Die Liebe kann einem Menschen gefährlich werden. Ein Mann lernt eine Frau kennen, viel jünger als er selbst und er verliebt sich Hals über Kopf in sie. Sie ist jung, intelligent, berechnend, aber vielleicht hätte alles gut ausgehen können. Vielleicht. Jahre später, der Mann ist ergraut, beleibter als früher, mit lichtem Haar, wartet ein Tribunal aus Wirtschaftsmanagern. Es wurden Gelder veruntreut, Reichtümer im Geheimen angehäuft. Der Mann war zu schwach. Er sieht sich vor den Scherben, nein, dem Trümmerhaufen seines Lebens. Einen Ausweg gibt es nicht mehr. Keinen Ausweg? Doch, einen gibt es noch.
Es wäre zu leicht zu behaupten, Frauen würden Largo Winch nur Freude oder Schwierigkeiten bereiten, Fakt ist jedoch, dass der Held aus der Feder von Jean Van Hamme es in dieser Ausgabe mit einer wahrhaft gemeingefährlichen Feindin zu tun hat, die über die Möglichkeiten verfügt, Largo Winch endgültig zu vernichten. Autor Jean Van Hamme wäre nicht derartig erfolgreich, schickte er seinen Hauptdarsteller nicht beständig in schier aussichtslose Situationen. Aus Largos Gegnerin hat er einen fast bond-typischen Feind kreiert, eine verschmähte Frau, die einen lang gehegten Plan über Jahrzehnte bis zu einem furchtbaren Finale verfolgt.
In der Vergangenheit erfährt der langjährige Larga-Winch-Fan Neuigkeiten aus dem Privatleben von Nerio Winch, jenem nicht minder geheimnisvollen Mann, der aus Largo einen der reichsten Männer der Welt schuf. Jean Van Hamme berichtet aus einer zuweilen gruseligen Welt der Megareichen, in der sich nicht nur für Geld alles kaufen lässt, sondern beinahe jeder sich auch für Geld verkauft. So beginnt das Drama, die Tragödie, an deren Anfang eine junge Frau steht, die große Augen für ihr Umfeld hat und mit ihrem Körper eine Chance zu ergreifen glaubt. Aus der Enttäuschung erwächst ein schier bodenloser Hass und damit: WEISSGLUT.
Jean Van Hamme ist ein Vergleich mit der Welt eines der bekanntesten Geheimagenten wohl bewusst, setzt er doch in einer Schlüsselszene, die auch optisch daran erinnert, selbst entsprechende Anspielungen ein. Gleichzeitig aber ist dieser Largo Winch schon lange einer, in dessen Richtung sich der aktuelle Bond entwickelt hat: menschlich. Diesem Largo Winch kann etwas passieren, persönlich wie auch durch Verluste. Das Titelbild gibt einen Hinweis.
Neben der Beschäftigung mit der Auflösung des Gesamträtsels, einer kleiner, sehr humorigen Nebenhandlung, in der das schlimmste Schicksal darin besteht, geheiratet zu werden, wartet die Geschichte, deren Auftakt in Schwarzmeer, Band 17, zu finden war, mit einem großartigen Showdown auf. Philippe Francq war bisher oft vor die Aufgabe gestellt, leinwandwürdige Szenen zu Papier zu bringen. Akribisch geht er auch diesmal zu Werke und kann mit einer ganz besonderen, besser gesagt, ganz besonders großen Kulisse umgehen. Das besitzt in den ruhigeren Momenten vernsche Augenblicke, sehr maritim. Als es schließlich kracht ist das schlichtweg Action-Kino im besten Sinne.
In weiteren Sequenzen, eigentlich nicht weniger gefährlichen, zumindest sind tödliche Konsequenzen denkbar, wächst Silky, Largos Pilotin, kurz über sich hinaus. Diese Situation ist selbst für einen Largo Winch absolut außergewöhnlich, dabei hat er während seiner Abenteuer wahrlich einiges erlebt. Aber es ist auch eine Situation, die bei aller optischen Dramatik, mit einem Augenzwinkern erzählt wird. In weiteren Seitenarmen der Handlung fehlt jegliche Komik. Einzig steht das menschliche Drama im Vordergrund, auch theatralisch vorgetragen, bühnenartig, dafür aber nicht weniger erschütternd.
Darüber hinaus darf der Leser auch neue Seiten an Figuren entdecken. Miss Pennywinkle sei hier genannt, ohne damit zu viel zu verraten. Doch ist ihr Einsatz wieder für ein Schmunzeln gut, denn man darf ihre Szene selbst neben den abenteuerlichen Verhältnissen im vorliegenden Band als sehr bondoesk bezeichnen.
Was soll man sagen? Jean Van Hamme kann es einfach. Zusammen mit seinem Zeichner Philippe Francq wird die Qualität, die Spannung der Abenteuer und Thriller nahtlos hoch gehalten. Dank eines weltweiten Schauplatzes und Charakterweiterentwicklungen sind immer wieder Überraschungen garantiert. Ein sehr guter Handlungsabschluss mit fesselndem Finale. 🙂
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