Gibt es eine Möglichkeit jemanden vom Vampirismus zu heilen? Kann der Zustand des Untoten rückgängig gemacht werden? Oder gibt es tatsächlich nur eine Möglichkeit, solch ein Monster zu erlösen: Runter mit dem Kopf. Die Gefährten des Grafen Colbus von Malemort fragen sich vollkommen berechtigt, wie ein blutdürstiges Wesen überhaupt entstehen kann. Welche schwarze Kunst ist dazu notwendig? Joachim de Peyrac, der ehemalige Lehrmeister des Grafen, könnte vielleicht helfen, doch dieser berühmte Mann ist seit langem verschwunden. Die Gefolgsleute und Freunde des Grafen beschließen, den ehemaligen Lehrmeister zu suchen und zu finden. Koste es, was es wolle.
Anthea, die sich vom Grafen angezogen fühlt, erfährt endlich nach so vielen Jahren, wer ihr Vater ist. Allerdings ist die Nachricht zu diesem Zeitpunkt nicht sehr nützlich. Selbst der Umstand, dass sie nicht das Kind eines dahergelaufenen Nichtsnutzes ist, ist ihr wenig tröstlich. Ihr Denken kreist um die Person des Grafen, der einzig und allein daran interessiert scheint, sie von sich zu stoßen, da er um ihr Leben fürchtet. Colbus sieht sich längst als Monster, vor dem sich selbst seine Getreuen in Acht nehmen müssen. Erst recht, wenn er es sich um eine junge Frau wie Anthea handelt, deren Liebreiz er kaum zu widerstehen vermag.
Eric Stalner gönnt seinen von ihm geschaffenen Charakteren nur wenig Ruhe. Sie sind ruhelos, rastlos, sie wollen handeln, wissen aber nicht wie. Der Graf will Anthea loswerden, da nicht nur er ihr gefährlich werden kann, sondern auch sie ihm. In dieser Situation lässt Stalner den jugendlichen Übermut Antheas die Oberhand übernehmen. Dabei handelt es sich um ein nicht unübliches Spannungselement. Der Wagemut und die Unvernunft der Jugend, vielleicht auch der Elan der Liebenden, derlei Elemente sorgen immer für allerhand Unfug. Das wusste schon der alte Shakespeare.
Nachdem die Auseinandersetzung mit der Inquisition bisher die Handlung beherrschte, findet nun eine Richtungsänderung statt. Der Graf und seine Gefährten fliehen nicht mehr, sie suchen nach einer Lösung. Doch Stalner ist weit davon entfernt, diese Suche für seine Figuren zu einem Spaziergang werden zu lassen. Man könnte spekulieren, ob er sich bei den Szenen und der Umgebung des versteckten Dorfes in den Sümpfen von Cajuns hat inspirieren lassen. In einer derart abgelegenen Gegend ist ein freundlicher Empfang stets Misstrauen erweckend (seltsam eigentlich). Wer jedoch gleich vermutet, diese Begegnung ist nur die Vorstufe für die nächste Action, der täuscht sich. Es ist die Vorvorstufe, denn Stalner ist immer für eine Überraschung gut.
Grafisch legt sich Eric Stalner einmal mehr mächtig ins Zeug. Es geht hinaus in eine ungebändigte Landschaft und Natur. Diese hat sich manche zivilisierte Behausung (wie den einstigen Wohnsitz des Grafen) zurückerobert oder aber die Menschen gezwungen, sich mit ihr zu arrangieren (wie das Dorf in den Sümpfen). Hier wimmelt es mittels der sehr feinen Striche von Stalner von Einzelheiten. Stalner, Autor und Zeichner in Personalunion, gestaltet eine verwunschene Landschaft, die mit all ihren Kreaturen (und sonstigen Bewohnern) zum Feind wird. Die Unwirklichkeit der Atmosphäre, die bewusst so eingesetzt ist, da sie auch von den handelnden Charakteren, wahrgenommen wird.
Vom Tage geht es hinaus in die Nacht, in das dunkle Blau und den Flammenschein eines Lagerfeuers und hinüber ins Unwetter und die Düsternis des Sumpfes. Die Farbgebung durch Jean-Jacques Chagnaud gibt sehr gut die jeweilige Grundstimmung der einzelnen Sequenzen wieder. Bis am Ende …
Die Atmosphäre der Handlung verändert sich. Sie wird düsterer: War es bisher Mittelalter gemischt mit Vampirismus, wird es nun phantastischer, unheimlicher. Nachdem eine neue Handlungsrichtung eingeschlagen worden ist, kann in den beiden letzten Bänden alles Mögliche geschehen. Sehr gut. 🙂
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