Julius II. glaubt, Gott sei grausam. Rache ist der Beweggrund für eine Grausamkeit, die seiner Meinung nach der von Gott in nichts nachstehen soll. Der Geliebte des Papstes wurde getötet. Doch es war kein leichter Tod, noch war es einer, der zufällig geschah. Die Feinde des Papstes wollten einen der mächtigsten Männer in Europa treffen und ahnten nicht, welche Lawine sie damit lostraten und wie sehr sie den Mann auf den Throne Petri unterschätzten.
Andere Gegner agieren offener, mit Pfeil und Bogen, nicht mit gemeinen, hinterhältigen Meuchelmördern. Der Papst weiß, dass er nicht nur auf die politischen Mittel des Hofes, der Ränke und der Intrigen setzen kann. Auf dem Gebiet der Machtpolitik müssen alle Mittel ausgeschöpft werden. Dazu gehört es auch, Diplomaten ins Feld und zum Feind zu schicken. Doch der Botschafter war in früher Zeit ein undankbarer Beruf, da er von sehr kurzer Dauer sein konnte: Von sehr kurzer Dauer, wie die von Julius II. ausgeschickten Kardinäle bald feststellen müssen.
Wer das Verhältnis von Papst Julius II. und Michelangelo in diesem Band betrachtet und es mit der filmischen Umsetzung Inferno und Ekstase von 1965 mit Charlton Heston und Rex Harrison vergleicht, erkennt gleich, was Autor Alejandro Jodorowsky aus den beiden real existierenden Vorbildern gemacht hat: Der Papst Julius II. ist ein machtgieriges, brutales und sexbesessenes Monster, dem kaum noch Menschlichkeit anhaftet (wie übrigens sehr wenigen Charakteren in dieser Geschichte). Michelangelo ist zwar ein begnadeter Künstler, mutiert jedoch in Gegenwart des Papstes zu einem debilen Knecht, der vor Leidenschaft zum gealterten Julius II. kaum noch aus dem Bett kommt.
Jodorowsky schmeckt die Geschichte mit einer Prise Magie ab. Allerdings ist es auch eine Magie, die in jenen Tagen nicht unüblich war und so wird Julius II. durch einen Liebestrank verblendet und letztlich durch diesen zu mörderischer Rache getrieben. Der Papst ein Monster? Nimmt man Jodorowsky diese Figur ab, ist es nur ein Mann, der es auf den päpstlichen Thron geschafft hat und dem es gelungen ist, anderen mit ähnlichen Charaktereigenschaften zuvor zu kommen. Angeleitet von einem Machiavelli, der sich im Bordell über seine Erfolge auslässt, führt der Papst Kriege gegen Feinde, die sich von seinem Amt nicht blenden lassen.
Theo, der schon die historische Reihe Der thönerne Thron gestaltet, kann sich hier einmal mehr als Künstler für realistisch gezeichnete geschichtlicher Szenarien etablieren. Es erwacht eine Zeit zum Leben, die nur oberflächlich betrachtet schön war. Wer bei Michelangelo an die Sixtinische Kapelle denkt und eine Schlussfolgerung auf ein entsprechend schönes Szenario zieht, wird getäuscht. Hier geht es zu Sache: Brutal, sexuell, gemein und alptraumartig. Aber es ist auch überzogen. Theo arbeitet mit einem Szenaristen zusammen, der die Karikatur, das Überzeichnete, in seinen Geschichten liebt.
Julius II. führt seinen Untergebenen ihre Machtlosigkeit vor, indem er ein Päpstin krönen will, Michelangelo in aller Öffentlichkeit küsst. Den Leser selbst führen Jodorowsky und Theo vor, wenn sie die bekannte Szene von Gott und Adam an der Decke der Sixtinischen Kapelle durch Julius II. und Michelangelo im päpstlichen Bett nachbilden. Besonders katholische Leser sollten gar nicht erst in diesen Band schauen. Jodorowsky mag vielleicht Gott, die Kirche hingegen wird bei ihm zum Horrorkabinett. Theos Bilder hierzu sind einfach toll. Man mag das Motiv gering schätzen, die Technik ist jedoch großartig. Da der Künstler noch am Beginn seiner Karriere steht, wird von hoffentlich noch einiges zu sehen sein.
Theo gelingt das Kunststück, Gesichter zum Leben zu erwecken, die einem in Museen von den Gemälden alter Meister her anschauen. Solche Gestalten, die sich zum eigenen Ruhm portraitieren ließen, zeigen hier, wie sie ihren Reichtum erwarben (das gilt natürlich nicht für alle). Es liegt eine gewisse Degeneriertheit in diesen Charakterbildern. Seltsamerweise ist Julius II. von dieser äußerlichen Sichtbarkeit seiner Fehler ausgenommen. Seine Gestalt würde sich auch in einer Piratenmontur gut ausnehmen. Passender ist es denn auch die Form des Ritters, in der sich der Papst hier auch präsentiert und sich nicht scheut, in der vordersten Reihe anzutreten und zu kämpfen: Ohne Rücksicht auf sich selbst, auf andere sowieso. Bei aller Brutalität gibt es auch eine Komik, die an Monty Python erinnert, furchtbar eigentlich und doch legt es Jodorowsky darauf an, Lacher zu produzieren.
Jodorowsky nimmt kein Blatt vor den Mund. Stärker und härter noch als der heilige Schweinehund, brutal, zynisch, kurz ein Jodorowsky, der diese kirchliche Epoche mit wahrer Wonne zu einer Achterbahnfahrt der Perversion macht. Das ist hoch spannend und dank Theo vorzüglich gezeichnet. 🙂
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