ERIK ist eine Art schwedischer KEN, fast zu gut aussehend für den Job. Dafür macht ROBERT diesen kleinen Ausrutscher wieder gut, erinnert er doch an BULLOCK aus dem BATMAN-Universum, was nicht unbedingt ein Zufall sein mag, stellt es sich doch heraus, dass der maskierte Privatdetektiv zu LISAS Comic-Lieblingen zählt. Und ganz nebenbei freut es mich persönlich, das Gesicht des Bassisten Gene Simmons (von der Rockgruppe KISS) auf einem T-Shirt zu entdecken.

SYLVAIN RUNBERG transportiert den Schwedenkrimi, den skandinavischen Krimi allgemein gekonnt und mit Raffinesse in ein anderes Medium (mal eben nicht in einen Film). Der Leser begleitet die Hauptfigur in eine Nische schwedischen Miteinanders, das aus ferner Sicht so nicht zu erwarten gewesen wäre, als Subkultur hier mit dem Titel MOTOR CITY skizziert. Ist spannend, interessant, wirkt authentisch. TOP von PHILIPPE BERTHET illustriert! 🙂

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Oder bei Schreiber & Leser.

Ein Kommentar »

  1. […] MOTOR CITY DEIN VERBRECHEN PERICO […]

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