Zum Inhalt springen


Comic Blog


Sonntag, 01. Dezember 2013

Der Wind in den Weiden

Filed under: Klassiker — Michael um 18:41

Der Wind in den WeidenDa ging der Maulwurf spazieren. Alles stimmt. Das Wetter ist schön, die Leute sind freundlich und mit Ratte ist sogar bald ein neuer Freund gefunden. Wer hätte gedacht, dass das Leben so schön sein kann? Ein kleiner Ausflug am Fluss bringt neue Bekannte wie den Otter oder den Dachs, der allerdings ein wenig brummelig ist und gerade keine Gesellschaft will. Der Kröterich kommt vorüber und wird zum Gesprächsthema. Er hat eine neues Ruderboot, nur hat er keine Geduld. Alles muss sofort funktionieren und auch beherrscht werden, sonst kann Verzweiflung oder ein Wutanfall folgen. Beides hält jedoch nie lange an.

Eine Welt voller kleiner (und großer) Wunder: Der Wind in den Weiden. Eine Ratte, ein Maulwurf, ein Dachs und, ganz besonders wichtig, ein Frosch gehören zu der Riege der Darsteller in dem sicherlich unsterblichen Roman von Kenneth Grahame. Es ist eine Welt der Gefühle und Freundschaften, der Leidenschaften. Die Geschichte beschreibt das Leben in all seiner Fülle. Die Umsetzung durch Michel Plessix, zuerst in Einzelgeschichten zwischen 1996 und 2001 erschienen, gehört zu einem Paradebeispiel wie gelungen eine Comic-Umsetzung einer literarischen Vorlage sein kann (und sein sollte). Da er sich eng an den Roman von Kenneth Grahame hält, war ein Scheitern der Adaption nur noch rein grafisch möglich, aber Michel Plessix kann mit seinem märchenhaften Zeichenstil, einer phantastischen Kolorierung auf ganzer Linie überzeugen.

Auftritt: die Ratte und der Maulwurf. Der kleine dicke Maulwurf ist ein kleiner, dicklicher, auch etwas ängstlicher Vertreter seiner Zunft. Mit Abenteuern hat er wenig am Hut, gerne von zu Hause weg ist er auch nicht. Die Ratte hingegen verbringt gerne den Tag draußen an der frischen Luft, jahreszeitlich ungebremst und reißt den Maulwurf mit. An der Seite des neuen Freundes lernt der Maulwurf noch mehr Freunde kennen und hört, bevor er ihn überhaupt zu Gesicht bekommt, einige seltsame, wenn auch freundliche Geschichten über den Kröterich.

Der Kröterich ist der heimliche Held aus Der Wind in den Weiden. Er ist der wahrhaft abenteuerliche Charakter, oft besinnungslos mitgerissen von seinen jeweils neuen Interessen. Technik, Beweglichkeit, Innovationen, aber auch Kultur und Stil haben es ihm angetan. Die Begeisterung, die der Kröterich immer aufs Neue aufbringt, regt zum Schmunzeln an, zum Lachen, vor allem, da Michel Plessix mit dieser Figur noch ein Stück mehr gelingt, sie zu personifizieren, figürlich zu charakterisieren. Durchweg verwendet er nur feine, dünne Striche im Zusammenspiel mit einer seidenweichen, aquarellartigen Kolorierung. Details werden in der reinen Tuschearbeit ebenso beachtet wie in der Farbgebung.

Aber zurück zum Kröterich, der sehr früh vorgestellt wird, aber auch erst zur Mitte hin verstärkt in den Fokus rückt. Aus der tollen ländlichen Umgebung heraus, in der sich die Tiere hauptsächlich bewegen, bricht der Kröterich in die Welt der Menschen aus, wird sogar angeklagt und muss in einer aberwitzigen Verkleidung fliehen. Sind die meisten Tiere für eine heitere, auch irgendwie romantische Atmosphäre gut, steht der Kröterich für Klamauk und bietet die Grundlage für optische Gegensätze. Das Land könnte zu jeder Seite Ansichten von idyllisch anmutenden Postkartenmotiven entsprungen sein. Die Stadt hingegen ist zwar sauber, allerdings eng, gedrängt, überfüllt, hektisch. Und diese Hektik wird durch die Clownerie des Kröteriches noch einmal befeuert.

Sehr schön ist das warme Farbenspiel in Der Wind in den Weiden. Die putzigen Figuren werden hierdurch noch einmal putziger und es ist auch ein Zeichenstil wie auch Farbgebung, die sich amerikanischen Vorbildern verschließt, aber nicht automatisch europäisch zu nennen ist. Es ist eher eine klassische Illustration, die eigene Figuren entwirft, trefflich herausarbeitet, so dass mit den figürlichen kleine Schauspieler entstehen, die dank Michel Plessix hervorragend in der Lage sind, unterschiedlichste Emotionen zu transportieren. Nur so kann Der Wind in den Weiden optisch funktionieren. Im Comic-Bereich wollen vergleichbare Werke regelrecht gesucht werden, jedenfalls solche, die auch eine tatsächliche Erzähltiefe besitzen.

Ein Wort: fantastisch. Eine vorbildliche Comic-Adaption von einem Meister seines Fachs höchst liebevoll, illustriert. Perfekte Unterhaltung, ob nun als Roman oder Comic gelesen. 🙂

Der Wind in den Weiden: Bei Amazon bestellen

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.