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Comic Blog


Montag, 16. Juli 2012

Blut und Schweigen 1

Filed under: Thriller — Michael um 19:52

Blut und Schweigen 1Nicht wenige kamen aus Sizilien in dieses neue Land, um dort ihr Glück zu suchen, ihr Glück zu machen oder es sich zu nehmen. Mit Gewalt, falls nötig. Viele legten ihre italienischen Namen ab, viele blieben ehrlich. Aber manche hatten die Erfahrung gemacht, dass der Weg des Gangsters in vieler Hinsicht der leichtere ist. Ansehen, Macht, Geld, für jene bettelarmen Einwanderer aus Sizilien waren es erklärte Ziele. In der neuen Welt, in Amerika, konnte jeder alles erreichen. Für jene, die daheim dem Tode entronnen waren, klang es verheißungsvoll. Für die zwei Freunde, Ciro Villanova und Giovanni Macaluso, Jungen noch, ist es eine Reise ohne Wiederkehr. Daheim hält sie nichts. Dort wartet nur der Tod.

In Amerika angekommen entscheiden sich beiden Jungen. Ihr Lebensweg trennt sich. Der eine, Ciro, wird Journalist. Er will lernen, sich für sein Land engagieren und zieht in den Ersten Weltkrieg. Er lernt eine Frau kennen, will eine Familie haben. Der andere, Giovanni, rächt sich für sein Schicksal, wählt einen vollkommen anderen Weg, wird Gangster und nimmt einen neuen Namen an: Johnny Puparo. Die Prohibition verhilft Menschen wie ihm zu Geschäften, von denen er vorher nicht einmal zu träumen wagte. Ihre Lebenswege driften auseinander. Bis eines Tages aus Freunden Feinde zu werden drohen.

Den Autor Francois Corteggiani werden Comic-Fans hierzulande natürlich von Blueberry her kennen. Corteggiani, der gerne mit Zeichnern zusammenzuarbeiten scheint, die einen eher klaren Strich bevorzugen (wie Colin Wilson oder Michel Blanc-Dumont) hat mit dem ersten Teil von Blut und Schweigen die Geschichte zweier Freunde entworfen, die in einer Art zweiter Gründungszeit der USA, nämlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ihr Leben erst so richtig beginnen.

Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen und doch ständig bedroht kommen die beiden Freunde als Teenager ohne die Begleitung Erwachsener über den Atlantik in ihre neue Heimat. Bereits im ersten Kapitel Wolfsjäger macht Corteggiani keinen Hehl aus der Härte dieser Zeit. Steht die Überfahrt der Jungen noch im Zeichen der Rache, ist die Einwanderung eine Prüfung, absonderlich, die nur der Vorspann für neue Unbill ist. Mulberry Street, das zweite Kapitel, beschreibt, wie sich Giovanni den Gegebenheiten anpasst und stets versucht, stärker zu sein. Wenn nötig, dann auch mit der Waffe. Es ist ein sehr sorgfältig aufgebautes Charakterbild der beiden Freunde, stimmig, einfühlsam erzählt und in jeder Szene schlüssig für die Entwicklung der Charaktere.

Aus der Sicht von Ciro Villanova, des späteren Journalisten, erzählt, ergibt sich auch ein Bild des New York bis hinein in die Zwanziger Jahre. Es ist ein Blick auf einfache Menschen, das alltägliche Leben, abseits der großen Politik und Dynastien, wie sie ansonsten so gerne für Geschichten über jene Zeit verwendet werden. Marc Males zeichnet in einer sehr klaren Linie diese vergangene Welt auf, mit dokumentarischem Blick, sehr akkuraten Tuschelinien und farblich untermalt von bräunlichen, rötlichen und grauen Tönen, mit gelblichen, grünlichen, bläulichen Einsprengseln. Der Eindruck ist kühl, fern, auch industriell. Dieses New York ist nicht einladend. Selbst die so beeindruckende Freiheitsstatue wirkt abweisend.

Dank Marc Males kann der Leser den Charakteren sehr nahe kommen. Sind die Figuren auch sehr individuell gestaltet, mag der Comic-Fan in der Zeichnung der beiden Freunde Ciro und Giovanni doch zwei andere Figuren wiedererkennen. Ciro mit seinen weichen, rundlichen Gesichtszügen erinnert an den von John Romita sen. entworfenen Peter Parker, während Giovanni an Torpedo angelehnt sein könnte, wie ihn ein Jordi Bernet entwarf. Ein längliches, schmales Gesicht mit einem ausdrucksstarken Kinn, schlank, mit intensivem Blick ausgestattet ist Giovanni geradezu eine Paradefigur eines Gangsters geworden.

Wenn aus Freunden Feinde werden und schließlich wieder Freunde: Francois Corteggiani lässt aus der Sicht des Journalisten Ciro Villanova das New York des frühen 20. Jahrhunderts aufleben. Mit sorgfältiger Charakterzeichnung und einer genauen Wiedergabe der damaligen Lebenssituation ist ein wunderbar nostalgischer Rückblick wie auch eine spannende Gangsterballade gelungen. Sehr schön. 🙂

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