JULIE MARTINS Ehe ist gescheitert. Im Beruf läuft es schlecht. Der Kühlschrank ist so gut wie leer. Ihre Mahlzeiten teilt sie sich mit ihrem Hund. Eigentlich kann es nur besser werden. Als sie in der Nähe des MOON LAKE Fotos schießen will, ereignet sich über ihr in der Luft eine Explosion. In der Folge fällt eine Art Hagel vom Himmel. Kleine Kügelchen bleiben dort, wo sie auftreffen, haften. Julies Wagen wird bedeckt, aber auch sie selbst bleibt nicht verschont. Und wirklich seltsam wird es, als sich das Material zu einer Masse verbindet und auf ihrer Brust einen elastischen, metallisch glänzenden Panzer bildet, der sich nicht mehr abziehen lässt …
TERRY MOORE hat sich mit seiner hierzulande neuen Geschichte ECHO des Superheldengenres angenommen. Der Künstler, der seine Comics selbst schreibt und in schwarzweiß zeichnet, stellt einmal mehr eine Frau in den Mittelpunkt seines Abenteuers, das durchaus in zweiter ebenfalls dem Science-Fiction-Genre zugerechnet werden kann. In der ersten Folge, ATOMIC DREAMS, beginnt alles mit einem Test. Ein neues Material, schützende Eigenschaften, eine andere Frau als Testperson, schließlich eine Tote. Kaltblütiges Vorgehen, immer einem finanziellen Interesse vorweg, verschuldet den Tod eines Menschen.
An diesem Punkt kann sich der Leser schnell denken, was der Hauptfigur JULIE MARTIN blüht, wenn sie mit dem Material auf ihrem Körper erwischt wird. Denn die Jagd auf sie ist alsbald eröffnet. TERRY MOORE stellt ihr dringend benötigte Helfer zur Seite. Teils darf der Leser über diese Hilfsmannschaft so überrascht sein wie Julie selbst. Als Jäger steht der jungen Frau ein intellektuelles Schwergewicht gegenüber, sinnbildlich gesprochen. Genauer konzipiert TERRY MOORE die Agentin der NATIONAL SECURITY BRANCH mit dem Namen IVY RAVEN als weiblichen SHERLOCK. Tough, kühl, überaus intelligent, immer Herrin der Lage und Mutter.
Die durchgängige Besonderheit von TERRY MOORE ist die Vorstellung seiner Figuren und seine Erzählweise. Neue Facetten seiner Charaktere oder ihres Umfelds sind immer Überraschungen und der berühmte rote Faden, dem der Leser nur allzu gerne folgt, weil die Handlung Spuren ebenfalls auslegt, von denen nie vorhergesagt werden kann, wann und ob und schon gar nicht wie sie weiterverfolgt werden. Beispielhaft hierfür sind JULIES dunkler Gegner (jeder Superheld braucht zwangsläufig einen) sowie ein Motelbesitzer, der ein fragwürdiges Verhältnis zu Tieren hat und den man als Leser nicht zu sehen bekommt.
TERRY MOORE zeichnet so gut und so exakt in Schwarzweiß, dass der Leser Farbe nicht vermisst. Das darf mit Fug und Recht behauptet werden, denn der Erfolg des Comic-Autors spricht für diese Feststellung. ECHO entstand vor der hier in Deutschland erfolgreichen Serie RACHEL RISING und nach seinem ungewöhnlichen Einstand STRANGERS IN PARADISE. TERRY MOORE nimmt sich für Szenen Zeit, erlaubt den Lesern einen tiefen Einblick in seine Charaktere, bevor, sehr bildhaft, die Hölle losbricht. Während JULIE MARTIN Ehrfurcht, ja, Angst vor ihren neuen Kräften hat, setzt ihr Gegenspieler seine Kräfte gnadenlos und brutal ein. Bei den Endergebnissen dieser Schlächterei darf der Leser über das überaus gnädige Schwarzweiß dankbar sein.
ALBERT EINSTEIN und ROBERT OPPENHEIMER, zwei Wissenschaftler, die mit ihren Arbeiten nicht nur zu einer veränderten Weltsicht beigetragen haben, sondern mit ihrer Forschung aktiv die Zukunft gestalteten, ohne die Folgen gänzlich zu Ende zu denken, werden von TERRY MOORE hier vor den einzelnen Kapiteln zitiert. TERRY MOORE lässt die Worte dieser beiden Genies kommentarlos wirken. Kaum ein Satz der beiden Männer ist geeignet, Optimismus zu verbreiten. Diese Strömung stimmt auf die jeweilig nachfolgende Geschichte ein, die von Kapitel zu Kapitel düsterer wird. Und Strömung ist ein passender Begriff, wenn ein Unwetter über der Wüste in Nevada zum Vorhang für ein höllisches Szenario wird.
Ja, der Mann kann es! TERRY MOORE schickt seine noch ganz am Anfang stehende Superheldin in einen Albtraum. In präzisem Schwarzweiß illustriert stellt er in seiner Geschichte eine ganz normale Frau einem Konzern, der Army und einem Irren gegenüber. Flucht und Überleben wird zum ersten Ziel. An etwas anderes ist kaum zu denken. Ein sehr erwachsenes Superheldenabenteuer, mit kritischen Augen erzählt, mit Horror abgeschmeckt und mit vielen überraschenden Wendungen. Wer abseits der üblichen Heldenuniversen nach Lesestoff sucht, liegt hier richtig. Und TERRY-MOORE-Fans sowieso! 🙂
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