Sie reden wie die Schtis, sind aber Belgier. Inmitten der Amerikaner führen sie jedoch ein ebenso bescheidenes Schiffbrüchigenleben wie alle anderen. Die Meldungen in der zivilisierten Welt, daheim in den Vereinigten Staaten wären entmutigend, würden die Überlebenden des Flugzeugabsturzes sie kennen. Niemand hofft dort mehr darauf, die verlorenen Passagiere jemals zu finden. Für Spoon und White ist die Lage allerdings noch viel schlimmer. Sie haben ihre angebetete Courtney Balconi, die Star-Journalistin, bei dem Flugzeugabsturz verloren. Was macht da das Überleben eigentlich noch Sinn?
Spoon & White sind LOST! Und nicht nur sie. Auch Courtney Balconi ist bei einem Flugzeugabsturz verloren gegangen. Die beiden Polizisten, Spoon und White, bei ihren Kollegen als Nervensägen verschrien und geradezu verhasst bei ihrem Chef, werden daheim nicht vermisst. Auf der einsamen Insel, wo es jeden Tag um das Überleben aller geht, sind solche Quälgeister wenig hilfreich. Spoon, so eben nur größer als die Pistole, die er trägt, liegt im ständigen Clinch mit dem einzigen Umweltschützer und Tierliebhaber auf der Insel. Und als wäre das noch nicht genug (es führt zu allerlei Schwierigkeiten), gibt es auf der Insel noch ein großes Geheimnis.
So weit, so LOST! Autor Jean Leturgie lässt aber Leser, die sich mit dieser Erfolgsserie nicht auskennen, nicht im Regen stehen. Die beiden Polizisten sind inzwischen derart eigenständige Figuren, so dass sie sich in die Schlange mit anderen Komiker-Duos einreihen können und mit der 8. Ausgabe der Reihe, Neverland, eine Show abliefern, die sich mit ihren Pointen von Anfang bis Ende steigert. Natürlich gibt es viele Anspielungen zu entdecken, allerdings schreibt Jean Leturgie so, als habe er bei den Großen des Fachs, Rene Goscinny oder Morris, gelernt.
Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt. Rückblenden erzählen zwischendurch, wie es den verschiedenen Charakteren ergangen ist. Das simple Überleben, ganz im Stil von Robinson Crusoe, steht im Kern der Erzählung, veralbert neben der erwähnten Mystery-Fernsehserie ein wenig die Belgier, Umweltschützer und das Medium Fernsehen als solches. Wenn gleich drei Fluchtmöglichkeiten sich förmlich in nichts auflösen (auf verschiedene Arten), dann hat Jean Leturgie bereits eine Menge Lachsalven auf den Leser abgefeuert. Sein Sohn, Simon Leturgie, komplettiert mit seinen Bildern die andere Hälfte des humoristischen Feuerwerkrezepts.
Simon Leturgie, der grafisch einen eigenen Stil aufweist, dennoch in den Fußstapfen von Cartoon-Größen wie Morris oder Tabary wandelt, schafft ebenso wie andere erfolgreiche Zeichner seiner Zunft den Kniff, mit relativ wenig Aufwand, einfachen Formen aussagekräftige Figuren von hohem Wiedererkennungswert zu schaffen. Nicht nur die Unterschiedlichkeit der beiden Hauptcharaktere (langer Schlaks, Gnom mit vergleichsweise großer Klappe) trägt zu diesem Ausdruck bei. Auch die Nebenfiguren, die hier erstmals auftreten, sind schnell etabliert und spielen sogar die stärkste Figur des Duos, Spoon, manchmal an die Wand.
Herausragend hier ist der Tierschützer Bulot, ein Gutmensch, wie er im Buche steht, der lieber verhungern würde, als das letzte Wildschwein auf der Insel zu essen. Mit wenigen, sehr gezielten Tuschstrichen entstehen die Charaktere, von leichter Hand gezeichnet. Wie gut Simon Leturgie sein Handwerk versteht, zeigt sich im Auftritt eines Johnny-Depp-Doubles, klassisch als Jack-Sparrow ausstaffiert.
Mit einer Vorankündigung auf die nächste Folge verabschieden sich Spoon & White vorerst. In dieser Folge, mit großem anarchischem Humor erzählt, fallen die Gags nicht nur seitenweise, sondern werden mitunter auch clever vorbereitet, um schließlich noch schöner zu zünden. Leturgie und Leturgie, Vater und Sohn, sind ein Dreamteam. 🙂
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